IV. Präsidium. Art. 17. 329 III. Die staatsrechtliche Stellung des Reichstags nach der Übermittelung der Vorlagen. Der Reichstag muß über Gesetzesvorlagen des Bundesrats gemäß 8 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung einen materiellen Beschluß fassen; er muß fie also — mit oder ohne Abänderungen — annehmen oder ablehnen und darf nicht über fie zur Tagesordnung gehen; dies gilt nach Art. 16 für alle „er- forderlichen“ Vorlagen des Bundesrats. Welche Vorlagen erforderlich sind, hängt lediglich von dem freien Ermessen des Bundesrats ab. Der Reichstag muß sich die Vertretung der Vorlagen durch Mitglieder des Bundesrats oder durch besondere vom Bundesrat zu ernennende Kom- missarien gefallen lassen. Diese Bestimmung wird ergänzt durch Art. 9 R.V., wonach jedes Mitglied des Bundesrats auf sein Verlangen im Reichstage jederzeit gehört werden muß und dabei sowohl für wie gegen die Vorlage sprechen kann. Nach der Geschäftsordnung gilt diese Bestimmung auch für die Kommissare. Die Mitglieder des Bundesrats und die Kommissare können selbtt nach Schluß der Debatte das Wort verlangen. Hierdurch gilt die Debatte als wieder eröffnet. Der Kreis der Personen, aus dem die Kom- missarien auszuwählen find, ist nicht bestimmt. Die Reichsverfassung läßt in dieser Beziehung dem Bundesrat völlige Freiheit. Der Reichstag kann es nicht verhindern, daß in jedem Stadium seiner Beratung die Vorlage von den Verbündeten Regierungen zurückgezogen wird. Der Reichstag darf aber, da er ebenso wie der Bundesrat das Recht zur Initiative in Angelegenheiten der Gesetzgebung hat, dann einen der zurück- genommenen Vorlage inhaltlich gleichstehenden Initiativantrag an die Ver- bündeten Regierungen richten. Die Beschlüsse des Reichstags werden eben- falls durch den Reichskanzler — natürlich nicht im Namen des Kaisers — an den Bundesrat gebracht. Diese Funktion des Reichskanzlers beruht auf keiner positiven Bestimmung der Reichsverfassung, aber der Reichskanzler ist als Verwaltungschef des Reichs das einzige für dieses Geschäft in Betracht kommende Organ. Alsdann ist es Sache des Bundesrats, über den Initiativ- antrag des Reichstags Beschluß zu fassen. Übrigens ergibt sich aus Art. 16 auch, daß der Reichstag keinen An- spruch darauf hat, daß die Reichsverwaltung Gesetzentwürfe ihm vor dem Bundesrate vorlegt. Vielmehr ist das entgegengesetzte Verfahren im Art. 16 vorausgesetzt. Artikel 17. Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung der Reichs- gesetze und die Überwachung der Ausführung derselben zu. Die Anord- nungen und Verfügungen des Kaisers werden im Namen des Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. I. Zur Vorgeschichte des Art. 17. II. Die staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers. III. Die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers: a) für die Leitung der Geschäfte im Reich. b) insbesondere für die Vertretung des Reichs nach außen und im Innern.