Gesetssammlung
Fürstlich Reußischen Fande
ZJüngerer Linie.
Dreizehnter Band.
1862—1863.
–– ——
Inhaltsverzeichniß
zu dem
dreizehnten Bande der Hesetzsammlung
für die
Fürstlich Reußischen Lande J. L.
□n chronologischer Ordnung.)
Datum .
« Inhalt.
der des
Ausgabe. Selrte:
Nummer
Stücks.
Seite.
1
26. di 6. 5 — Verordnung, die Vergütung der
Siener für k16 gihetn Rübenzucker, die
Bestenerung des Zuckers aus getrockneten
Rüben und die Verzollung des ausländischen
Zuckers und Syrops betr.
„ 15. August. me die iwffirn der
erordunng vom 6. Juli 1861 über di
zeanen * Eieuer fuͤr Frrlürin Rü-
engucker # ir.
Negierungsbekanmmachung, das Verhiltußt des
feschischen Maaßes zum Preußi-
en
„ 18. Sept. siwesben werihtteomacht, die Instruk.
1 für die Grund= und Uotbeken.
bbe r beir
II. Noremb. Minsteriulrrlkerin, die mit Balern- wege u ½
le erbleibender K#enenhattunn „
„ 2. August.
1862. get offene Vereinba rung. beir
„ 14. Febrnar. IB den Vekeri#n put
geicneinkunt painchet kder Kön iglich Preu-
in Regierung und dem Schwei-
essshen Bundesrathe wegen gegen-
eititzer Vefreiung von der Gewer-
bestener betr.
S Ortober. April. Laudesberrliche 1aceecmn, die obere Staats.
« verwaltung bei
„ » 23. April. cna. P zwischen den
—
Handelovereino lchen und dem Frei-
staate Paraguay andererseits abgeschlosse-
es de en Zoll= und
T
Datum
der des
Ausgabe. Gesetzes.
Inhatkt.
1862. 1562.
8. Oltober. 5. Juni.
ô
„ „ 6 August.
24. Dezemb.)10. Novemb.
„ 10. Novemb.
20. Novemb.
rm
„ 28. Novemb.
„ „ 10. Dezemb.
» „ 10. Dezemb.
1863.
1I4. Jannar.1 Dezemb.
» „ 3. Januar.
Ober
15. April. 23. Februar. Geset, „ ornfbng es al
Schif rtsvert etr.
Dergl. die fln dem gag, Kourna Neuß J. g.
und dem Groß 3 ogthum *u
Beim, sowie dem Herzogthum Sack-
sen= Altenburg ### MW.
lionen über die Militärpflichtigkeit
t S der ein wwetssche#lnzer.
Eao besitzenden Personenbetr
Landesherrliche Verordnung, die Kompetenz:
Verfahren in Injuriensa-
nochchen, „Nrcroimn zu *.3 17 und 2 der Mi-
nisteria alVerordnung vom 11. August 1856,
betr. die Entrichtung der Pers (onal=
sellen durch lhre
Ministertalverordnung, die Bestrafung der
ührung unrichtigen Gewichts betr.
Geseh über #. sobsidiarische, Haserstich.
iue heretung. der Gesetze üb
ekte Steu
— die Ucherreinkiunst mit
regierun wegen egenseitigen
Schubes E e,efs
r.
Gesetz über die Verbludilcteit zur Anwen-
ung gestempelter Alkoholometer
Ministcrialverordnung, die Ausfährung des Ge-
setzes über die Verbindlichkeit zur
Aend gestempelter Altobolo
schull
Eere uchen Ordnung des Gesammt-
abetlationg gerichtogn Zenaber.
Geattnn
chen Ha#ndebsgeepuchen
„ „ 28. Mäcz. Mindneunlien diea Ausführung **
gemeinen deutschen Handels. Ge-
sepbuchs und des % vom 23. Ze
1863 die Einführung des allgemei-
ben deutschen Handels.= Gesehbuchs
eir.
2)
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nigl. Württembergischen Staats.
uandesberd,e, rr## den Nachtrag zur "
nen Fennschafto Handelé undX
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Nummer
Seite.
Stücks.
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— 259.
Datum Nummer
Inhalt. Seite.
der des Stücks.
Ausgabe. esetzes.
196. 1863.
15. April. 28. März- Shartalfenstatut 232. 289.
„ „ . Mätz. Get zum Schutz d er Tei legraphenlinien — 296.
,, „ 30. März. Gesetz, das Verbot 5%%“ Aehrenlesens betr. — 298.
22. April. 11. April. Gewerbeordnung 333. 299.
„uII. April. Gesetz, die für den Wegfali# Innungemäbi= « J
er Verb Spictungerechte zu leistende I
· tschädigung . - 329.
„„ I1. April. Gesehz# seiten Nachtrag zu der revidirten 1
I fendenrhn vom 10. Dezember 1. ,
« » ls ’234. 335.
G. Mai. 27. April. A— den uit- dvem Groß-
DZ hrrzogthume Buen Weimr. el.
« nach,so1onIukstemhumcnI
ann l
. wegen Vuloliu .
,[e8. 16 hiesigen Fürstenthumes an l ,
« quppettqtloaseklch lu Eisenach 4 q
abgeschlossenen Vertrag 35 337.
nebst Anhang. s
20.MatiZSJleticGefehtsbckdteOrganisationversule 236. 363.
» „ 28. April. Landesherrliche Berordmug die Kublitatlon si
der Strafprozeß-Ordnung nebst
bhrenreren tr deren # inführung 1
...... — 367.
-1 Earasckermnun)“ ...·. 370.
(Gebührentaxe) — 4411.
« ,,;28.ApkilGeses udck Iustandigteit der Gerichte 5l
un er den Znstanenzus in bür. Z
zednce Rechtsstreikigkeiten, sowie 1 E
rücksichtlich der freiwilligen Gerichts- C 1
. Hirko und des Vormunoschaftswe- 1 "1 1
· '-s-;407.
« „28. Avril. Geseh l ber aznagieinipien 9 dem «’
«- - Gesetz vom 28. 1863 die Zu.
ständigkeit ver r 65 ond über
"er Iuitaneufng in bürgerlichen
· Rechtostreitigkeiten betr. 1 — 6502.
» »428.Aptsil 2 ute die Aufhebung des besreiten b
1 standes — 504.
„ „ 328. April. Segts ⅛ alustebn des Kousistortums 1.
. und der geistlichen Insbektlonsän= »
- er e .’ — 505.
„ 28. Aprll. est, die Ein führung freier Gerichts- J
tage beir.. — 5066.
„ 1 2. April. Gese veren brichno von Zriedeuoge ·
i richte — 508.
Bemerkung.
Die Seiten 490 und 500 dieses dreizehnten Bandes der Gesetzsammlung
sind wegen einer Auslassung und eines Druckfehlers umgedruckt worden.
Das umgedruckte Blatt ist auf Seite 490 mit der Bogenzahl
70 Verb.
bezeichnet und wird mit diesem Inhaltsverzeichniß ausgegeben.
Druckfehlerberichtigung.
Auf Seite 380 dieses Bandes Zeile 3 und 7 von Oben muß es anstalt auszubändigen
„auszuhängen“
beißen.
Gesetzsammlung
für die
Fürstlich Reußischen Lande jungerer Linie.
No. 226.
1) Verordnung, die Vergülung der Steuer für ausgeführten Rübenzucker, die Besteuerung des Jucers
aus getrockneten Rüben und die esteke det Aaueländichen Zuckers und Syrops beir
(Put#lzirt in Nr. 29 des Amts- und Veromuungsblattes vem Jahre 1801.)
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün.
gerer Linte regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein 2c. 2c.
verordnen auf dem Giunde der von den Reglerungen der zum deutschen Zollverein ge-
börenden Staaten am 25. April d. Is. abgeschlossenen Ueberelnkunft wegen Vergütung
der Steuer für ausgeführten Rübenzucker, Bestenerung des Zuckers aus getrockneten
Rüben und Verzollung des ausländischen Zuckers und Syrops, mit Vorbehalt der spä-
tern verfassungsmäßigen Berathung mit dem Landtage:
8. 1.
Fuͤr Robhzucker und Farin, sowie für Brod-, Hut- und Kandio-Zucker, nicht min-
der fuͤr gesioßenen (gemahlenen) Brod= und Hut-Zucker soll, wenn deren Ausfuhr über
die Jollvereinsgrenze oder deren Niederlegung in eine öffentliche Niederlage erfolgt, vom 1.
Septbr. 1861 ab elne der Rübenzuckersteuer entsprechende Vergütung gewährt werden, in-
sofern nicht die höhere Zoll-Vergütung für raffinirten ausländischen Zucker einmin.
8. 2.
Die näheren Bestimmungen über die Bedingungen und über die Höhe dieser
Vergütung sind durch Unser Ministerlum zu ertheilen.
8. 3.
Bei der Erhebung der Steuer fuͤr die Bereitung von Zucker aus geiroccnelen
Ausgegeben den 26. Mirz 1862.
(Gedörrien) Rüben werden auf jeden Centner gekrockneter Rüben nicht mehr fünf und
ein Halber, sondern nur fünf Centner rohe Rüben gerechnet.
8. 4.
Vom 1. September 1861 ab beträgt bis auf Weiteres der Elugangszoll von aus-
ländischem.
1) Zucker.
5. Brod-, Hut-, Kandis., Bruch-
oder Lumpen= und weißem
gestoßenen Zudcer.
. Rohzucer und Farin.
sobiue ehl.) ð
Rohzucker sür iuländische Sie-
dereien zum Rassiniren unter
den besonders vorzuschreiben-
benn Dedindungen und Kon-
2) Syro
1 en on Zucker, welche
als 1 bei der Revision
bestimmt erkannt wwerden, un-
terliegen dem vorstebend la
hchuhrien Eingangsgolle für
Urkundlich haben Wir
t.S.)
Maßstab Eingangsab-
er Cabe.
Verzollung.
Tölr.]Sar. 3l. J r.
1 Centner00 650
1 Centner 6— 30
1 Centner 4½ 26/.
1 Centner2 5
Für Tara wird vergütet vom
Ceniner Brukkogewicht.
Nn
U
14 in Fässern mit Dauben von Ei-
chen- und anderem barien holz-.
10 in anderen Hässern
13 in Kisten.
7 in Körben.
13 m Fässern ult Dauden von El-
cheu- und anderem barten galle.
10 in anderen Fässern
n von " Centnern
un ·
13 in Kisten unter 8 Centnern.
10 ——— rriesse Uohrge=
(Canassers, Cransaos.)
7 in andern Korben.
41 in Fässern.
diese Verordnung höchstelgenhändlg vollzogen uud Unser
Fürstliches Insiegel derselben beidrucken lassen.
Wildbad Gastein, den 6. Juli 1861.
Heinrich LXVII.
v. Geldern.
3
2) Bekauntmachung, dle Ausfübrung der Verordnung vom 6. Juli 1861 über die Vergotung der
Steuer für ausgeführten Rübenzucker 2c. beir. vom 15. August 1861.
(wubl#jsirt in Nr. 34 dem Amts- und Verernungstlaltes vrem Jahre 1861.)
Nach Vorschrift der §§. 1 und 2 der Verordnung wegen Vergütung der Steuer
für ausgeführten Rübenzucker, u. s. w. vom 6. Juli 1861 soll vom 1. September 1861
ab für Zucker, dessen Ausfuhr über die Zollvereins-Grenze oder dessen Nlederlegung in
eine öffentliche Niederlage unter Innehaltung der dafür vorzuschrelbenden Bedingungen
erfolgt, eine der Rübenzuckersteuer entsprechende Vergütung gewährt werden, insofern nicht
die höhere Zollvergütung für raffintrten ausländischen Zucker eintritt.
Zur Auslührung dieser Vorschrift wird Folgendes angeordnet:
1) Die der Rübenzuckerstener entsprechende Vergütung wird vom 1. September 1861
ob bis auf. Weiteres für Rohzucker und Farin mit 2 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf. und für
Brod-, Hut- und Kandis-Zucker mit 3 Thlr. 10 Sgr. — vom Centner gewährt.
Biuch= und Lumpenzucker sind dem Rohzucker und Farin gleich zu behandeln.
Für gesloßenen (gemahlenen). Brod= und Hutzucker wird die Vergütung mit 3 Thlr.
10 Sgr. für den Centner gewährt, wenn die Zerklelnerung des Zuckers mit Innebehalt-
ung der dieserhalb vorzuschreibenden Bedingungen unter Aussicht von Steuerbeamten be-
wirkt worden ist, wogegen, sofemm dies nicht geschehen ist, die Vergütung von 2 Thlr.
22 Sgr. 6 f. für den Ceniner zur Anwendung kommt.
2) Die Vergütung kann nur eintreten, wenn Rohzucker und Farin, so wie dic der
gleichen Behandlung mit dem Rohzucker und Farin unterliegenden Zuckerarten in Mengen
von mindestens 30 Centnern Brod-, Hut= und Kandiszucker aber in Mengen von 10
Centnern über die Zellvereinsgrenze ausgeführt eder in eine öffentliche Niederlage auf-
genommen werden.
3) Die Steuervergütung wird dem Versender gewährt. Ein Nachweis über den
Ursprung und die Versieucrung des Zuckers ist ulcht erforderlich.
Demgemäß kann der für Brod-, Hut= und Kandiszucker, sowie für gesioßenen (ge-
mahlenen) Brod= und Hutzucker bewilligte Vergütungsbetrag auch für dergleichen Fabrikate
aus ausländischem Zucker gewährt werden, wenn der Exportant die besonderen Beding-
ungen nicht erfüllt, an welche der Empfang des ausschliehlich für Rohzucker-Nassinade
bestehenden höhern Vergütungssahes geknüpst ist, und eben so kann die Vergütung für
Nohzucker und Farin auch für dergleichen aus dem Auslande eingesührten Zucker ge-
zahlt werden.
4) Wer Zucker mit dem Anfpruche auf die der Nübenguckersteuer entsprechende
Steuervergütung ausführen oder zur Niederlage bringen will, hat einem zur Abkertigung
besugten Amte (k. h. einem solchen, welches enkweder dle Besugniß zur Ausfertigung von
1
—
—
4
Begleltscheinen I. besitzt, oder vie betreffende Ermächilgung besonders ertheilt erhallen hat)
eine, nach dem vorgeschriebenen Muster (I.) ausgeslellte schristliche Anmeldung in einfacher
Ausfertigung vorzulegen, welche Gattung und Menge des Zuckers, sowie die Verpack-
ungsart und Bezeichuung der Kolli angiebt und dasjenige Amt benennt, über welches
die Ausfuhr, oder bei welchem die Niederlegung bewirkt werden soll Mit dieser An-
meldung ist der Zucker zur Abfertigung vorzuführen, deren Schluß die Bescheinlgung
der Ausfuhr oder Niederlegung bildet.
5) Ist diese Bescheinigung (Nr. 4) nicht von demjenigen Amte, welchem die An-
meldung zuerst vorgelegt worden ist, zu ertheilen, so gelangt die bescheinlgte Anmeldung
doch an dieses Amt zurück.
6) Von den Ausfertigungsämtern werden nach dem Ablaufe jedes Monats Steuer-
vergütungs = Liguidationen über den im Laufe desselben als ausgeführt nachgewiesenen
Zucker ausgestellt und mit den bescheinigten Anmeldungen dem General-Inspector des
Thüringischen Zoll, und Handelsvereins vorgelegt.
7) Der General-Inspector hat zu vergütenden Beträge festzustellen und entweder
deren Aurechnung auf kreditirte Rübenzuckersteuer zu versügen, sowelt dies geschen kann,
r oder darüber Anerkenntnisse auszufertigen, welche auf jeden Juhaber lauten (Muster II.
Diese Anerkenntnisse können auf die zu entrichtende Rübenzuckersteuer bei Hebestellen
des darin genannten Staates, welche dergleichen zu empfangen haben, in Zahlung gege-
ben oder es kann die baare Zahlung des Betrages nach Ablauf der in den Anerkennt--
nissen bezeichneten Frist bel der darin genannten Kasse in Empfang genommen werden.
uge Anerkenntuisse werden nur gerade zu dem Betrage, auf welchen sie lauten, in
Jahlung genommen oder baar eingelöst und es ist nicht zulässig, die Abtragung einer
geringeren Summe darauf in Abschreibung zu bringen.
Wenn die in ein Anerkenntniß übernommenen Vergütungsbeträge nicht innerhalt.
der in dem Anerkenntnisse bezeichneten Frist durch Anrechnung auf Rübenzuckersteuer oder
baare Hebung in Empfang genommen werden, so verfallen die Beträge dem Zollvereine
und es erlischt der Anspruch auf dieselben.
8) Wenn für Zucker eine Steuervergütung in Folge der Aufnahme desselben in
eine öffentliche Niederlage gewährt worden ist, so kann der. Zucker aus der Niederlage
zum Verbrauche im Inlande nur gegen Entrichtung der vollen tarismäßigen Eingangs-
Abgabe entnommen werden.
Gera, am 15. August 1861.
Fürstlich Reuß-Pl. Ministerium.
· v. Geldern.
Muͤnch.
. (es Abfertigungs· Reglsters).
Unterzeichneter meldet hiermit dem Fürsll. Heuss-Pl. Steuer-Amte zu Gen, daß
er beabsschilget, den nach Gattung, Menge und Kollizahl nachstehend declarlrten
Zucker
auszuführen,
niederzulegen,
bei dem
ber das
.... Amt zu .. ..
und trägt darauf an, ihm nach erfolgter 3
millelst der Eisenbahn nach Mecklenburg
Ausführ#
Niederlegung un auf
Grund der desfallsigen Bescheinigung die angeordnete Steuervergülung zu gewähren.
Angabe der Versender· NMevistons. Vefund des Abfertigungdaintea·
« Bemctlanqm
Der einzelnen Kelli q% Der einzelnen Kolli r amenuucch üter:
*––□[öq – — · —ÔÒ — v g 1#½“
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Lotl anf Nuie Gewicht. des gahl Gewicht. I des * ! u ur
0 r on r*2½ Zuckers Und —ukers. — witt
vackung.lex. ham Netto. — Neue. 2) Anl t—u *-
1 (##r Abn. . Pir. Gitr pte. 4% DPsd.
1. 2 Fässer. Kl. 14 D 12. 4 « Irqu 1. 12 I. Der Zucker in
c „Brodd l Brod den Fäescmm zu
4i 13 50 1174 1 Zueker 13 ½ I0 gucker, 1 bofand eiel
Summal 23|76 Sumucdhl, 2368. in Umschlies-
« (ab 2½ % ) (ab 2 ½½%) sung von Pa-
ä— 5 6% Pier und Bind.=
: 1 den.
2. 1 Kiste Ad. 12 s50 11 gestos- il kiste 12 0 ½ * 2. Der Gũterwa-
# I I seck zener en ist ver-
I Brol. FHUrod.Shlossen.
# I ' .iIlZmä"
Lalennn 18 ½% 2½ Ueberhau 34-3 %
. 6 n # 1 olli
I Vier und dreissig Centner
1I acht necbt- Psimd.
« zelmtel
Gera, den 18. Februar 1862. Die Nichtigkeit vorstehender Ermit-
N. N beiungen bescheinigen geb
" en 18. Februar 1862.
(Unterschrift des Ausstellers.
in stelers) e Nevisions-Beamten.
(Ie nachdem die nmelhun zur Ausfuhr oder zur Niederleguug erfolgt, sind, im ersteren Falle die
unter der Linie, im letzteren Falle die über der Linie stehenden Worte zu durchstreichen.)
6
Die umslehend bezeichneten Vier und reissig Cenkner acht Pfund Zucker
in wei Fässern und einer Kiste sind in den Eisenbahngülerwagen Nr. 811 verladen,
welcher heut Nachmittag fünl Uhr mit zwei Schlössern Ser. lünk und peunzig verschlos-
sen der Eisenbahnverwaltung. zur Vorführung bei dem königlichen Neben-Zollamt I. zu
Weudisch-Warnow übergeben worden ist.
Gera, den 18. Februar 1862.
« FütstlichNettßsPLSteucrami.
(Stenipel.) (Unterschrift.)
Der oben bezeichnete Güterwagen ist am neunzehnten Februar 1862 Nachmillags
ein Uhr hier eingetroffen und nach Abnahme des unverletzten Verschlusses gieichzeitig über
die Grenze ausgegangen.
W'endisch-W'’arnow, den 19. Februar 1867.
Königliches Neben--Zollamt I.
(Stempel.) (Unierschriften.)
Auf Grund vorslehenden Ausgangs-Attesis wird nunmehr bescheinigt, daß die um-
.. .. t
stehend bezeichneten Vier und dreissig Centner acht alimlel- Pfund Zucker über die
Grenze in das Ausland geführk worden sind.
Cern, den 23. Februar 1862.
Färstlich Neuß-Pl. Steueramt.
(Stempel.) (Unterschrift.)
(Die Vescheinigungen über die Ausfuhr und Niederlegung sind nach den Umständen zu erlhellen, und
nur für einzelne Fälle beispielsweise vorstehend angedeutet.)
Il.
Ar. Anerkenutniß
über
1. 13 Tblr. 19 Sgr.
Steuervergltung für ausgeführten Zucker.
Für Vier und dreissig Centner Acht und Acht Zelintel Pfund Brod-Zucker, welche
für N. N. zu Gera am 19. Febr. 1862 (642) mittclst der Eisenbahn nach
Mecklenburg ausgeführt worden sind, beträgt die Steuervergütung Einhundert dreizelm
Thaler Neunzehn Sübergr
Dieselbe kann in dem vangedan Betrage von jedem Inhaber dieses Anerkennt-
nisses entweder durch Angabe des letzteren bei Hebestellen des Fürstenthums Reuß jüngerer
Linie auf zu entrichtende Rübenzuckersteuer, oder vom 15, des Monats Mai 1862 an
baar bei dem Fürsil. Steueramt zu Gera erhoben werden. Jedoch findet die Annahme
des Anerkennknisses, sei es in Anrechnung auf verschuldete Rübenzuckersicuer, oder zum
Empfang baarer Zahlung, überhaupt nur bis zum 1. März 1863 Statt.
Erfurt, den 12. März 1862.
Fürstlich Neuß.Plauischer und der übrigen Staaten des Thüringischen
Joll, und Handels-Vereines Generalinspektor.
Nr. 5
(Die elngeklammerte Stelle Ger
dle Abserligung des Juckers zur Ausfahr oder Niederlegung Statt gefunden hat.)
weist auf das betreffende Register des Amtes hin, bei welchem
6
3) Bekanntmachung, das Verhältnih des Sächsischen Maaßes zum Preuhischen betr. vom 28. Aug. 1861.
(Purilzitt in Nr. 35 des Amté, und erordnungetlattes rom Jahre 1801.
Um erwaige Zweifel über das Verhäliniß des sächsischen Maßes, welches zufolge
unserer Verordnung vom 1. April 1859 bei allen der Approbatlon unterliegenden Bau-
rissen anzuwenden ist, zum Prcuhischen Maße, welches der Landesvermessung zu Grunde
liegl, zu beseiligen, werden nachstehende Angaben andurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
Gera, den 20. August 1861.
Fürstlich Reuß.Plauil. Regierung.
v. Geldern.
Münch.
Da die Länge des preußiss chen (cheinlaͤndischen) Fußes zu 139,13 pariser Linien, die
— sächsischen (Leipziger) Juhes dagegen zu 125),,8 parlser Linien angenommen
wird, so ist
1 Fuß 1,110318 sächs. Fuß,
uß — 0), nosor preuß. Fuß.
s.
Ebenso vhau 4 uach dle Ellen .
1 uthe(.1Ech),gg-m sachfRulhe(.xsElle-i)
1 W Ruhe „L00 r Vreuß. Ruthe,
preuß. □ Luß lannnos sächs. (—1 Juß,
rm- preuß. (1. Fuß
4 0,003525 sächs. □ Nbie,
sächs. uthe = 141% preuß. □I Ruthe.
Wo schon ein geringerer Grad von Oenaun#en hinreicht, oder blos kleinere Di-
mensi sonen in Bewacht kommen, können ahemingwess Gerechnet werden
10 sächs. Fuß = 9 preuß. Juß
10 sichs. Ruryen —- * Vhn
EIIII
43 sächs. RNuthen — 8 preuß. 9 Hiuthen.
4) Bekanntmachung des Uurb. iiwenennent, nie r-m für die Grund= und Hrvotbe-
(Pudlizut ". de kuchrer belr. " o ——— 33 u—uiie 1861.)
Für die nach §. 199 des Gesehes, die Grund= und Hypothekenbücher betreffend vom
20. November 1858 und nach F. ö4 der d.zu hehörigen Auoführungsverordnung bei
jeder Gerlchtsbehörde besonders zu verpslichtenden Hypotbekenbuchführer ist auf Höchsien
Boefehl Str. Durchloucht des reglerenden Fürsten eine Instruktion aufgestellt worden und
wind im Nachstchenden mit der Anweisung für die Behörden bekanunt gemacht, die er-
wählten Hypothekenbuchführer nach Anleilung F. 84 der gedachten Auoführungsverord-
nung darauf zu verweisen bezüglich zu verpflichten.
Gera, am 18. September 1861.
Fürstlich r* " Abpellationogericht.
er.
Dr. A. Mortag.
9
Instruktion
für die Grund= und Hypothekenbuchführer.
Von der Pflicht des Grund= und Sypothekenbuchführers im Allgemeinen.
8. 1
Die Dienstobliegenheit des Grund= und Hypothekenbuchführers besteht in der formel-
len Führung des Grund= und Hypothekenbuchs; er hat daher alle und jede Einschrei-
bungen in dasselbe zu verrichten und ef im vorschriftmäßigen Zustande zu erhalten (8§.199.
200 des Gesetes vom 20. November 1858).
Insbesondere bei der Uebertragung der Eutwürse in die Grund- und
Hypotbekenbücher.
Bei dem Eintragen des in das Hopothekenbuch einzuschreibenden Entwurfs hat der
Hypothekenbuchführer darauf zu sehrn, dah das ihm zugetheilte Popier gehörlg und mit
Möglichster Schonung verwendet werde
Im Allgemeinen sind (vgl. §. 54 der Ausführungsverordnung vom 22. November
1858) für Ein Folium wenigstens zwei Blatt, und von diesen die erste Seite für die
Rubrik der Sache, die zweite für die Besigerrubrik und die dritte und vierte Seite für
die Rubrik der Schulden zu bestimmen. Dagegen kann bei folchen Grundstücken, in
deren erster Rubrik künftig nur wenige oder keine Veränderungen einzutragen sein wer-
den G#. B. bei denen für Pertinenzstücke auswärtiger Güter) die II. Rubrik auf der
untern Hälfte der ersten Seite beginnen. Ferner wird der für die II. und III. Rubrik
offen zu haltende Raum für künftige Einträge in der Regel auf das Doppelte des Um-
fangs der Einträge im Emmwurfe bestimmt werden können. Inzwischen soll hiermit eine
für alle einzelnen Fälle geltende Norm nicht gegeben sein, sondern der Grund= und Hy-
pothekenbuchführer hat den erforderlichen Vapierbedarf je nach den besondern Verhältnissen,
namentlich mit Rücksicht darauf, ob der Inhalt eines Folii oder einer Rubrik zu mögli-
chen zahlreichen Nachträgen Anlaß gebe, ob in einem Orte die Besitz= und Pfandver=
haͤltnisse eineim häusigen Wechsel unterworfen find, und nach ähnlichen Umständen zu
ermessen.
Fortsetzung.
8. 3.
Bei der Berechnung und Eintheilung des Papiers zum Register (vergl. §. 169
des Gesehes vom 20. November 1858) ist dafür Sorge zu tragen, daß das Register
auf alle Zeit die gehörige Näumlichkeit erhalte, weshalb, je nach dem örtlichen Bedürf-
2
10
nisse, für manche Buchstaben mehr, für andere weniger Selten oder Blätter zu rechnen
sind. Uebrigens ist das Register in der Form des besonders gedruckten und mit dem
Papiere zu dem Hypothekenbuche an die Behörden ausgegebenen Schema zu führen, nach
welchem auf seder Blattseite 2 Columnen zur Ausfüllung angelegt sind.
8. 4.
Am Schlusse jeden Bandes sind fuͤr Fortsetzungen einzelner Folien und beziehendlich
Rubriken, wenn bel einem oder dem andern Folium wegen häufiger Einträge der speziell
vorbehaltene Raum vor der Zeit ausgehen sollte, eine Anzahl leerer Blätter aufzusparen,
welche jedoch nicht über 10 bloe 20 Blätter, je nach der gröhern oder geringern Zahl der
in dem Bande und beziehendlich dessen Abtheilungen befindlichen Grundstücksfolien, be-
tragen darf (S. 54 der Ausführ. V.-O. vom 22. November 1858.)
8. 5.
Ferner muß ermessen werden, ob
a. fuͤr eine Orischast die Anlegung mehrerer Bände, oder
b. für jeden Ort (Stadt oder Dorf) die Ausstellung eines Bandes
zweckmäßig sei (6. 154 d. Ges. vom 20. November 1858).
Für die Stärke eines Bandes lassen sich zwar bestimmte Regeln nicht aufstellen,
doch ist es zweckmäßig, daß Ein Band einschließlich des Registers nicht mehr als 125—
150 Bogen umfasse.
8. 6.
Nach der Art und Weise, in welcher die Aufstellung der Grund= und Hypotheken-
bücher nach §. 5 erfolgt ist, hat sich die Anlegung der Namenregister zu richten.
Besteht nämlich das Grund= und Hypothekenbuch einer Ortschaft aus mehreren
Bänden, so ist das Namenregister entweder hinter den lehzten, oder noch zweckmäßiger in
einen besondern Band zu bringen (Registerband). Ist für je eine Ortschaft ein Grund-
und Hypothekenbuch angelegt worden, so ist das Register am Schluß eines jedes anzu-
hängen.
S. 7.
Das nach vorstehenden §§. eingetheilte und für einen Band bestimmte Papler ist
unverweilt durch den Buchbinder dauerhaft in Leder mit Sprungrücken binden zu lassen.
Hierbel ist dem Buchbinder zur Pflicht zu machen, das Paxier nicht nach den Punktur-
löchern, sondern nach den Linien zu falzen, dasselbe ferner namentlich in der Breite so
wenig als möglich zu beschneiden, damit die Nummer= und Anmerkungsspalte den größt=
möglichsten Raum behalte.
11
8. 8.
Der Rücken des Bandes ist mit der Ausschrift „Grund= und Hypothekenbuch“, auch
mit dem Namen des Orts, und, wenn das Grund= und Hypothekenbuch in mehrere
Bände abgethellt ist, zur Unterschedung von den übrigen Bänden des nämlichen Grund-
und Hypothekenbuchs mit einer Ziffer oder einem Buchstaben zu versehen. In letzterem
Falle können zu mehrerer Bequemlichkeit auf dem Rücken jeden Bandes auch noch die
darin enthaltenen Grundbuchsnummern angegeben werden, z. B. num. 1— 100. In-
wendig erhält jeder Band ein Titelblatt; der darauf anzubringende Titel muh nächst dem
Namen des Orts und, bei Abtheilungen des Grund- und Hppothekenbuchs eines Orts
in mehrere Bände, der Zahl oder Litera des Bandes, die Benennung des Gerlchts ent-
balten. §. 48 d. A.-V. Vergl. das Schema unter A.
8. 9.
Auf ungebundenes Papier und vor Ablauf der Frist des nach §S. 232 des Gesetzes
vom 20. November 1658 erlassenen öffentlichen Aufrufs darf die Uebertragung des Ent-
wurfs nicht geschehen, sie ist aber nachher unverwellt zu beginnen.
8. 10.
Für die Form der Uebertragung und der künftigen Einträge gelten folgende Regeln:
A. Allgemeine Regeln.
. Der Buchführer hat pflichtmäßig darauf zu halten, daß zu den in die Grund-
und Hypothekenbücher zu bewirkenden Eintägen eine gute, schwarze, dauerhafte,
dem Verbleichen nicht unterworsene Dinte verwendet werde.
4 Der Grund= und Hypothekenbuchführer muß eine deutliche Handschrist haben und
die Einträge so schreiben, daß sie Jeder, dem die Einsicht eines Folügestattet
wird, ohne Beschwerde lesen könne. Daher darf die Schrift nicht zu klein und
der Raum zwischen den Zeilen nicht zu eng sein, wiewohl auch andrerseits Raum-
verschwendung durch eine zu große und weitläuftige Handschrift zu vermeiden ist.
. Die Linien, welche die Einträge von einander abschneiden (vergl. unten B. sub
e), dürfen nicht zu stark gezogen werden, damit dielelben auf der Rückseite nicht
durchleuchten.
Im Grund= und Gyppothekenbuche darf nichts ausgestrichen, nichts radirt
und kein Blatt eingelegt werden, auch sind Zwischenschriften zu vermeiden.
Sollte etwas im Grund= und Hypothekenbuche ausgestrichen worden sein, so
ist der solchenfalls nöthigen, vom Grund, und Bvpothekenbuchsuhrer zu bewerk-
*
c
K
*
S
*
12
stelligenden, rechtfertigenden Seitenbemerkung ihre Stelle in der Spalte der An.
merkungen zu geben; es wird indessen erwartet, daß die Grund= und Hypothe-
kenbuchführer alle Sorgfalt und Aufmerksamkeit anwenden werden, damtt die Ein-
zeichnungen in das Grund= und Hypothekenbuch fehlerfrel geschehen (5. 167 des
Gesepes, §. 53 der Ausf.-Verordn.)
Ein Unterstreichen von Summen oder Worten 2c. darf nicht Statt finden, da
solches das künftig bei Löschungen zu bewirkende Rothunterstreichen (vergl §. 16)
behindern würde.
Des Sandes darf der Buchführer bei Einschreibungen in das Grund= und Hy.
pothekenbuch zum Abtrocknen der Schrift sich nicht bedienen.
Sobald das Binden des Grund= und Hypothekenbuchs eines Orts beforgl, und
lebteres mit den erforderlichen Titeln versehen ist, werden die Seitenzahlen (nicht
Blattzahlen) und die Grundbuchsnummern eingetragen (§8. 155. 169. 171 des
Gesetzes).
B. Besondere Regeln für das Einschreiben der Folien.
Der Besipername ist in der II. Rubrik mit Kanzlei= oder anderer ausgezeichneter
Schrift zu schreiben (§. 62 u. d. Ausf.-Verordn.) Auher diesem darf nichto
weiter mit dergleichen Schrift geschrieben werden.
DOie Einträge sind in der I. II. III. Rubrik (mit den weiter unten sub 6 auf-
gestellten Ausnahmen) über die ganze Breite der miltleren Spalte zu schreiben.
Darüber hinaus darf aber nicht geschrieben werden.
:. Das Allegat der Urkunden schließt sich unmittelbar an die Schlußworte des Ein-
trags au. (Eine Ausnahme hiervon siehe sub .)
Das Citat der Acten, Kauf, Konsensbücher 2., worin sich die vorgedachten Urkun,
den befinden, ist stets an den Schluß des Eintrags und zwar auf eine besondere
Zeile zu bringen.
Jeder für sich bestehende Eintrag ist durch eine Querlinie über die ganze Breite
der Blaktseite von den nachfolgenden Einträgen abzusondern.
In der I. Rubrlk, beim ersten Eintrage, nach der Verordnung vom 26. Septem,
ber 1859 tst
bei Aufführung des mit rother Dinte zu schreibenden Katasterfolium,
bei Angabe der Eigenschaft des Grundstäcks,
bei Angabr von Berechtigungen, welche dem Grundstücke zustehen und
bei Aufzählung der Reallasten,
jedesmal eine neue Zeile zu beginnen, damit alle diese Einträge sich von einan-
der unterschelden.
18
Die jährlichen Beträge der Reallasten mogen mit Zisfern geschrieben werden.
8. In der Ill, Rubrik ist
1) wenn das Datum der Hypotbekenbestellung auf mehrere, durch vorgesetzte
Buchstaben von einander getrennte Forderungen sich bezieht (§. 71 d. A. V.),
sowohl dieses Datum am Anfange des Eintrags, als das Allegat der Ur.
kunden am Schlusse desselben auf eine besondere Zeile zu setzen, die einzelnen
Forderungen selbst aber sind um so viel, als der vorzusetzende kleine lateinische
Buchstabe beträgt, einzurücken.
