Vorwort. Unser Jahrhundert darf nicht schließen, ohne daß eine wirkliche eingehende Kennt- nis des Volkes in den weitesten Kreisen wenigstens angebahnt wäre. Elard Hugo Meyer, deutsche Volkskunde 1898. Die deutsche Volkskunde ist die jüngste der Wissen- schaften und in ihrer Art einzig. Denn sie bedarf der helfenden Teilnahme aller Stände. Indem sie sich zur Aufgabe stellt, von dem gesamten äußeren und inneren Leben des Volkes ein Bild zu gewinnen, die geschichtliche Ent- wickelung dieses Volkstums zu erforschen und darüber hinaus bis zur Erkenntnis der Volksseele vorzudringen, kann sie die Fülle des Stoffes, den sie verarbeiten will, unmöglich allein zusammenbringen. Den Fachgelehrten müssen Ungelehrte unterstützen, und überall in Deutschland haben sich Vereine für Volkskunde gebildet, die rege bei der Arbeit sind und alles zu sammeln streben, was sich an Volkstümlichem noch auffinden läßt. Leider schwindet es ja von Tag zu Tage. Die Hochflut der gleichmachenden Kultur schwemmt ein Stück nach dem andern hinweg. Insofern nun die Volkskunde jene Arbeit des Sammelns leistet, erfüllt sie eine nationale Aufgabe. Insofern sie den gesammelten Stoff dann verarbeitet und den Nachweis führt, wie tief die Gegenwart in der Vergangenheit wurzelt, wieviel Altes im Neuen und wieviel Neues im Alten steckt, ist sie eine historische Wissenschaft. Nun wächst aber offenbar mit der Erkenntnis des Volkstums auch die Liebe zu ihm. a*