VII. Eisenbahnwesen. Art. 47. 543 Die Bahnverwaltungen sollen nicht gezwungen werden mit positivem Schaden die Beförderung zu übernehmen. Da die Selbstkosten sich schwer berechnen lassen, soll das Maß aus der Erfahrung genommen werden, welche die Bahnverwaltungen mit ihren bisherigen Sätzen gemacht haben, und man ist danon ausgegangen, daß die Bahnverwaltungen mit ihrem Rohprodukten- Tarif schon soweit herabgegangen find, als es ihnen möglich ist; vgl. Reichs- tagssitzung v. 1. April 1867 St.B. 505. Für den Begriff des Notstandes ist durch die Erwähnung der Teuerung von Lebensmitteln das wichtigste Bei- spiel gegeben. Auch eine Futternot kann ein Notstand sein. Als i. J. 1897 die Petroleumpreise unter dem Einfluß der Standard Oil Company ungewöhn- lich stiegen, wurde für die Einfuhr russischen Petroleums auf den preußischen Staatsbahnen der billigste Ausnahmetarif gewährt; vgl. Reichstagsfitzung v. 10. Dez. 1897 St. B. 126. Mangels einer besonderen Bestimmung der Verfassung ist anzunehmen, daß der Notstandstarif auf demselben Wege außer Kraft gesetzt wird, auf dem die Anordnung zustande gekommen ist. Die Anordnung ist an die Bahnverwaltungen gerichtet und ihre Durchführung ist nötigenfalls von den Landesregierungen zu erzwingen. II. Das bayrische Reservat. Das bayrische Reservat begründete Präfident Delbrück in der Reichstags- sitzung v. 5. Dez. 1870 St. B. 70 damit, daß Bayern ein geschlossenes Staatsbahngebiet, neben dem nur eine einzige Privatbahn bestehe, damals schon besessen und deshalb für die administrativen Vorschriften, die den Inhalt des VII. Abschnitts zum größten Teil bilden, habe freie Hand be- halten wollen. Sollten aber die im Art. 42—46 Abs. 2 bezeichneten Gebiete des Eisenbahnwesens einmal nicht mehr durch Verordnung, sondern gemäß Art. 4 Ziff. 8 im Wege der Reichsgesetzgebung geregelt werden, so bleibt Bayern nichtsdestoweniger auch von dieser Gesetzgebung ausgenommen, weil das Reservat im Art. 4 Ziff. 8 ebenfalls ausgesprochen ist. Das Reservat bezieht sich nicht auf Art. 41, 46 Abs. 3 und 47. Soweit Bayern nicht beteiligt ist, können die im Art. 46 Abs. 3 gegebenen Vorschriften gemäß Art. 42, 43 auch durch Verordnung erlassen werden. Nur wenn und soweit Bayern einbezogen werden soll, ist ein Gesetz notwendig. Die für Bayern aufgestellten Normen dürfen inhaltlich nicht von denen, die für das übrige Reichsgebiet gelten, abweichen, weil sonst nicht mehr die im Art. 46 Abf. 3 vorausgesetzte „Einheitlichkeit“ gewahrt wäre. Artikel 47. Den Anforderungen der Behörden des Reichs in betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Verteidigung Deutschlands haben sämtliche Eisenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist das Militär und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern. Die Anforderungen können nicht nur im Kriegsfall oder im Fall der Mobilmachung, sondern auch in Friedenszeiten erhoben werden; es ist nur notwendig, daß die Anforderungen „zum Zweck der Verteidigung Deutsch- lands“ geschehen und für diesen Zweck genügt jedes militärische Intereffe;