Der erfolgte Widerspruch gegen einen Einrag (6 101 d. A. V.) und das
Citat der Akten, worin sich dieser befinder, ist auf eine besondere Zeile und
zwar etwas eingerückt zu schreiben, damit dieser Theil des Eintrags sich von
dem Gegenstande selbst, velchem widersprochen ist, unterscheide und besser in
die Augen falle.
Die bei einer Forderung enva vorkommenden und zum Eintrage gelangenden
Rebenbedingungen, z. B. „daß ein Grundstück ohne Vorwissen des Dar-
leihers nicht veräußert oder weiter vepfändet, werden darf“ (F. 64 d. A. V.)
tind ebenfalls von dem Haupteintrage dadurch abzuscheiden, daß sie auf einer
neuen Zeile, ein wenig eingerückl, eingetragen werden.
*
—
Geldsummen sind im Contexte der Einträge in der IlI. Rubrik (einschliehlich
der in den 14 Thalerfuß umzurechnenden Beträge) nicht mit Ziffern, sondern
mlt Buchstaben (5. 166 d. g. G.), in der dafür besimmmten Nebenspalte jedoch
(6. 51 a d. A. P.) mit Ziffern zu schreiben.
Bei Forderungen, die nicht in baarem Gelde bestehen, wie Naiuralauszüge, m-
Fleichen bel allen auf eine bereils eingetragene Forderung sich beziehenden Ein-
trägen, wird diese für die Geldsummen bestimmte Nebenspalte mit horizontalen
Srichen ausgefüllt (6. 65 d. A. V.) Dergleichen horigontale Striche in der
Zahlenspalte ünd auch dann anzubringen, wenn jährliche, nicht kapitalisirte Leist-
ungen in baarem Gelde, z. B. Leibrenten eingetragen werden.
Wenn eine Hauptsumme in einzelnen Belrägen Mehreren angewiesen unt, so
ist zwelerlei zu bemerken. Es können nämlich im Eintrage selbst, besonders bei
Umrechnungen in den 14 Thalerfuß, die Tbeilsummen mit Ziffern eingetragen
werden, sobald nur die Hauptsumme mit Buchstaben geschrieben ist; serner ist
in der Zlfferspalte nicht die Hauptsumme, sondern es sind nur die Theilsummen
zu wiederholen.
i. Der Raum zu den Linien der Zahlenspalte in der III. Rubrik ist von der miu-
len breitesten Spalte zu entnehmen . 51 a d. A. V.) und mit Thlr., Sgr.
M. zu überschreiben.
14
k. Die in der Nummerspalte anzubringenden auszeichnenden Worte, z. B. Audzug
Herberge, Ausstattung, Leibrente rc., eisern (§8. 67, 69 d. A. V.) sind unmit-
telbar unter die Hypothekennummern zu sehen, sofern sie aber, bei mehreren un-
ker einer und derselben Hypothekennummer in elnem und demselben Eintrag be-
grifsenen, durch vorgesetzte Buchstaben unterschtedenen Forderungen (l. o. sub g.
I.) nur auf eine einzelne, solchergestalt mit der Bezeichnung durch b. c. u. s. w.
eingetragene Forderung sich beziehen, so sind sie in gleicher Höhe mit den An-
fangsworten des betreffenden Eintrags anzubringen, ferner sind die in die Zah-
lenspalte einzurückenden Zisfern oder horizontalen Striche neben den Schluß-
worten des Eintrags einzuschreiben.
Damit für die künftig in der Anmerkungsspalte anzubringenden Vemerkungan,
z. B. Miwerpfändet, Vorzug, Nachgetreten, Gleichen Rang, Berfändet, Ueber-
wiesen, Cedirk, Abgeschrieben, Beschränkt, Gelöscht rc. (65. 69. 70. 72. 74 flg.
d. A. W.), welche leicht bei einer Forderung insgesammt nach und nach anzu-
merken sein können, gehöriger Raum verblelbe, hat der Grund= und Hypothe=
kenbuchführer darauf Rücksicht zu nehmen, daß jede derartige Randbemerkung so
boch wie möglich eingeschrieben wird, um möglichst viel Raum für erwaige spä-
kere Bemerkungen zu erhalten. Hierbel sind auch Abkürzungen zulässig, sobald
sie nur dem Leser verständlich sind, z. B. Hastet auch auf Nr. 16 d. G. u. H.
B. f. Bieblach.
Bei einem Eintrage, wo mehrere verschiedene, unter vorgesehzten Buchstaben
aufgeführte Forderungen zusammengefaßt sind (s. v. unter g. 1), ist bei jeder
Randbemerkung anzugeben, auf welche Forderungen sie sich bezteht, z. B.
ad a. b. c. Nachgetreten s.
ad d. Vorzug vor à. b. c. f. Nr. 2
ab b. Verpfändet s. Nr. 4.
ad a. und d. Cedirt s. Nr. 6.
Auch in diesem Falle find diese Anmerkungen so hoch wie möglich in der be-
treffenden Spalte einzutragen, und jede solgende Bemerkung, mag sie nun die
erlte oder letzte Post betreffen, unmittelbar an die vorherige anzuschließen.
Keineswegs sind also Bemerkungen, die sich auf die Forderung d. beziehen,
dieser parallel einzuschreiben, wvenn weiter oben noch Naut vorhanden ist, wie
denn auch nicht erwa elne Bemerkung, die sich gleichzeittg auf mehrere Posten
bezieht, mehrmals und zwar neben jeder einzelnen Post einzutragen ist, sondern,
wie oben angegeben worden, nur einmal, z. B.
ad a. b. c. Nachgetreten f. Nr. 2.
m. Bei mehrfachem Wiederkehren der Bemerkungen: „Abgeschrieben“ (bei welcher tlch—
15
teren die Summe, welche abgeschrieben worden, in der Anmerkung nicht zu ver-
lautbaren ist), „Vorzug vor Nr.“, „Nachgetreten s. Nr.“ „Beschränkt“, „Gleichen
Rang“, in Bezug auf eine und dieselbe Post, bedarf es nicht der Wiederholung
dieser Worte, sondern nur der Beisehung der neuen Ekderags. Nummer zu den
schon vorhandenen Auedrücken, z. B.
„Abgeschrieben s. Nr. 4. 6. S. 10. 15.
„Vorzug vor Nr. 5. s. Nr. 7, vor 2. s. Nr. 12.
„Gleichen Rang mit Nr. 7. s. Nr. 13, mit 5. s. Nr. 14.
8. 11.
So sehr an sich zu wünschen ist, daß das Einschreiben der Folien in das Grund-
und Hypothekenbuch ausschlleßlich von dem verpflichteten Grund= und Hypothekenbuch-
führer und von diesem durchgehends mit eigener Hand bewirkt werde, so würde doch bei
großen Gerichten, wo der Enwürfe viele sind, derenthalber der öffentliche Aufruf gleich-
zeitig erlassen worden ist, und bei Städten oder grohen Dörfern, deren Grund= und
Hypothekenbuch wegen der großen Anzahl der Folien in mehrere Bände abgetheilt wer-
den muß, über sener Einschrelbung der Follen, die doch ohne Verzug geschehen soll, län-
gere Zeit vergehen, ehe der einzige dabei beschäftigte Offgziant damit zu Stande kommen
könnte. Es ist daher zulässig, daß in einem solchen Falle mehrere Hände in Bewegung
geseßt werden, so daß gleichzeitig mehrere zuverlässige Personen in verschiedene Bücher
oder verschiedene Bände eines und desselben Buchs einschreiben, damit die Reinschrift
sämmtlicher Folien in möglichst kurzer Zeit zu Stande gebracht werde.
Diese Beschäftigung Mehrerer kann jedoch nur unter gewissenhafter Anleit-
ung, Controle und ununterbrochener Aussicht von Seiten des Buchführers
geschehen, welcher für die Rlchtigkeit der Reinschrift verantwortlich ist.
Die nach erfolgter Eröffnung des Grund= und Hypothekenbuchs nöthig werdenden
Einschreibungen in dasselbe hat der Grund= und Hypothekenbuchführer ohne Ausnahme
eigenhändig zu bewirken und dark dieses Geschäft eigenmächtig (F. 202 d. Ges. §. 87
d. A.-V.) keinem Andern überlassen.
8. 12.
Den Folien, deren Einschreibung wegen noch zu erörlernder Einwendungen oder
Anmeldungen fürs Erste ausgesetzt bleiben muh, sind die ihnen zukommenden Stellen im
Grund= und Hyppothekenbuche offen zu halten (§. 235 d. Ges.).
s 1#.
Die Einträge, welche den Inhalt des Foliums bel Anlegung des Grund= und Hypo-
tbekenbuchs ausmachen, sind in allen drei Rubrlken mit dem Datum der geschehenen Ein-
16
schreibung des Foliums abzuschließen, und solchergestalt von den künftig hinzukommenden
Einmägen zu trennen. Diese Abschließung geschieht in allen drei Rubriken durch zwei
Querlinien über die ganze Breite der Blattseite, zwischen welde d die Worte zu schen sind:
us dem Entwurfe übergetragen am .
(3dU §106dAB)
ZnsoccmcomchtmvgltchtsinachAblaufdctInscdcsössknlltchenAufkufs(§§UT-
235 d. G.) die Einschreibung aller Grundstücksfolien, bei denen Einwendungen oder An-
meldungen, welche noch der Erörterung bedürften, nicht vorgekommen sind, sofort am
nächsten Tage zu vollenden, sind, unbefchadet der Reihenfolge der Folien, vor Allem die
Folien derjenigen Grundstücke einzuschreiben, hinsichtlich deren Anträge in Grund= und
Hypothekensachen vorliegen und Geschäfte zu expediren sind, damit Lehyteres nunmehr nach
den Bestimmungen des Gesehes vom 20. November 1858 und in den vorgeschriebenen
neuen Formen ohne Verzug geschehen könne und der Gang der laufenden Geschäfte nicht
gesiört werde.
Auf gleiche Weise und aus demselben Grunde sind, wenn in der Zwischenzeit bis
zur Vollendung der Reinschrist des Grund- und Hypothekenbuchs Anträge in Grund-
und Hypothekensachen in Bezug auf Grundstücke eingehen, bis zu deren Folien die Ein-
schreibung noch nicht gediehen ist, diese Grundstücksfolien zunächst und auch auher der
Reihe, an der ihnen zukommenden Stelle einzuschreiben.
Bei schuldenfreien Grundstücken fallen in der III. Rubrik die beiden Querlinien mit
der Bemerkung der Einschrelbung ganz weg.
Diese Abschlußbemerkung ist aber elnzig und allein von dem verpflichteten
Grund= und Hypothekenbuch führer zu bewerkstelligen, namentlich auch dann, wenn
Mehrere bei der Einschreibung beschästigt sind. In letzterem Falle bat der Buchführer
die läglich in das Grund- und Hypothekenbuch übergetragenen Folien genau zu colla-
tioniren und sofort mit der Abschlußbemerkung zu versehen.
Andere Dienstobliegenbeiten des Grund= und Hypothekenbuchführers.
8. 14.
Obwohl die Einschreibung der Einträge in das Grund= und Hppothekenbuch ledi-
glich von dem verpflichteten Grund= und Hypothekenbuchführer zu bewirken ist, so darf
dieselbe doch nicht anders, ald auf Grund einer schriftlichen gerichtlichen Resolution und
nach einem mit der Signatur des Richters versehenen, übrigens nach §. 89 d. A. V.
eingerichteten Conzepte erfolgeu.
Dem Eintrage setzt der Buchführer das Datum, an welchem er denselben in das
Grund= und Hypothekenbuch bewirkt, voraus, trägt auch dieses Datum im Conzepte nach
17
und versteht letteres mit der Bemerkung der geschebenen Einschreibung, wobel Band und
Seite des Grund= und Hppothekenbuchs, wo der Eintrag sich besindet, anzugeben ist.
—
Von vorsichender Anorpnung dark durchaus nicht abgewichen werden, und nament-
lich darf der Buchführer unter keinerlei Vorwand, bei Vermeidung einer Ordnungs-
strafe von zwei bis zwanzig Thalern, und nach Befsinden schärferer Ahndung, vorbehält-
lich dessen, was im Untersuchungswege nach den Bestimmungen des Kriminalgesetbuchs
Vegen ihn erkannt werden würde, einen Eintrag in das Grund= und Hypothenbuch ei-
henmächtig bewirken.
8. 15.
Der Grund= und Hypothekenbuchführer hat die Einträge und Löschungen im G#und--
und Hypothekenbuche nach den ihm zugestellten signirten Konzepten ohne allen Ausschub
vorzunehmen und darf sich dabei eigenmächtig schlechterdings keine Abweichung von der
Ordnung, in welcher er diese Konzepte empfängt, etwa auf die Weise erlauben, daß er
ein früher empfangenes Konzept zurücklegte, um einen Eintrag oder eine Löschung nach
einem später empfangenen Konzepte eher vorzunehmen. Sind lhm aber zu gleicher Zeit
mehrere Konzepte zu verschiedenen Einträgen zugestellt worden, und es sind die richterli-
chen Resolulionen zur Eintragung nicht von einem und demselben Tage, so hat er die
früher resolvirte Eintragung oder Löschung vor der später resolvirten vorzunehmen.
Endlich hat er, wenn mehrere Einträge auf ein und dasselbe Grundstückssolium und
beziehendlich in rine und dieselbe Rubrik dieses Foliums zu bringen sind, auf die von
dem Nichter dem Konzepte vorgesetzten Eintrags= und Hypotheken-Nummern Rücksicht zu
nehmen und die Einträge nach dieser Reihesolge zu bewerkstelligen.
Werden Forderungen gelöscht, so bewirkt solches in der Reihenfolge der Zahlen
keine Veränderung. Erst wenn alle auf ein Grundsüsick eingetragene Forderungen gelöscht
sind, wird für die nach der Zeit zur Eintragung gelangenden neuen Forderungen eine
neue Zahlenreihe angesangen.
(6. 184 d. Ges. §. 66 d. A. V.)
. 16.
Damit die im Grund= und Hypothekenbuche vorgenommenen Löschungen desto
besser ins Augen sallen und nicht übersehen werden können, ist in dem ursprünglichen
Eintrage des Gegenstandes, der gelöscht wird, nicht nur das denselben im Hontexte des
Eintrags bezeichnende Wort, 3. B. „Erbpachtsgut", „Erbpachtökanon“, „Ablösungörente“,
„Vorkauforecht“, „Protestation“, „Naturalauszug" r., serner bei Forderungen, die in baa-
3
18
rem Gelde bestehen, die mit Buchstaben geschriebene Summe, sondern auch das in der
Spalte der Anmerkungen auf den Löschungseintrag verweisende Wort: „gelüscht“ (oder
bel nur theilweisen Abzahlungen „abgeschrieben") und überdles in der III. Rubrik bei
Forderungen in baarem Gelde auch die mit Zahlen geschriebene Summe in der Neben-
spalte, so wie in der dilte links die Hppotheken-Nummer mit rother Dinte zu un-
terstreichen. (§. 82 d. A. V.)
S. 17.
Dem Buchführer liegt ob, dafür zu sorgen, daß jede erfolgte Eimragung eines neuen
Besitzers dem Fürstlichen Katasterbüreau binnen 14 Tagen mitgetheilt und Alles dasje-
nige genau beobachtet wird, was in dieser Beziehung das Regulativ vom 13. November
1855 8. 36 vorschreibt.
S. 18.
Ueber die dem Grund= und Hypothekenbuchführer zugehenden Konzepte und über
die von ihm bewirkten Einträge, hat derselbe eine besondere Registrande zu führen, deren
Form i#in der Beilage B. näher angegeben ist.
8. 19.
Zu den Dienstobliegenheiten des Grund= und Hypothekenbuchführers gehört auch
die Sorge für die gehörige Forkführung des nach 6 1 der Verordnung vom 26. Sept.
1859 als erster Theil des Grund= und Hypothekenbuches zu betrachtenden Katasiers.
K. 20.
Auszüge aus dem Grund= und Hypothekenbuche werden, der Regel nach, unter Be-
glaubigung des Gerichts ertheilt, jevoch sind auf Verlangen auch unbeglaubigte
Auszüge unter einfacher Unterschrift des Grund= und Hypothekenbuch-
führers zu ertheilen. Die Auszüge sind entweder vollständige wörtliche Abschriflen des
ganzen Grundsiückofoliums in allen drei Rubriken, jedoch in der III. Rubrik mit Hin-
weglassung der Einträge bereits gelöschter Forderungen, oder summarische Auszüge, in
denen in der III. Rubrik die eingetragenen Forderungen nur der Summe und beziehend-
lich dem Gegenstande nach und die damit vorgegangenen Veränderungen angegeben, die
Namen der Gläubiger, Cessionarlen rc. aber weggelassen sind. Je nachdem sie gebraucht
und verlangt werden, sind die Auszüge in dieser oder in jener Maaße zu fertigen.
Auszüge, in welchen blos elnzelne Einträge aus einer Rubrik angegeben sind, an-
dere noch wirksame Einträge aber fehlen, oder Auszüge einzelner Rubriken mit Weg-
19
tassung der uͤbrigen Rubriken, duͤrfen, zu Vermeldung von Mißbrauch, nicht gegeben
werden. (5 86 d. A. V.)
Alle diese Auszüge hat der Grund= und Hypothekenbuchführer genau und dem Grund-
und Hypothekenbuche getreu zu fertigen. Hierzu bedarf er jedoch stets einer Anordnung
des Gerichts; ohne eine solche Anordnung ist ihm nicht erlaubt, für Jemanden, es sei
eine Privatwerson oder eine Behörde, einen Auszug aus dem Grund= und Hypotheken-
buche, in welcher Form es immer sein möge, zu ferilgen und auszuantworken.
8. 21.
Dem ihm persönlich bekannten eingetragenen Besiter, sowie den ihm persönlich be-
kannten eingetragenen Gläublgern kann der Grund= und Hypothekenbuchführer auch ohne
vorherige Anfrage bei dem Gerlcht und ohne besondere Anordnung desselben die Einsicht
des betreffenden Grundstücksfoliums im Grund= und Hypothekenbuche an Gerichts= oder
Gerichtsexpeditlonsstelle und in seiner Gegenwart gestatten; ebenso auch jeder andern Per-
son, welche ihm, von dem ihm persönlich bekannten eingetragenen Besitzer zu dem Zwecke,
fie sein Grundstücksfelium einsehen zu lassen, persönlich vorgestellt wird. Außerdem darf
der Grund= und Hypothekenbuchführer ohne Vorwissen und Anordnung des Gerichts
Niemandem die Einsicht des Grund= und Hypothekenbuchs gestatten. (§. 85 d. A. W.)
. 22.
Die Haltung der Buͤcher in gutem Zustande ist elne der Hauptobsiegenheiten des
Grund= und Hypothekenbuchführers. Derselbe hat namentlich besorgt zu sein, daß die
Bücher bet der Handhabung oder bei der Vorlegung an Andere nicht bestohen, befleckt, daß
nicht Blätter gebrochen oder an dem Inhalte etwas verändert oder beschädigt, und daß die
Bücher so oufbewahrt werden, daß ohne spezlelle Zulassung Selten des Gerlchts Nie-
mand davon Einsicht nehmen kann. (6. 132 d. G.)
Inebesondere hat der Buchführer noch darüber zu wachen, daß die Bücher nicht
an feuchten oder der Sonnen= oder Osenhipe, oder dem Staube ausgesetzten Orten auf-
gestellt werden.
*srst
bei einem Folium zu welteren Einträgen keln Kaum mehr vorhanden, so ist
die Fortsepung je nach Bedürfniß entweder bloß in einer oder sogleich in allen 3 Kiu-
briken auf den jedem Grund- und Hypothekenbuche (bezichendlich Bande) angehängten
Blättern (oben §. 4) zu bewirken und zwar so lange, ols noch dergleichen Blähter vor-
banden sind. Es ist aber am Schlusse des Haupkfoliums durch die mit rolher Dinte
zu schreibenden Worte.
3
20
„Fortsetzung Seite ...“
auf diejenige Seitenzahl, wo die Fortsetzung erfolgt, und so umgekehrt, auf letzterer, mit
der Ueterschrifte
„zu Folium .. Seite . gehörig“
auf das Hauptfoltum zu verweisen Die Beobachtung dieser Vorschrift ist um so uner-
läßlicher, je größer die Vertretungen find, welche außerdem daraus entstehen könnten,
wenn der das Grund= und Hypothekenbuch Einsehende eine bloße Fortsetzung für das
vollständige Folium zu nehmen versucht würde. Die Fortsetzung geschieht allemal auf
der ersten, nicht auf der zweiten Seite eines Blattes. Reicht auch dieser Raum nicht
mehr aus. so ist die Fortsetzung unter gleichen entsprechenden Verweisungen in einem
neuen Bande zu besorgen, (6./168 d. Ges.) jedoch dergestalt, daß in den letztern nicht
bloß eine Rubrik, sondern das ganze Foltum, jedoch mit Weglassung der nicht mehr
wirksamen Einträge, übergetragen wird.
Bei Uebertragung eines Foliums in einen neuen Band find aber, da nur dann
erst, wenn alle auf einem Grundstücke eingetragenen Forderungen gelöscht find, eine neue
Zahlenreihe angefangen werden kann, die Zahlen der gelöschten Eintrage an dem neuen
Orte in der Maaße aufzuführen, daß denselben das Wort: „gelöscht“ beigesetzt wird, z. B.
I 7. April 1820. Auszug für 2c. 2c.
2 4 z
i 3. + gelöscht.
18. Mai 1844. Dreihundert Thaler rc. 7.3400 —4
ö. 7. 8. gelbscht.
2c. 2c. 2c. 2c.
Auch die Grundbuchsnummer bleibt unter allen Umständen dieselbe (F. 8), und sind
selbiger die Worte mit rother Dinte unterzusetzen:
„dieses Folium ist vorher Seite . B. enthalten“.
2t
Im Register muß cuch derjenige Band und die Seite bezeichnet werden, wo die Ue-
bertragung erfolgt ist, z. B.
Fol. Bd. eu
10 Heinze, Georg August ..... l 202
Forisezung . . 1
. . 11
KS. 24.
Sollte dem Grund= und Hypothekenbuchführer bei einem oder dem andern der künf-
tig zu bewirkenden Einträge irgend einmal hinsichtlich der Form des Konzepts oder sonst
ein Bedenken beigehen, so hat derselbe sofort und ehe der Eintrag bewirkt wird, dem
Konzipienten desselben hiervon Mittheilung zu machen, dessen Weisung jedoch alsdann so-
fort nachzugehen, wie er denn überhaupt an die Anordnung des Gerichts gebunden ist
A.
Titelblatt. Rückentitel.
Grund= und Hypothekenbuch Grund= und Hypothekenbuch.
des Gera.
Justizamts Gera I (oder A.)
für die Stadt Gera. Nr. 1—100.
I. Band (oder A.)
Nr. 1—100.
Grund= und Hypothekenbuch Grund= und Hypothekenbuch
des
Oettersdorf.
Justizamts Schleiz
für das Dorf Oettersdorf.
22
B.
Schema zu der vom Grund= und Hppothekenbuchführer zu haltenden Registrande.
Nr.
Bort, s„der Ein.
iausende gaugdre ·
t. sgistrande.
Tag der
Resolution
des
Eintrags.
Tag des
Empfangs
des
Konzepts.
Tag der
Einschreibung
des
Eintrags.
Wo der Eintrag bewirkt worden ist.
Ortschaft. Dand.Seite.
Tag.
des
Konzepts.
der Zurückgabes Anmerk-
ungen.
22
5) Die mit Balern wegen unterbleibender Kostenerstattung ln strafrechtlichen Nequisitionsfällen detrof-
senen Vereinbarung betr. vom 7. Novbr. 1361.
(Dublizim in Nr. 46 des Amts= und Deto##nunzblaltes vem Jabee 1801.)
Nachdem mit Höchster landesherrlicher Genehmigung zwischen dem diesseitigen Fürstli-
chen Ministerium und dem Königlich Bayerischen Staatsminisicrium des Nöniglichen Hau-
ses und des Aeuheren eine Vereinbarung in Bereeff derjenigen Kosten, welche durch
Requisitionen in Strafrechtsfällen bei den beiderseitigen Gerichtsstellen erwachsen, getref-
fen worden ist, so wird die darüber ausgefertigte diesseitige Erklärung nachsiehend zur
Nachachtung bekannt gemacht.
Gera, am 7. November 1861.
Fürstlich Reuß. Pl. Ministerium.
v. Geldetn.
Muͤnch.
Ministerial-Erklärung.
Nachdem die Königlich Bayerische, sowie die Fürstlich Reuß-Pl. j. L. Regierung.
sich durch die bisherige Erfahrung überzeugt haben, daß eine gegenseitige Wiedererstau-
ung der durch Mequisitionen von Gerichtsbehörden des einen Staates an solche des
anderen in strafrechtlichen Untersuchungsfällen verursachten Auslagen oder der sonst hier-
bei erlaufenen Kosten mit unverhältnißmäßigen Mißständen und Nachtheilen bezüglich
der Verrechnung verbunden sei, so sind dieselben übereingekommen, den Rückersaß dieser
Kesten gegenseiig aufzuheben und haben zu diesem Ende nachstehende Bestimmungen
getroffen:
I.
Wenn in strafrechtlichen Untersuchungsfällen durch die Requisstion ciner Gerichts-
behörde des einen Staats an eine solche des anderen, bei letzterer baare Auslagen
nothwendig werden oder sonsi Gebühren und Kosten enistehen, so soll der requiricenden
Behörde eine Vergütung dieser Auslagen und Kosten niemals angesonnen werden und
zwar ohne Umterschied, ob das endliche Erkenntniß die Tragung der Kosten einer Un-
tersuchung der Staalskasse oder dem Angeschuldigten oder sonst einem Verpflichteten zu-
weisen wird.
Zu solchen baaren Auslagen und sonsilgen Kosten werden insbesondere gercchnet:
Alle Autlagen für Verpflegung, Transport und Bewachung der Gefangenen, Bo-
teulöhnungen, dann Protokollirungs-, Schreib= und Abschrift-Gebühren, sowie alle an
24
Gerichtepersonen, Zeugen und Sachverftaͤndige oder au die Gerichtokassen sonst zu ent-
richtende Gebuͤhren und andere Kosien dieser Art.
2.
Die in dieser Weise erlaufenen Kosten sind von der requirirten Behörde nach
den im Inlande geltenden Normen in gehöriger Weise anzusepen und gleich den anderen
kurch die öffenklichen Kassen zu berichtigenden Kosten in Verrechnung zu bringen und
in Ausgabe derretiren zu lassen.
Da Übrigens durch diese Uebereinkunft die Verbindlichkelt derjenigen angeschuldig-
ten Privaten, welche die Kosten zu tragen verurtheilt werden, nicht aufgehoben sein
soll, se wird die requirirte Gerichtsbehönde ein Verzeichniß der durch Erfüllung der
Requisition erwachsenen Kosten der requirirenden Behörde mittheilen, welche ihrerseits
diese Kosten in die allgemeine Kostenliquidation der betreffenden Sache aufnehmen und
geeigueten Falles zur Vereinnahmung decretiren wind.
3.
Requisitionen dieser Art, sowie dle hierauf erfolgenden Erledigungen sollen jeder-
zeit auf der Adresse als Regierungs= oder Criminalsache bezeichnet werden
4.
Dieselben Grundsäpxe sollen bezüglich der Requisitionen in poltzeilichen Untersuch-
ungsfällen in analoger Weise in Anweudung kommen.
5.
Vorstehende Bestimmungen kollen vom Tage ihrer Bekanntmachung an in Voll-
zug gesetzt werden und verläufig auf die Dauer von 12 Jahren, dann aber so lange
aillig sein, bis einer der beiren contrahirenden Theile durch vorgängige einjährige
Kündigung dem anderen Theile seine Absicht mitgetheilt haben wird, gegenwärtige Ver-
einbarung außer Vollzug zu seten.
Gera, am 4. November 1861.
vrnI Neuß. Pl. Ministerium.
(L. S.) (gez) v. Geldern.
25
6) Bekanmmachung, den Beitrikt zur Uebereinkunst zwischen der Königlich Preußischen Regierung und
dem Schweizerischen Bundesrothe wegen gegenseitiger Befreiung von der Gewerbesleuer betr. vom
14. Februar 1862.
(Dublizim in Nu. 11 des Amts= und Verorrnungsblates vom Jahrer 1862.)
Nachdem mit Höchster Geriehmlgung Seiner Durchlaucht des Fürsten die Fürstliche
Regierung einer Uebereinkunft der Königlich Preuhischen Regierung mit dem Schweize-
rischen Bundesrathe wegen gegenseltiger Befreiung der Handelsreisenden von der Gewer-
besteuer rc. beigetreten ist, dahin lautend:
S. 1.
Fabrikanten und Kaufleute aus dem Fürstenthum Reuß J. L. sowie Handelsreisende
jener Fabrikanten oder Kaufleute, welche in ihrem Heimathslande in einer dieser Eigen-
schaften die Gewerbesteuer bezahlt oder bei der kompetenten Behörde zu diesem Zweck
ihre Anmeldung abgegeben haben, können in den nachbenannten Kantonen der Schwelz,
nämlich: Zürich, Bern, Luzern, Nidwalden, Glarus, Zug, Freiburg, So-
lotburn, Basel (beide Theile), Schaffhausen, Appenzell beide Rhode), St.
Gallen, Aargau, Thurgan, Tessin, Waadt, Neuenburg und Genf, ohne Ent-
richtung einer besonderen Patent= oder sonstigen Gewerbesteuer
1) für die Vedürfnisse ihres Gewerbszweiges Ankäufe machen und
2) mit oder ohne Waarenmuster Bestellungen suchen, ohne jedoch Waaren mit sich
führen zu dürfen.
Die gleichen Rechte sollen den den gedachten Schweizerischen Kantonen angehörigen
Fabrikanten, Kaufleuten und deren Handelsreisenden im Fürstenthume Reuß J. L. zustehen.
8. 2.
Zum Beweise, daß das Recht, den einen oder den andern der vorgedachten Ge-
werbszweige zu betreiben, erworben sei, soll bezüglich der Fürstlich Reußischen Untertha-
nen die Vorzeigung eines für das laufende Jahr giltigen Legitimationsscheines nach dem
anliegenden Muster unter A (für Fabrikanten und Kaufleute) und unter B (kür Hau-
delsreisende), sowie bezüglich der Schweizerischen Angehörigen die Vorzeiguug eines von
der zuständigen Helmathöbehörde nach den eben genannten Mustern A und B ausgestell-
ter, für das laufende Jahr giltigen Legitimationoscheines angesehen werden.
8. 3.
Die im §. 2. gedachten Urkunden werden die Personalbeschrelbung und die Namens-
unterschrift des Inhabers enthalten und mit dem Stempel oder Siegel derjenigen kom-
petenten Behörde, welche sie ausgefertigt hat, versehen werden.
4
26
8. 4.
Gegen Vorzeigung einer in vorgedachter Form ausgestellten Urkunde für das lau-
sende Jahr soll den Fürstlich Reußischen Unterthanen und resp. den Angehörigen der be-
zeichneten Kantone der Schweiz, welche in ihrer Helmath eines oder mehrere der im
é. 1. Absäh 1 erwähnten Gewerbe ausüben und welche in den bezeichneten Kantonen
der Schweiz und resp. im Fürstenthume Reuß J. L. die in den Nr. 1 und 2 des F. 1
gedachten Handelsgeschäfte betreiben wollen, hier, nachdem ihre Identitit anerkannt sein
wird, ein steuerfreier Gewerbeschein nach dem angeschlossenen Muster C. von ver kompe-
kenten Behörde ausgefertigt werden.
-
Die Inhober eines gemäh vorstehenden §. 1. ausgesertigten Gewerbescheins sind
gehalten, denselben vorzuzeigen, so oft sie dazu von den kompetenten Behörden oder
Beamten werden aufgefordert werden;
so wird solches hiermit zur Nachochtung bekannt gemacht.
Gera, am 14. Februar 1862.
Fürstlich Reuß. Pl. Ministerium.
v. Harbou.
Münch.
Formular A.
Dem N. N., welcher als (Wollfabrikant) in N. wohnhaft (ansässig)
ist, wird hlerdurch behufs seiner Gewerbsleglrimation bei den einschläglgen
Behörden (des Fürsienthums Neuß J. L, des Kantons Zürich) beschei.
nigt, daß er für sein vorgedachtes Gewerbe im hiesigen Lande die gesetz-
lich bestehenden Steuern zu entrichten hat
Dles Zeugniß ist giltig aufMonate.
Ort, Datum und Firma der Behörde.
Personal-Beschreibung und
Unterschrift des Inhabers.
Formular B.
Dem N. J., welcher als Handlungs-Commis in Diensten des zu N.
ctablirten Handelshauses (oder der Fabrik) des N. N. steht, wird hiermit
behufs seiner Gewerbelegitimation bel den einschläglgen Behörden (des
Fürstenthums Reuß J. L., des Kantons Zürcch) bescheinigt, daß das eben-
gerachte Handelshaus (die ebengedachte Fabrikanstalt) für seinen (ihren)
27
Gewerbebetrieb im hiesigen Lande die gesetzlich bestehenden Steuern zu
entrichten hat.
Dies Zeugniß ist giltig auf . .. Monate.
Ort, Datum und Firma der Behörde.
Personbeschreibung und
Unterschrist des Inhabers.
Formular C.
Dem N. J., Fabrikinhaber zu N. (oder Handelsreisender in Diensten
des N. N. zu J.) wird hierdurch auf den Grund des beigebrachten, von
der kompetenten Fürstlich Reußischen Behörde unter den ausP
gefertigten Gewerbelegitimatlons-Zeugnisses die Befugniß ertheilt, in dem
(Kanton Zürich) für das von ihm (seinem ebengedachten Prinzipal) be-
wiebene Geschäft Waarenbestellungen aufzusuchen und Waarenankäufe zu
machen. Derselbe darf jedoch von den Waaren, auf welche er Bestellung
suchen will, nur Proben, aufgekaufte Waoren aber darf er gar nicht mit
sich herumführen, lehtere muß er vielmehr frachtweise an ihren Bestimm=
ungsort befördern lassen.
Richt minder ist ihm verboten, Kommissionen für andere als seine
eigene (seines vorgedachten Prinzipals) Rechnung aufzusuchen.
Gegenwärtige Ermaͤchtigung ist giltig auf die Dauer von .. Mo-
naten, also bis n . . . ..
Ort, Datum und Firma der Behoͤrde.
Personalbeschreibung und
Unterschrist des Inbabers.
29
Gesetzsammlung
für die
Fürstlich Reußischen Lande jungerer Linie.
No. 227.
1) Verordnung, die obere Staatsverwalkung betr., vom 16. April 1862.
(Publizirt in Nr. 17 des Amts- und Verontnungsblattes vom Jahre 1802.)
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün.
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein rc. 2.
verordnen in Verfolg des Gesetzes vom 29. Juli 1852 hierdurch Folgendes:
8. 1.
Die unter der Benennung „Fürstliche Regierung“ bestehende obere Verwaltungs=
behörde kommt in Wegfall. Die Geschäfte derselben gehen auf das Ministerium über.
8. 2.
Das Ministerium leitet die nnaliyngges= des Landes nach Maßgabe des vler-
len Abschnilto des Gesetes vom 29. Juli 1852
8. 3.
Der Abtheilung des Ministeriums fuͤr die innere Landesverwaltung, sowie der Ab-
theilung desselben für die Justiq, steht je ein verantwortlicher Abtheilungsvorstand mit dem
Prädicat
„Staatsrath“
vor. Chef der übrigen Abtheilungen des Ministeriums ist der Minister.
8. 4.
Saͤmmtliche Berichte und Eingaben an das Ministerium, ohne Unterschied, in welche
Abtheilung dieselben gehörig, find an
Ausgegeben den 8. Oktober 1802. 5
30
„das Fürstliche Ministerlum“
zu richten, Sie werden von dem Mlnister, welcher sie empfängt und erbricht, an die ver-
schlsdenen Abtheilungen vertheilt.
8. 5.
