Unentbehrlichkeit der Parteien. 17 das Frauenstimmrecht lehnte er vorläufig ab: Die plötzliche Vermehrung der Zahl der Wähler, wenn man auch die Frauen zulasse, würde gar zu groß sein. Weder von England noch von Italien wird man leugnen wollen, daß sie Regierungen haben — und seit langer Zeit haben —, die sich mit dem Volkswillen im wesentlichen im Einklang gehalten haben. Der Gang der Geschichte hat es bewiesen. Aber ebenso ist uns jetzt bewiesen, daß dieser Begriff eines Volkswillens von der Forderung der Majorität der erwachsenen Männer sehr weit abliegt, ja, gar nichts mit ihm zu tun haben braucht. Die Erfahrung der Jahrtausende lehrt, daß die un-                      Unentbehrlichkeit geheure Mehrzahl der Menschen am Staate nicht so viel          der  Parteten. Anteil nimmt, um ganz aus eigenem Antrieb sich eine Meinung über Personen- oder Gesetzesvorlagen zu bilden und demgemäß abzustimmen*). Um größere Mengen in poli- tische Bewegung zu bringen, bedarf es eines Mittelgliedes zwischen dem Staat und den Einzelnen, das ist die Partei. Die Parteien bringen die Wahl zustande, indem sie die Einzelnen mit Ansichten erfüllen und zur Abstimmung führen. Der Kraftunterschied zwischen den Parteien ist meistens nicht sehr groß; die Entscheidung liegt in dem oft nur kleinen Vorsprung, den die eine Partei vor der anderen gewinnt, und dieser Vorsprung hängt ab von der Organi- sation, der Agitation, den Geldmitteln, die von beiden Seiten *) In dem mir erst nachträglich bekannt gewordenen Buch „Human nature in politics“ von Graham Wallas (London, Constable & Co. 1910) S. 232 wird die Ansicht vertreten, daß selbst in einem Lande so alter politischer Erziehung wie England keine Grafschaft existiere, in der die Zahl der tatsächlich in der Politik tätigen Personen auch nur 10% der Wählerschaft erreiche. Dies Buch ist von hohem Wert für alle politische Psychologie. Von deutschen Verhältnissen hat der Verf. freilich recht wunderliche Vorstellungen.