Die Ausfertlgungen des Gesammtiministerlums und der im 8. 20 des Gesehes vom
29. Juli 1852 sub 1 genannten Ministerlalabtheilung erfolgen mit der Unterschrift: „Fürst-
liches Ministerium“; die Ausfertigungen der übrigen Abtheilungen mit der Unterschrift:
„Fürstlicher Ministerium, Abtheilung für das Innere — für die Jusilz — für Kirchen-
und Schulangelegenheiten — für die Finanzen.“
S. 6.
Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem 1. Mai dieses Jahres in Kraft.
Urkundlich, unter Unserer elgenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Fürstlichen
Instegel.
Schloß-Osterstein den 16. April 1862.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon.
2) Bekanntmachung, den zwischen den Staaten des deutschen Zoll- und Handelsvereins einerseits und
dem Freistaate Paraguay andererseits omsies r*—e Handels= und Schifffahrtsvertrag
vom 23. April
Nachdem zwischen den Staaten des deutschen Zoll. und Handelsvereins einerseits
und dem Freistaate Paraguay andererseits unter dem 1. August 1860 ein Freundschafts-,
Handels= und Schifffahrtsvertrag abgeschlossen und derselbe hlerauf gegenseltig ratifzirt
worden ist: so wird dleser Vertrag nach seinem deutschen Texte hiermit zur öffentlichen
Kenniniß gebracht.
Gera, den 23. April 1862.
Fuͤrstlich Reuß · Plauil. Ministerium.
v. Harbou.
Semmel.
81
Freundschafts., Handels- und Schifffahrts. Vertrag
zwischen
Preußen und den ũbrigen Staaten des Zollvereines einerseits
und dem
Freistaate Paraguay andererselts.
Se Königliche Hohelt der Regent, Prinz von Preußen, im Namen Sr. Majestät
des Königs von Preuhben, sowohl für Sich, als in Verkretung der dem Preußtschen Zoll-
und Steuer-Systeme angeschlossenen souveränen Länder und Landesthelle, nämlich des-
Großherzogthumes Luxemburg, der Großherzoglich Mecklenburgschen Enklaven Nossow,
Nepeband und Schönberg, des Großherzoglich Oldenburgschen Fürstenthumes Blrkenfeld,
der Herzogthümer Anhalt-Dessau-Köthen und Anhalt-Bernburg, der Fürstenthümer Wal-
deck und Pyrmont, des Fürstenthumes Lippe und des Landgräflich Hessischen Oberamtes
Meisenheim, als auch Namens der übrigen Mitglieder des deutschen Zoll- und Handels-
Vereines, nämlich der Krone Bayern, der Krone Sachsen, der Krone Hannover zugleich
in Veriretung des Fürstenthumes Schaumburg-Lippe, und der Krone Württemberg, des
Großberzogtbumes Baden, des Kurfürstenthumes Hessen, des Großherzoglhumes Hessen,
zugleich das Landgräflich Hessische Amt Homburg vertretend, der den Thüringischen Zoll-
und Handels-Verein bildenden Staaten, namentlich des Großherzogthumes Sachsen, der
Herzogthümer Sachsen-Meiningen, Sachsen- Altenburg und Sachsen-Coburg und Gotha,
der Fürücuthümer Schwarzburg-Rudolsadt und Schwarzburg-Sondershausen, Neuß äl-
terer und Reuß jüngerer Linie, des Herzogthumes Braunschweig, des Herzogthumes Ol-
denburg, des Herzogthumes Nassau und der freien Stadt Frankfurt einerseits, und Se.
Excellenz der Präsident des Freistaates Paraguay andererseits von dem Wunsche beseelt,
die Freundschafts-, Handels= und Schifffahrts-Beziehungen zwischen den Staaten des
Zollvereines und dem Freistaate Paragnay auszudehnen und zu befestlgen, haben es für
zweckmäßig und angemessen cerachtet, Unterhandlungen zu eröffnen und zu gedachtem Be-
buse einen Vertrag abzuschließen und haben zu dem Ende zu Bevollmächtigten ernannt,
nämlich:
Se. Königliche Hoheit der Regent, Prinz von Preußen
Allerhöchst Ihren Geschäfksträger bei dem Freistaate Paraguay Herrn
Friedrich von Gülich,
und
Se. Excellenz der Präsident des Freistaates Paragnay
den Paraguayischen Bürger Francisco Sanchezs, Minister der auswär-
tigen Angelegenheiten, 9ô
32
welche, nachdem sie ihre Vollmachten sich mitgethellt, und solche in guter und gehöriger
Form befunden haben, über nachstehende Artikel übereingekommen sind:
Art. 1
Zwischen den Staaten des Jollvereines und dem Freistaate Paraguay, sowie zwi-
schen den Unterthanen und Bürgern derselben ohne Unterschied der Personen und Orte,
soll vollkommener Friede und aufrichtige Freundschaft bestehen. Die hehen kontrahlren-
den Theile werden für die besländige und fortdauernde Erhaltung dieser Freundschaft
und dieses guten Einvernehmens nach Krästen Sorge tragen.
Art. 2.
Der Freistaat Paraguay gesteht. Krast des ihm zuständigen Landes-Hoheitsrechtes,
der Handelsflagge der Unterthanen der Zollvereins-Staaten die freie Schifffahrt zu auf
dem Flusse Paragnay bis Asunclon, der Hauptstadt des Freistaates, sowie auf der rechten
Seite des Parana von dem Punkte an, wo derselbe zum Freistaate gehört, bis zur Stadt
Encarnacion. Die Unterthauen der Zollvereins-Staaten sollen mit ihren Schiffen und
Ladungen frei und sicher in die vorerwähnten Orte und Häfen einlaufen und aus den-
selben auslaufen, sie sollen in allen Thellen der genannten Gebiete bleiben und sich wohn-
haft aufhalten, Häuser und Waarenlager miethen und mit Natur- und Gewerbs-Exzeug-
nissen und Gegenständen des erlaubten Verkehres aller Art, so weit es die Gesetze des
Landes gestatten, Handel treiben dürfen, vorausgeseht, daß sie sich dabei. den Gebräu-
chen und hergebrachten Gewohnheiten des Landes unterwerfen. Sie können ihre Ladungen
in dem Hafen von Pilar oder in denjeulgen Orten, in welchen sonst der Handel mit
anderen Nationen erlaubt ist, vollständig oder theilweise löschen, oder ihre Fahrt mit der
ganzen oder mit einem Theile der Ladung bis zu dem Hafen von Asuncion fortsezen,
je nachdem der Schiffsführer, der Eigenthümer oder der anderweit gehörlg Bevollmäch-
tigte dieses für angemessen erachtet.
In gleicher Weise sollen diejenigen Bürger von Paraguay behandelt werden, welche
mit Ladungen in Schiffen des Zollvereines oder Paragnay's nach den Häfen der Zoll-
vereins= Staaten kommen.
Art. 3.
Die hohen kontrahtrenden Theile kommen dahin überein, daß jede Begünsüigung,
jedes Vorrecht und jede Besreiung in Handels= oder Schifffahrts-Angelegenheiten, welche
einer von ihnen den Unterthanen oder Bürgern irgend eines anderen Staates gegen-
wärtig bereits zugestanden hat oder künftig zugestehen möchte, bel Gleichheit des Falles
und der Umstände, auf die Unterkhanen oder Bürger des anderen Theiles ausgedehnt
werden soll, und zwar unentgeltlich, wenn das Zugeständniß zu Gunsten jenes anderen
33
Staates unentgeltlich gemacht, oder gegen elne entsprechende Enlschaͤdigung, wenn das
Zugeständniß bedingungsweise erfolgt war.
Art. 4.
Es sollen auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Nakur= oder Gewerbs-Erzeugnissen der
beiden kontrahirenden Theile keine anderen oder höheren Abgaben gelegt werden, als die-
jenigen, welche von gleichnamigen Gegenständen, sofern sie Natur= oder Gewerbs= Erzeug-
ulsse anderer fremder Länder sind, gegenwärtig oder künftig zu entrichten sind. Auch
sollen keinerlei Gegenstände des Handels, welche Nakur- oder Gewerbs-Erzeugnisse der
Gebiete eines der beiden kontrahlrenden Theile sind, bei Einfuhr in die Gebiete oder
bei der Ausfuhr aus den Gebieten des anderen Theiles mit einem Verbot belegt werden,
wesches nicht gleichmäßig auf die Einfuhr oder die Ausfuhr gleicher Gegenstände aus
oder nach den Gebieten jeder andern Nation ausgedehnt wird.
Art. 5.
In den Häfen des Freistaates Paragnay sollen von den Schiffen der Zollvereins-
Staaten an Tonnengeldern, Leuchtthurm= oder Hafen-Abgaben, Lootsen-Gebühren, Berge-
geldern in Fällen von Seeschäden oder Schiffbruch, oder anderen örtlichen Abgaben, keine
anderen oder höheren Auflagen oder Lasten erhoben werden, als diejenigen, welche in den
nämlichen Häfen von Paraguayischen Schiffen zu zahlen sind. Ebenso sollen in den
Häfen der Jollvereins- Staaten von Paraguayischen Schiffen keine anderen oder höheren
Abgaben erhoben werden, als diejenigen, welche in denselben Häfen von Schiffen der
Jollvereins= Staalen zu zahlen sind.
Art. 6.
Bei der Einfuhr und Ausfuhr aller Waaren, welche jetzt oder künstig in die Ge-
biete der Zollvereins-Staaten oder Paraguay's gesetzlich eingeführt werden dürfen, sollen
die nämlichen Abgaben erhoben werden, die Einfuhr oder Ausfuhr mag in den Schiffen
der Zollvereins-Staaten oder Paragnay's erfolgen.
Art. 7.
Alle Schiffe, welche nach den Gesetzen der Zollvereins. Staaten als Schlffe dieser
Staaten, und alle Schiffe, welche nach den Gesetzen von Paraguay als Paragnayssche
Schiffe zu betrachten sind, sollen für die Zwecke des gegenwärtigen Vertrages alo Schiffe
der Jollvereins-Staaten, beziehungsweise Paraguay's betrachtet werden.
Art. 8.
Die Unterthanen der Jollvereins-Skaaten sollen in dem Freistaate Paraguay die
34
nämlichen Einfuhr, und Auoführ-Abgaben zahlen, welche von den Paraguayischen Bür-
gern nach den gegenwärtig bestehenden oder künftig zu erlassenden Gesetzen zu zahlen
sind. Ebenso sollen diese letzteren in den Staaten des Zollvereines diejenigen Abgaben
zahlen, welche für Unterthanen dieser Staaten gegenwärtig bestehen oder künstig einge-
fübrt werden.
Art. 9.
Allen Kaufleuten, Schiffsführern und anderen Personen, welche Unterthanen oder
Bürger eines der belden kontrahlrenden Theile sind, soll es in den Gebieten des anderen
völlig freistehen, ihre Geschäfte selbst zu betrelben oder die Betreibung derselben an Agen-
ten, Mäkler, Faktoren oder Dolmetscher, welche sie dazu nach Gurdünken wählen, zu
übertragen. Sie sollen nicht gehalten sein, hierbei andere Personen zu verwenden, als
diejenigen, deren sich auch die Eingeborenen bedlenen, oder denjenigen Personen, welche
sie hierbet zu beschästigen für angemessen halten, einen höheren Lohn oder eine höhere Ver-
gütung zu zahlen, als in gleichem Falle von Eingeborenen gezahlt werden.
Art. 10.
Die Unterkhanen der Zollvereins. Staaten sollen in Paraguay und die Bürger von
Paraguay sollen in den Gebieten der Zollvereins= Staaten dieselbe volle Freiheit genie-
fßen, welche jetzt oder in Zukunft den Eingeborenen zusteht, alle Gegenstände des geset-
lich erlaubten Handels einzukaufen und zu verkaufen, von wem oder an wen es ihnen
beliebt, und die Preise dafür n ach Gutdünken sestzusetzen, ohne dabei durch Monopole,
Verträge oder ausschließliche Einkaufs- oder Verkaufs= Privilegien beschränkt zu sein. Sie
sind jedoch in dieser Hinsicht den geseylich eingefübrten allgemeinen und ordentlichen Ab-
gaben und Auflagen unterworfen.
Die- Unterthanen und Bürger eines jeden der beiden kontrahirenden Theile sollen
in den Gebieten des anderen Theiles vollen und vollkommenen Schuh für ihre Personen
und ihr Eigenthum genießen und zur Verfolgung und Vertheidigung der ihnen zustebenden
Rechte freien und offenen Zutritt zu den Gerichtshöfen haben. Sie sollen in dieser Be-
ziehung dieselben Rechte und Privilegien geniehen, wie die elngeborenen Unterthanen und
Bürger; auch soll es ihnen freistehen, in allen Rechtsfällen sich derjenigen Advokaten,
Sachwalter oder Agenten aller Art zu bedienen, die sie dazu für geeignet erachten.
Art. 11.
In Allem, was die Hafen-Polizei, die Beladung und böschung der Schiffe, die La-
gerung und Sicherheit der Waaren, Guͤter und Effekten, die iestamentarische oder ander-
weite Erbfolge in bewegliches Vermögen, dle Verfügung über bewegliches Eigenthum je-
35
der Art und Benennung mittelst Verkaufes, Schenkung, Tausch, Testament oder auf ir-
gend eine andere Art betrifft, sowie in Allem, was auf die Rechtspflege Bezug hat, sol-
len die Unterthanen und Bürger eines jeden der kontrahlrenden Thelle in den Gebieten
des anderen Thelles die nämlichen Rechte, Privileglen und Frelheiten genießen, wie die
eingeborenen Unterthanen und Bürger, und sie sollen in keiner dieser Bezlehungen mit
anderen oder höheren Auflagen oder Abgaben, als denjenigen betroffen werden, welche
jeht oder künftig von elngeborenen Unterkhanen oder Bürgern zu zahlen sind, wobei sie
jedoch stets den örtlichen Gesetzen und Einrichtungen des Vandes unterworfen bleiben.
Im Falle eln Unterthan oder Bürger eines der beiden kontrahtrenden Thelle in dem
Gebiete des anderen ohne lehtwillige Verfügung oder Testament stirbt, so soll der Gene-
ral-Konsul, Konsul oder Bice-Konsul der Nation, welcher der Verslorbene angehörte, oder
in dessen Abwesenheit, der Vertreter des General-Konsuls, des Konsuls, oder Vice-Kon-
suls, soweit die Gesetze jedes Landes dieses gestatten, im Interesse der gesehlichen Erben
und der Gläubiger, das Eigenthum, welches der Verstorbene hinterlassen hat, bis dahin
übernehmen, daß der gedachte General-Konsul, Konsul oder Vlce-Konsul, oder deren
Vertreter einen Testaments-Exekutor oder Kurakor ernannt haben wird.
Art. 12.
Die Unterthanen der Zollvereins-Staaten, welche sich in dem Freistaate Paraguay
wohnhast aufhalten und die Bürger des Freistaates Paraguay, welche sich in den Ge-
bieten der Jollverelns-Staaten wohnhaft aufhalten, sollen von allem unfreiwilligen Ml-
litair-Dienste zur See wie zu Lande und von allen Zwangsanleihen oder militalrischen
Kontributionen oder Requisitionen befreit bleiben, und sie sollen nicht gezwungen werden,
andere oder höhere Lasten, Requisitionen oder Abgaben zu zahlen, als diejenigen, welche
von den eingeborenen Unterthanen oder Bürgern zu zahlen sind.
Art. 13.
Jeder der beiden kontrahirenden Theile soll die Besugniß haben, zum Schupze des
Handels Konsuln zu bestellen, welche in den Besipungen und Gebieten des anderen
Theiles residiren; bevor jedoch ein Konsul seine Funktionen als solcher ausübt, soll er
von der Reglerung, an welche er abgesendet worden, in der gebräuchlichen Form bestä-
tigt und zugelassen werden, und ein jeder der kontrahlrenden Theile kann die Residenz
von Konsuln an denjenigen besonderen Plätzen, wo er solches für angemessen erachtet,
ausschließen. Die diplomatischen Agenten und Konfuln der Jollvereins-Staaten in dem
Freistaate Paraguay sollen alle Vorrechte, Exemtionen und Befreiungen genießen, welche
den diplomatischen Agenten und Konsuln irgend einer anderen Nakion gegenwärtig zu-
gestanden sind, oder später werden zugestanden werden, und ebenso sollen die diplomati-
schen Agenten und Konsuln des Freistaates Paraguay in den Gebieten der Zollvereins-
36
Staaten alle Vorrechte, Exemtionen und Befreiungen geniehen, welche den diplomatischen.
Agenten und Konsuln irgend elner anderen Nation gegenwäriig zugestanden sind oder
künstig werden zugestanden werden. 6
Art 11.
Zu größerer Sicherheit des Handels zwischen den Unterthanen der Zollvereins-Staaten
und den Bürgern des Freistaates Paraguay wird vereinbart, daß, wenn zu irgend einer
Zeit eine Unterbrechung der freundschaftlichen Beziehungen oder unglücklicherweise ein
Buuch zwischen den beiden kontrahirenden Theilen eintreten sollte, die Unterthanen oder
Bürger eines jeden derselben, welche sich in den Gebieten des anderen Theiles niederge-
lassen haben und daselbst ein Gewerbe oder eine sonstige Beschäftigung treiben, das Vor-
recht genießen sollen, daselbst zu verbleiben und ihr Gewerbe oder ihre Beschäftigung,
ohne irgend welche Störung und in dem vollen Genusse ihrer Freiheit und ihres Eigen-
thumes, so lange fortzusetzen, als sie sich friedlich verhalten und sich keiner Vergehungen
gegen die Gesetze schuldig machen. Ihr Vermögen und ihre Effekten, von welcher Art
und Beschaffenheit diese auch sein mögen und gleichviel, ob solche sich in ihrem eigenen
Gewahrsam befinden, oder anderen Personen oder dem Staate anvertraut sind, sollen
weder der Beschlagnahme oder Sequestration, noch irgend welchen anderen Auflagen oder
Ansprüchen als denjenigen unterliegen, welchen auch die Effekten und das Vermögen
eingeborener Unterthanen und Bürger untenvorfen sind. Ziehen sie es jedoch vor, das
Land zu verlassen, so soll ihnen die erforderliche Zeit vergönnt werden ihre Rechnungen
in Ordnung zu bringen und über ihr Eigenthum zu versügen und sie sollen freies Ge-
leit erhalten, um sich in dem von ihnen selbst gewählten Hafen einzuschiffen.
Demgemäß sollen, in dem erwähnten Falle eines Bruches, die öffentlichen Fonds
der kontrahirenden Staaten nie consiscint, sequestrirt oder zurückgehalten werden.
Art. 15.
Die Unterthanen oder Bürger eines jeden der beiden kontrahirenden Theile, welche
in den Besitzungen oder Gebeeten des anderen Theiles wohnen, sollen in Bezlehung auf
ihre Häufer, ihre Personen und ihr Eigenthum den Schup der Regierung in ebenso voll-
ständigem und weitem Umfange geniehen, wie die eingeborenen Unterthanen oder Bürger.
In gleicher Weise sollen die Unterthanen oder Bürger eines jeden kontrahirenden
Theiles in den Besitzungen und Gebieten des anderen Theiles volle Gewissensfreiheit ge-
nießen und wegen ihres religlösen Glaubens nicht belästigt werden und diejenigen Un-
kerthanen oder Bürger, welche in den Gebieten des anderen Theiles versterben, sollen auf
den öffentlichen Begräbnißplätzen oder an hierzu besonders bestimmten Pläpen mit ange-
messener äusßierer Würde beerdigt werden.
37
Die Unterthanen der Zollvereins-Staaten, welche sich innerhalb der Geblete des
Freistaates Paraguat wohnhaft aufhalten, sollen die Freiheit genießen, privatim und in
ihren Wohnungen oder in den Wohnungen und Diensträumen der Konsuln oder Vice-
Konsuln ihres Landes ihre Religions· Gebräuche und ihren Gottesdlenst auszuüben und
sich daselbst ungehindert und unbelästigt zu versammeln
Art. 16.
Der gegenwärtige Vertrag soll bis zum 31. Dezember 1865 in Kraft bestehen, und,
wenn weder der elne noch der andere kontrahirende Theil vermittelst amtlicher Erklärung
seine Absicht, der Wirkung des Vertrages ein Ziel zu sepen, dem anderen ein Jahr vor
Ablauf jener Frist ankündigt, so soll derselbe noch ein Jahr fortbestehen.
Es soll der Paraguayischen Regierung freistehen, die in dem gegenwärtigen Artikel
vereinbarte amtliche Erklärung an Se. Majestät, den König von Preußen, oder an Aller-
böchstdessen Repräsentanten bei dem Freistaate zu richten.
Art. 17.
Der gegenwärtige Vertrag soll von den Regierungen der Jollvereins-Staaten in-
nerhalb acht Monaten, von Sr. Excellenz, dem Präsidenten des Freistaates Paraguay
innerhalb zwölf Tagen nach Unterzeichnung desselben ratisicirt und es sollen die Ratifl-
cationen in dieser Hauptstadt innerhalb achtzehen Monaten von demselben Datum an,
oder wo möglich früher ausgewechselt werden.
Zu Urkunde dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten den Vertrag unter-
zelchnet und ihre Siegel beigefügt in der Stadt Asuncion den ersten Tag des Monates
August ein Tausend acht hundert und sechszig.
Gez.) Friedrich von Gülich.
. 8)
(gez.) Francisco Sanchez.
(L 8,)
38
3) Bekanntmachung, die zwischen dem Fürstenthum Reuß j. x. und dem Großherzogthum Sachsen-
Weimar, sowie dem Herzogthum Sachsen-Altenburg abgeschlossenen Konventionen über die Militär=
pflichtigkeit der Söhne der ein zweifaches Unterthanenrecht besitzenden Personen belr., vom 5. Junl 19862.
(Dublizim in Nr. 24 des Amis= und Derordnungeblattes vom Jahre 1802)
Nachdem von der hiesigen Staatsregierung mit den Regierungen des Großherzog-
thums Sachsen-Weimar und des Herzogthums Sachsen-Altenburg hinsichtlich der Mili-
tatrpflichtigkeit der ehelichen Söhne solcher Personen, welche gleichzeitig Angehörige bei-
der kontrahirender Staaten sind, je eine besondere Vereinbarung bahin getroffen worden ist,
„daß die männliche eheliche Descendenz derartiger Personen nur in dem Staate
ihrer Geburt, so lange sie darin ein Unterthanenrecht besitzt, die Militairpflicht zu
ersüllen hat, dicjenigen ehelichen Söhne eines zu beiden Staaten im Untertha-
nen-Verhältniß stebenden Vaters aber, welche in einem dritten Staate geboren
werden, der Militairpflicht in demjenigen der beiden kontrahirenden Staaten zu
genügen haben, welchem der Vater ursprünglich angehört hat,“
so wird Solches andurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
Gera, den 5. Juni 1862.
Fürstliches Ministerkum.
v. Harbon.
Semmel.
4) Verordnung, die Kompetenz und das Verfahren in Injuriensachen betr., vom 12. August 1862.
(Tubliglu in Nr., 31. des Amts. und Verorenungsblattes vom Jahre 1862)
Wir Helnrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein te. 2c.
verordnen auf gegebene Anregung im Landtage zu Abschneidung hervorgetretener Zwel-
fel über die Kompetenz und das Verfahren in Injuriensachen kraft des §. 66 des Staats-
grundgesepes vom 14. April 1852 Folgendes:
8. 1.
Es behält bis weiter bei der Bestimmung des §F. 13 des Gesetzes vom 4. De-
39
zember 1852, die Organisation der Justizbehoͤrden betreffend, wonach die Untersuchungen
wegen qualifizirter Injurien zur Kompetenz der Kriminalgerichte, die Perhandlungen
wegen der einfachen Verbal= und Realinjurien zur Kompetenz der Justizämter gehören,
sein Bewenden.
8. 2.
Alle Verlehungen der Ehre, wie sie in den Artikeln 185, 186, 189, 190 und
191 des Strafgesepbuchs verzeichnet und mit Strafe bedroht werden, sind auf Antrag
des Verletzten oder der, im Art. 193 zu solchem Antrage berechtigten Personen unter-
suchungsmäßig zu verhandeln.
Jedoch soll den Betheiligten das Recht zustehen, über die zur Begründung ihrer
Klage oder Vertbeidigung dienlichen Thatsachen den Eid anzutragen. Der Delat hat
die Wahl, ob er den Eid annehmen oder zurückgeben will; Gewissensvertretung dage-
den findet nicht Statt.
Die Verwelgerung oder Nichtleistung eines angetragenen oder zurückgegebenen Ei-
des hat die Folge, dab die Thatsachen, über welche nach richterlicher Bestlmmung hat
geschworen werden sollen, für zugestanden angesehen werden.
Der Gefährdeeid ist ausgeschlossen.
8. 3.
Ueber die Kosten des Verfahrens in erster Instanz sowohl, als in der Instanz der
Rechtsmittel ist nach den Regeln des Civilprozesses zu entscheiden.
Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrist und beigefügtem Fürstlichen
Jusiegel.
Schloß Schleiz, den 12. August 1862.
L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbou. Dinger. dr. E. v. Beulwitz.
4
Gesetzsammlung
für die
Furstlich Reußischen Lande jungerer Linie.
No. 228.
r Nachtrags-Verordnung iu S§. 1 nnd 2 der Ministerial-Verordnung vom 11. August 1956, betr.
die Entrichtung der Personalsteuer der Dienstboten, Fabrikarbeiter, Gewerbsgehülsen und Gesellen
durch ihre Dienstherrschaften.
(Publicirt in Nr. 46. des Amts und Derordnungebl. von 1862.)
Nachdem es öfter vorgekommen ist, daß Anzeigen über Annahme oder Entlassung von
Oienstboten, Fabrikarbeitern, Gewerbogehülsen und Handwerkogesellen theils erst am Jah-
resschlusse oder noch später an die Steuerhebestellen erslattet, theils ganz unterlassen wer-
den, hieraus aber Unzuträglichkeiten für das Steuer= und Rechnungswesen sowie Verkür-
zungen der Staatseinnahmen entsiehen: so wird mil Höchster Landesherrlicher Genehmi-
gung andurch verordnet, daß Diensiherrschaften, Fabrikbesiyxer, Handwerksmeister und Ge-
werbetreibende, denen der Minisierial-Verordnung vom 11. Aug. 1656 zufolge die Ent-
richtung der Porsonalsteuern für ihre Dienstboten rc. obliegt, den Antrilt oder Abgang
eines Dienstboten 2c. längstens acht Tage vor dem zunächst darauf folgenden Personal-
steuerkermine bei der betreffenden Ortslteuerelnnahme anzuzeigen verbunden sind, widrigen-
falls sie bei unterlassener Abmeldung die Forterhebung der ausgeworfenen Steuern zu
gewärtigen, bei unterlassener Anmeldung dagegen, unter Vorbehalt der in §. 21 des Ge-
werbe= und Personalsteuergesehes vom 1. Jull 1852 angedrohten Ordnungsstrafe, den
Betrag der hinterzogenen Steuern nachzugewähren haben.
Gera, den 10. Nopbr. 1862,
Fürstliches Ministerium.
v. Harbou.
Münch.
Ansgegeben den 24. December 1862. 8
42
2) Ministerial-Verordnung vom 10. Novemher 1852, die Bestrafung der Kührung unrichtigen
Gewichts betr.
(DPublicirt in Nr. 47. des Amts, und Vero#tnunzbl. von 1862.)
Da die Ausführungsverordnung vom 10. Mai 1858 die Einführung des Jollge-
wichts betreffend, spezielle Strafbestimmungen nicht enthält, so verordnen wir hierdurch
Folgendes:
8. 1.
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der 88. 2 und 8 der gedachten Aus-
sführungsverordnung sind mit Geldstrafen bis zu fünf und zwanzig Thalern oder mitver-
bältnißmäßiger Gesängnißstrafe zu ahnden.
8. 2.
Dle glelche Strafe trifft diejenigen, welche von ihnen eingefuͤhrte, mit dem Stem-
pel eines benachbarten Bundesstaates versehene Zollgewichtsstücke dem zuständigen inlän-
dischen Aichamte nicht zur Prüfung vorlegen oder sich hierbei irgendwie Fälschungen zu
Schulden kommen lassen.
Diese Prüfung ist dann nicht erforderlich, wenn von dem Fürstlichen Ministerium
Abtheilung für das Innere die Zulässigkeit der Gewichtsstücke eines benachbarten Bun-
deestaales für den Markwerkehr im Allgemeinen ausgesprochen ist
Gera, den 10. November 1862.
Fürstliches Ministerium.
v. Harbou.
Münch.
3| Gesetz über dle substdiarlsche Hastpflicht bei Uebertretung der Gesehee über indirekte Steuern.
(Dubliciit in Nr. 48. des Amts- und Verordnungdbl. von 1862.)
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie reglerender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein rc. #2c.
verordnen hierdurch in Folge einer untker den Regierungen der zum Thüring'schen Zoll-
43
und Handelsvereln gehörenden Staaten getrossenen Verelnbarung und unter Zustim-
mung des Landtages wie folgt:
S. 1.
Ueberall, wo in den Gesehzen über indirekte Steuern eine subsidlarische Haftpflicht
für die von dem Uebertreter eines solchen Gesetes verwirkte Geldstrase bestimmt ist, wird
dieselbe, soweit es nicht schon jetzt der Fall, zugleich auf die Hafipflicht für dle Gesälle
und Prozehkosten erstreckt, zu deren Zahlung der Uebertreter verurthellt worden ist.
8. 2.
Diese Haftpflicht tritt eben sowohl wegen verwirkter Kontraventionsstrafen, als we-
geu Defrandationsstrafen ein; es kann jedoch im Falle mehrerer oder wiederholter Kon-
traventionen derselben Art bei gleichzeitiger Entdeckung die Kontraventlonsstrafe, insbe-
sondere die durch F. 26 des Branntweinsteuer-Gesetzes vom 1. Dezember 1833 verhängte
Ordnungsstrafe von 100 Thalern gegen den subsidiarisch Verpflichteten glelchwie gegen die
eigentlichen Thäter oder Theilnehmer nur in dem elnmaligen Betrage festgesetzt werden.
. 3.
Dem Ermessen des Fürstlichen Ministeriums, Abtheilung der Flnanzen, bleibt in
dem Falle, wenn die Geldbuße von dem Verurtheilten nicht beigetrieben werden kann,
vorbehalten, die Geldbuße entweder von dem subsidiarisch Verhafteten einbringen, oder statt
dessen und mit Verzichtung hierauf, solche nach Verwandlung in Freiheiksstrafe an dem
Angeschuldigten vollsirecken zu lassen, ohne daß lehteren Falls dle Verbindlichkeit des
subsidiarisch Verhasteten rücksichtlich der zu ersetzenden Gefälle und zu berichtigenden Prozeß.
kosten dadurch aufgehoben wird.
Urkuwlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrist und belgefügtem Fürstlichen Insiegel.
Schloß Osterstein, den 20. November 1862.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. E v. Beulwi#.
44
4) Ministerialbekanntmachung, die Uebereinkunst wegen einer mit der Königl. Württembergischen
Staatsregierung wegen gegenseiligen Schutzes der Waarenbezeichnungen betr.
(Vublieint in Nr. 40. des Amts. und Verordnungsbl. von 1802.)
Es wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß nach einer mit der Ks-
niglich Würnembergischen Staatsregierung getroffenen Uebereinkunft bis auf Weiteres
gegen diesseitige Anerkennung der Anwendbarkeit des Artikel 258 des im hiesigen Für-
stenthume gültigen Strafgesebbuchs zu Gunsten Königlich Württembergischer Staatsauge-
höriger die Anwendbarkeit des Königlich Würktembergischen Gesehes vom 12. Februar
d. Is., den Schup von Waarenbezeichnungen beir., zu Gunsten der Angehörigen des
Fürstenthums zugesichert worden ist.
Gera, den 26. Novbr. 1862.
Fürstliches Ministerium.
v. Harbou.
Münch.
5) Gesetz über die Verbindlichkeit zur Auwendung gestempelter Alkoholometer.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
herer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein rrc. 2c.
haben mit Zustlmmung des Landtags zu verordnen beschlossen, wie folgt:
8. 1.
Beidem Verkaufe weingeistiger Fluͤssigkeiten von einer vorbedungenen Staärke
dürfen, sofern die Ueberlieferung im Inlande Statt findet, zur Ermittelung des Alkohol-
gehaltes nur die mit dem Stempel einer von Unserem Ministerium anerkannten Inlän-
dischen oder ausländischen Aichungsbehörde versehenen Alkoholometer und Thermometer
resp. Thermo-Alkoholometer angewendet werden.
g. 2.
Bel der Anwendung dieser Instrumente sind diejenigen Vorschriften und Reductlons-
Tabellen ausschließlich maßgebend, deren Anwendung Unser Ministerium anorduet.
45
8. 3.
Die Uebertretung der Vorschrist im 8. 1 oder die Benupung anderer als der auf
Grund des §. 2 vorgeschriebenen Reductionstabellen bei dem im F.1 erwähnten Verkaufe
wird mit der gegen die Anwendung unrichtiger Gewichte und Maße im Verkehre ange-
drohten Skrafe geahndet.
S. 1.
ODie vorstehenden Bestimmungen, mit deren Ausführung Unser Ministerium beauf-
tragt ist, treten mit dem 1. April 1863 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigefügtem Fürstlichen In-
siegel.
Schloß Osterstein, am 10. Dezember 1862.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbou. Dinger. Dr. v. Beulwit.
6) Ministerial-Verordnung, die Ausführung des Gesetzes über die Verbindlichkeit zur Anwendung ge-
stempelter Alkoholometer betr.
Zur Ausführung des Gesetzes vom heutigen Tage über die Verpflichtung zur An-
wendung gestempelter Alkoholometer bei dem Handel mit weingeistigen Flüssigkeiten wird
hiermit verordnet:
8. 1.
Bei dem gedachten Verkehre dürfen unter den im §. 1 des Gesetzes ausgesprochenen
Voraussepungen bis auf Weiteres nur solche Alkoholometer und Thermomcter resp.
Thermo-Alkoholometer angewendet werden, welche mit dem Stempel einer Königlich Preu-
bischen Aichungs-Behörde versehen sind und zu welchen ein den Königlich Preuwischen
Vorschristen entsprechender Aich-Schein ausgestellt ist.
S. 2.
Für die Anwendung dieser Instrumente im Verkehre treten die in der beigedruckten
Anweisung des Königlich Preußlschen Handels-Ministerlums vom 21. Novbr. 1860 ent-
46
haltenen Vorschristen, sowie die denselben belgefuͤgten, auf jeder Seite mit dem Stempel
der Koͤniglichen Normal--Alchungs-Kommission versehenen sogenannten Brixschen Reducti-
ons-Tabellen als maßgebend und fürerst allein zulässig ein.
8. 3.
Namentlich auch rücksichtlich der Bereithaltung des Aich-Scheines sind die Bestimm.
ungen im §. 5 der angezogenen Königlich Preußischen Verordnung maßgebend.
Gera, am 10. December 1862.
Fürstliches Ministerium.
rbon.
Münch.
Anweisung
zmum Gebrauche der Alkoholometer und der zugebörigen Reduktions Tabellen.
Nachdem ich auf Grund der Vorschrift im §. 2 des Geseßes, betreffend die Ver-
bindlichkeit zur Anwendung gestmpelter Alkoholometer, vom 24. April 1860 (Gesep-
Sammlung S. 381) durch die Cirkular-Verfügung vom heutigen Tage festgesetzt habe,
daß zur Bestimmung der wahren Spiritus-Stärke aus den scheinbaren Spiritus-Stärken
nur die auf jeder Seite mit dem Stempel der Königlichen Normal-Aichungs-Kommission
versehenen sogenannten Brixschen Tabellen Gültigkeit haben sollen, bestimme ich, der Ein-
Jangs gedachten Vorschrift gemäß, über das Verfahren beil Anwendung der Alkoholometer
und der zugehörigen Reductions-Tabellen, was folgt:
8. 1.
Bei der Handhabung des Alkoholometers ist zu beachten, daß der Punkt, bis zu
welchem die Spindel des Insirumentes in den zu prüfenden Weingeist eintaucht, jedesmal
unter der Oberfliche des letzteren abgelesen werde. Denn auf der Oberfläche bildet
sich um die Spindel, vermögk der Anziehungskraft der lepteren gegen die umgebende
Flüsügkeit siets eine wulsiartige Erhöhung, welche auf das Ergebniß der Prüfung keinen
Einfluß ausüben darkf.
Die auf diese Weise abgelesene Zahl von Graden zeigt die scheinbare Splrims-=
Stärke an.
8. 2.
Gleichzeitig mit der scheinbaren Spirihus-Staͤrle wird die Temperatur der zu
prüfenden Flüssigkeit durch den Thermometer festgestellt. Wird zu diesem Iweck ein, mit
dem Alkoholometer nicht verbundener Thermometer benupt, so muß der Temperakur-Grad
festgestellt sein, bevor der Alkoholometer aus der Füssigkelt entfernt sst.
8. 3.
Aus der scheinbaren Spiritus-Stärke und der Temperatur der Flüssigkeit wird die
wahre Spiritus-Stärke mit Hülfe der Tabelle hergeleitet.
Dlese Tabelle hat zwei Eingänge: den elnen für die Anzelgen des Alkoholometers,
den anderen für die Anzelgen des Thermometers. In dem ersteren, nämllch der obersten
PHorizontal-Reihe, sind die uumlktelbaren Alkoholometer-Anzeigen, also die schelnbaren Stärken
von 30 bis 99 Volum-Prozenten, in dem zweilen, nämlich der vordersten Vertikal= Spalte,
sind die zugehörigen Anzeigen des Rcaumur'schen Thermometers von 10° unter, bia
25°% über Null bemerkt. An derjenigen Stelle, wo eine Vertikal= und Horizontal=
Spalte sich kreuzen, ist die der Normal-Temperalur von 12 3/20 Réaumur entsprechende,
also die wahre Spiritus-Stärke zu finden.
Wenn z. V. bei einer Temperatur einer weingeisilgen Flüssigkeit von + 18°0 Néau-
mur der eingesenkte Alkoholometer eine scheinbare Stärke von 85 Prozent anzelgt, so ist
in der obersten Horizontal-Reihe der Tabelle die Zahl 85 aufzusuchen, und die zugehs-
rige Vertikal, Spalte so weit hinab zu verfolgen, bis man zu der horigontalen Jahlreihe
kommt, zu welcher links in der, die Wärmegrade enthaltenden Spalte die Zahl 18 ge-
hört. Hier findet man die Angabe 8 300 als die wahre Spiritus-Stärke; d. h. die ge-
fundene Zahl zeigt an, daß in 100 Quart der vorher bis 12½ Reaumur abgekühlten
Flüssigkeit 83 Quart absoluten Alkohols enthalten sind.
8. 4
Wenn der Alkeholometer beim Einsenken in den zu prüfenden Weingeist eine schein-
bare Stärke anzeigt, die aus einer ganzen Zahl in Verbindung mit einem Bruche be-
sleht, so ist die der ganzen Zahl entsprechende wahre Stärke nach dem angegebenen
Verfahren zu bestimmen und der gefundenen Jahl der überschießende Bruch hinzuzufügen.
Die Summe beider Jahlen zeigt die wahre Stärke an. Ist z. B. bei 60 unter Null die
scheinbare Stärke von 68½/ Prozent angezeigt, so suche man in der Tabelle zuerst die
zu 68 Prozent gehörige wahre Stärke, welche gleich 75,1 ist, und sehe dieser Zahl ½
binzu. Dieses ergiebt 75 + 0,5 = 75/6 Prozent als die gesuchte wahre Stärke.
Kommt dagegen bei den Thermometer-Anzeigen ein Bruch vor, so ist er, wenn er
½ oder weniger beträgt, außer Acht zu lassen, wenn er mehr als ½ beträgt, für voll
zu rechnen Bei der Beobachtung des Thermometers genügt es also, jedesmal blos den,
der wirklichen Temparakur nächsten ganzen Temperatur-Grad abzulesen.
8. 5.
Der Besiher eines der im Gesehe vom 24. April 1860 bezeichneten Instrumente
muß in jedem Falle, wo er ein solches zum Zweck des Spiritus-Handels benuht, oder
48
die Polizei- Behörde es verlangt, durch Vorzeigung des dazu gehörigen Aich-Scheines fich
ausweisen können, daß das Instrument der in dlesem Scheine enthaltenen näheren Be-
zeichnung unverändert entspreche. Der Alch-Schein ist daher sorgfältig aufzubewahren.
Bei Statt gehabtem Verluste desselben ist das betrefsende Insirument sofort der Aichungs-
Behörde zur Prüfung und Ausserkigung einer neuen Bescheinigung vorzulegen. Bis
dahln ist die Benupung des Instrumentes zu Verkaufszwecken unstatthaft.
8. 6.
Geht dem Besiper eines Alkoholometers die ihm eingehändigte Neductions,Tabelle
verloren, so kann die Verabfolgung eines andewweiten Exemplars nur gegen Vorzeigung
des Aich-Scheine# und Zahlung des Preises von 3 Sgr. Statt finden.
8. 7.
Vorstehende Anweisung ist den von der Königlichen Normal-Aichungs--Kommission
auszugebenden Redultions-Tabellen vorzudrucken.
Berlin am 21. November 1860.
Der Minister für Handel, Gewerbe und oöffentliche Arbeiten.
v. d. Heodt.
49
Gesetzsammlung
Fuͤrstlich Reußischen Lande juͤngerer Linie.
do 229.
Gesetz, über die Besoldung der Volkfsschullehrer.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
benstein rc. 2c.
verordnen mit Zusitlmmung des Landtags Folgendes:
8.1.
Die Besoldung eines Volksschullehrers soll, außer freier Wohnung oder einem
Geldäquivalent dafür, mindestens betragen:
auf dem platten Lande . 100 Thlr.
in den Marktflecken und lleineren Städeen 200 „
in Lobensteln und Schleiz · ·...220«
·nGeta.. ....2-10
Kann ein Lehrer auf dem platen Lande ohne Dienswahnung innerhalb der Schu.
gemeinde eine Wohnung nicht erhalten, so hat die Gemeinde dem Lehrer eine angemes-
sene Dienstwohnung unbedingt zu beschaffen.
5. 2.
Dle Besoldung der Rectoren und Oberlehrer an den Knaben= und Mädchenschulen
soll, außer Wohmung oder Wohnungsgeld, mindestens betragen:
in den Marktflecken und kleineren Städten 300 Tolr.
in Lobenstein . ....330»
mSchlcta......·.......350,,
mGeka·.-. ...·.·....400«
Ausgegeben den 14. Jannar 1863. ’
50
8. 3.
Auch einem festangestellten Schullehrersubstltuten soll dle Mindestbesoldung der be-
treffenden Schulstelle gewährt werden.
Die Besoldung eines nicht siändigen Hilfslehrers hat das Ministerium nach den
Umständen zu bestimmen.
Dieselbe darf jedoch auf dem Lande nicht unter 120 Thlr. und in den Städten
nicht unter 150 Thlr. betragen. Wer die Bezüge elnes Hilfslehrers zu gewähren
bat, ob der Hauptlehrer oder die Schulgemeinde, das bestimmt Fürstliches Ministerium
mit Rücksicht auf die Gründe, welche die Anstellung des Hilfslehrers bedingen. Liegt
der Grund in der Persönlichkeit des Haupklehrers, so kann dieser nach Befinden ange-
balten werden, den Aufwand für den Hilfslehrer ganz zu übertragen.
P
Jedem Volksschullehrer sollen, bel tadelloser Führung und befriedigender Leistung
im Amte, nach sechsjähriger Dienstzelt 20 Thlr. —. —, nach zwölfjähriger Dienstzeir
40 Thlr. —. —., nach achtzehnjährlger Dienstzeit 60 Thlr. —. —., nach vierundzwan-
zigjähriger Diensizeit 80 Thlr. —. —. mehr, als der §. 1 und §. 2 festgesetzte Min-
destgehalt der Stelle, welche er bekleidet, gewährt werden.
Lehrer, welche Schulen verwalten, in denen die Zahl der Kinder in fünfjährigem
Durchschnitte nicht mehr als dreißig beträgt, sollen nur die Hälste der vorbestimmten Al-
terszulagen erhalten.
Der Anspruch auf eine Alterszulage geht durch Nichtannahme einer besser dotirten
Stelle ohne ausreichenden Grund insoweit, als dieser Anspruch durch Annahme der letz-
tern ausgeschlossen sein würde, verloren.
Die Diensizeit ist von der definitiven Anstellung im Schuldienst an zu berechnen
8. 5.
Denjenigen Schulstellen, mit welchen eine, den Mindestbetrag übersteigende Dotation
verbunden ist, soll dieselbe erhalten bleiben. Jedoch dürfen innerhalb derselben Schul-
gemeinde Dotationstheile von einer Stelle auf eine andere vach Beschluß der Gemein-
debehörden auf vorgängige Vernehmung des eiwa bestehenden Schulvorstandes mit Ge-
nehmigung des Ministerium übertragen werden, soweit nicht ein erworbenes Recht da-
durch verletzt wird. «
8. 6.
Das Schulgeld für jedes schulpflichtige oder außerhalb des schulpflichtigen Alters
die Schule besuchende Kind darf nicht unter 1 Thlr. —. —. jährlich betragen, kann
51
aber nach Bedarf bis auf 2 Thlr. —. —. erhöht werden. In den Städten soll es
wenigstens 2 Thlr. —. —. betragen.
87.
Nur solchen Schulgemeinden, welche die Lehrerbesoldungen nicht aufzubrlngen ver-
EIEEEILLITIIIEEIEIE
tell aus der Hauptstaatskasse, gewährt werden.
S. 8
Die in §. 4 geordneten Alterszulagen werden unbedingt aus der allgemeinen Kir-
chen= und Schulkasse, eventuell aus der Hauptstaatskasse bestritten.
8. 9.
Ueber die Besoldungen sämmtlicher Schulstellen sind genaue, die einzelnen Besol-
dungstheile gesondert aufführende Verzeichnisse durch das Ministerium in der Weise fest-
zustellen, daß von den Schulbehörden unter Zuziehung des etwa betheiligten Patrons,
des Lokaliuspektors, der Lehrer, des Gemeindevorstands und Gemeinderaths, bezüglich
wo ein solcher nicht besieht, der Gemeinde alle einzelnen Emolumente und Besoldungs-
stücke elner Stelle — die Wohnung alleln ausgenommen — sowie die Zahl der schul-
pflichtigen Kinder einer Schule oder Klasse nach elnem fünfjährlgen Durchschnitt ermit-
telt resp. von dem Ministerium in Ermangelung einer Vereinigung bestimmt werden
und zwar namentlich
Am Naturalien nach ihrer zeitherigen Beschaffenheit nach billigen Preisen;
4 die Benuhung von Dienstgrundstücken nach billigem, orlsüblichem Pachtschillinge:
die Bezüge aus dem mit einer Schulstelle verbundenen Kirchendienste nur dann
und insoweit, als deren jährlicher Betrag nach fünffährigem Durchschnitte
20 Thlr. —. —. übersteigt;
. das Schulgeld voll, dem Gesetze oder dem sonstigen Betrage gemäß ohne Rück-
sicht auf Verlust;
das Holz mit Rücksicht darauf, daß nur der Theil berechnet wird, der dem Leh-
rer selbst alo Theil seines Gehaltes zukommt, wogegen der zur Schulheizung be-
stimmte Theil nicht veranschlagt werden kann;
Bezüge aus Stifiungskassen und von Patronen nach ihrem Bertrage.
Von fünf zu fünf Jahren sind die Besoldungsverzeichnisse einer Reolsien zu unter-
Fehen.
TeEe
E.
H.
“
=
10
Ueber die Emeritirung und Uensionirung eines Lehrers gelten die im Staatedie=
nergesetze enthaltenen Bestimmungen.
52
8. 11.
Der Ruhegehalt eines emeritirten Schullehrers ist aus einer Bezirks= oder Lan-
desschulkasse, eventuell aus der Hauptstaatskasse zu bestreiten. Jede Schulgemeinde hat
aber, zur Aufbringung der dazu nöthigen Mittel, jährlich zwei Procent der Besoldung
ihrer Schulstellen zu der vom Ministerium zu bestimmenden Kasse in zwei Terminen, zu
Anfang der Monate April und Oktober, einzu,ahlen.
8. 12.
Dleses Gesetz tritt mit dem 1. Aprll 1863 in Krast.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrist und beigesügtem Fürst-
lichen Insiegel.
Schloß Osterstein, den 31. Dezember 1862.
# S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. E v. Beulwih.
53
Geſetzſammlung
für die
Fürstlich Reußischen Lande jüungerer Linie.
H%o. 230.
Verordnung, den Nachtrag zur prorisorischen Ordnung des Gesammt=Oberappellationsgerichts
zu
elt.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigſte von Gottes Gnaden Jün¬
gerer Linie regierender Fürſt Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo¬
benstein ke. rc.
haben in Ucbereinstimmung mit den übrigen, zum Gesammt=Oberappellationsgericht zu
Jena vereinigten Höchsten Hösen Uns veranlaßt gefunden, einen die Besoldungs= und
Pensionsverhältnisse der Mitglieder des Oberappellationsgerichts betreffenden Nachtrag zur
prövisorischen Ordnung des gedachten Gerichts zu erlassen und verordnen demgemäß Kraft
des gegenwärtigen Geseyes nach Zustimmung der Landesvertretung Folgendes:
Ari. 1.
(Zu §. 77 der provisorischen Oberappellationsgerichts=Ordnung.)
Die jährliche Besoldung
e
des Präsidenten wird auf 2500 Thlr.
uI. nicht akademischen Raths auf 1700.
2. · - -1400-
-3.- " - -1400-
-4.- « « -l.400-
«5.- - - - 1400 ·
l. alademiſchen ⸗ 700
". 2. - - -700-
Ausgegeben den 14. Januar 1863. 10
54
des 3. akademischen Ratbe auf 600 Töhlr.
- 4. - *!) " 600 -
5. 600
(1.) Sekretairs 900
erhöht.
Der Mehraufwand, welcher sich durch dle Erhöhung der Besoldungen ergibt, wird
zuvörderst aus den Ueberschüssen der Sustentationskasse gedeckt, das hiernach noch Feh-
lende durch Zuschüsse aus den Staatskassen nach dem bestehenden Divisor aufgebracht.
Art. II.
(Zu §. 78 der provisorischen Oberappellationsgerichts-Ordnung.)
Der in §. 78 der provisorischen O.-A.-G.-Ordnung festgesepte Abzug von 2 Pro-=
zent der Besoldungen des Oberappellationsgerichts-Personals für die Wittwenkasse des
Gerlchts findet nicht mehr Statt.
Art. III.
Unter Wegfall ded §. 79 der provisorischen O.-A.-G.-Ordnung wird bezüglich der
Versepunt vr Mittlide und Subalicenen des Oberappellationègerichts in den Ruhestand
(Pensionirung) und deren Ruhegehalt (Pension) bestimmt:
8. 1.
Mitglieder, sowie unwiderruflich angestellte Subalterne des Oberappellationsgerichts,
welche
1) das 40. Dlenst= oder das 70. Lebensjahr zurückgelegt haben oder
2) wegen einer nicht durch ihre eigene grobe Verschuldung eingetretenen körperlichen
und geistigen Schwäche zur Verwaltung ihres Amtes bleibend unfähig geworden
sind, können, vorausgesetzt, daß nicht eln Fall vorliegt, der Dienstentsehung be-
dingen würde, ihre Versehung in den Ruhestand mit dem nachgeordneten Ruhe-
gehalt (Pension) sordern, aber auch andererseits gegen Gewährung des Letßteren
wider ihren Willen in den Ruhestand versetzt werden.
* 2.
Gesuche der Räthe und Suballernen des Gerichtshofs um Pensionirung auf Grund
dieser Bestimmung sind mit der Bescheinigung des Grundes bei dem Präsidenten elnzu-
reichen, der sie dem jeweiligen Inspectionshof vorlegt; der Präsident selbst hat sein deß-
fallsiges Gesuch unmlttelbar bei dem Inspectionshof zu übergeben.
55
8. 3.
Wird wegen Dienstunfähigkeit die Versezung in den Ruhestaud nachgesucht oder
soll aus diesem Grunde unfreiwillige Pensionirung erfolgen, so hat bei Räthen und Sub-
alternen des Gerichtshofs der Präsident und zwar im ersteren Falle, sobald ihm das be-
nesfende Gesuch überreicht worden ist, im zweiten auf den ihm von dem Iuspectionshof
— der sich zuvor mit den übrigen Höfen deshalb zu benehmen hat, — ertheilten Aus-
nag hin, unter Zugrundelegung eines Guaachtens geeigneter Sachverständiger, insbeson-
dere auch ärztlicher Zeugnisse, die Dienstunfähigkeit des betreffenden Beamten zu ermit-
teln und das Ergebniß dieser Erminelung dem Inspectionshof vorzulegen; der Beamte
ist davon in Kenntniß zu sepen und ihm eine binnen einer #wöchigen Frist einzureichende
Erklärung nachzulassen, worauf von den höchsten Höfen Beschluh gefaßt wird; zur Be-
schlußfassung genügt die Uebereinstimmung dreier der höchsten Höfe.
Steht die Pensionirung des Präsidenten in Frage, so beauftragt der Juspectlonshof
den ersien nicht akademischen Rath oder einen andern ihm geeignet erscheinenden Beam-
ken mit der Vornahme der obigen Ermittelung.
8. 4.
Der Ruhegehalt besteht bel 10 und weniger Dienstjahren in 40 % der Besold-
dung, die der Beamte bezieht, für jedes weitere, auch nur begonnene Dienstjahr wird
er um 1½0 erhöht, kann jedoch nicht über 30 0% steigen.
8. 5.
Als Besoldung ist lediglich der mit der Stelle ständig verbundene Genuß an
baarem Geld, Naturalien und Dienstwohnung, einschließlich der als Theil des Dienstein-
kommens veranschlagten Accidenzien und Tantiemen, sowie der unwiderruflich für die
ganze Dienstzeit elwa bewilligten persönlichen Zulagen anzusehen:
Zur Besoldung gehören daher nicht:
u. die Gebühren und Nebennupungen, welche bei einem Dienste nur zufällig vor.
kommen und nicht als Besoldungstheil veranschlagt lind,
b. die persönlichen Zulagen auf Zeit oder Widerrüs,
c. das was der Diener als Ersah für Standes= oder Dienstaufwand, als Bedarf
für die Amtoführung und als Entschädigung für Einbußen bei der Dienstoer-
waltung erhält, als: Diäten und Reisekosten oder deren Aequivalente, die zur
Anschaffung und Erhaltung von Bureaubedürsnissen verwilligten Gelder, die Ver-
gütung für Kopialien, die Entschädigung für Geldverlust #., das zur Heizung
des Dienstlokals gelleferte Holz 2c.
10
56
Sind bei der Anstellung die Naturalien, Dienstwohnung und andere Emolumente
ucht besonders veranschlagt worden, so wird deren Geldwertb bel Ausmessung der
Pension durch die Taxe dreier Sachverständiger ermittelt, von denen der eine durch das
Ministerium des jewelligen höchsten Inspectionshofs, der zweite durch das Oberappella-
tlonsgericht, der dritte durch den betreffenden Beamten selbst bestimmt wird.
8. 6.
Bel Berechnung der Dienstzeit wird zuvörderst die Zeit der ersten Anstellung bei
dem Gerlchtshofe zu Grunde gelegt.
Hinzugerechnet wird sodann die Zeit,
a. welche der Beamte vorher im unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst eines
deutschen Staates zugebracht hat,
4 während welcher derselbe sich im Vorbereitungsstadium zum Staatsdienst von Ab-
lauf des zwelten Jahres nach seiner Verpslichtung an befunden hat,
4die, welche der Beamte vor dem Eintritt in den (mittelbaren oder unmittelbaren)
Clvilstaatsdlenst im aktiven Militalrdienst eines deuschen Staates über seine
gesehliche Dienstzeit binaus gestanden hat, wobei jedoch die Zeit des Ur-
laubs, sobald die Dauer desselben 3 Monate überstieg, nicht und die im Feldzug
zugebrachte Zeit nur elnfach in Anschlag kommt.
Dagegen wird nicht in Betracht gezogen: jede vor dem 21. Lebensjahre zurückge-
legte Dienstzeit.
War der Beamte früher eine Zeit lang aus dem Staatodienste freiwillig ausge-
schieden, später aber wieder eingetreten, so bleibt zwar die außer dem Dienst zugebrachte
Zeit außer Berechnung, die frühere Dienstzeit aber wird zugerechnet, insofern nicht bei
dem vormaligen freiwilligen Austrikt Grund zur Amtsenksetzung auf gerichtlichem Wege
vorhanden gewesen war.
S
□.
8. 7
Wenn ein Beamter des Oberappellationsgerichts in Erfüllung seines amtlichen Be-
rufs ohne seine grobe Verschuldung beschädigt und dadurch dienstunfähig wird, so steht
ihm der Anspruch auf 80 Prozent seiner Besoldung ohne Rücksicht auf seine Dienst-
jahre zu.
8. B.
Die Peusion beginnt 3 Monate nach Ablauf des Monats, in welschen dem Beam-
ten der Beschluß auf Versetzung in den Ruhestand bekannt gemacht worden ist. Bis
dahin läuft die bisherige Besoldung und so lange der Beamte seinen Dienst verrichtet.
auch das sonstige Diensteinkommen fort.
57
8. 9.
Im Falle ein peufionirter Beamter des Oberappellationsgerichts selnen Aufenthalt
im nichtdeutschen Ausland nimmt, tritt ein Abzug von einem Fünßtheile des Ruhegehalts
zu Gunsten der Sustentationskasse des Oberappellationsgerichts ein.
8. 10.
Das Recht auf Bezug der Pension geht verloren:
a. wenn der pensionirte Beamte sich solcher Vergehen schuldig macht, die, wenn er
noch im wirklichen Dienste wäre, seine Entsehung zur Folge gehabt haben würden,
b. wenn er ohne Erlaubniß der sämmtlichen Durchlauchtigsten Höfe in bleibende
Dienste eines anderen Staats tritt.
Bezüglich des Verlustes der Pension in dem Falle sub a. kritt dasselbe Verfahren
ein, wie es für die Enlklassung des Personals des Oberappellationsgerlchts mit Verlust
des Diensteinkommens vorgeschrieben ist resp noch werden wird.
Art. IV.
(Zu §. 80 der prov. OA##rdnung u. Art. XIII. des Nachtrags vom 7. März 1842.)
Anstatt der bisherigen Bestimmungen über Pensionen der Wittwen und Waisen
von Mitgliedern und Suvbalternen des Oberappellatlonsgerichts wird Folgendes festgesetzt:
g. 1.
Die Wittwe, in deren Ermangelung die noch unversorgten ehelichen oder durch
nachfolgende Ehe legltimirten Kinder eines in Activität oder in Ruhestand verstorbenen
Mitgliedes oder definillv angestellten Subalternen des Oberappellationsgerichts haben,
die Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahre Anspruch auf Gewährung der
nachgeordneten Pension.
Dieser Anspruch krikt jedoch nicht ein:
à wenn der Gatte oder Vater ohne erhaltene dienstliche Erlaubniß geheirathet hatte,
es sei denn, daß solches schon vor seiner Anstellung bei dem Oberappellationsge-
richt oder vor Erlaß des am 7. März 1842 verabredeten Nachtrags zur provi-
sorischen Oberappellationsgerichts-Ordnung geschehen.
kwenn er sich erst während seines Ruhestandes verheirathet hatte,
wenn er seines Amtes durch Urthel und Recht entseht oder seiner Pension für ver-
lustig erklärt. worden ist.
8. 2
Die Pension der Wittwe bestebt in dem fünsten Theile der Besoldung, welche
58
ihr verstorbener Mann während der lehzten Zeit seines Activitätsstandes bezogen hat. —
Zur Vermeldung aller Brüche wird jedoch die Summe des Diensteinkommens nur inso-
weit berücksichtigt, als sie mit 25 Thlr. theilbar ist. Niemals kann die Pension die
Summe von 500 Thlr. überstelgen und ebensowenig unter 25 Thlr. betragen.
8. 3.
Jedes eheliche oder durch nachgefolgte Ebe legitimirte Kind erhält, wenn keine
Wittwe vorhanden ist, oder sobald diese in Folge stirbt oder wieder heirathet, den 3.
Theil der geordneten Wittwenpension als Erziehungsbeitrag, bio es das 18. Lebensjahr
erfüllt hat oder früher versorgt wird. Sind mehr als drei eheliche Kinder vorhanden,
— gleichviel ob aus einer oder aus mehreren Ehen —. so wird der Ertrag der Wit-
wenpension unter sie alle gleichmäßig verlheilt
Mit dem Tode, dem erfüllten 18 Lebensjahr oder der früheren Versorgung des
Kindes fällt dieser Antheil den übrigen Kindern zu und erst daun an die Staakskasse
zurück, wenn durch solche Anfälle oder auch schon ohne solche jedes übrige Kind zum
Genuß eines vollen Drittheils der Winnvenpension gelangt itt.
8. 4.
So lange hingegen neben der Wittwe noch unversorgte jüngere als 18jährige Kin-
der aus einer früheren Ehe des verstorbenen Beamten des Oberappellationsgerichts leben,
so hat erstere für solche ein Drittheil und, wenn si selbst gar keine Kinder von dem
Versiorbenen hätte, die Hälfte von ihrer Winwenpension abzugeben, es sei denn, daß
nur 1 Kind aus der früheren Ehe vorhanden wäre, welchen Falls dasselbe auch nur ein
Drltthell erhält. Nach dem Tode, nach erfülltem 18. Lebensjahre oder nach früher ein-
getretener Versorgung eines solchen Kindes fällt dessen Antheil an die Wittwe zurück.
8. 5.
Für versorgt ist ein Kind zu achten, sobald es heirathet, ein Diensteinkommen er-
bält oder sonst zu einem selbbständigen Erwerb irgend einer Art gelangt.
8. 6.
Bei Kindern ausgezeichnet verdienter Mirglieder des Gerlchtshofs, die keine Pension
bezirhende Mutter mehr haben und die vermögenlos und ohne ihre Schuld zu hinläng-
lichem Selbsterwerb unfähig sind, kann das hölhste Ermessen der Durchlauchtigsten Höfe
die Waisenpension bis zu ihrem Ableben oder doch bis auf Wlderruf resp. fortdauern
oder eintreten lassen.
8. 7.
In den im zweiten Absah des §. 1 sub. a. b. und e. gedachten Faͤllen bleibt es
59
ferner der Gnade der Durchlauchtigsten Höse überlassen, unschuldigen und dürstigen Che-
frauen, Wulwen oder Watsen einige Unterstütuung bis höchstens zur Hälfte der außerdem
eintretenden Pension zuzusprechen.
8. 8.
Alle Witiwen- und Waisenpensionen fangen erst mit Ablauf des Gnadenquartals
und was die Hinterlassenen der im Ruhestand verstorbenen Beamten betrifft, mit Ablauf
des Sterbequartals an.
Sie werden vierteljaͤhrlich und zwar zu Anfang des leyten Quartalmonats aus-
Vezahlt.
Auf den Qutttungen der auherhalb der Großherzoglich und Herzoglich Sächsischen
und Fürstlich Reuhßischen Lande wohnenden Wittwen muß das Leben derselben und der
fortwährende Wittwenstand von einer Gerichtsbeshörde altestirt sein.
Waisenpensionen werden nur an Voimünder ausgezahlt, welche dafür hasten müssen,
daß ihre Pflegebefohlenen noch am Leben, noch nicht über 18 Jahre alt und noch un-
versorgt kind.
Jeder ersten Quinung, dle ein Altersvormund unterzeichnet, muß beglaubte Abschrift
des Tutoriums beiliegen. Sollte eine Witiwe unfähig sein, Quitiung auszustellen, so hat
die ordentliche Obrigkeit ihr zu dieser Handlung ein für allemal eineu Vormund zu be-
stellen.
8. 9.
Die schon eingetretene Wittwenpension fällt wieder weg mit dem Tage der ander-
weiten Verhelrathung, welche Lewtere jedoch hinsichtlich der Kinder blos dieselbe Wirkung.
wie der Tod der Witwe hat.
8. 10.
Wittwen- und Waisenpensionen fallen weg, sobald die Wiltwe oder resp. das ver-
watst# Kind wegen eines Verbrechens zu Zucht= oder Arbeitshaus vder einer gleichkom.
menden Strafe rechtskräftig verurkheilt worden ist. Doch hat auch hier das Verbrechen
der. Wiuwe hinsichtlich der unschuldigen Kinder nur dieselbe Wirkung wie ihr der Er-
steren Tod.
8. 11.
Bei dem Ableben der Wittwen oder Waisen endet die Pension jedesmal mit dem
Sterbemonat.
E. 12.
Alle Wittwen= und Walsen- Pensionsangelegenheiten sind als officielle anzusehen
60
und folglich sportelfrei zu expediren. Auch sind die Witrwen= und Walsenpensionen der
Arrestanlegung oder gerichtlichen Einweisung zum Besten der Gläubger nicht unterworfen.
8. 13.
Den Waisen, welche von den bereits angestellten Beamten bei deren Abster-
ben hinterlassen werden sollien, bleiben übrigens die aus §. 80. der provisorischen Ober=
appellationsgerichto, Ordnung fließenden Rechte, soweit solche weiter gehend sind
als die sich aus den gegenwärtigen Bestimmungen für sie ergebenden,
vorbehalten.
Art V.
(u §F. 81 und 82 der O.-A.,G., Ordnung.)
Witewenkasse ded Oberappellationegerichto.
Die Wilttwenkasse des Oberappellationsgerichts bleibt als besondere Kasse mit dem
Fonds, den sie am 1. Juli 1862 besipen wird und mit den ihr eingeräumten Rechten
besiehen. Als solche wird sie in bisheriger Weisc sortverwaltet.
Es kommen jedoch außer der in §. 81 sub lil. a aufgeführten Einnahmequellen —
siehe darüber Art. II. — auch die der Witiwenkasse sub b, c und d ihid zugewiesenen
Einnahmen für die Zukunft in Wegfall, indem insbesondere die sub c gedachte Kolla-
teralerbschafts-Abgabe fürderhin überhaupt nicht mehr erhoben werden, die sub d bezeich-
neten Strasgelder aber der Stagtökasse desjenigen Staates zufließen sollen, aus dem der
bezügliche Rechtsstreit an das Oberappellatlonsgericht gelangt ist — Die darnach ver-
bleibenden Erkrägnisse der Winlwenkasse (die im F. 81 sub c erwähnken sonstigen zufäl-
ligen Einnahmeposten und die Zinsen vom Fondo) dienen, wie blsher, zu Deckung der
Wiltwen= und Waisen-Penstonen; eiwaige Ueberschüsse werden admassirt. Fehlbeträge
werden von den Staaten nach dem bestehenden Divisor aufgebracht und der RKasse un-
minelbar überwiesen.
Am. VI.
Dieser Nachtrag ist als mit dem 1. Juli 1862 in Kraft getreten zu bekrachten.
Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedrücktem Fürsiichen
Insiegel.
Gegeben Schloß Ostersteln, den 3. Januar 1863
. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbou. Dinter. Dr. E# v. Beplwitz.
61
Gesetzsammlung
für dle
Fürstlich Reußischen Lande jungerer Linie.
Ho. 231.
Gcesetz, die Einführung des allgemelnen deuischrn Handelögesetbuchs betreffend, vom 23. Fedruar 1863.
Wir Heinrich der Sleben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie reglerender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
benstein rc. 2c.
verordnen unter Zustimmung der Landesvertretung, was folgt:
8. 1.
Das in der Anlage enthaltene zu Folge des Beschlusses der deutschen Bundesver-
sammlung vom 18. Dezember 1856 von Commissarien der Regierungen deulscher Bun-
desstaaten ausgearbeitete
allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch
wird hlermit als Gesetz für das Fürstenihum bekanm gemacht.
Dasselbe tritt mit den nachfolgenden Bestimmungen am 1. Juli 1863 in Kraft.
I. Von Kaufleuten.
8. 2.
Ist das Handelsgericht zweifelhaft, ob das Gewerbe einer Person über den Hand-
werkohetrieb hinausgeht (Ark. 10, Art. 272 Nr. 1 und 5 des H.G.B.), so ist zuvor-
derst durch das zuständige Landrathsamt festzustellen, ob das Gewerbe in größerem Un-
fang und in solcher Weise betrieben wird, daß der Betrieb der allgemeinen Auffassung
gemäß nicht als ein handwerksmäßiger erscheint.
8. 3.
Hölen, Trödler, Hausirer, iugleichen Wirthe und Fuhrleute können die Eintragung
11
62
in das Handelsregister verlangen, wenn sie durch ein Zeugniß der Verwaltungsbehörde
den Beweis liesern, daß sie lhre Gewerbe in einem größeren Umfang und in einer sol-
chen Weise bekreiben, daß sie nach der allgemeinen Anschauung den übrigen Kaufleuten
gleichgestellt werden.
Das Hamelsgericht ist jedoch nicht befugt, diese Personen gegen (hren Willen zur
Eintragung zu veranlassen.
Betreibt eine der im Eingang genannten Personen neben dem bezeichneten Ge-
schäft noch ein anderes Gewerbe, so hat auf die durch lezteres begründete Besugniß und
Verpflichtung zur Eintragung ins Handelsregister eln sonstiger Geschäftsbetrieb keinen
Einfluß.
8. 4.
Ist das Handelsgericht in Betreff anderer als der in §. 2 und 3 genannten Per-
sonen im Zweifel darüber, ob das Gewerbe derselben hinsichtlich der Betrlebsart, der
Gegenstände, auf welche es sich bezieht, sowie des Umfangs der allgemeinen Anschauung
nach den sonstigen unzweifelhaft kaufmännischen Gewerben gleichzustellen ist, so ist für
dle Besugniß und Verpflichtung, die Firma eintragen zu lassen, die Entscheidung der
betreffenden Verwaltungsbehörde (§. 2) maßgebend.
g. 5.
Auf alle diejenigen Persenen, in Betreff welcher ein Zweifel darüber entstehen kann,
ob deren Firmen zur Eintragung ind Handeloregister angemeldet werden können und
müssen sowie auf diejenigen, deren Firmen nur unter besonderen Voraussehungen zur
Eintragung ins Handelsreglster zugelassen werden, finden die Bestimmungen des Han-
delsgesehbuchs über Firmen, Handelsbücher und Prokura nur dann Anwendung, wenn
deren Firmen thatsächlich in das Handelgregister eingetragen sind.
II. Vom Handelsregister.
8. 6.
Die naäheren Bestimmungen uͤber die Form und die Fuͤhrung des Handelsregislers,
sowie die Veroͤffentlichung der Eintragungen werden in elner besonderen Verordnung ge-
troffen.
8. 7.
Jede zur Eintragung in das Handelsregister bestimmte Anmeldung muß auch in
denjenigen Fällen, für welche das Handelsgesetzbuch dieß nicht besonders vorschrelbt, bel
63
dem Gerlcht, welchem die Führung des Handelsregisters obliegt, entweder persönlich be-
wirkt oder in der Form einer gerichtlichen oder nokariellen Urkunde eingereicht werden.
Auch müssen alle Unterlagen, welche erforderlich sind, um den Eintrag zu bewir-
ken, insoweit das Handelsgesetzbuch nicht elwas Anderes anordnet, die Eigenschaft öffent-
icher Urkunden haben.
8. 8.
Wer in den Fällen, in welchen nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs die
Belheiligten zur Befolgung der die Anmeldung zum Behuf der Eintragung in das Han-
delsreglster betreffenden Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten
find, diesen Vorschristen, sowie den Bestimmungen des §. 7 dieses Gesetzes innerhalb
vier Wochen nach Eintritt des Falls nachzukommen unterläßt und nicht darzuthun ver-
mag, daß ihn hierbel kein= Verschulden wifft, versällt, ohne dah es einer vorhergehenden
Androhung bedarf, in eine Individualstraic von 1—10 Thalern. In den Fällen der
S 2—4 dieses Gesepes beginnt der Lauf der vierwöchigen Frist mit der endgiltigen
Entscheidung der Verwaltungsbehörde.
Als endgiltig ist eine solche Entscheidung anzusehen, wenn gegen sie binnen zehn
Tagen nach ihrer Bekanntmachung ein Recurs an die obere Verwaltungsbehörde, das
Fürstliche Ministerlum Abtheilung für das Innere, nicht eingelegt worden oder dieser
endgiltig erledigt ist.
Das Handelsgericht hat bei Erkennung dieser Strafe dem Betheiligten für den Fall,
daß er binnen einer bestimmten Frist die Anmeldung nicht ordnungsmäßig nachholt, eine
böhere Geldstrafe anzudrohen und damit so lange fortzufahren, bis die gesepliche Anord-
nung befolgt oder deren Voraussehung weggefallen ist.
Die Geldstrafen können bls zur Höhe von je zweihundert Thalern angedroht und
verhängt werden.
8. 7.
An das in §. 8 dieses Gesetzes bestimmte höchste Maß der Ordnungsstrafen ist das
Handelsgerlcht auch in dem Falle des Art. 26 Abs. 2 des H. G. B. gebunden.
III. Von den Handelsbüchern.
8. 10.
Drdnungsmaͤßig geführte Handelsbücher eines Kaufmanns liefern bei Streitlgkelten
über Handelssachen einem Richtkaufmann gegenüber weniger als halben Beweis.
Das bisherlge über die Beweiskrast der Handelsbücher und deren Voraussetzungen
geltende Recht ist aufgehoben.
64
IV. Von den Handelsmäklern.
8. 11.
Die Regierung kann, wenn sich das Bedürfniß hierzu herausstellen sollte, durch
Verordnung bestimmen, dah an *) n Handlungsmäkler amtlich zu bestellen
und zu vereidigen sind (Art. 66 des H. G
Auf diese Handelsmäkler finden die omnnsn des 7. Titels des irsten Buchs
des Handelsgesetzbuchs Anwendung.
Der Landesgesehgebung bleibt vorbehalten, diese Bestimmungen erforderlichen Falls
nach Maßgabe des Art. 84 des H. G. B. zu ergänzen und abzuändern.
V. Von den Handelsgesellschaften.
S. 12.
Eigenthum an Grundslücken, Pfandrechte, sowie überhaupt alle der Eintragung in
öffentliche Bücher fähigen Rechte, welche zu dem Vermögen einer Handelsgesellschaft ge-
bören, sei diese eine offene Gesellschaft, eine Commanditgesellschaft, eine Commanditgesell-
schast auf Actien, eine Actiengesellschaft, werden auf den Namen der Gesellschaft in die
Grund= und Hypothekenbücher eingetragen.
Der Eintrag darf erst geschehen, wenn die Eintragung der Gesellschaft in das Han-
delsregister nachgewiesen ist
In dem Eintrage ist die Firma der Gesellschaft und der Ort, wo sie ihren Sit hat
und, falls die Sache zu einer Zweigniederlassung der Gesellschaft gehört, auch der Ort,
wo diese Zweigniederlassung ihren Siß hat, anzugeben.
Die Namen der einzelnen Gesellschafter werden nicht eingelragen (s.jedoch S. 14 d. G.).
Spätere Aeuderungen in Bezug auf die Firma oder den Sißder Gesellschaft oder
der Zweigniederlassung werden, wenn sie in das Handelsregister eingetragen sind, auf
Antrag der Gesellschafr auch in dem Grund- und Hypothekenbuche vermerkt.
8. 13.
Soll eine Versfügung, welche im Namen der Gesellschaft über eines der im Eingange
des §. 12 des G. bezeichneten Rechte erfolgt ist, in das betreffende öffentliche Buch ein-
getragen werden, so genügt zur Gesistellung der Besugniß desjenthen, welcher im Namen
der Gesellschast versügt hat, der Nachweis aus dem Handeleregister, daß derselbe zur Zeit
jener Verfügung zu der Gesellschaft in einem Verhältniß gestanden hat, wodurch er nach
den Bestimmungen des Handelsgesezbuchs besugt war, in der geschehenen Art im Namen
der Gesellschaft mit rechtlicher Wirkung gegen Dritte zu verfügen.
Die Nachweisungen aus dem Handelsregister werden durch Beurkundungen des
Handelsgerlchts gellefert, welches das Handelsregister führt.
65
8. 14.
Es ist der Gesellschaft, auf deren Firma eines der im Eingange des §. 12 dieses
Gesetzes erwähnten Rechte elngetragen ist, jederzeit gestattet, auf Grund elner Nachweisung
aus dem Handelsregister, die Namen derjenigen Personen, welche als von der Geschäfts,
führung nicht ausgeschlossene offene oder persönlich haftende Gesellschafter, als Liquida-
toren oder als Mitglieder des Vorstands zur Disposttion über das Gesellschaftsvermögen
befugt sind, eintragen zu lassen.
Ist diese Eintragung erfolgt, so sind die Eingetragenen so lange als geschästefüh-
rende Gesellschaster, als Liguidatoren oder als Mitglieder des Vorslandes zur Dispofi-
tion über das betreffende Recht ausschliehlich legitimirt, bis auf Grund einer neucn Nach-
welsung aus dem Handelsregister ihre Namen gelöscht oder andere Personen als Ver-
treter der Gesellschaft eingetragen sind.
8. 15.
Wenn und sowelt die im Eingang des §. 12 d. G. erwähnten Rechte wegen noch
nicht erfolgter Herstellung der Grund= und, Hypothekenbücher nicht durch Eintragung in
solche begründet bez. erworben werden, so sind unter den Veraussetzungen der vorstehen-
den §§. 12—14 und unter Befolgung der daselbst enthaltenen näheren Bestimmungen
die Erwerbs= und sonsilgen Urkunden auf den Namen der Gesellschaft auszustellen und
die späteren Elntragungen auf Grund dieser Urkunden zu bewirken.
8. 16.
Ueber das Vermögen einer jeden Handelögesellschaft ist der Concurs zu eröffnen,
wenn in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen die Voraussehungen vorliegen, unter wel-
chen überhaupt der Concurs zu eröffnen ist.
Der Concurs kann auch nach Auflösung der Gesellschaft eröffnet werden, sofern die
Verthellung des Gesellschaftsvermögens in Folge Liaqnidatlon noch nicht erfolgt ist.
8. 17.
Wird über das Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Commandit=
gesellschaft oder einer Commawditgesellschaft auf Aktien der Concurs eroffnet, so ist zu-
gleich über das nicht in die Gesellschaft eingebrachte Vermögen eines jeden persönlich haf-
lenden Gesellschafsters von dem competenten Gericht der Concurs zu eröffnen.
Der Concurs über das Vermögen elnes, mehrerer oder sämmtlicher Gesellschafter
hat an sich die Eröffnung des Concurses über die Gesellschaft nicht zur Folge.
8. 16.
An dem Concurs uͤber das Gesellschaftsvermoͤgen sind nur die Glaͤubiger der Ge-
sellschaft Theil zu nehmen berechtigt. Dieselben können wegen des Ausfalls in dlesem
Concurs gleichzeitig in den Concursen über das nicht in die Gesellschaft eingebrachte Ver-
mögen der persönlich haftenden Gesellschafter als Gläubiger auftreten.
8. 19.
Mit Gefängniß bis zu drei Monaten werden bestraft:
4) die persönlich haftenden Mitglieder einer Commanditgesellschaft auf Aktien, wenn
sie Behufs der Eintragung des Gesellschastsvertrags in das Handelsregister falsche
Angaben über die Zeichnung oder Einzahlung des Kapitals der Commanditisten
gemacht haben, ingleichen wenn die Gesellschast länger als drei Monate ohne
Arfsichtsrath geblieben ist.
2) Die Mitglieder des Vorstandes einer Actiengesellschaft, wenn sie der Vorschrift
des Art. 240 des H. G. B. zuwider, dem Gericht die Anzeige zu machen un-
terlassen haben, daß das Actienvermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden
derselben deckt.
Die in diesem §. gedrohten Strafen treten nicht ein, wenn von den Betheiligten
nachgewiesen wird, daß ein Verschulden sie nicht trift.
Weun in den vorstehenden Fällen die Gefängnißstrafe nicht höher ale sechs Wochen
ansteigk, so kann statt derselben auf Geldstrase bis zu 100 Thlr. erkannt werden.
Unter dieser Voraussehung ist das Handelsgericht ebenfalls ermächtigt, die eine
Strafe, auch wenn sie bereits erkannt ist, in die andere umzuwandeln.
Die Strase wird von dem Handelsgericht ohne Betheiligung der Staatsanwalt-
schaft erkannt.
Die in diesem §. gedrohten Ordnungsstrafen werden durch die etwa daneben ver-
wirkten Kriminalstrafen nicht ausgeschlossen.
8. 20.
Für die Aktiengesellschaften, bei welchen der Gegenstand des Unternehmens in Han-
delsgeschäften besteht, gelten solgende Bestimmungen:
1) Unter der in den Art. 208, 214, 242, 247 und 248 des H. G. B. für erfor-
derlich erklärten staatlichen Genehmigung ist die landesherrliche Genehmigung zu verstehen.
2) Unter der in Art. 240 des H. G. B. erwähnten Verwaltungsbehörde ist das
Fürstliche Ministerium zu verstehen.
3) Nach erfolgter landesherrlicher Genehmigung ist der Gesellschaftsvertrag selnem
vollen Inhalt nach nebst der Genehmigungsurkunde in die Gesetzsammlung auszunehmen.
Dasselbe gilt von Jeder Abänderung oder Verlängerung des Gesellschaftsvertrags. Dle
67
in dem Handelsgesetzbuch über die Veröffentlichung der Einträge im Handelsregsster ent.
haltenen Bestimmungen werden hierdurch nicht berührt.
4) Die nach den Art 227 und 230 des H. G. B. dem Worstand elner Mtlenge-
sellschaft zustehende Besugniß zur Vertretung derselben erstreckt sich auch auf diejenigen
Geschäfte und Nechtshandlungen, für welche nach dem sonstigen Recht eine Speclalvoll-
macht erforderlich ist.
8. 21.
Die Bestimmungen des §. 20 d. G. unter 1. 3. 4. gelten auch für Commanditge-
sellschaften auf Aktien.
VI. Von den Handelzsgeschäften.
8. 22.
Durch Art. 295 des H. G. B. werden die Bestimmungen über den gegen einen
Schuldschein oder eine Quittung zu erbringenden Beweis nicht berührt.
Die Einrede des nicht empfangenen Geldes bleibt hypothekarischen Documenten ge-
genüber in dem Umfang, in welchem sie in dem bisherlgen Recht anerkannt ist, auch
dann bestehen, wenn die Pfandschuld aus einem Handelsgeschäft entstanden ist.
8. 23.
Durch die Bestimmungen der Art. 300, 301 und 303 des Handelsgesepbuchs wer-
den die Vorschriften des Gesehes uͤber kaufmännische Anweisungen vom 30. Juli 1852
nicht berührt.
8. 24.
Die Art. 306 und 307 des H. G. B. finden bel Papleren auf Inhaber, so lange
dieselben ordnungsmäßig außer Cours gesetzt find, keine Anwendung.
Das ordnungsmäßlg außer Cours gesete Papler kann von demjenigen, für welchen
es außer Cours gesehzt ist, und dessen Rechtonachfolger Drliten gegenüber mit einer ding-
lichen Klage verfolgt werden.
8. 25.
Als allgemeine Felertage sind zu betrachten:
der Neujahrstag,
der Charfreltag,
der Ostermontag,
der Himmelfahrtstag,
der Pfingstmontag,
der Bußtag,
der erste und zwelte Wethnachtsfeiertag.
68
8. 26.
Das Handelsgericht ist besugt, im Voraus Sachverständige zu bestellen, welche in
den Fällen der Art. 348 und 407 des H.G.B. auf Antrag des Bethelligten die Fest-
stellung des Zustands der Güter vorzunehmen haben.
8. 27.
Unter dem in Art. 348 und 407 des H.G.-B. erwähnten Richter des Orts isi das
Gericht erster Instanz zu verstehen, welches an dem betreffenden Ort zur Entscheidung
in Civilsachen überhaupt kompetent ist
Dasselbe hat auf Antrag der Betheiligten oder eines derselben die Sachverständl-
gen dann zu ernennen, wenn das Handelsgerlcht sich nicht an demselben Ort befindet
VII. Von dem Handelsgerichte.
8. 28.
An Orten, an wolchen sich ein Bedürfniß herausstelltt, werden besondere Handels-
gerichte errichtet. ç
DOie Bestlmmungen über Errichtung, Organisatlon und Kompetenz dieser Gerichte
sowie über das Gerichtsverjahren bleiben der Landesgeseygebung vorbehalten.
Der Erlaß von Bestimmungen über die in Handelssachen zu berechnenden Gebüh-
ren bleibt der Landesgesegebung vorbehalten.
8. 30.
Für die Orte, für welche kein Handelsgericht besieht, sind die den Handelsgerichten
in dem Handelsgesehzbuche und dirsem Gesetze zugewiesenen Geschäfte den ordentlichen
Gerichten übertragen.
Auch in dleser Beziehung werden die weitern Bestimmungen im Verordnungswege
erlassen.
VIII. Allgemeine Bestimmung.
8. 31.
Unter der im Handelsgesetzbuch gebrauchten Bezeichnung „Landesgesehe“ ist das
neben dem Handelsgesebuch im Fürstemhum geltende Recht zu verstehen.
Mit dem im §. 1 bezeichneten Tage treten für Handelssachen alle Bestimmungen
des allgemeinen bürgerlichen Rechts und der Prozeßgesehe, sowie die Handelsgebräuche
insoweit außer Wirksamkeil, als das Handelsgeseybuch Bestimmungen enthält und hier-
bei nicht auf die Landesgesetze bezüglich auf die Handelsgebräuche hinweist.
69
Auch insowe it das Handelsgesehbbuch uͤber Rechtsverhaͤlinisse, welche nicht zu den
Handelssachen gebören, verfügt und hierbei nicht auf die Landesgesetze hinweist, treten
von dem in §. 1 bezeichneten Tage an die Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen
Rechts außer Anwendung.
IX. Transitorische Bestimmungen.
8. 32.
Die in dem Handelsgesehbuch sestgeseyten Verjährungsfristen (Art. 146—149. 172.
349. Abs. 2. 386. Abs. 1 und 2. 408. Abs. 3) beginnen für solche Klagen, welche
schon vor dem Tage, an welchem das Handelsgesetzbuch in Kraft tritt, begründet waren,
mit diesem Tage. f
WirdvorAblaufdlefckBetiåhnmgszciteinczurZeitchSnkmftltetcnodesH-
G.B.nachdembisherigenmechkbetciwbegonnchniähkuugvollendet,soistdiese
Verjaͤhrung entscheidend.
8. 33.
Die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs, welche die Rechte der Gläubiger für den
Fall des Concurses ordnen, sinden auf diejenigen Fälle keine Anweudung, in welchen der
Concurs bereits vor dem Tage, an welchem das H. G. B. in Kraft tritt, eröffnet wor-
den ist.
8. 34.
Die Vorschristen dee Handelsgesehbuchs und des gegenwärtigen Gesehes, gemaͤß wel-
chen die Handelsfirmen und die Handelsgesellschaften, sowie die Vorsteher der Actienge-
sellschasten zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet und die Firmen und Un-
terschristen vor dem Handelsgericht gezeichnet oder die Zeichnungen in beglaubigter Form
elngereicht werden sollen, sind auch von den Kaufleuten und Handelsgesellschaften, welche
bereits vor dem Tage, an welchem das H. G. B. In Kraft kritt, ihren Geschäftsbetrieb
begonnen haben, zu befolgen. Dieß gilt auch für den Fall, daß eine Gesellschaft in Li-
quidation begriffen ist.
Diese Bestlmmung gilt auch für diejenigen Thatsachen, welche schon in andern Re-
gistern eingetragen oder amtlich veröffentlicht sind.
8. 35.
Mit dem Tage, an welchem das H. G. B. in Kraft tritt, treten auch in Beireff
12
70
der schon vorher vorhandenen Thatsachen alle Rechtswirkungen in Kraft, welche das Han-
delsgelegbuch an die erfolgte oder unterlassene Eintragung in das Handelsregister und
die erfolgte oder unterlassene Bekanntmachung dieser Eintragung kunpft.
8. 36.
Auch die übrigen Vorschriften des Handelsgeseybuchs über die Firmen haben für die
Kaufleute und Handelsgesellschaften, welche bereits vor dem Tage, an welchem das H.
G. V. in Kraft tritt, ihren Geschäftsbetrieb begonnen hatten, Geltung.
Jedoch kann eine vor jenem Tage nach dem bisherigen Recht nicht widerrechtlich
geführte Firma auch dann fortgeführt werden, wenn sie den Anforderungen der Art. 16,
17, 16, 20, 21, Abs. 2 und 251 nicht entspricht, sofern dieselbe vor jenem Tage zur
Eintragung in das Handelsregister angemeldet ist.
War eine, vor dem Tage, an welchem das H. G. B. in Kraft tritt, geführte Firma
nach dem bisherigen Recht widerrechtlich geführt worden, so ist die Eintragung derrelben
zu verweigern und es finden in Betreff derselben die Bestimmnugen der Art. 26 Abs. 2
und 27 des Handelsgesetzbuchs Anwendung.
8. 37.
Eine nach dem bisherigen Recht giltig errichtete Actiengesellschaft oder Commandit-
gesellschaft auf Actien, welche bereils vor dem Tage, an welchem das H.G.B. in Kraft
trikt, ihren Geschäftsbetrieb begonnen hat, wird in das Handelsregister eingetragen, soll-
ten auch die Erfordernisse nicht erfüllt sein, welche das Handelsgesetzbuch für die Er-
richtung einer solchen Gesellschaft vorschreibt und welchen nach den Vorschriften desselben
genügt sein muß, bevor die Eintragung der Gesellschaft geschehen kann.
Int der Gesellschaftsvertrag und die landesherrliche Genehmigung bereits in der
Gesetzsammlung oder in anderer Weise amtlich publieirt, so genägt statt der Vorlage des
Originals beider Urkunden die Bezugnahme auf die bereits erfolgte Publikation, und
die nochmalige Publikation in der Gesetsammlung unterbleibt.
8. 38.
Sind die zur Geschäftsführung besugten Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft,
einer Commanditgesellschaft oder einer Commanditgesellschaft auf Actien, welche schon
vor dem Tage, an welchem das H.G.B. in Kraft tritt, tbren Geschäflobetrieb begonnen
hatte, durch den Gesellschaftsvertrag oder einen andern vor jenem Tage errichteten Ver-
trag in der Befugniß die Gesellschaft zu vertreten beschränkt, so kann diese Beschränkung
bis zu jenem Tage zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden.
Ist die Eintragung und Bekanntmachung geschehen, so muß eln Dritter die Be-
71.
schränkung gegen sich gelten lassen, sofern nicht durch Umstände die Annahme begründet
wird, daß er die Beschränkung belm Abschluß des Geschäfts weder gekannt habe, noch
habe kennen müssen.
Wenn die Anmeldung nicht innerhalb der im ersten Absab angegebenen Frist er-
folgt, so hat die Beschränkung für die Zeit nach Ablauf dieser Frist dritten Personen
gegenüber keine rechtliche Wirkung und kann später nicht mehr angemeldet werden.
S. 39
Dasselbe gilt von der Beschränkung der Befugnisse des Vorstands einer Actienge-
sellschaft, welche am Tage, an welchem das b. G. B. in Kraft tritt, bereits zu Recht be-
stand.
8. 40.
Wer vor dem Tage, an welchem das H.G.B. in Kraft tritt, eine Procura erhal-
len hatte und an dlesem Tage oder nach demselben nicht von Neuem von dem Princi-
pal zum Procuristen bestellt wird, (Art. 41. Abs. 2 des H.G.B.) ist nicht mehr befugt,
per procura die Firma zu zeichnen, oder sich sonst als Procurist auszugeben. Er gilt
vielmehr uur als Handlungsbevollmächtigter im Sinne des Art. 47 flg. d. H. G B
8. 41.
Die Bestimmungen der Art. 96 und 97 des H. G. B., wonach ein offener Gesell-
schafter an einer andern gleichartigen Handelsgesellschaft als offener Gesellschafter nicht
Theil nehmen darf, findet auf die Fälle keine Anwendung, in welchen dlese Theilnahme
bereiks am Taye, an welchem das H.G.B. in Kraft tritt, bestand.
8. 42.
Die Vorschriften der Firmen- und Procura-Ordnung vom 2. August 1852 sind
von dem Tage an, an welchem dieses Gesetz und das Handelsgesetzbuch in Krast treten,
aufgehoben, mit alleiniger Ausnahme folgender Bestimmung in §. 2 Ziffer 4 senes
Gesetzes: 6
„Die Anwendung des Beisutzes „Fürülich Reußisch“ in der Firma oder
„der Gebrauch eines Fürstlich Reußischen Wappenstempels ist ohne Geneh.
„migung des Fürstlichen Ministeriums nicht gestattet. Aber auch im leßztern
„Fall darf sich dieses Wappenstempels zum Verschluß bei Versendung von
„Briesen und Packeten durch dle Postanstalt, sowie in allen den Fällen,
„welche das Fabrik. oder das Handelsgeschäft nicht angehen, nicht bedient
„werden.“
72
8. 43.
Die sonst noch zu Ausführung des Handelsgesetzbuchs und des gegenwärtigen
Gesetzes erforderlichen regulativen Vorschristen werden durch Unser Ministerlum er-
tbeilt werden.
Urkundlich haben Wir das gegenwärtige Gesetz höchsteigenhändig vollzogen und
Unser Landesfürstliches Insiegel vordrucken lassen.
Schloß Osterstein, den 23. Februar 1863
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. v. Beulwiß.
Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch.
Allgemeine Bestimmungen.
Art. 1. In Handelssachen kommen, insoweit dieses Gesetzbuch keine Bestimmungen
entbält, die Handelsgebräuche und in deren Ermangelung das allgemelne bürgerllche
Recht zur Anwendung.
Art. 2. An den Bestimmungen der, deutschen Wechsel-Ordnung wird durch dleses
Gesetzbuch nichts geändert.
Art. 3. Wo dieses Gesehbuch von dem Handelsgerichte spricht, tritt in Ermange
lung eines besonderen Hamdelsgerichts das Hewöhnliche Gerlcht an dessen Stelle.
Erstes Buch.
Vom Handelsstande.
Erster Titel.
Von Kaufleuten.
Art. 4. Als Kaufmann im Sinne dleses Gesehbuchs ist anzusehen, wer gewerbe-
-mäßig Handelsgeschäfte betreibt.
. Art. 5. Die in Betreff der Kaufleute gegebenen Bestimmungen gelten in gleicher
Welle in Belreff der Handelsgesellschaften, lnöbesondere auch der Aktiengesellschasten, bei
welchen der Gegenstand de Unternehmens in Handelgeschäften besteht.
Dieselben gelten auch in Betreff der öffentlichen Banken in den Gränzen ihres
Handelsbelriebo, unbeschadet der für sie kestebenden Verordnungen.
Art. 6. Eine Frau, welche gewerbemähig Handelsgeschäfte treibt (Handelsfrau), hat
in dem Handelsbeiriebe alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns.
Dieselbe kann sich in Betreff ihrer Handelsgeschäfte auf die in den elnzeluen Staa-
ten geltenden Rechtowohlthaten der Frauen nicht berufen.
Es macht bierbei keinen Unterschied, ob sie das Handelsgewerbe allein oder in Ge-
13
74
melnschaft mit Anderen, ob sie dasselbe in eigener Person oder durch einen Prokuristen
betreibt.
Art. 7. Eine Ehefrau kann ohne Einwilli ihres Eh ht Handeleft
Es gilt als Einwilligung des Mannes, wenn die Frau mit enn und ohne En-
spruch desselben Handel rreibt
Die Ehefrau eines Kaufmanns, welche lhrem Ehemanne nur Beihülfe in dem Han-
delsgewerbe leistet, ist keine Handelsfrau.
Art. 8. Eine Ebefrau, welche Handelsfrau ist, kann sich durch Handelsgeschäfte
gültig verpflichten, ohne daß es zu den einzelnen Geschästen einer besonderen Einwillig-
ung ihres Ehemannes bedarf.
Sie haftet für die Handelsschulden mit ihrem ganzen Vermögen, ohne Rücksicht auf
die Verwaltungsrechte und den Nießbrauch oder die sonsligen, an diesem Vermögen durch
die Ehe begründeten, Rechte des Ehemannes Es hastet auch das gemeinschaftliche Ver-
Mögen, so weit Gütergemeinschaft besteht; ob zugleich der Ehemann mit seinem persönli-
chen Vermögen haftet, ist nach den Landesgesetzen zu beurthellen.
Art. 9. Eine Handelsfrau kann in Handelssachen selbstständig vor Gerlcht auftreten;
es macht keinen Unterschied ob sie unverheiratbet oder verhetrathet ist.
Art. 10. Die Besti lche dieses Geseybuch über die Firmen, die Handelsbücher
und die Prokura enthäl finden auf Hoter, Trödler, Hansirer und dergleichen Handels-
leute von geringem Gewerbebetriebe, serner auf Wirthe, gewöhnliche Fuhrleute, gewöhn-
liche Schiffer, und Personen, deren Gewerbe nicht über den Umfang des Handwerksbe-
triebes hinausgeht, keine Anwendung. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, im Falle
es erforderlich erscheint, diese Klassen genauer festzustellen.
Vereinigungen zum Betriebe eines Handelsgewerbes, auf welches die bezeichneten
Bestimmungen keine Anwendung finden, gelten nicht als Handelsgesellschaften.
Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu verordnen, daß die bezeichneten Bestim-
mungen auch noch für andere Klassen von Kaufleuten ihres Staatsgebiets keine An-
wendung finden sollen. Ebenso können sie aber auch verordnen, daß diese Bestimmungen
auf einzelne der genannten Klassen, oder daß sie auf alle Kausleute ihres Staatsgebiets
Anwendung finden sollen.
Art. 11. Durch die Landesgesetze, welche in gewerbepolizeillcher oder gewerbe-
steuerlicher Beziehung Erfordernisse zur Begründung der Eigenschaft eines Kaufmanns
oder besonderer Klassen von Kaufleuten ausstellen, wird die Anwendung der Bestimmungen
dieses Gesepbuchs nicht ausgeschlossen; ebenso werden jsene Gesetze durch dieses Gesehbuch
nicht berübrt.
Zweiter Titel.
Von dem Handelsregister.
Art. 12. Bel jedem Handelsgerschte ist ein Handelsregister zu führen, in welches
die in diesem Gesehbuche angeordneten Eintragungen aufzunehmen sind.
Das Handelsregister ist öfentlich. Die Einsicht desselben ist während der gewöhn-
lichen Dienststunden einem Jeden gestattet. Auch kann von den Eintragungen gegen
Erlegung der Kosten eine Abschrift gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen ist.
Art. 1 3. Die Eintragungen in das Handelsregister sind von dem Handelsgerichte,
sofern nicht in diesem Gesetzbuche in einzelnen Fällen ausdrücklich ein Anderes bestmmt
ist, nach ihrem ganzen Inhalte durch eine oder mehrere Anzeigen in öffentlichen Blät-
tern ohne Verzug bekannt zu machen.
Art. 14. Jedes Handelsgericht hat für seinen Bezirk alljährlich im Monat De-
zember die öffentlichen Blätter zu bestimmen, in welchen im Laufe des nächstfolgenden
Jahres die im Art. 13 vorgeschriebenen Bekanntmachungen erfolgen sollen. Der Ve-
schluß ist in einem oder mehreren öffentlichen Blättern bekannt zu machen.
Wenn eines der bestimmten Blätter im Lause des Jahres zu erscheinen aufhört,
so hat das Gericht ein anderes Blatt an dessen Stelle zu besiimmen und öffentlich be-
kannt zu machen.
In wie feun die Gerichte bei der Wahl der zu bestimmenden Blätter an Welsun-
hen höherer Behörden gebunden sind, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen.
Dritter Titel.
Von Gandelsftrmen.
Art. 15. Die Firma eines Kaufmanns ist der Namc, unter welchem er im Han-
del seine Geschäfte beireibt und die Unterschrist abgiebt
Art 16. Ein Kaufmann, welcher sein. Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit
einem süllen Gesellschafter betreibt, darf nur seinen Familiennamen (bürgerlichen Namen)
mit oder ohne Vornamen als Firma führen.
Er darf der Firma keinen Zusatz beisügen, welcher ein Gesellschaftsverhältniß an-
deutet. Dagegen sind andere Zusätze gestattet, welche zur näheren Bezeichnung der Per-
son oder des Geschäfts dienen.
Ar Die Firma einer offenen Handelsgesellschaft muß, wenn in dieselbe nicht
die Namen sämmtlicher Gesellschafter aufgenommen sind, den Namen wenigstens eines
der Gesellschafter mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusatze
enthalten.
Die Firma einer Kommamditgesellschaft muß den Namen wenigstens eines persönlich haften-
Srrieeanr. · · hohl - M - «s-tsk.l.ks 5 9 Zufarn thall.
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76
Die Namen anderer Personen, als der versönlich haftenden Gesellschafter, dürfen in
die Firma einer Handelsgesellschaft nicht aufsgenommen werden; auch dark sich keine of-
sene Handelögesellschaft oder Kommandizgesellschaft als Aktiengeselschaft bezeichnen, selbst
wenn das Kapital der Kommanditisten in Aktien zerlegt ist.
Art. 18 Die Flrma einer Aktiengesellschaft muß in der Regel von dem Gegen-
stande ihrer Unternehmung entlehnt sein. "
er Name von Gesellschaftern oder anderen Personen darf in die Firma nicht auf-
genommen werden.
Art. 19 Jeder Kaufmann ist verpflichtet, seine Firma bei dem Handelsgerichte
in dessen Bezirk selne Handelsniederlassung sich befindet, behufs der Eintragung in das
Handelsregister anzumelden; er hat dieselbe nelsi seiner persönlichen Unterschrift vor dem
Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichuung derselben in beglaubigter Form einzu-
reichen.
Art. 20. Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Orte oder in der-
selben Gemeinde berelts bestehenden und in das Handelsregtister eingetragenen Firmen
deutlich unterscheiden.
Hat ein Kaufmann mit einem in das Handelsregister bereits eingetragenen Kauf-
mann gleiche Vor= und Famlliennamen, und will auch er sich derselben als seiner Firma
bedlencn, so muß er dieser einen Zusatz beifügen, durch welchen sich dieselbe von der be-
reits (ingetragenen Firma deutlich unterscheidet.
Art. 21. Die Firma muß auch für die an einem andern Orte oder In einer
anderen Gemeinde errichtete Zwelgnlederlassung bel dem für die lepztere zuständigen Han-
delsgerichte angemeldet werden.
Besteht an dem Orte oder in der Gemeinde, wo die Zweigniederlassung errichtet
wird, bereits eine gleiche Firma, so muh der Firma ein Zusapy beigefügt werden, durch
welchen sie sich von jeuer bereits vorhandenen Firma deutlich unterscheldet
Die Eintragung bei dem Handelsgerichte der Zweigniederlassung sindet nicht stau,
bevor nachgewiesen ist, daß die Einmag ng bei dem Handelsgerichte der Haupmieder-
lassung gescheben ist.
Art. 22. Wer ein bestehendes Handelsgeschäft durch Vertrag oder Erbgang er-
wirbt, kann dasselbe unter der bisberigen Firma mit oder ohne einen das Nachfolgever-
bältniß andeutenden Zusatz fortführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen
Erben oder die etwaigen Miterben in die Fortführung der Firma augdrücklich willigen.
Art. 23. Die Veräußerung einer Firma als solcher, abgesondert von dem Hau-
delögeschäft. für welches sie bisber geführt wurde, ist nicht zuläsüig.
Art. 24. Wenn in ein bestehendes Handelsgeschäft Jemand als Gesellschafter ein-
tritt, oder wenn ein Gesellschaster zu elner Haudelsgesellschaft neu hinzutritt oder aus
einer solchen austritt, so kann, ungeachlet dleser Veränderung die urspruͤngliche Firma
fortgefuͤhrt werden.
Jedoch ist beim Austreten eines Gesellschafters dessen ausdrückliche Einwilligung in
die Fortführung der Firma erforderlich, wenn sein Name in der Firma enthalten ist.
Art. 25. Wenn die Firma geändert wird oder erlischt, oder wenn die Inhaber
der Firma sich ändern, so ist dies nach den Bestimmungen des Au. 19 bei dem Han-
delsgerichte anzmnelden.
Ist die Aenderung oder das Erlöschen nicht in das Handelöregister eingetragen und
öffentlich bekannt gemacht, so kann derjenige, bei welchem jene Thatsachen eingetreten sind,
dieselben einem Driuen nur insofern entgeg useben, als er beweist, daß sie dem lehteren
bekannt waren.
Ist die Eintragung und Bekanntmachung geschehen, so muß eln Dritter die Aen-
derung oder das Erlöschen gegen sich gelten lassen, sofern nicht die Umstände die An-
nahme begründen, daß er diese Thalsachen weder gekannt habe, noch habe kennen müssen.
Art. 26. Das Handelsgericht hat die Bekheillgten zur Befolgung der Vorschriften
der Art. 19. 21. und 25. von Amtswegen durch Ordnungsstrasen anzuhalten.
In gleicher Weise hat es gegen diesenigen einzuschreiten, welche sich einer nach den
Vorschriften dleses Titels ihnen nicht zusiehenden Firma bedienen.
Art. 27. Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma in seinen Rechten
verletzt ist, kann den Unberechtigten auf Unterlassung der weiteren Führung der Firma
und auf Schadenersatz belangen.
Ueber das Vorhandensein und die Höhe des Schadens entscheidet das Handelsge-
richt nach seinem freien Ermessen.
Das Handelsgericht kann die Veröffentlichung des Erkenutnisses auf Kosten des
PVerurtheilten verordnen.
Vierter Titel.
Von den Handelsbüchern.
Art. 28. Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen, aus welchen seine
Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens vollständig zu ersehen sind.
Er ist verpflichtet, die empfangenen Handelsbriefe aufzubewahren und elne Abschrift
(Kopie oder Abdruck) der abgesandten Handelsbriese zurückzubehalten und nach der Zeit.
folge in ein Kopierbuch einzutragen.
Art. 29. Jeder Kaufmann hat bei dem Beginne seines Gewerbes seine Grund-
stücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baaren Geldes und seine an-
78
deren Vermoͤgensstuͤcke genau zu verzeichnen, dabei den Werth der Vermoͤgensstuͤcke an-
zugeben und einen das Verhältniß des Vermögens und der Schulden darstellenden Ab-
schluß zu machen; er hat demnächst in jedem Jahre ein solches Inventar und eine solche
Bilanz seines Vermögens anzufertigen.
Hat der Kaufmann ein Waarenlager, dessen Inventur nach der Beschaffenheit des
Geschäfts nicht süglich in jedem Jahre geschehen kann, so genügt es, wenn das Inven-
tar des Waarenlagers alle zwei Jahre aufgenommen wird.
Für Handelsgesellschaften kommen Bieselben Bestimmungen in Bezug auf das Gesell-
schafeerögeng zur Anwendung.
.Das Invenkar und die Bilanz sind von dem Kaufmann zu unterzeich:
neu. h mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so haben sie alle zu
unterzeichnen.
Das Inventar und die Bilanz können in ein dazu bestimmtes Buch eingeschrieben
oder jedesmal besonders aufgestellt werden. Im lehieren Falle sind dieselben zu sam-
meln und in zusammenhängender Reihenfolge geordnet aufzubewahren
Art. 31. Bei der Ausnahme des Inventars und der Bilanz sind sämmtliche
Veimögensstücke und Forderungen nach dem Werthe anzusehen, welcher ihnen zur Zeit
der Aufnahme beigzulegen ist.
Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Werthe anzusetzen, un-
einbringliche Forderungen aber abzuschreiben
Art. 32. Bei der Führung der Handelsbücher und bei den übrigen erforderlichen
Aufzeichnungen muß sich der Kaufmann elner lebenden Sprache und der Schriftzeichen
einer solchen bedienen.
Die Bücher mässen gebunden und jedes von ihnen muß Blau für Blan mit fort-
laufenden Zahlen versehen sein.
An Stellen, welche der Regel nach zu beschreiben sind, dürfen-keine leeren Zwischen-
räume gelassen werden. Der ursprüngliche Inhalt einer Eintragung darf nicht durch
Durchstreichen oder auf andere Weise unleserlich gewacht, es darf nicht radirt, noch
dürfen solche Veränderungen vorgenommen werden, bei deren Beschaffenheit es ungewiß
ist, ob sic bei der ursprünglichen Eintragung oder erst später gemacht worden sind.
Art. 33. Die Kaufleute sind verpflichtet, ihre Handelsbücher während zehn Jah-
ren, von dem Tage der in dieselben geschehenen letzten Eintragung an gerechnet, auf-
zubewahren.
Dasselbe gilt in Ansehung der empfangenen Handelsbriefe, sowie in Ansehung der
Inventare und Bilanzen.
Art. 34. Ordnungêmäßig geführte Handelsbücher liefern bei Sreeitigkeiten über
79
Handelssachen unter Kaufleuten In der Regel einen unvollständigen Beweis, welcher
durch den Eid oder durch andere Beweismittel ergänzt werden kann.
Jedoch hat der Richter nach seinem durch die Erwägung aller Umstände geleiteten
Ermessen zu entscheiden, ob dem Inhalte der Bücher ein größeres oder geringeres Maaß
der Bewekskraft beizulegen, ob in dem Falle, wo dle Handelsbücher der streltenden Theile
nicht übereinstimmen, von diesem Beweismittel ganz abzusehen, oder ob den Büchern
des einen Theils eine überwiegende Glaubwürdigkeit beizumessen sei.
Ob und inwiefern dle Handelsbücher gegen Nichtkaufleute Bewelskraft haben, ist
nach den Landesgesehen zu beurtbeilen.
Art. 35. Handelsbücher, bei deren Führung Unregelmäßigkeiten vorgefallen sind
können als Beweismittel nur insowelt berücksichtiget werden, als dieses nach der Art
und Bedeutung der Unregelmäßigkeiten, sowie nach der Lage der Sache geeignet
erscheint.
Art. 36. Die Eintragungen in die Handelöbücher können, unbeschadet ihrer Be-
weiskraft, durch Handlungsgehülfen bewirkt werden.
Art 37. Im Laufe eines Rechtsstreits kann der Richter auf den Antrag einer
Partei die Vorlegung der Handelsbücher der Gegenpartei verordnen. Geschieht die Vor-
legung nicht, so wird zum Nachtheil des Weigernden der behauptete Inhalt der Bücher
für erwiesen angenommen.
Art. 38. Wenn in einem Rechtsstreite Handelsbücher vorgelegt werden, so lt von
dem Inhalte derselben, soweit er den Streilpunkt betrifft, unter Inzlehung der Parteien
Einsicht zu nehmen und im geeigneten Falle ein Auszug zu fertigen. Der übrige In-
hAt der Bücher ist dem Richter Insoweit offen zu legen, als dies zur Prüfung ihrer
ordnungsmäßigen Führung nothwendig ist.
Art. 39. Befinden sich die Handelsbücher, welche vorzulegen sind, an einem Orte,
welcher nicht zum Bezirk des Prozehrlchters gehört, so muß der Leh#ere das Gericht des
Orles, wo sich die Handelsbücher besinden, ersuchen, die Vorlegung der Bücher vor sich
bewirken zu lassen, dabei nach den Bestimmungen des vorhergehenden Artikels zu ver-
fahren und einen beglaubigten Auszug mit dem über die Verhandlungen aufgenommenen
Protokolle zu übersenden.
Art. 40. Die Mitthellung der Hawelsbücher zur vollständigen Kenntnißnahme
von ihrem ganzen Inhalte kann in Erbschafts- oder Gütergemeinschafts-Angelegenheiten,
sowie in Gesellschaftstheilungssachen und im Konkurse, soweit es die Bücher des Gemein-
schuldners betrifft, gerichtlich verordnet werden.
80
Fünfter Titel.
Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten.
Art. 41. Wer von dem Eigentbümer einer Handelsniederlassung (Prinzipal) be-
auftragt ist, in dessen Namen und für dessen Rechnung das Handelsgeschäft zu betreiben
und per procura die Firma zu zeichnen, ist Prokurtst.
Die Bestellung des Prokuristen kann durch Ertheilung einer auodrücklich als Pro-
kura bezeichneten Vollmacht, oder durch ausdrückliche Bezeichnung des Bevollmächtigten
als Prokuristen, oder durch die Ermächtigung, per procura die Firma des Prinzipals
zu zeichnen, geschehen.
ieProkura kann mehreren Personen gemeinschaftlich erlheilt werden (Kollektiv-
Prokura).
Art. 42. Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außerge-
richtlichen Geschäften und hlechtshandlungen, welche der Betrieb eines Handelsgewerbes
mit sich bringt; sie ersetzt jede nach den Landesgesehzen erforderliche Spezialvollmacht; sie
berechtigt zur Anstellung und Entlassung von Handelsgehülfen und Bevollmächtigten.
Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermäch-
tigt, wenn ihm diese Befugniß besonders ertheilt ist
Art. 43. Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura (Art. 42) hat dritten
Personen gegenüber keine rechtliche Wirkung.
Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß die Prokura nur für gewisse Ge-
schäfte oder gewisse Arten von Geschäften gelte, oder dah sie nur unter gewissen Umsiän-
den oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden solle.
Art. 44. Der Prokurist hat in der Weise zu zeichnen, daß er der Firma einen
die Prokura andeutenden Zusahy und seinen Namen beifügt.
Bei einer Kollektiv-Prokura hat jeder Prokurist der mit diesem Zusaß versehenen
Flrmazelchnung seinen Namen beizusügen.
Ari. 45. Die Ertheilung der Prokura ist vom Prinzlpal perfönlich oder in be-
glaubigter Form beim Handelsgerichte zuu Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
Der Prolurist hat die Firma nebst seiner Namensunterschrift persönlich vor dem
Handelsgerichte zu zeichnen (Art. 14) oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzurelchen.
Das Erlöschen der Prokura ist von dem Prinzipal in gleicher Weise zur Einmag-
ung in das Handelsregister anzumelden.
Die Betheiligten snd zur Befolgung dieser Vorschristen von Amtswegen durch Ord-
nungsstrasen anzuhalten. «
Art. 46. Wenn das Erlöschen der Prokura nicht in das Handeloregister einge-
81
tragen und oͤffentlich bekannt gemacht ist, so kann der Prinzipal dasselbe einem Dritten
mur dann entgegensehen, wenn er beweist, daß es lehierem beim Abschlusse des Geschaͤfts
bekannt war
Ist dle Eintragung und Bekanntmachung geschehen, so muß ein Drltter das Er-
löschen der Prokura gegen sich gelten lassen, sofern nicht durch die Umstände die Annahme
begründet wird, daß er das Erlöschen beim Abschlusse des Geschäfts weder gekannt habe,
noch habe kennen müssen.
Art. 47. Wenn ein Prinzipal Jemanden ohne Erlheilung der Prokura, sel es
zum Betriebe seines ganzen Handelögewerbes oder zu einer bestimmten Art von Geschäf-
ten oder zu einzelnen Geschäften, in seinem Handelsgewerbe bestellt (Handlungsbevoll-
mächtigter), so erstreckt sich die Bollmacht auf alle Geschäste und Rechtshandlungen, welche
der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Ausführung derar#iger Geschäfte
gewöhnlich mit sich bringt.
Jedoch ist der Handlungsbevollmächtigte zum Eingehen von Wechselverbindlichkelten,
zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozeßführung nur ermächtigt, wenn ihm elne
solche Besugniß besonders ertheilt (l.
Im Uebrigen bedarf er zu den Geschäften, auf welche sich seine Vollmacht erstreckt,
der in den Landesgesetzen vorgeschriebrnen Spezialvollmacht nicht.
Art. 48. Der Handlungsbevollmächtigte hat sich bel der Zeichnung jedes eine
Prokura andeutenden Zusatzes zu enthalten; er hat mit einem das Vollmachtsverhältniß
ausdruckenden Zusape zu zeichnen.
Art. 49. Die Bestimmungen der beiden vorhergehenden Arlikel sinden auch An-
wendung auf Handlungsbevollmächtigte, welche ihr Prinzipal als Handlungsreisende zu
Geschäften an auswärilgen Orten verwendet. Dieselben gelten insbesondere für ermäch-
tigt, den Kaufpreis aus den von ibnen abgeschlossenen Verkäufern einziehen oder dafür
Zahlungsfristen zu bewilligen.
Art. 50. Wer in einem Laden oder in einem offenen Magazin oder Waaren-
lager angestellt is., gilt für ermächtigt, daselbst Verkäufe und Empfangnahmen vorzu-
nehmen, welche in einem derartigen Laden. Magnzin ovder Waarenlager gewöhnlich geschehen.
Art. 54. Wer die Waare und elne unguittirte Nechnung überbringt, a#lt des-
balb noch nicht für ermächtigt, die Zahlung zu empfangen.
Art. 52. Durch das RNechtsgeschäft, welches ein Prokurist oder ein Handlungs-
bevollmächtigter gemäß der Prokura oder der Vollmacht im Namen des Prinzipals schließt,
wird der lehtere dem Drien Vegenüber berechtigt und verpflichtet.
Eo ist gleichgültig, ob das Geschäft auodrücklich im Namen des Prinzipals ge-
14
82
schlossen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kon-
trahenten für den Prinzipal geschlossen werden sollte.
Zwischen dem Prokuristen oder Bevollmächtigten und dem Dritten erzeugt das Ge-
schäst weder Rechte noch Verbindlichkeiten.
Arn 53. Der Prokurist oder der Handlungsbevollmächtigte kann ohne Einwillig-
ung des Prinzipals seine Prokura oder Handelsvollmacht auf einen Anderen nicht
übertragen.
Art. 5 4. Die Prokura oder Handlungsvollmacht ist zu jeder Zelt widerruflich,
unbeschadet der Rechte aus dem bestehenden Dienstverhälmisse.
Der Tod des Prinzipals hat das Erlöschen der Prokura oder Handlungsvollmacht
nicht zur Folge.
Art. 5 5. Wer ein Handelsgeschäft als Prokurist oder als Handlungsbevollmäch-
tigter schließt, ohne Prokura oder Handlungsvellmacht erhalten zu haben, lngleichen ein
Handlungsbevollmächtigter, welcher bei Abschluß eines Geschäfts seine Vollmacht über-
schreitet, ist dem Dritten persönlich nach Handelsrecht verhaftet; der Dritte kann nach sei-
ner Wahl ihn auf Schadensersatz oder Erfüllung belangen
Diese Haftungspflicht tritt nicht ein, wenn der Dritte, ungeachtet er den Mangel
der Prokura oder der Vollmacht oder die Ueberschreitung der leßteren kannte, sich mit
ihm elngelassen hat.
Art. 56. Ein Prokurist oder ein zum Betriebe eines ganzen Handelsgewerbes
bestellter Handlungobevollmächtlgter darf ohne Elnwilligung des Prinzlpals weder für eigene
NRechnung noch für Rechnung eines Dritken Handelsgeschäfte machen.
Eine Einwilligung des Prinzipals ist schon dann anzunehmen, wenn ihm bei Er-
theilung der Prokura oder der Vollmacht bekannt war, daß der Prokurist oder Handlungs-
bevollmächtigte für eigene oder fremde Rechnung Handelögeschäfte betreibe, und er die
Aufgebung dieses Betriebes nicht bedungen hat.
Uebertritt der Prokurist oder Handlungsbevollmächtigte diese Vorschrift, so kann der
Prinzipal Ersahß des verursachten Schadens fordern. Auch muß sich der Prokurist oder
Handlungsbevollmächtigte auf Verlangen des Prinzipals gefallen lassen, dah die für seine
Rechnung gemachten Geschäfte alé für lechnung des Prinzipals geschlossen angesehen werden.
Sechster Titel.
Von den Handlungsgehülfen.
Art. 57. Die Natur der Dienste und die Ansprüche der Handlungsgehülfen (Hand-
lungsdlener, Handlungslehrlinge) auf Gehalt und Unterhalt werden, in Ermangelung
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einer Uebereinkunft, durch den Ortsgebrauch oder durch das Ermessen des Gerlchts, ns-
thlgenfalls nach Einholung eines Gutachtens von Sachverständigen, bestimmt.
Art. 58. Eln Handlungsgehülfe ist nicht ermächtigt, Rechtsgeschäste im Namen
und für Rechnung des Prinzipals vorzunehmen.
Wird er jedoch von dem Prinzipal zu Rechtsgeschäften in dessen Handelsgewerbe
teauftragt, so finden die Bestimmungen über Handlungsbevollmächtigte Anwendung.
Art. 59. Ein Handlungsgehülfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder
für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Handelsgeschäfte machen.
In dieser Beziehung kommen die für den Prokuristen und Handlungsbevollmäch-
tigten geltenden Besllmmungen (Art. 56) zur Anwendung.
Art 60. Ein Handlungsgehülse, welcher durch unverschuldetes Unglück an Lelst-
ung seines Dienstes zeitweise verhindert wicd, geht dadurch seiner Ansprüche auf Gehalt
und Unterstütung nicht verlustig. Jedoch hat er auf dlese Vergünstigung nur für die
Dauer von sechs Wochen Anspruch.
Art. 6 1. Das Dienstverhältniß zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsdiener
lann von jedem Theile mit Ablauf eines jeden Kalenderviertkeljahrs nach vorgängiger
sechswöchentlicher Kündigung aufgehoben werden Ist durch Vertrag eine kürzere oder
längere Zeitdauer oder eine kürzere oder längere Kündigungsfrist bedungen. so hat es
bierbei sein Bewenden.
In Betreff der Handlungslehrlinge ist die Dauer der Lehrzeit nach dem Lehrvertrage
und in Ermangelung vertragsmäßiger Bestimmungen nach den örtlichen Verordnungen
oder dem Ortsgebrauche zu beurtheilen.
Art. 62. Die Aufhebung des Dienstverhaltnisses vor der bestimmten Zeit (Art.
61) kann aus wichtigen Gründen von sedem Theile verlangt werden.
Die Beurtheilung der Wichtlgkeit der Gründe blelbt dem Ermessen des Richters
überlassen.
Art 63. Gegen den Prinzipal kann insbesondere die Aufhebung des Dienstver-
bältntsse ausgesprochen werden, wenn derselbe den Gehalt oder den gebührenden Unter-
halt nicht gewährt, oder wenn er sich thätlicher Mißhandlungen oder schwerer Ehwerlet-
ungen gegen den Haudlungsgehülfen schuldig macht.
Art 611. Gegen den Handlungsgehülfen kann insbesondere die Aufhebung des
Dienstverhältnisses ausgesprochen werden:
1) wenn derselbe im Dienste untreu ist oder das Vertrauen mißbraucht;
2) wenn derselbe ohne Elnwilligung des Prinzipals für eigene Rechnung oder für
Rechnung eines Dritten Handelsgeschäfte macht;
14*
84
3) wenn derselbe selne Dlenste zu leisten verweigert oder ohne elnen rechtmäßigen
Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zelt unterläßt;
4) wenn derselbe durch anhaltende Krankheit oder Kränklichkeit oder durch eine län-
gere Freiheitssirase oder Abwesenheit an Verrlchtuug seiner Dienste verhindert
wird;
5) wenn derselbe sich thätlicher Mißhandlungen oder erheblicher Ehrverletzungen
gegen den Prinzipal schuldig macht;
6) wenn derselbe sich einem unsitllichen Lebenswandel ergiebt.
Art. 65. Hinsichtlich der Personen, welche bei dem Betriebe des Handelsgewerbes
Gesindedienste verrichten, hat es bei den für das Gelindedienstverhältmmiß geltenden Be-
stimmungen sein Bewenden.
Siebenter Titel.
Von den Handelsmäklern oder Sensalen.
Art. 66. Die Handelsmäkler (Sensale) sind amtlich bestellte Vermiltler für Han-
delsgeschäfte.
Sie leisten vor Antritt ihres Amtes den Eid, daß sie die ihnen obliegenden Pflichten
getreu erfüllen wollen.
Art. 67. Die Handelsmäkler vermitteln für Auftraggeber Käufe und Verkäufe
über Waaren, Schiffe, Wechsel, inländische und ausländische Staakspapiere, Aktlen und
andere Handelspapierc, ingleichen Verkräge über Versicherungen, Bodmerei, Befrachtung
und Miethe von Schiffen, sowie über Land= und Wassertransporte und andere den Han-
del betressende Gegenstände.
DOurch die übertragene Geschäftsrermitklung ist ein Handelsmäkler noch nicht alo
bevollmächtigt anzusehen, eine Zahlung oder eine andere im Vertrage bedungene Lelstung
in Empfang zu nehmen.
Art. 686. Die Anstellung der Handelsmäkler geschieht entweder im Allgemeinen
für alle Arten von Mäklergeschästen oder nur für einzelne Arten derselben.
Art. 69. Die Handelsmäkler haben insbesondere folgende Pflichten:
4) sie dürfen für cigene Rechnung keine Handelsgeschäfte machen, weder unmittelbar
noch mittelbar, auch nicht als Kommissienäre, sie dürfen für die Erfüllung der
Geschäftc, welche sie vermitteln, sich nicht verbindlich machen oder Bürgschaft leisten,
alles dies unbeschadet der Gültigkeit der Geschäfte;
2) sie dürsen zu keinem Kaufmann im Verhältnisse eines Procuristen, Handlungs-
bevollmächtigten oder Handlungsgehülfen stehen;
3) sie dürfen sich nicht mit anderen Handelsmäklern zu einem gemelnschaftlichen
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Betriebe der Mäklergeschäfte oder elnes Theilö derselben vereinigen; zur gemein-
schastlichen Vermiltelung einzelner Geschäfte sind sie unter Zustimmung der Anf-
traggeber belugt;
sie müssen die Maklerverrichtungen persönlich betreiben und dürfen sich zur Ab-
schliebung der Geschäfte eines Gehülsen nicht bedienen;
sie sind zur Verschwiegenheit über die Aufträge, Verhandlungen und Abschluͤsse
verpflichtet, soweit nicht das Gegentheil durch die Parteien bewilligt oder durch
die Natur des Geschaͤfts geboten ist;
sie dürfen zu keinem Geschäfte die Einwilligung der Parteien oder deren Bevoll-
mächtigten anders annehmen, als durch ausdrückliche und persönliche Erklärung;
es ist den Mäklern weder erlaubt, von Abwesenden Aufträge zu übernehmen,
noch sich zur Vermittelung eines Unterhändlers zu bedienen.
Art. 70. Handelsmäklern, welche Schiffsmäkelel betreiben, kann gestattet werden,
den Schiffern im Einzlehen und Vorschießen der Frachten und Unkosten als Abrechner
oder in anderer ortsüblicher Weise Hülfsdiensic zu leisten.
Art. 71. Der Handelsmäkler muß außer seinem Handbuche ein Tagebuch führen,
in welches letztere alle abgeschlossenen Geschäste täglich einzutragen knd. Das Eingetra-
gene hat er täglich zu unterzeichnen.
Das Tagebuch muß vor dem Gebrauche Blatt für Blakt mit fortlaufenden Zahlen
ezeichnet und der vorgesetzten Behörde zur Beglaubigung der Jahl der Blätter vorge-
legt werden.
Art. 72. Die Eintragungen in das Tagebuch müssen dle Namen der Kontra-
benten, die Zeit des Abschlusses, die Bezeichnung des Gegenstandes und die Bedingungen
des Geschäfts, insbesondere bei Verkäufen von Waaren die Gattung und Menge dersel-
ben, sowie den Preis und die Zeit der Lieferung enthalten.
Die Eintragungen müssen in deutscher Sprache oder sofern die Geschäftssprache des
Ortes eine anderc ist, in dieser geschehen; sie müssen nach Ordnung des Datums und
ohne leere Zwischenräume erfolgen.
Die Bestimmungen über die Einrichtung der Handelsbücher (Art. 32) finden auch
auf das Tagebuch des Mäklers Anwendung.
Art. 73. Der Handelsmäkler muß ohne Verzug nach Abschluß des Geschäfto je-
der Partei eine von ihm unterzelchnete Schlußnote, welche die in dem vorhergehenden
Artikel als Gegenstand der Eintragung bezeichneten Thatsachen enthält, zusiellen.
Bei Geschäften, welche ulcht sofort erfüllt werden sollen, ist die Schlußnote den Par-
teien zu ihrer Unterschrist zuzustellen und jeder Partel das von der anderen unterschrie-
bene Exemplar zu übersenden.
—
□—
=
86
Verweigert eine Partei die Annahme oder Unterschrift der Schlußnote, so muß der
Handelsmäkler davon der andern Partei ohne Verzug Anzeige machen.
Art. 71. Der Handelsmäkler ist verpflichtet, den Parteien zu jeder Zeit auf Ver-
langen beglaubigte Auszüge aus dem Tagebuche zu geben, die Alles enkhalten müssen,
was von dem Mäkler in Ansehung des die Parteien angehenden Geschäfts eingetragen ##t.
Art. 75. Wenn ein Handelsmäkler stirbt oder aus dem Amte scheidet, so ist sein
Tagebuch bei der Behörde niederzulegen.
Art. 76. Der Abschluß eines durch Handelsmäkler vermittelten Vertrages ist ven
der Eintragung desselben in das Tagebuch oder von der Aushändigung der Schlußnoten
unabhängig.
Diese Thatsachen dienen nur zum Beweise des abgeschlossenen Vertrages.
Art. 77. Das ordnungsmäßig geführte Tagebuch, sowie die Schlußnoten eines
Handelsmäklers liefern in der Ilegel den Beweis für den Abschluß des Geschäfts und
dessen Inhalt.
Jedoch hat der Richter nach seinem durch die Erwägung aller Umstände geleitcten
Ermessen zu entscheiden, ob dem Inhalte des Tagebuchs und der Schlußnoten ein ge-
ringeres Gewicht beizulegen, ob die eidliche Beslärkung durch den Mäkler oder andere
Beweise zu fordern, ob insbesondere die Welgerung einer Partei, die Schlußnote anzu-
nehmen oder zu unterzeichnen, für Beurthellung der Sache von Erheblichkeit sei.
Art. 78. Das Tagebuch eines Handelsmätlers, bei dessen Führung Unregelmäßig-
keiten vorgesallen sind, kann als Beweismittel nur insoweit berücksichtigt werden, als die-
ses nach der Art und Bedeurung der Unregelmähigkeiten, sowie nach Lage der Sache alo
geeignet erscheint.
Art. 79. Im Laufe eines Rechtsstreits kann der Richter, selbst ohne Antrag ei-
ner Partei, die Vorlegung des Tagebuchs verordnen, um dasselbe elnzusehen und mit
der Schlußnote, den Auszügen und anderen Beweismitteln zu vergleichen.
Die Vorschrift des Art. 39 finder auch in Bezug auf die Vorlegung des Tagebuchs
Anwendung.
Art. 80. Der Handelsmäkler muß, sofern nicht die Parteien ihm dieses erlassen
haben oder der Onsgebrauch mit Rücksicht auf die Gattung der Waare davon entbin-
det, von jeder durch seine Vermittelung nach Probe verkausten Waare die Probe, nach-
dem er dieselbe behufs der Wiedererkennung gezeichnet hat, so lange aufbewahren, bis
die Waare ohne Einwendung gegen ihre Beschaffenheit angenommen, oder das Geschäft
in anderer Welse erledigt ist.
Art. 81. Jedes Verschulden des Handelsmäklers berechtigt die dadurch beschä-
digte Panei, Schadloshalzuung von ihm zu fordern.
87
Art. 82. Der Handelsmaͤkler hat die Mäklergebuͤhr (Sensarie) zu fordern, sobald
das Geschaͤft geschlossen und, wenn es ein bedingtes war, unbedingt geworden und von
ihm seiner Verpflichtung wegen Zustellung der Schlußnoten Genuͤge geschehen ist, unbe-
schadet anderweiter Bestimmung durch örtliche Verordnungen oder durch Ortsgebrauch.
Ill das Geschäft nicht zum Abschlusse gekommen, oder nicht zu elnem unbedingten
geworden, so kann für die Unterhandlungen keine Mäklergebühr gefordert werden.
Der Betrag der Mäklergebühr wird durch örtkliche Verordnungen geregelt; in Er-
mangelung derselben entscheidet der Ortsgebrauch.
Art. 83. Ist unter den Parteien nichts darüber vereinbart, wer die Mäklergebühr
bezahlen soll, so ist dieselbe in Ermangelung örtlicher Verordnungen oder eines Ortsge-
brauchs von jeder Partei zur Hälfte zu entrichten.
Art. 8 4. Ueber die Anstellung der Handelsmäkler und über die Bestrafung der
von ihnen im Berufe begangenen Pflichtverlepungen das Erforderliche zu bestimmen,
bleibt den Landesgesetzen überlassen.
Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, die Vorschristen dieses Tltels nach Maaß-
gabe der örtlichen Bedürfnisse zu ergänzen; es kann insbesondere den Handelsmäklern
das ausschliehliche Recht zur Vermittelung von Handelsgeschäften beigelegt werden.
Auch kann in den Landesgesetzen oder in örtlichen Verordnungen der in diesem
Titel den Handelsmäklern zugewiesene Kreis von Amtsverrichtungen und Besugnissen
(Art. 67, 70) oder der Umfang ihrer Pflichten (Art. 69) erweitert oder eingeschränkt
werden.
Zweites Buch.
Von den Handelsgesellschaften.
Erster Titel.
Von der offenen Handelsgesellschaft.
Erster Abschnitt.
Von der Grrichtung der Gesellschaft.
Art. 85. Eine vffene Handelsgesellschaft ist vorbanden, wenn zwei oder mehrere
VPersonen ein Handelsgewerbe unter gemeinschastlicher Flrma betrelben und bei keinem
der Gesellschafter die Betheiligung auf Vermögenselnlagen beschränkt ist.
88
Zur Gültigkeit des Gesellschaftsvertrages bedarf es der schristlichen Abfassung oder
anderer Förmllchkeiten nicht.
Art. 86. Die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft ist von den Gesell-
schastern bei dem Handelögerlchte, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sip hat, und
bei jedem Handelsgerichte, in dessen Vezirk sie eine Zwelgniederlasst sung hat, behufs der
Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
Diese Anmeldung muß enthalten:
1) den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes Gesellschafters;
2) die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sip hat;
3) den Zeilpunkt, mit welchem die Gesellschaft begonnen hat;
4) im Falle vereinbart ist, daß nur elner oder einige der Gesellschafter dle Gesell-
schaft vertreten sollen, die Angabe, welcher oder welche dazu bestimmt sind, in-
gleichen, ob das R#echt nur in Gemeinschaft ausgeübt werden soll.
Art. 87. Wenn die Firma einer bestehenden Gesellschaft geändert oder der Siß
der Gesellschaft an einen anderen Ont verlegt wird, oder wenn neue Gesellschafter in die-
selbe eintreken, oder wenn einem Gesellschafter die Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten
(Art. 86 Ziff. 4), nachträglich ertheilt, oder wenn eine solche Befugniß aufgehoben wird,
so find diese Thatsachen bei dem Handelsgerlchte behuss der Eintragung in das Han-
delsregister anzumelden.
Bei der Aenderung der Firma, bei der Verlegung des Sitzes der Gesellschaft und
bei der Aufhebung der Vertretungsbefugniß richtet sich die Wirkung gegen Dritte in den
Fällen der geschehenen oder der nicht geschehenen Eintragung und Bekannmmachung nach
den Bestimmungen des Art. 25.
Art. 88. Die Anmeldungen (Art. 86, 87) mussen von allen Gesellchastern per-
soͤnlich vor dem Handelsgerichte unterzeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden.
Sie sind ihrem ganzen Inhalte nach in das Handelsregister einzutragen.
Die Gesellschafter, welche die Gesellschaft vertreten sollen, haben die Firma nebst
ihrer Namensunterschrift persönlich vor dem Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeich-
nung derselben in beglaubigter Form einzureichen.
Art. 89. Das Handelsgericht hat die Betheiligten zur Befolgung der vorstehenden
Anordnungen (An. 86 bis 88) von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten.
Zweiter Abschnitt.
Von dem Rechtsverhältniß der Gesellschafter unter elinander.
Art. 90. Das Rechtsverhälmiß der Gesellschafter unter einander richtet sich zu-
nächst nach dem Gesellschaftsvertinge.
89
Soweit über die in den nachfolgenden Artikelun dieses Abschnitts berührten Punkte
keine Vereinbarung getroffen ist, kommen die Bestimmungen dieser Artifel zur Anwendung.
Art. 91. Wenn Geld oder andere verbrauchbare oder vertreibare Sachen, oder
wenn unverbrauchbare oder unvertretbare Sachen nach elner Schäpung, die nicht blos
zum Zweck der Gewinnvertheilung geschiebt, in die Gesellschaft eingebracht werden, so
werden diese Gegenstände Eigenthum der Gesellschaft.
Im Zweifel wird angenemmen, daß die in das Inventar der Gesellschaft mit der
Unterschrift sämmtlicher Gesellschafter eingetragenen, bis dahin einem Gesellschafter ge-
hörigen, beweglichen oder uubeweglichen Sachen Eigenthum der Gesellschaft geworden sind.
Art. 92. Ein Gesellschafter ist nicht verpflichtet, die Einlage über den vertrags-
mähigen Betrag zu erhöhen, oder die durch Verlust verminderte Einlage zu ergänzen.
Art. 93. Für die Auslagen, welche ein Gesellschafter in Gesellschaftsangelegen-
heiten macht, für die Verbindlichkeiten, welche er wegen derselben übernimmt, und für
die Verluste, welche er unmitkelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren,
welche von derselben unzertrennlich sind, erleidet, ist ihm die Gesellschaft verhaftet.
Von den vorgeschossenen Geldern kann er Zinsen fordern, vom Tage des geleisteten
Vorschusses an gerechnet.
Für die Bemühungen bei dem Betriebe der Gesellschaftsgeschäfte steht dem Gesell-
schafter ein Anspruch auf Vergütung ulcht zu.
Art 94. Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, in den Angelegenheilen der Gesell-
schaft den Fleiß und die Sorgfalt anzuwenden, welche er in seinen eigenen Angelegen-
beiten anzuwenden pflegt.
Er haftet der Gesellschaft für den Schaden, welcher ihr durch sein Verschulden ent-
standen ist. Er kann gegen diesen Schaden ulcht die Vortheile aufrechnen, welche er
der Gesellschaft in anderen Fällen durch seinen Fleih verschafft hat.
Art. 9 5. Ein Gesellschafter, welcher seine Geldeinlage nicht zur rechten Zeit ein-
zahlt, oder eingenommene Gesellschaftsgelder nicht zur rechten Zeit an die Gesellschafts-
kasse abliefert, oder unbefugt Gelder aus der Gesellschaftskasse für sich entnimmt, ist von
Nechtswegen zur Entrichtung von Zinsen seit dem Tage verpflichtet, an welchem die
Zahlung oder die Ablieferung hätte geschehen sollen oder die Herausnahme des Geldes
erfolgt ist.
Die Verpflichtung zum Ersatz des elwa entstandenen größeren Schadens und die
übrigen rechtlichen Folgen der Haudlung werden blerdurch nicht ausgeschlossen.
Art. 96. Ein Gesellschafter darf ohne Genehmigung der anderen Gesellschalter we-
der in dem Handelszweige der Gesellschaft für eigne Rechnung oder für Mechnunz eines
90
Drltten Geschaͤste machen, noch an einer anderen gleichartigen Gesellschaft als offener
Gesellschafter Theil nehmen.
Eine Genehmigung der Theilnahme an einer anderen gleichartigen Handelsgesell-
schaft ist schon dann anzunehmen, wenn den übrigen Gesellschaftern bei Eingehung der
Gesellschaft bekannt war, daß der Gesellschaster an jener Handelsgesellschaft als offener
Gesellschafter Theil nehme, und gleichwohl das Aufgeben der Theilnahme nicht ausdrück.
lich bedungen worden ist.
Art. 97. Ein Gesellschafter, welcher den vorsiehenden Bestimmungen zuwiderhan-
delt, muß sich auf Verlangen der Gesellschaft gefallen lassen, daß die für selne Rechnung
gemachten Geschäste als für Rechnung der Gesellschaft geschlossen angesehen werden; auch
kann die Gesellschaft statt dessen den Ersaß des entstandenen Schadens sordern: alles die-
ses unbeschadet des Rechts, die Auflösung des Gesellschaftsvertrags in den geeigneten Fäl-
len herbeizuführen.
Das Recht der Gesellschaft, in ein von dem Gesellschafter für eigene Rechnung ge-
machtes Geschäft einzutreten oder Schadenersaß zu fordern, erlischt nach drei Monaten.
von dem Zeitpunkte an gerechnet, in welchem die Gesellschaft von dem Abschlusse des
Geschäfts Kenntniß erhalten hat.
Art. 98. Ein Gesellschafter kann ohne die Einwilligung der übrigen Geiellschafter
kelnen Dritten in die Gesellschaft aufnehmen
Wenn ein Gesellschafter einseltig einen Dritten an seinem Antheile betheiligt oder
seinen Anthell an denselben abtritt, so erlangt dieser gegen die Geselschaft unmittelbar
keine Rechte; er ist insbesondere zur Einsicht der Handelsbücher und Papiere der Ge-
sellschaft nicht berechtigt.
Art. tm9. Wenn die Geschäftsführung in dem Gesellschäftsvertrage einem oder meb-
reren der Gesellschafter übertragen ist, so schließen diese die übrigen Gesellschafter von der
Geschäftsführung aus; sie sind berechligt, ungeachtet des Widerspruchs der übrigen Ge-
sellschafter, alle Handlungen vorzunehmen, welche der gewöhnliche Betrieb des Handels-
gewerbes der Gesellschaft mit sich bringt.
Art. 100 Wenn die Geschäftsführung mehreren Gesellschaftern mit der ausdrück-
lichen Beschränkung übertragen ist, daß einer nicht ohne den andern handeln könne, so
rarf keiner alleln Geschäste vornehmen, es sei denn, daß Gefahr im Verzuge ist.
Ist hingegen mehreren Gesellschaftern die Geschästsführung ohne diese ausdrückliche
Beschränkung übertragen, so darf jeder derselben allein alle zur Geschäftsführung gebhs-
renden Handlungen vornehmen Jedoch muß, wenn einer unter ihnen gegen die Vor-
nahme einer Handlung Widerspruch erhebt, dieselbe unterblelben.
Art. 101. Die im Gesellschaftsvertrage einem oder mehreren Gesellschaftern gesche-
9l
bene Uebertragung der Geschäftsführung kann, so lange die Gesellschaft dauert, nicht ohne
rechtmähige Ursache widerrufen werden.
Die Beurtheilung, ob eine rechtmäßlge Ursache vorliege, bleibt dem Ermessen des
Michters überlassen.
Der Widerruf kann insbesondere in den im Art 125, Jisser 2 bis 5 bezelchneten
Fällen für begründet erklärt werden.
Art. 102 Wenn im Gesellschaftsvertrage die Geschsstsführung nicht einem oder
mehreren Gesellschaftern übertragen ist, se sind alle Gesellschafter zum Betriebe der Ge-
schäfte der Gesellschaft gleichmähig berechtigt und verpflichtet.
Erbebt eln Gesellschafter gegen die Vornahme einer Handlung Widerspruch, so muß
dieselbe unterbleiben.
Art. 103. Ein Beschluß der sämmtlichen Gesellschafter muß vor der Vornahme
von Geschäften eingeholt werden, welche über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsge-
werbes der Gesellschaft hinousgehen, oder welche dem Zweck derselben fremd sind.
Dles ist auch dann erforderlich, wenn die Geschäftsführung elnem oder mehreren
Gesellschaftern übertragen ist.
Zur Fassung des Beschlusses ist Stimmeneinhelligkeit erforderlich. Ist diese nicht zu
erlangen, so muß die Handlung, in Ansehung deren Beschluß gefaßt werden soll, un-
terbleiben.
Art. 104. Zur Bestellung eines Prokuristen ist, sofern nicht Gefahr im Verzuge
ist, die Einwilligung aller geschäftsführenden Gesellschafter, und wenn keine solchen er-
nannt sind, die Einwilligung aller Gesellschafter erforderlich.
Der Widerruf der Prokura kann von jedem der zur Ertheilung derselben befugten
Gesellschafter geschehen.
Art. 105. Jeder Gesellschafter, auch wenn er nicht in dem Geschäftsbetriebe der
Gesellschaft thätig ist, kann sich persönlich von dem Gange der Gesellschaftsangelegenheiten
unterrichten; er kann jederzeit in das Geschäftslofal kommen, die Handel'bücher und
Papiere der Gesellschaft einsehen, und aul ihrer Grundlage eine Bilanz zu seiner Ueber-
sicht anfertigen.
Ist im Gesellschaftsvertrage ein Anderes bestimmt, so verliert dlese Bestimmung ihre
Wirkung. wenn eine Unredlichkeit in der Geschäftsführung nachgewiesen wird.
Art. 106. Jedem Gesellschafter werden am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres
von seiner Einlage, oder wenn sich dieselbe beim Schlusse des vorigen Jahres durch Hin-
zurcchnung seines Antheils am Gewinne vermehrt oder durch Abrechnung seines Autheils
am Verluste vermindert hat, von seinem Antheile am Gesellschaftsvermögen Zinsen zu
15%
92
Vier vom Hundert gutgeschrieben und von den während des Geschäsigjahres auf den
Antheil entnommenen Geldern Zinsen in demselben Maahstabe zur Last geschrieben.
Die dem Gesellschafter hiernach zukommenden Zinsen vermehren seinen Antheil am
Gesellschaftsvermögen.
Vor Deckung dieser Zinsen ist kein Gewinn vorhanden, und der Verlust der Gesell-
schaft wird durch dieselben vermehrt oder gebildet.
Art. 107. Am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres wird, auf Grund des In-
ventars und der Bilanz, der Gewinn oder der Verlust dieses Jahres ermittelt und für
jeden Gesellschafter sein Antheil daran berechnet.
Der Gewinn jedes Gesellschafters wird seinem Amheile am Gesellschaftsvermögen
zugeschrieben, der Verlust von demselben abgeschrieben.
Art. 108. Ein Gesellschafter darf ohne Einwilligung der übrigen Gesellschafter
seine Einlage oder seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen nicht vermindern.
Er darf jeduch, auch ohne diese Einwilligung, auf seinen Antheil am Gesellschafts-
vermögen die Zinsen desselten für das letztverslossene Jahr, und soweit es nicht zum
offenbaren Nachtheil der Gesellschaft gereicht, Gelder bis zu einem Betrage entnehmen,
welcher seinen Antheil am Gewinne des lehzwerflossenen Jahres ulcht übersteigt.
Art. 109. Der Gewinn oder Verlust wird, in Ermangelung einer anderen Ver-
einbarung, unter die Gesellschafter Köpfen nach vertheilt.
Dritter Abschnikt.
Von dem Rechtsverhältniß der Gesellschaft zu dritten Personen.
Art 110. Die rechtliche Wirksamkeit einer offenen Handelsgesellschaft tritt im
Verhältniß zu dritten Personen mit dem Zeilpunkte ein, in welchem die Errichtung der
Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, oder die Gesellschaft auch nur ihre
Geschäfte begonnen hat.
Die Beschränkung, daß die Gesellschaft erst mit einem späteren Zeilpunkte, als dem
der Eintragung, ihren Anfang nehmen soll, hat gegen dritte Personen keine rechlliche
Wirkung.
Art. 111. Die Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und
Verbindlichkeiten eingehen, Eigenihum und andere dingliche Rechte an Grundstücken er-
werben, vor Gericht klagen und verklagt werden.
Ihr ordentlicher Gerichtssiand ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Siß hat.
Art. 112. Die Gesellschafter haften für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft so-
lidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen.
Eine entgegenstehende Verabredung hat gegen Dritte keine rechtliche Wirkung.
L
Art. 113. Wer in eine bestehende Handelsgesellschaft elntritt, haftet glelch den
anderen Gesellschaftern für alle von der Gesellschaft vor seinem Eintritte eingegangenen
Verbindlichkeiten, es mag die Firma eine Aenderung erleiden oder nicht.
Eln entgegenstehender Vertrag ist gegen Dritte ohne rechtliche Wirkung.
Art. 1.14 JFeder zur Vertretung der Gesellschaft besugte Gesellschafter ist ermäch=
tigt, alle Arten von Geschäften und Nechtshandlungen im Namen der Gesellschaft vor-
zunehmen, insbesondere auch die der Gesellschaft gehörenden Grundstücke zu veräußein
und zu belasten.
Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, welche ein zur Vertretung der Ge-
sellschaft befugter Gesellschafter in ihrem Namen schließt, berechtigt und verpflichtet; es ist
gleichgültig, ob das Geschäft auèdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden
ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kontrahenten für die
Gesellschaft geschlossen werden sollee.
Art. 115. Die Gesellschaft wird durch Rechtsgeschäfte eines Gesellschafters nicht
verpflichtet, wenn derselbe von der Besugniß, die Gesellschaft zu vertreten, ausgeschlossen
(Art. 86 Ziff. 4.), oder seine Besugniß, die Gesellschaft zu vertreten, aufgehoben ist
(Art. 87), sofern hinsichtlich dieser Ausschließung oder Aufhebung die Voraussetzungen
vorhanden sind, unter welchen nach Ark. 46 hinsichtlich des Erlöschens der Prokura die
Wirkung gegen Dritte eintritt.
Art 116. Eine Beschränkung des Umfangs der Befugniß eines Gesellschafters,
die Gesellschaft zu vertreten, hat dritten Personen gegenüber keine rechtliche Wirkung;
inobesondere ist die Veschränkung nicht zulässig, daß die Vertretung sich nur auf gewisse
Geschäfte oder Arten von Geschäften ersrecken, oder dah sic nur unter gewissen Umstän-
den uoder für eine gewisse Zelt oder an einzelnen Orten slattsinden solle.
Art. 117. Die Gesellschaft wird vor Gerlcht von sedem Gesellschafter gültig ver-
treten, welcher von der Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, nicht ausgeschlossen ist.
Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft
genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung besugten Gesellschafter geschieht.
Art. 118. Die Ertheilung, sowie die Aukhebung einer Prokura geschleht mit
rechtlicher Wirkung gegen Dritte durch einen der zur Vertretung der Gesellschaft befug
ten Gesellschafter.
Art. 119. Die Privatgläubiger eines Gesellschafters find nicht befugl, die zum
Gesellschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen oder Rechte oder einen Autheil an
denselben zum Behuf itrer Befriedigung oder Sicherstellung in Anspruch zu nehmen.
Gegenstand der Exekution, des Arrestes oder der Beschlagnahme kann für sie nur Das-
94
jenige sein, was der Gesellschafter selbst an Zinsen und an Gewinnanthellen zu fordern
berechtigt ist, und was ihm bei der Auseinandersetzung zukommt.
Art. 120. Die Bestimmuug des vorigen Artlkels gilt auch in Betreff der Pri-
valgläubiger, zu deren Gunsten eine Hypothek oder ein Pfandrecht au dem Vermögen
eines Gesehschafters krast des Gesetxes oder aus einem andern Rechtsgrunde besteht.
Ibre Hppothek oder ihr Pfandrecht erstreckt sich nicht auf die zum Gesellschaftsvermögen
gebörigen Sachen, Forderungen und Rechte oder auf einen Antheil an dentelben, son-
dern nur auf Dasjenige, was in dem letzten Sape des vorigen Artikels bezeichnet ist.
Jedoch werden die Rechte, welche an den von einem Gesellschafter m das Vermö-
gen der Gesellschaft eingebrachten Gegenständen bereits zur Zeit des Einbringens bestan-
den, durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt.
Art. 121. Eine Kompensation zwischen Forderungen der Gesellschaft und Pri-
valforderungen des Geschäftsschuldners gegen einen einzelnen Gesellschafter findet wäh-
rend der Dauer der Gesellschaft weder ganz noch theilweise statt; nach Auflösung der
Gesellschaft ist sie zulässig, wenn und in so weit die Gesellschaftsferderung dem Gesell-
schafter bei der Auseinandersepung überwiesen ist.
Art. 122. Im Falle des Konkurses der Gesellschaft werden die Gläubiger der-
selben aus dem Gesellschaftsvermögen abgesondert befriedigt, und können aus dem Pri-
vawwermögen der Gesellschafter nur wegen des Ausfalls ihre Befriedigung suchen; den
Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu bestimmen, ob und wie weit den Privatgläubigern
der Gesellschafter ein Absonderungsrecht in Bezug auf das Privatwermögen derselben
zusteht.
Vierter Abschnitt.
Von der Auflösung der Gesellschaft und dem Austreten eingelner Gesellschafter
aus derselben.
Die Gesellschaft wird aufgelöst:
1) durch die Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft;
2) durch den Tod eines der Gesellschafter, wenn nicht der Vertrag bestimmt, daß
die Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen sortbesiehen soll;
durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines der Gesellschafter
oder durch die eingetreiene rechtliche Untähigkeit eines der Gesellschafter zur
selbstständigen Vermögensverwaltung;
4) durch gegenseitige Uebereinkunft; «
odurchAblaufdckZeit,aufdckanauekdieGesellschaftcingegsngcnistJofem
nicht die Gesellschafter dieselbe stillschweigend fortsetzen; in diesem Falle gilt sie
von da an als auf unbestimmte Dauer eingegangen;
—
95
6) durch die von Seiten eines Gesellschafters geschehene Aufkuͤndigung, wenn die Ge-
sellschaft auf unbestimmte Dauer eingegangen ist.
Eine auf Lebenszeit eingegangene Gesellschaft ist als eine Gesellschaft von
unbestlmmiter Dauer zu betrachten.
Art. 124. Die Aufkündigung einer Gesellschaft von unbestimmter Dauer Seitens
eines Gesellschafters muß, wenn nicht ein Anderes vereinbart ist, mindesteus 6 Monate
vor Ablauf des Geschäftsjahreo der Gesellschaft erfolgen
Art. 12 5. Eln Gesellschafter kann die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der
für ihre Dauer bestimmtemn Zeit oder bei Gesellschaften von unbestimmter Dauer ohne
vorgängige Aufkündigung verlangen, sofern hierzu wichtige Gründe vorhanden sind.
Die Beurtheilung, ob solche Gründe anzunehmen sind, bleibt im Falle des Wider-
ipruchs dem Ermessen des Richters übcrlassen.
Die Auflssung kann insbesondere ausgesprochen werden:
wenn durch äußere Umstände die Erreichung des gesellschaftlichen Zwecks unmög-
lich wird;
wenn ein Gesellschafter bei der Geschäftsführung oder bei der Rechnungslegung
unredlich verfährt;
wenn ein Gesellschafter die Erfüllung der ihm obliegenden wesentlichen Verpflicht,
ungen unterläßt;
wenn ein Gesellschafter die Firma oder das Vermögen der Gesellschaft für seine
Privatzwecke mißbraucht;
5) wenn ein Gesellschafter durch anhaltende Krankheit oder aus anderen Ursachen zu
den ihm obliegenden Geschäften der Gesellschaft unfähig wird.
Art. 126. Hat rin Privatgläubiger eines Gesellschafters nach fruchtlos vollstreck
lter Exekution in dessen Privatvermögen die Exekution in das dem Gesellschafter bei der-
einstiger Auflösang der Gesellschaft zukommende Guthaben erwirkt, so ist er berechtigt, e
mag die Gesellschaft auf bestimmte oder auf unbestimmte Dauer eingegangen sein, behufe
seiner Befriedigung nach vorher von ihm geschehener Aufkündigung die Auflösung der
Gesellschaft zu verlangen.
Die Aufkündigung muß mindestens sech Monate vor Ablauf des Geschäftsjahrte
der Gesellschaft geschehen:
Art. 127. Wenn die Gesellschafter vor der Auslösung der Gesellschaft übereinge-
kommen sind, dah, ungeachtet des Ausscheidens eines oder mehrerer Gesellschafter, die Ge-
sellschaft unter den übrigen forkgeseht werden soll, so endigt die Gesellschaft nur in Be-
ziehung auf den Ausscheidenden; im Uebrigen besteht sie mit allen ihren bisherigen Rech-
ten und Verbindlichkeiten fort.
# 8 —
—
□——
96
Art. 128. Wenn die Auflösung der Gesellschaft aus Gründen gefordert werden
darf, welche in der Person eines Gesellschafters liegen (Art. 125), so kann anstatt der-
selben auf Ausschliehung dieses Gesellschafters erkanm werden, sofern die sämmtlichen
übrigen Gesellschafter hierauf antragen.
Art. 129. Die Auftösung der Gesellschaft muh, wenn sie nicht in Folge der Er-
öffnung des Konkurses über die Gesellschaft geschiehz, in das Handelsregister eingelra-
gen werden
Diese Eintragung muß selbst dann geschehen, wenn die Gesellschaft durch Ablauf der
zeit, für welche sie eingegangen war, beendigt wird.
Gleich der Auflösung der Gesellschaft muß auch das Ausscheiden oder die Aus-
schliehung eines Gesellschafters aus der Gesellschaft in das Handelsregisler eingetragen werden.
Das Handelsgericht hat die Betheiligren zur Anmeldung dieser Thatsachen von Amts-
wegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten.
Dritten Personen kann die Auflösung der Gesellschaft oder das Ausschelden oder die
Ausschliehung eines Gesellschafters aus derselben nur insofern entgegengesetzt werden, als
hinsichtlich einer solchen Thatsache die Voraussetzuungen vorhanden sind, unter welchen nach
Art. 25 hinsichtlich des Erlöschens der Firma oder die Aenderung ihrer Inhaber die
Wirkung gegen Dritte eintritt.
Art. 130. Wenn ein Gesellschafter ausscheidet oder ausgeschlossen wird, so erfolgt
die Auseinandersehung der Gesellschaft mit demselben auf Grund der Vermögenslage, in
welcher sich die Gesellschaft zur Zeit des Ausscheidens oder zur Zeit der Behändigung
der Klage auf Ausschliehung besindet.
An den späteren Geschäften, Rechten und Verbindlichkeiten nimmt der Ausgeschie-
dene oder Auögeschlossene nur insofern Anthell, als dieselben eine unmittelbare Folge
dessen sind, was vor jenem Zeitpunkte bereits geschehen war.
Der Augeschiedene oder Ausgeschlossene muß sich dle Beendigung der laufenden
Geschäfte in der Weise gefallen lassen, wie sie nach dem Ermessen der verbleibenden Ge-
sellschafter am vortheilhaftesien ist.
edoch ist er, wenn eine frühere vollständige Auseinandersezung nicht möglich iß,
berechligt, am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres Rechnungsablage über die inzwischen
erledigten Geschäfte, sewie die Auszahlung der ihm hiernach gebührenden Beträge zu
fordern; auch kann er am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres den Nachweis über den
Stand der noch laufenden Geschäste fordern.
Art 131. Ein ausgeschtedener oder ausgeschlessener Gesellschafter muh sich die
Auslieferung seines Antheils am Gesellschastsvermögen in elner den Werth desselben dar-
stellenden Geldsumme gefallen lassen; er hat kein Recht auf einen verhältnihmäßigen
97
Antheil an den einzelnen Forderungen, Waaren oder anderen Vermögensstücken der Ge-
sellschast.
Art. 132. Macht ein Privatyläubiger eines Gesellschafters von dem nach Art.
126 ihm zustehenden Rechte Gebrauch, so können die übrigen Gesellschafter auf Grund
eines elnstimmigen Veschlusses statt der Auflösung der Gesellschaft die Auseinandersehung
und die Auslieserung des Autheils des Schuldners nach den Bestimmungen der vorher-
gehenden Artikel vornehmen; der lehztere ist dann als aus der Gesellschaft ausgeschieden
zu betrachten.
Fünfter Abschnitt.
Von der Liqudidation der Gesellschaft.
Art. 1 33. Nach Auflösung der Gesellschaft außer dem Fall des Konkurses der-
selben exfolgt dle Liguidatlon, sofern diese nicht durch einstimmigen Beschluß der Gesell-
schafter oder durch den Gesellschaftsvertrag einzelnen Gesellschaftern oder andern Perso-
nen übertragen ist, durch die sämmtlichen bisherigen Gesellschafter oder deren Vertreter
als Liquidatoren. Ist einer der Gesellschafter gestorben, so haben bessen Rechtsnachfol-
ger einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen.
Auf den Antrag eines Gesellschafters kann aus wichtigen Gründen die Ernennung.
von Liquidatoren durch den Richter erfolgen. Der Richter kann in einem solchen Falle
Personen zu Liquidatoren ernennen oder als solchr beiordnen, welche nicht zu den Ge-
sellschaftern gehören.
Art. 134. Die Abberufung von Liguidatoren geschieht durch einstimmigen Be-
schluß aller Gesellschaster; sie kann auch auf den Antkrag elnes Gesellschafters aus wich-
tigen Gründen burch den Richter erfolgen.
Art. 175. Die Liquidatoren ünd von den Gesellschaftern beim Handelsgerichte
zur Eintragung in das Haudeloregister anzumelden; sie haben ihre Unterschrift pers#n-
lich vor dem Handelögerichte zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form ein-
zureichen.
Das Auötreten eines Liguidators oder das Erlöschen der Vollmacht eines solchen
ist gleichfalls zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
Die Gesellschafter sind zur Befolhung dieser Vorschristen von Amtswegen durch
Ordnungsstrafen anzuhalten.
Drikten Personen kann die Ernennung von Llauldatoren, sowie das Austreten ei-
nes Liquidators oder das Erlöschen der Vollmacht eines solchen nur in sofern entgegen-
gesepzt werden, als hinsichtlich dieser Thatsachen die Voraussehungen vorhanden sind, un-
16
98
ter welchen nach Art. 25. und 46. hlnsichtlich einer Aenderung der Inhaber einer Flrma
oder ded Erlöschens elner Prokura die Wirkung gegen Dritte eintritt.
Art. 136. Sind mehrere Liquidakoren vorhanden, so können sie die zur Liqul-
dation gehörenden Handlungen mit rechtlicher Wirkung nur in Gemeinschaft vornehmen,
sofern nicht ausdrücklich bestlmmt ist, daß sie einzeln handeln können.
Art. 137. Die Elauldatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die
Verpflichlungen der aufgelösten Gesellschaft zu ersüllen, die Forderungen derselben einzu-
ziehen und das Vermögen der Gesellschaft zu versilbern; sie haben die Gesellschaft ge-
richtlich und außergerichtlich zu vertreten; sie können für dieselbe Vergleiche schließen und
Kompromisse eingehen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte können die Liquidatoren
auch neue Geschäfte eingehen.
Die Veräußerung von unbeweglichen Sachen kann durch die Liquldatoren ohne
Zustimmung der sämmtlichen Gesellschafter nicht anders, als durch öffentliche Versteige-
tung bewirkt werden.
Art. 138. Eine Beschränkung des Umfanges der Geschästsbefugnisse der Li-
quldatoren (Art. 1379 hat gegen dritte Personen kelne rechtliche Wirkung.
Art. 139. Die Liquidatoren haben ihre Unterschrift in der Weile abzugeben, daß
sie der bisherigen, nun als Liquidationsfirma zu bezeichnenden, Firma ihren Namen
bbeifügen
Art. 140. Die Liaquldatoren baben, selbst wenn sie vom Alchter bestellt sind, den
Gesellschaftern gegenüber bei der Geschäftsführung den von diesen einstimmig getroffenen
Anordnungen Folge zu geben.
Art. 141. Die während der Liquidation entbehrlichen Gelder werden vorläufig
unter die Gesellschafter vertheilt.
Zur Deckung von Schulden der Gesellschaft, welche erst später fällig werden, sowie
zur Deckung der Anspüche, welche den einzelnen Gesellschaftern bei der Auseinanderseh-
ung zustehen, sind die erforderlichen Gelder zurückzubehalten.
Art. 142. Die Llauldatoren haben die schließliche Audelnandersetzung unter den
Gesellschaftern herbeizuführen.
Streitigkeiten, welche über die Außeinandersetzung entstehen, fallen der richterlichen
Entscheidung anheim.
Art. 143. Wenn ein Gesellschafter Sachen in die Gesellschaft eingebracht bat,
welche Eigenthum derselben geworden sind, so fallen dieselben bel der Auseinandersetzung
nicht an ihn zurück, sondern er erhält den Werth aus dem Gesellschaftsvermögen erstat-
tet, für welchen sie gemäß Uebereinkunft übernommen wurden.
99
Fehlt es an dleser Werthbestlmmung, so geschleht dle Erstattung nach dem Werthe,
welchen die Sachen zur Zeit der Einbringung hatten
Art. 144. Ungeachtet der Auflösung der Gesellschaft kommen bis zur Beendig-
ung der Llauldatlon in Bezug auf das Rechtsverhältniß der bisherigen Gesellschafter un-
ter elnander sowie der Gesellschafter zu dritten Personen die Vorschristen des zweiten und
dritten Abschnilts zur Anwendung, soweit sich aus den Bestlmmungen des gegenwärkigen
Abschnitts und aus dem Wesen der Liquidation nicht ein Anderes ergibt.
Der Gerichtsstand, welchen die Gesellschaft zur Jelt ihrer Auflösung hatte, bleibt bis
zur Beendigung der Liquidation für die aufgelöste Gesellschaft bestehen.
Zustellungen an die Gesellschaft geschehen mit rechtlicher Wirkung an einen der
Liquidatoren.
Art. 145. Nach Beendlgung der Liquidation werden die Bücher und Schristen
der aufgelösten Gesellschaft einem der gewesenen Gesellschafter oder elnem Dritten in Ver-
wahrung gegeben. Der Gesellschafter oder der Dritte wird in Ermangelung einer güt-
lichen Uebereinkunst durch das Handelsgericht bestimmt.
Die Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger behalten das Recht auf Einsicht und
Benupyung der Bücher und Papiere.
Sechster Abschnitt.
Von der Verlêbrung der Klagen gegen die Gesellschafter.
Art. 146. Die Klagen gegen einen Gesellschafter aus Ansprüchen gegen die Ge-
sellschaft verjähren in fünf Jahren nach Auslösung der Gesellschaft oder nach seinem Aus-
schelden oder seiner Ausschliehung aus derselben, sosern nicht nach Beschaffenheit der For-
derung eine kürzere Verjährungsfeist gesehlich eintriu.
Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Auflösung der Gesellschaft
oder das Ausscheiden oder die Ausschliehung des Gesellschaftero aus derselben Iin das
Handelsregisier eingetragen ist.
Wird die Forderung erst nach der Eintragung fällig, so beginnt die Verjährung
mit dem Zeitpunkte der Fälligkett.
Art. 147. Ist noch ungetheiltes Gesellschastsvermögen vorhanden, so kann dem
Gläubiger die fünfjährige Verjährung nicht entgegengesetzt werden, sofern er seine Be-
friedigung nur aus dem Gesellschaftsvermögen sucht.
Art. 148. Die Verjährung zu Gunsten eines ausgeschiedenen oder ausgeschloffe-
nen Gesellschafters wird durch Rechtshandlungen lcht unterbrochen, welche gegen die
sortbesiehende Gesellschaft oder einen anderen Gesellschaster vorgenommen werden.
Die Verjährung zu Gunsten eines bei der Auflösung einer Gesellchaft z derselben
gehoͤrigen Gesellschafters wird nicht durch Rechtshandlungen gegen einen anderen Gesell-
schafter, wohl aber durch Rechtshandlungen gegen die Liquidatoren unterbrochen.
Art 149. Die Verjährung läuft auch gegen Minderjährige und bevormundete
Personen, sowie gegen juristische Personen, denen gesehlich die Rechte der Minderjäcrigen
zustehen, ohne Zulassung der Wiedereinsehung in den vorigen Stand, jedoch mit Vorbe-
halt des Regresses gegen die Vormünder und Verwalter.
Zweiter Titel.
Von der Kommanditgesellschaft.
Erster Abschnitt.
Von der Kommanditgesellschaft im Allgemeinen.
Art 150. Elne Kommanditgesellschaft ist vorhanden, wenn bei einem unter einer
Vemeinschaftlichen Firma betriebenen Handelsgewerbe ein oder mehrere Gesellschafter sich
nur mit Vermögenseinlagen betheiligen (Kommanditisien), während bei einem oder meb-
reren anderen Gesellschaftern die Betheiligung nicht in dieser Weise beschränkt ist (per-
sönlich haftende Gesellschafter).
Sind mehrere persönlich haftende Gesellschafter vorhanden, so ist in Ansehung ihrer
die Gesellschaft zugleich eine offene Gesellschaft.
Zur Gültigkeit des Gesellschaftsvertrages bedarf es der schriftlichen Abfassung nicht.
Art. 151. Die Enichtung einer Kommandltgesellschaft ist von sämmtlichen Ge-
sellschaftern bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirke die Gesellschaft ihren Siß hat,
behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
Die Anmeldung muß enthalten:
!) den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesell-
schafters;
den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes Kommanditisten milt der Be-
zeichnung desselben als solchen;
3) die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Siß hat;
1) den Betrag der Vermögenseinlage jedes Kommanditisten.
Die Anmeldung muß von allen Gesellschastern persönlich vor dem Handelsgerichte
unterzeichnet, oder in beglaubigter Form elngereicht werden; sie ist nach ihrem ganzen
Inhalt in das Handelsregister einzutragen. Bei der Bekanntmachung der Kommandit.
gesellschaft in den öffentlichen Blättern (Art. 13) unterblelbt die Angabe der Namen,
des Standes und des Wohnorts der Kommanditisten, sowie die Angabe des Betrages
ihrer Vermögenseinlagen.
7“
—
101
Art. 152. Bei jedem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Kommanditgesellschaft
eine Zweigniederlassung hat, muß dies behuss der Eintragung in das Handelsregister
angemeldet werden.
Die Anmeldung muß die in Art. 151 Zif. 1—1 bezeichneten Angaben enthalten,
und von sämmtlichen persönlich baftenden Gesellschaftern vor dem Handelsgericht unter-
zeichnet oder in beglaubigter Form eingereicht werden.
Art. 153. Die persönlich hastenden Gesellschafter, welche die Gesellschaft vertreten
sollen, baben die Firma nebst ibrer Namensunterschrift persönlich vor dem Handelsgericht,
in dessen Bezirk die Handelsgesellschaft ihren Sitz hat, und vor jedem Handelsgericht, in
dessen Bezirk sie eine Zweigniederlassung hat, zu zeichurn oder vie Zeichnung in beglau-
bigter Form einzureichen.
Art. 154. Das Handelsgericht hat die persönlich haftenden Gesellschafter zur Be-
folgung der in den Art. 151, 152 und 153 entbaltenen Vorschristen von Amtewegen
durch nbefvan zaizuhnn
155. 7 die Firma einer bestebenden Kaommandaugeselschalt geändert, oder
der . W* an einen andern Ort verlegt wird, so sind diese Thatsachen von
sämmtlichen Gesellschaftern in der durch Art. 151 bestimmten Weise behuss der Eintrag-
ung in das Handeloregister anzumelden. Das Handelsgericht hat die persönlich haftenden
Gesellschafter zur Befolgung dieser Anordnung von Amtswegen durch Ordnungsstrafen
anzuhalten.
Bel der Bekanntmachung kommt in Betreff der Kommanditisten die Vorschrist des
An. 151 zur Anwendung.
Die Wirkung gegen Dritte richtet sich nach den Vestimmungen des Art. 25.
Art. 156. Wenn in eine bestehende Kommanditgesellschaft ein neuer Kommandi-
tist eintritt, so muß dies von sämmtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Han-
delsregister und zur Bekanntmachung nach den Bestimmungen des Art 151. angemeldet
werden.
Art. 157. Das Rechtsverhältniß der Gesellschafter unter einander richtet sich zu-
nächst nach dem Gesellschaftsvertrage. Sowelt keine Vereinbarung getroffen ist, kommen
die gesehlichen Bestimmungen über das Rechtsverhälmiß der offenen Gesellschafter unter
elnander auch hier zur Anwendung, jedoch mit den Abweichungen, welche die nachfolgen-
den Arkikel (158 bio 162) ergeben.
Art. 158. Die Geschäftsführung der Gesellschaft wird durch den oder die perfön-
lich haftenden Gesellschafter besorgt.
Ein Kommandilist ist zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft weder berechligt
noch verpflichtet.
102
Er kann gegen die Vornahme einer Handlung der Geschäftsführung durch die per-
fönlich hastenden Gesellschafter (Art. 99 bis 102) Widerspruch nicht erheben.
Art. 159. Ein Kommanditist darf ohne Genehmigung der anderen Gesellschafter
in dem Handelszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen
und an ener anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als offener Gesellschafter Theil nehmen.
Art. 160. Jeder Kommanditißt ist berechtigt, die abschristliche Mittheilung der
jährlichen Bilanz zu verlangen und die Richtigkeit derselben unter Einsicht der Bücher
und Papiere zu prüfen.
Die im Art. 105 bezeichneten weiteren Rechte eines offenen Gesellschafters siehen
einem Kommanditisien nicht zu.
Jedoch kann das Handelsgericht auf den Antrag eines Kommanditisten, wenn wich-
tige Gründe dazu vorliegen, die Mitthellung einer Bilanz oder sonsiiger Aufklärungen
nebst Vorlegung der Bücher und Papiere zu jeder Zeit anordnen.
Art. 161. Die Besiimmungen der Art. 106 bis 108 über die Verzinsung der
Einlage, über die jährliche Berechnung des Gewinnes oder Verlustes und über die Be-
sugulß, Zinsen und Gewinn zu erheben, gelten auch in Betreff des Kommanditisten.
Jedoch nimmt ein Kommanditist an dem Verluste nur bis zum Betrage seiner ein-
gezahlten oder rückständigen Einlage Antheil.
Er ist nicht verpflichtet, die Zinsen und den Gewinn, welche er bezogen hat, wegen
späterer Verluste zurückzuzahlen; jedoch wird, so lange seine ursprüngliche Einlage durch
Verlust vermindert ist, der jährliche Gewinn zur Deckung des Verlustes verwendet.
Art. 162. Ifl über die Höhe der Bethelligung an Gewinn und Verlust nichts
vereinbart, so wird dieselbe nach richterlichem Ermessen, nöthigenfalls unter Zuziehung
von Sachverständigen festgestellt.
Art. 163. Im Verhältnih zu dritten Personen krilt die rechtliche Wirksamkeit
einer Kommanditgesellschaft mit dem Zeilpunkt ein, in welchem die Errichtung der Ge-
sellschaft bei dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschast lhren Sitz hat, in das
Handelsregister eingetragen ist, oder die Gesellschaft auch nur ihre Geschäfte begonnen hat.
Die Beschränkung, dah die Gesellschast erst mit einem späteren Zeilpunkt als dem
der Eintragung ihren Anfang nehmen soll, hat gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung.
Hat die Gesellschaft vor der Eintragung ihre Geschäfte begonnen, so hastet jeder
Kommanditist dritten Personen für die bis zur Eintragung entstandenen Verbindllchkeiten
der Gesellschaft gleich einem persönlich haftenden Gesellschaster, wenn er ulcht beweist, daß
denselben seine beschränkte Vetheiligung bei der Gesellschaft bekannt war.
Art. 164. Die Kommadditgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben
103
und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundftuͤcken
erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.
Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sip hat.
Art. 165. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet der Kommanditist nur
mit der Einlage, und soweit diese nicht elngezahlt ist, mit dem versprochenen Betrage.
Die Einlage des Kommandittsten kann während . „aseben der Gesellschaft we-
der ganz noch thellweise zurückbezahlt oder erlassen werde
Zinsen können ihm von der Gesellschaft nur knet ezahlt werden, als dadurch die
ursprüngliche Elnlage nicht vermindert wird.
Er kann bis zur Wiederergänzung der durch Verlust verminderten Einlage weder
Zinsen noch Gewinn beziehen.
Er haftet für die Verbindlichkelten der Gesellschaft, wenn und insoweit er diesen
Bestimmungen entgegen Jahlungen von der Gesellschaft empfangen hat.
Er ist jedoch nicht verpflichtet, die Zinsen und den Gewinn zurückzuzahlen, welche
er auf Grund elner in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben bezogen hat.
Art. 166. Wer in eine beslehende Handelgesellschaft als Kommanditist eintriu.
bastet nach Maaßgabe des vorhergehenden Mitikels für alle von der Gesellschaft vor sei-
nem Eintritt eingegangenen Verbindlichkeiten, es mag die Firma eine Aenderung erlei-
den oder nicht.
Ein entgegenstehender Vertrag ist gegen Dritte ohne rechtliche Wirkung.
Art. 167. Die Kommanditgesellschaft wird durch die persönlich hastenden Gesell-
schafter berechtlgt und verpflichtet; sie wird durch dieselben vor Gericht vertreten.
Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft
genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschieht.
Ein Kommanditist, welcher für die Gesellschaft Geschäfte schlieht, ohne ausdrücklich
zu erklären, daß er nur als Prokurist oder als Bevollmächtigter handle, ist aus diesen
Geschäften gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter verpflichtet.
Art. 168. Der Name eines Kommanditisten darf in der Firma der Gesellschaft
nicht enthalten sein; im entgegengesetzten Falle haftet er den Gläubigern der Gesellschaft
glelch einem offenen Gesellschafter.
Art. 169. Die Beslimmungen der Art. 119, 120, 121 und 122 finden auch
bei der Kommanditgesellschaft Anwendung.
Art. 170 Wenn ein Kommanditist stirbt oder zur Verwaltung seines Verms-
gens rechtlich unfählg wird, so hat dies die Auflösung der Gesellschaft nicht zur Folge.
Im Uebrigen gelten die in den Art. 123 bis 128 für dle offene Gesellschaft ge-
gebenen Bestimmungen auch für dle Kommanditgesellschaft.
104
Art. 171. Wenn eine Kommamditgesellschaft aufgelöst wird, oder wenn ein Kom-
manditist mit seiner, ganzen Einlage oder mit einem Thelle derselben auoscheidet, so
müssen diese Thatsachen in das Handelsregister eingetragen werden.
Bei der Bekanntmachung unterbleib: die Bezeichnung des Kommanditisten und die
Angabe des Betrages der Einlage.
Die Bestimmungen des Art. 129 kommen auch hier zur Anwendung.
Art. 172. Was bel der offenen Gesellschaft über die Art der Auselnandersetzung
(Art. 130, 131 und 132), über die Liqguidation und über die Verjährung der Klagen
gegen die Gesellschafter bestimmt ist, gilt auch bei der Kommanditzesellschaft in Betreff
aller Gesellschafter.
Zweiter Abschnitt.
Von der Kommanditgesellschaft auf Aktien insbesondere.
Art. 173. Das Kapital der Kommanditisten kann in Akiien oder Aktienantbeile
zerlegt werden.
Die Aktien oder Aktienantheile müssen auf Namen lauten. Sie müssen auf einen
Betrag von mindestens zweihundert Vereinsthalern gestellt werden, wenn nicht die Lan-
desgesete nach Maaßgabe der besonderen örtlichen Bedürfnisse einen geringeren Betrag
gestatlen.
Aktien oder Aktienantheile, welche auf Inhaber lauten, oder welche auf einen ge.
ringeren als den gesetlich bestimmten Betrag gestellt werden, sind nichtig. Die Ausge-
ber solcher Aktlen oder Aktienantheile sind den Besipern für allen durch die Ausgabe
verursachten Schaden solidarisch verhaftet.
Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch von Promessen und Interimsscheinen.
Art 174. Kommamditgesellschaften auf Aktien können nur mitl staatlicher Geneh-
migung errichtet werden.
Ueber die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftovertrags muß eine gerlcht-
liche oder notarlelle Urkunde aufgenommen werden. Zur Aktienzeichnuug genügt eine
schriftliche Erklärung.
Art. 175. Der Gesellschaftsvertrag, dessen Genehmigung erfolgen soll, muß ent-
halten:
1) den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes persönlich haftenden Gesell-
schafters;
2) die Flrma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sit hat;
3) den Gegenstand des Unternehmens;
4) die Zeltdauer des Unternehmens, im Fall dasselbe auf eine bestimmte Zeit be-
schränkt sein soll;
105
die Zahl und den Bemag der Aktien oder Aktlenanthelle;
die Besilmmung, daß ein Aufsichtaralh von mindesiens fünf Mitgliedern aus der
Zahl der Kommanditisten durch Wahl daiselben bestellt werden müsse;
die Form, in welcher die Zusammenberufung der Generalversammlung der Kom-
mandittsten geschieht;
) die Form, in welcher die ren der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen
erfelgen, sowie die ösfenklichen Blälter, in welche dieselben aufzunehmen sind.
Art. 176. Der Gesellschaftevertrag und die Genehmigungsurkunde müssen bel
dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ibren Sip hat, in das Handelöre-
Nister eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden.
Der Auszug muß enthalten:
1) das Datum des Gesellschaftsvertrags unk der Genehmigungsurkunde;
2) den Namen, Vornamen, Stand und Wohnork jedes persönlich haftenden Gesell-
schafters;
3) die Flrma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Siß hat;
4) die Zahl und den Betrag der Aktien und Aktlenantheile;
5) die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen er-
folgen, sowie die öffentlichen Bläuer, in welche dieselben aufzunehmen sind.
Art. 177. Der Anmeldung tehufs der Eintragung in das Handelsregister muß
beigesügt seln:
4) die Bescheinlgung, daß der gesammte Betrag des Kapitals der Kommandittsten
durch Unterschristen gedeckt ist;
2) die Beschelnlgunng, daß mindesiens ein Vierlheil des von jedem Kommandillsten
gezeichneten Betrages von ihm eingezahlt ist;
3) der Nachweis, daß der Aussichtorath nach Inhalt des Vertrages (Art. 175 Zff.6)
in einer Generalrersammlung der Kommandlkisten gewählt ist.
Die Anmeldung muß von sämmtlichen perlsönlich haftenden Gesellschastern vor dem
Handelsgerichte unterzeichnet oder in beglaubigter Jorm eingereicht werden. Die der An-
meldung beigesügten Schriststücke werden bei dem Handelsgerlchte in Urschrift oder in be-
glaubitter Abschrift aufbewahrt.
Art. 178. Vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregister
besteht die Kommanditgesellschaft als solche nicht. Dic ansgegebenen Aktien oder Aktien-
anthelle sind nichtly. Die Ausgeber sind den Besiyern für allen durch die Ausgabe ver-
ursachten Schaden solidarisch verhastet.
Wenn vor erfolgter Genehmugung und Eintragung im Namen der Gesellschaft ge-
handelt worden ist, so hasten die Handeluden persönlich und solidarisch.
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*-
— —
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Art. 179. Die Vorschristen der Art. 152 und 153 sind auch bei der Komman-
oltgesellschaft auf Aktien zu befolgen; die Anmeldung muß die im Art. 176 Ziffer 1—5
bezeichneten Angaben enthalten. Das Handelsgericht hat die persönlich haftenden Gesell-
schafter zur Befolgung dieser Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungsstrafen au-
zuhalten.
Art. 180. Weun ein Gesellschafter eine Einlage macht, welche nicht in baarem Gelde
bestleht, oder wenn er sich zu seinen Gunsten besondere Vortheile ausbedingt, so muß in
einer Generalversammlung der Kommanditisten die Abschätzung und Prüfung der Zuläs-
sigkeit angeordnet und in einer späteren Generalversammlung die Genehmigung durch
Beschluß erfolgt sein.
Der Beschluß wird nach der Mehrheit der in der Versammlung anwesenden oder
durch Vollmacht vertretenen Kommanditisten gefaht; jedoch muß diese Mehrheit mindestens
ein Vlertheil der sämmtlichen Kommanditisten begreifen und der Betrag ihrer Antheile
zusammen mindestens ein Viertheil des Gesammtkapitals der Kommandilisten darstellen.
Der Gesellschafter, welcher die Einlage macht oder sich besondere Vortheile ausbedingt,
hat bei der Beschlußfassung kein Stimmrecht.
Ein gegen den Inhalt dieser Bestimmung geschlossener Vertrag hat keine rechlliche
Wirkung.
Art. 181. Für die geiellschaftlichen Kapitalantheile, welche auf die Einlagen der
persönlich hastenden Gesellschafter fallen oder welche denselben als besondere Vorthelle
ausbedungen sind, dürfen keine Aktlen ausgegeben werden; diese Kapitalantheile dürfen
von den persönlich haftenden Gesellschaftern, so lange die leyteren in diesem ihrem dechts-
verhältnisse zur Gesellschaft stehen, nicht veräußert werden.
Art. 182. Die Aktien oder Aktienantbeile sind untheilbar.
Sie müssen mit genauer Bezeichunng des Inhabers nach Namen, Wohnort und
Stand in das Aktlenbuch der Gesellschaft eingetragen werden.
Sie können, sofern nicht der Gesellschaftevertrag ein Anderes bestimmt, ohne Ein-
willigung der übrigen Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden.
Die Uebertragung kann durch Indossament geschehen.
In Betreff der Form des Indossaments kommen die Bestimmungen der An. 11—
13 der allgemeinen deutschen Wechselordnung zur Anwendung.
Art. 183. Wenn das Eigenthum der Aktie auf einen Anderen übergeht, so ist
dies, unter Vorlegung der Aktie und des Nachweises ves Ueberganges, bel der Gesell-
schast anzumelden und im Actienbuche zu bemerken.
Im Verhältnisse zu der Gesellschaft werden nur diejenigen als die Eigenthümer der
Aktien angesehen, welche als solche im Aktienbuche verzelchnet sind.
107
Zur Prüfung der Legitimation ist die Gesellschaft berechtigt, aber nicht verpflichtet.
Art. 184. So lange der Betrag einer Aktie nicht volkständig eingezahlt ist, bleibt
der ursprüngliche Zeichner zur Einzahlung des Rückstandes an die Gesellschaft verpflich-
tet; die Gesellschaft kann ihn dieser Verbindlichkeit nicht entlassen.
ArtL. 185. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind verpflichtet, dem Aussichts-
rakh und den Kommanditisten spätestens in den ersten sechs Monaten jedes Geschäftsjah-
res eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vorzulegen.
Art. 186. Die Rechte, welche den Kommanditisten gegenüber den persönlich haf-
tenden Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrage oder nach den Bestimmungen des
vorigen Abschnitts in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prü-
fung der Bilanz, die Bestimmung der Gewinnvertheilung, die Auflösung oder Kündi-
zung der Gesellschaft und die Befugniß, das Ausscheiden eines persönlich hastenden Ge-
sellschafters zu verlangen, zusichen, werden von der Gesammtheit der Kommanditisten in
der Generalversammlung ausgeübk.
Die Beschlüsse der Generalversammlung werden durch den Aussichtsrath ausgeführt,
wenn nicht im Gesellschaftsvertrage ein Anderes besiimmt ist.
trt. 187. Die Generalversammlung der Kommanditisten wird durch die persön-
lich haftenden Gesellschafter oder durch den Aussichtsrath berufen, sofern nicht nach dem
Gesellschaftsvertrage auch andere Personen dazu befugt lind.
rt. 188. Eine Generalversammlung der Kommandilisten ist auher den im Ge-
sellschaftsvertrage auodrücklich bestimmten Fällen zu berusen, wenn dies im Interesse der
Gesellschaft erforderlich erscheint.
Die Generalversammlung muß auch dann berusen werden, wenn dies von elnem
Kommandilisten oder einer Anzahl von Kommandttisten, deren Aktien zusammen den
zebnten Theil des Gesammtkapitals der Kommanditisten darstellen, in einer von ihnen
umterzeichneten Eingabe nnter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt wird. Ist
im Gesellschaftsvertrage das Recht, die Barufung einer Generalversammlung zu verlangen,
an den Besip eines größeren oder eines geringeren Antheils am Gesammtkapitale ge-
knüpft, so hat es hiebei sein Bewenden.
Art. 189. Dle Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Ge-
sellschaftsvertrag bestimmten Weise zu ersolgen.
Der Zweck der Generalversammlung muß jederzeit bei der Berufung bekannt ge-
macht werden. Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dleser Weise angekün-
dig ist, können Beschlüsse ulcht gefaßt werden; hiervon ist jedoch der Veschluh über den
in einer Generalversammlung gesiellten Ankrag auf Berufung einer auherordemlichen
Generalversammlung ausgenommen.
17
108
Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschlußfafsung bedarf
es der Ankündigung nicht.
Art. 190. Sowel nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt, werden die Be-
schlüsse der Generalversammlung der Kommanditisten mit einfacher Stimmenmehrheit ge-
kaht, und jede Aktie gewährt dem Inhaber eine Stimme.
Art. 191. Der Aussichtsrath kann das erste Mal nicht auf länger als ein Jahr,
später nicht auf länger als fünf Jahre gewäht werden.
Insoweit die Wahl auf einen längeren Zeitraum geschieht, ist dieselbe ohne recht.
liche Wirkung.
Art. 192. Den Mitgliedern des ersten Aussichtsraths darf eine Vergmung für
die Ausübung ihres Berufs nur durch einen nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres ein,
zuholenden Beschluß der Generalversammlung der Kommandltisten bewilligt werden.
Ist die Vergütung früher, oder in einer anderen als der vorstehenden Weise be-
willigt, so ist diese Fesisetzung ohne rechtliche Wirkung.
Art. 193. Der Aufsichtsrath überwacht die Geschäftsführung der Gesellschaft in
allen Zweigen lhrer Verwaltung; er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der
Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schristen derselben jederzeit einsehen und den
Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen. "
Er hat die Jahresrechnungen, die Bllanzen und die Vorschläge zur Gewinnvertheil-
ung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung Bericht zu erstatten.
Art. 194. Der Aufsichtsrath ist ermächtigt, gegen die persönlich haftenden Gesell.
schafter die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt
Jeder Kommanditist ist befugt, als Intervenient in den Prozeß auf seine Kosten
einzutreten.
Handelt es sich um die eigene Verantwortlichkeit des Aussichtsraths, so kann letzterer
ohne und selbst gegen den Beschluß der Generalversammlung gegen die persönlich haf-
tenden Gesellschafter klagen.
Art. 195. Wenn die Kommandllisten selbst in Gesammtheit und im gemeinsamen
Interesse gegen die persönlich haftenden Gesellschafter auftreten wollen oder gegen die
Mitglieder des Aussichtsraths elnen Prozeh zu führen haben, so werden sie durch Be-
vollmächtigte vertreten, welche in der Generalversammlung gewählt werden.
Falls aus irgend elnem Grunde die Bestellung von Bevollmächtigten durch Wahl
in der Generalversammlung gehindert wird, kann das Handelsgericht auf Antrag die Be-
vollmächtigten ernennen.
Jeder Kommandltist ist befugt, als Intervenient in den Prozeß auf seine Kosten
einzutreten.
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Ari. 106. Die Gesellschaft wird durch die persoͤnlich haftenden Gesellschafter be-
rechtigt und verpflichtet; sie wird durch dieselben vor Gericht vertreten.
Zur Behändigung von Vorladungen und andern Zustellungen an die Gesellschast
genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertretung befugten Gesellschafter geschleht.
Die Besiimmung des Art. 167 in Bekreff des Kommanditisten, welcher für die Ge-
sellschaft Geschäfte schließt, findet bel der Kommandikgesellschaft auf Aktlen keine Anwendung.
Art. 197. Die Einlagen können den Kommanditisten, so lange die Gesellschatn
besteht, nicht zurückgezahlt werden.
Zinsen von bestimmter Höhe können für die Kommandilisten nicht bedungen noch
ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach der
jährlichen Bilanz, und wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Resewe-
kapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben alo reiner Ueberschuß eegiebt.
Die Kommandttisten basten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wenn und in-
soweit sie diesen Bestimmungen entgegen Zahlungen von der Gesellschaft empfangen ha-
ben; sie find jedoch nicht verpflichtet, die in gutem Glauben bezogenen Dividenden zu-
rückzuzahlen.
Ar#. 198. Jede Abänderung des Gesellschaftsvertrages bedarf zu ihrer Gültigkeit
der nokariellen oder gerlchtlichen Abfassung sowie der staatlichen Genehmigung.
Der abändernde Vertrag und die Genehmigungsurkunde müssen in gleicher Weise
wie der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregisier eingetragen und im Auszuge ver-
öffentlicht werden. (Art. 176. 179.)
Der abändernde Vertrag hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Han-
delögericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Siy hat, in das Handeloregister ein-
getragen ist.
Art. 199. Das Austreten eines persönlich haftenden Gesellschafters in Folge ge-
Heuseitiger Uebereinkunft (Art 123. Ziff. 4.) ist während des Bestehens der Gesellschaft
unstatthast.
Elne solche Uebereinkunft steht der Auflösung der Gesellschaft gleich; zu derselben
bedarf es der Zustimmung einer Generalersammlung der Kommamitisten.
Art. 200. Wenn ein Kommandttist stirbt, oder in Konkurs verfällt, oder zur
Verwaltung selnes Vermögens rechtlich unfählg wird, so hat dles die Auflösung der Ge-
sellschaft nicht zur Felge. Der An. 126 findet in Bezug auf die Prlvatgläubiger eines
Kommanditisten keine Anwendung. Im Uebrigen gelten die Art. 123 bis 128 auch für
dle Kommandisgesellschaft auf Aktien.
Art. 201. Die Auflösung der Gesellschaft muh, wenn sie nicht in Folge der Er-
110
öffnung des Konkurses uͤber die Gesellschaft geschieht, in das Handelsreglster eingetragen
werden.
Diese Eintragung muß selbst dann geschehen, wenn die Gesellschaft durch Ablanf
der Zeit, für welche sie eingegangen war, beendigt würd.
Art. 202. Bei der Auflösung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, welche außer
dem Falle der Eröffnung des Konkurses erfolgt, darf die Vertheilung des Vermögens
unter die Gesellschafter nicht eher vollzogen werden, als nach Verlauf eines Jahres, von
dem Tage an gerechnet, an welchem die Auflösung der Gesellschaft in das Handelöregister
eingetragen ist.
Die aus den Handelsbüchern der Gesellschaft ersichtlichen oder in anderer Weilse
bekannten Gläubiger sind durch besondere Erlasse aufzufordern, sich zu melden; unterlassen
sie dies, so ist der Betrag ihrer Forderungen gerichtlich niederzulegen.
Das Lettere muß auch in Ansehung der noch schwebenden Verbindlichkeiten und
ftreitigen Forderungen geschehen, sofern nicht die Vertheilung des Gesellschaftovermögens
bis zu deren Erledigung ausgeseht bleib:, oder den Gläubigern eine angemessene Sicher-
beit bestellt wird.
Art. 20 3. Eine tbeilweise Zurückzahlung des Kapitals der Kommanditisten kann
nur vermöge einer staatlich genehmigten Abänderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen.
Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen geschehen,
welche für die Ventbeilung des Gesellschaftsvermögend im Falle der Auflösung maaßgebend
find (Art. 20 1. 202.).
Art 204. Die Mitglieder des Aufsichtorakhes sind gleich den persönlich haften-
den Gesellschaftern solidarisch zur Erstaltung geleisleter Zahlungen verpflichtel, wenn mit
ihrem Wissen und ohne ihre Einschreiten:
1) Einlagen an die Kommandirsten zurückgezahlt, oder
2) Zinsen oder Dioidenden gezahlt sind, welche nicht aus dem auf die Aktien fal.
lenden Gewinne entnommen wurden, oder
3) die Vertheilung des Gesellschaftsvermögens oder eine theilweise Zurückzahlung des
Kapitals der Kommanditisten ohne Beobachtung der gesehlichen Bestimmungen
(Art. 202. 20 3.) erfolgt ist.
Art. 205. Die Liquidation erfolgt, sofern der Gesellschaftsvertrag nicht ein An-
deres bestimmt, durch sämmtliche persönlich haftende Gesellschafter und eine oder mehrere
von der Gencralversammlung der Kommanditisten gewählte Personen.
Art. 206. Den Landesgesehzen bletbt vorbehalten, zu beslimmen, dah es der staal-
lichen Genehmigung zur Errichtung von Kommanditgesellschaften aus Aktien im Allge-
meinen oder von einzelnen Arten derselben nicht bedarf. In diesem Falle kommen die
111
Bestimmungen dieses Abschnikts zur Anwendung, soweit sie die staakliche Genehmigung bei
der Errichtung oder Abänderung des Gesellschaftsvertrages nicht zum Gegenstand haben;
der Gesellschaftsvertrag muß jedoch die in dem Art. 175 verzeichneten Bestimmungen ent-
balten, bevor die in dem Art. 176 vorgeschriebene Eintragung in das Handeloregister
erfolgen darf.
Dritter Titel.
Von der Aktiengesellschaft.
Erster Abschnikt.
Allgemeine Grundsätze.
Art. 20 7. Eine Handelsgesellschaft ist eine Aktlengesellschaft, wenn sich die sämmt-
lichen Gesellschalter nur mit Einlagen betheiligen, ohne persönlich für die Verbindlichkei-
ten der Gesellschaft zu haften.
Das Gesellschaftskapital wird in Akilen oder auch in Aktienantheile zerlegt.
Die Aktien oder Mktienantheile sind untheilbar.
Dieselben können auf Inhaber oder auf Namen lauten.
Art. 208. Alriengesellschaften können nur mit staatlicher Genehmigung errichtet
werden.
Ueber die Errichtung und den Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Statmo) muß eine
Cerichtliche oder nolarielle Urkunde aufgenommen werden.
Zur Aktienzeichnung genügt eine schriftliche Erklärung.
Art. 209. Der Gesellschaftsverlrag, dessen Genehmigung erfolgen soll, muß ins-
besondere bestlmmen:
1!) die Firma und den Sip der Gesellschaft;
2) den Gegenstand des Unternehmens;
3) die Zeikdauer des Unternehmens, im Falle dasselbe auf eine bestimmte Zeil be-
schränkt sein soll;
4) die Höhe des Grundkapltals und der einzelnen Aktien oder Aktienantheile;
5) die Elgenschaft der Aktien, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt werden
sollen, ingleichen die eiwa bestlmmte Zahl der elnen und der anderen Art, sowie
die elwa zugelassene Umwandlung derselben;
6) die Grundsäte, nach welchen die Bilanz aufzunehmen und der Gewinn zu be-
rechnen und auszuzahlen ist, sowie die Art und Weise, wie die Prüfung der
Bilanz erfolgt;
7) die Art der Bestellung und Zusammensehung des Vorstandes und die Formen
für die Legitimation der Mitglieder desselbden und der Beamten der Gesellschaft;
112
8) die Form, in welchei die Zusammenberufung der Aktionäre geschieht;
9) die Bedingungen des Stimmrechts der Aktionäre und die Form, in welcher das-
selbe ausgeübt wird;
10) die Gegenstände, über welche nicht schon durch einfache Stimmenmehrheit der auf
Zusammenberufung erschienenen Aktionäre, sondern nur durch eine größere Stim-
menmehrheit oder nach anderen Erfordernissen Beschluß gefaßt werden kann;
Il) die Foim, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanmmachungen er-
solgen, sowie die öffentlichen Blälker, in welche dieselben aufzunehmen find.
Art. 210. Der Gesellschaftsvertrag und die Genehmigungsurkunde müssen bei
dem Handelsgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sip hat, in das Handelore.
gusier eingetragen und im Auozuge veröffentlicht werden.
Der Auszug muß enthalten:
1) das Datum des Gesellschaftsveitrages und der Genehmigungsurkunde;
2) die Firma und den Siß der Gesellschaft;
3) den Gegenstand und die Zeildauer des Unternehmeno;
4) die Höhe des Grunkkapitals und der einzelnen Aktien oder Aktienantheile;
5) die Eigenschaft deiselben, ob sie auf Inhaber oder auf Namen gestellt sind;
6) die Form, in welcher die von der Gesellschaft ausgehenden Bekanntmachungen er-
folgen, sowie die öffentlichen Blälter, in welche dieselben aufzunehmen sind
Ist im Gesellschafrsvertrage eine Form bestimmt, in welcher der Vorsland seine Wil-
lenserklärungen kundgibt und für die Gesellschaft zelchnet, so ist auch diese Bestimmung
zu veröffentlichen.
Art. 211. Vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelsregisier
besteht die Altiengesellschast als solche nicht.
enn vor erfolgter Genehmigung und Eintragung in das Handelöreglster im Na-
men der Gesellschaft gehandelt worden ist, so haften die Handelnden persönlich und so-
lidarisch.
Art. 212. Bei jedem Handelögerichte, in dessen Bezirk die Aktiengesellschaft eine
Zweignlederlassung hat, muß dies behufs der Eintragung in das Handelsregister ange-
meldet werden.
Die Anmeldung muß die in Art. 210 Abs. 2 und 3 bezeichneten Angaben ent-
halten. Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser
Vorschristen von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anguhalten.
Art. 21 3. Die Akliengesellschaft als solche hat selbstständig ihre #echte und Pflich-
ten; sie kann Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben; sie
kann vor Gericht klagen und verklagt werden.
113
Ihr ordentlicher Gerlchtsstand ist bel dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz#
hal.
Art. 214. Jeder Beschluß der Generalversammlung, welcher die Fortsehung der
Gesellschaft oder eine Abänderung der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zum
Gegenstande bat, bedarf zu seiner Gültigkeit er notariellen oder gerichtlichen Beurkun-
dung, sowie der staaklichen Genehmigung
Ein solcher Beschluß und die Genehmigungsurkunde müssen in gleicher Weise wie
der ursprüngliche Vertrag in das Handelsregister eingetragen und im Auszug veröffent-
licht werden (Art. 210. 212.)
Der Beschluß hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe bei dem Handelsgericht,
in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Siy hat, in das Handelsregister eingetragen ist.
Art. 2 1 5. Die Abänderung des Gegenstandes der Unternehmung der Gesellschaft
kann nicht durch Stimmenmehrheit beschlossen werden, sofern dies nicht im Gesellschafts-
vertrage ausdrücklich gestattet ist.
Dasselbe gilt von dem Falle, wenn die Gesellschaft durch Uebertragung ihres Ver-
mögens und ihrer Schulden an eine andere Mktiengesellschaft gegen Gewährung von Ak-
tien der letzteren aufgelöst werden soll.
Zweiter Abschnitt.
Rechtsverbältniß der Aktlionäre.
Jeder Aktionär hat einen verhälmißmäßigen Antheil an dem Vermögen der Ge-
sellschaft.
Er kann den eingezahlten Betrag nicht zurücksordern und hat, so lange die Gesell-
schaft bestcht, nur einen Anspruch auf den reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Ge-
sellschaftsvertrage zur Vertheilung unter die Aktionäre bestimmt itt.
Art. 217. Zinsen von bestimmter Höhe dürfen für die Aktionäre nicht bedungen
noch ausbezahlt werden; es darf nur dasjenige unter sie vertheilt werden, was sich nach
der jährlichen Bilanz, und wenn im Gesellschaftsvertrage die Innehaltung eines Reserve-
kapitals bestimmt ist, nach Abzug desselben als reiner Ueberschuß ergibt.
Jedoch können für den in dem Gesellschaftsvertrage angegebenen Zeitraum, welchen
die Vorbereitung des Unternehmens bis zum Anfange des vollen Betriebes ersordert,
den Aktionären Zinsen von bestimmter Höhe bedungen werden.
Art. 218. Der Aktlonär ist in keinem Falle verpflichtet, die in guten Glauben
empfangenen Zinsen und Dividenden zurückzugeben.
Art. 219. Der Aktionär ist nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft und
18
114
zur Erfüllung ihrer Verbindlichkelten mehr belzutragen, als den für die Aetie statuten.
mäßig zu leistenden Beitrag.
Art. 220. Ein Aktlonär, welcher den Betrag seiner Aktie nicht zur rechsen Zeit
einzahlt, ist zur Zahlung von Verzugszinsen von Rechtswegen verpflichtet.
Im Gesellschaftsvertrage können für den Fall der verzögerten Einzahlung des ge-
zeichneten Aktienbetrages oder eines Theils desselben Konventionalstrafen ohne Rücksicht
aus die sonst stamfindenden gesehlichen Einschränkungen festgesetzt werden; auch kann be-
stimmt werden, dah die säumigen Aktionäre ibre Anrechte aus der Zeichnung der Aktien
und der geleisteten Theilzahlungen zu Gunsten der Gesellschaft verlustig gehen.
Art 221. Ist im Gesellschaftsvertrage keine besondere Form, wie die Aufforder-
ung zur Einzahlung geschehen soll, bestimmt, so geschieht dieselbe in der Form, in wel-
cher die Bekanntmachungen der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrage überhaupt er-
solgen müssen.
Jedoch kann in keinem Falle ein Aktionär selnes Anrechts verlustig erklärt werden,
wenn nicht die Aufforderung zur Zahlung mindestens drei Mal in den hierzu bestimm-
ten öffentlichen Blättern (An. 209, Ziff. 11), das letzte Mal wenigstens vier Wochen
vor dem für die Einzahlungen gesetten Schluhtermine, bekannt gemacht worden ist. Wenn
die Aktien auf Namen lauten und ohne Einwilligung der übrigen Aktionäre ulcht über-
tragbar sind, so kann die Bekanntmachung dieser Aufforderungen durch besondere Erlasse
an die einzelnen Aktionäre statt der Einrückungen In die dffentlichen Blälter erfolgen.
Art. 222 Wenn die Aktien oder Aktienantheile auf Inhaber gestellt werden, so
kommen folgende Grundsäße zur Anwendung:
1) Die Ausgabe der Aktien darf vor Einzahlung des ganzen Nominalbetrages der-
selben nicht erfolgen; ebensowenig dürfen über die geleisteten Partialzahlungen
Promessen oder Interimsscheine, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden.
Der Zeichner der Aktie ist für die Einzahlung von vierzig Prozent des Nomi-
nalbetrages der Aktie unbedingt verhaftet; von dieser Verpflichtung kann derselbe
weder durch Uebertragung seines Anrechts auf einen Dritten sich befreien, noch
Seitens der Gesellschaft entbunden werden; wird der Zeichner der Aktle, wegen
verzögerter Einzahlung seines Anrechts aus der Zeichnung verlustig erklärt (Art.
220), so bleibt er demungeachtet zur Einzahlung von vierzig Prozent des Noml-
nalbetrages der Aktie verpflichtet.
Im Gesellschaftsvertrage kann bestimmt werden, daß und unter welchen Maaßga-
ben nach erfolgter Einzahlung von vierzig Prozent die Beftelung des Zeichners
von der Hoftung für weitere Einzahlungen zulässig sel, und daß im Falle der
eingetretenen Befreiung über die geleisteten Einzahlungen Promessen oder Inter.
imsschelne, welche auf Inhaber lauten, ausgestellt werden dürfen.
e
115
Art. 22 3. Wenn die Aktlen auf Namen lauten, so kommen die bei der Kom-
manditgesellschoft auf Aktien gegebenen Bestimmungen über die Eintragung der Aktien
in das Aktienbuch der Gesellschaft und über die Uebertragung derselben auf Andere (Art.
182, 183) auch hier zur Anwendung.
So lange der Betrag der Aktie nicht vollständig eingezahlt ist, wird der Aktlonär
durch Uebertragung seines Anrechts auf einen Anderen von der Verbindlichkeit zur Zahl-
ung des Rückstandes nur dann befreit, wenn die Gesellschoft den neuen Erwerber an
selner Stelle annimmt und ihn der Verbindlichkeit entläßt.
Auch in diesem Falle bleibt der austretende Aktionär auf Höhe des Rückstandes für
alle bis dahln von der Gesellschaft eingegangenen Verbindlichkeiten noch auf ein Jahr,
vom Tage des Auskrikts an gerechnet, subsidlarisch verhaftet
Art. 224. Die Rechte= welche den Aktionären in den Angelegenheiten der Ge-
sellschaft, insbesondere in Bezlehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und
Prüfung der Bilanz und die Bestimmung der Gewinnvertheilung. zusben, werden von
der Gesammtheit der Aktionäre in der Generalversammlung ausgeübt
Jede Aktie gewährt dem Inbaber eine Stimme, wenn nc0 der Gesellschaftsvertrag
ein Anderes festsetz.
Art. 225. Ist ein Aussichtsrath bestellt, so überwacht derselbe die Geschäftsführ-
ung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung; er kaun sich von dem Gange
der Angelegenheiten der Gesellschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben je-
derzeit einsehen und den Bestand der Gesellschaftskasse untersuchen.
Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnver-
tbeilung zu prüfen und darüber alljährlich der Generalversammlung der Aktionäre Be-
richt zu erstatten.
Er hat elne Generalversammlung zu berusen, wenn dies im Interesse der Gesell-
schaft erforderlich ist.
Art. 226. Handelt es sich um die Führung von Prozessen gegen die Mitglieder
des Vorstandes oder des Aussichtsrathes, so kommen die für dle Kommanditgesellschaft
auf Aktlen gegebenen Bestimmungen (Art. 194, 195) auch hier zur Anwendung.
Dritter Abschnitt.
Rechte und Pflichten des Vorstandes.
Art. 227. Jede Aktiengesellschaft muß einen Vorstand haben (Art. 209, Zlff.7).
Sie wird durch denselben gerlchtlich und auhergerlchtlich vertreten.
Der Vorstand kann aus einem oder mehreren Mltglledern bestehen; diese können be-
soldet oder unbesoldet, Aktlonäre oder Andere sein. 46
116
Ihre Bestellung ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschaͤdigungdan-
sprüche aus bestehenden Verträgen.
Art. 228. Die jewelligen Mltglieder des Vorstandes müssen alsbald nach ihrer
Bestimmung zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Der Anme# Id
ung ist ihre Legitimation beizufügen.
Sie haben ihre Unterschrift vor dem Handelsgericht zu zeichnen, oder die Jeichnung
derselben in beglaubigter Form elnzureichen
Das Handelsgericht hat die Mitglieder des Vorstandes zur Befolgung dieser Vor-
schristen von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten.
Art. Der Verstand hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestlmmten
Form seine Willenserklärungen kundzugeben und für die Gesellschaft zu zelchnen. Ist
nichts darüber bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämmtliche Mitglieder des Vonstan.
des erforderlich.
Die Zeichnung geschieht in der Weise, daß die Zeichnenden zu der Firma der Ge-
sellschaft oder zu der Benennung des Vorstandes ihre Unterschrift hinzufügen.
Art. 230 Die Gesellschaft wird durch die von dem Vorstande in ihrem Namen
geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig, ob das Geschäft
ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist, oder ob die Umstände er-
geben, daß es nach dem Willen der Kontrahenten für die Gesellschaft geschlossen wer-
den sollte.
Art. 231. Der Vorstand ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränk.
ungen einzuhalten, welche in dem Gesellschaftsvertrage oder durch Beschlüsse der Gene-
ralversammlung für den Umfang selner Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, festge.
sebt find.
Gegen dritte Personen hat jedoch eine Beschränkung der Besugniß des Vorstandes,
die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den
Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften er-
strecken, oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen
Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Generalversammlung, eines Ver-
wallungsraths, eines Aussichtsraths oder eines anderen Organes der Aktionäre für ein-
zelne Geschäfte erfordert ist.
Art. 232. Eide Namens der Gesellschaft werden durch den Vorstand geleistet.
Art. 23 3. Jede Aenderung der Mitglieder des Vorstandes muß bei Ordnungs-
strase zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden.
Dritten Personen kann die Aenderung nur insofern entgegengesebt werden, als in
Betreff dieser Aenderung die im Art. 46 in Betreff des Erlöschens der Prokura bezeich-
neten Voraussepungen vorhanden sind.
117
Art. 234. Der Betrieb von Geschäften der Gesellschaft sowie die Vertretung der
Gesellschaft in Bezug auf diese Geschästeführung kann auch sonstigen Bevollmächtigten
oder Beamten der Gesellschaft zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die
Besugniß derselben nach der ihnen ertheilten Vollmacht; sie erstreckt sich im Zweifel auf
alle Rechtshandlungen, welche die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich
bringt.
Art. 235. Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an
die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an ein Mitglied des Vorstandes, welches zu
zeichnen oder milzuzeichnen befugt ist, oder an einen Beamten der Gesellschaft, welcher
dieselbe vor Gericht zu vertreten bercchtigt ist, geschieht.
Art. 236. Die Generalversammlung der Aktionäre wird durch den Vorstand be-
rusen, sowcit nicht nach dem Gesellschaftovertrage auch andere Personen dazu befugt sind.
Art. 237. Eine Generalversammlung der Aktionäre ist, außer den im Gesell-
schaftsvertrage auêdrücklich bestimmten Fällen, zu berufen, wenn dies im Interesse der
Gesellschaft erforderlich erscheint.
Die Generalversammlung muß auch dann berufen werden, wenn dies ein Aktionär
oder eine Anzahl von Aktionären, deren Aktien zusammen den zehnten Theil des Grund-
kapitals darstellen, in einer von ihnen unterzeichneten Eingabe unter Angabe des Zwecks
und der Gründe verlangen. Ist in dem Gesellschaftsvertrage das Recht, die Bernfung
einer Generalversammlung zu verlangen, an den Befig eines gröheren oder eines gerin-
geren Antheils am Grundkapital geknüpft, so hat es hiebei sein Bewenden.
Art. 238. Die Berufung der Generalversammlung hat in der durch den Ge-
Felchastpwertrag bestimmten Weise zu erfolgen.
Der Zweck der Generalversammlung muß jederzeit bei der Berufung bekannt ge-
macht werden. Ueber Gegenstände, deren Verhandlung nicht in dieser Weise angekün-
digt ist, können Beschlüsse nicht gefaßt werden; hiervon ist jedoch der Beschluß über den
in einer Generalversammlung gestellten Antrag auf Berufung einer auherordentlichen Ge-
neralversammlung ausgenommen.
Zur Stellung von Anträgen und zu Verhandlungen ohne Beschlußfassung bedarf
es der Ankündigung nicht.
Art. 239. Der Vorstand ist verpflichtet, Sorge zu tragen, dah die erforderlichen
Bücher der Gesellschaft geführt urrden. Er muß den Aktionären spätestens in den er-
sten sechs Monaten jedes Geschäftsjahres eine Bilanz des verflossenen Geschäftsjahres vor-
legen.
Zur Entlastung des Vorstandes bei Legung der Rechnungen können Personen nicht
bestellt werden, welche auf irgend eine Weise an der Geschäftoführung Theil nehmen.
Dieses Verbot bezieht sich nicht auf die Personen, welchen die Aufsicht uͤber die Gt-
schäftsführung zusteht. «
Akt.240.EkgiectsichausdecleptestBllaIiz,dc-ßsichdaanmdkapttalmadie
HülftevnsuiudektbahsonntßdekVotstandunverzüglicheineGeneralversammlunng
rufenundbiesckfowlcdetzuständigenVenvalnmgbchdkdedavonAnzkigenmchnh
Dle Verwaltungsbehörde kann in diesem Falle von den Büchern der Gesellschaft-
Einsicht nehmen und nach Befinden der Umstände die Auflösung der Gesellschaft verfügen.
Ergiebt sich, daß das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr die Schulden decki, so
muß der Vorstand hievon dem Gericht bebufs der Eröffnung des Konkurses Anzeige machen.
Art 241. Die Mitglieder des Vorstandes sind aus den von ihnen im Namen
der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen Dritten gegenüber für die Verbind-
lichkeiten der Gesellschast persönlich nicht verpflichtet.
Mitglieder des Vorstandes, welche außer den Grenzen ihres Auftrags, oder den
Vorschriften dieses Titels oder des Gesellschaftsvertrags entgegen handeln, hasten persön-
lich oder solidarisch für den dadurch entstandenen Schaden. Die gilt insbesondere, wenn
sie der Bestimmung des Art. 217 entgegen an die Aktionäre Dividenden oder Zinsen
zahlen, oder wenn sie zu einer Zeit noch Zahlungen leisten, in welcher ihnen die Zab-
lungsunfähigkeit der Gesellschaft hälle bekannt sein müssen.
Vierter Abschnitt.
Auflösung der Gesellschaft.
Art 242. Die Akiiengesellschaft wird aufgeldü:
1) durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit;
2) durch einen notariell oder gerichtlich beurkundeten Beschluß der Aktionäre;
3) durch Verfügung der Vewaltungsbehörde, wenn sich das Grundkaplial um die
Hälste vermindert hat (Art. 240);
4) durch Eröffnung des Konkurses.
Wenn die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus anderen Gründen oder die Jurück-
nahme der staatlichen Genehmigung nach dem in den einzelnen Staaten geltenden Recht
erfolgt, so finden die Besilmmungen dieses Abschnikts ebenfalls Anwendung.
Art. 243. Die Auflösung der Gesellschaft muß, wenn sie nicht eine Folge des
eröffneten Konkurses ist, durch den Vorstand, bei Ordnungsstrasc, zur Eintragung in das
Handelsregister angemeldet werden; sie muß zu drei verschiedenen Malen durch die hlerzu
bestimmten öffentlichen Blätter (Art. 209. Jiff. 11) bekannt gemacht werden.
Durch diese Bekanntmachung müssen zugleich die Gläubiger ausgefordert werden,
sich bei der Gesellschaft zu melden.
118
Art. 244. Dle Liquid ation geschieht durch den Vorstand, wenn nicht dieselbe durch
den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluß der Aktionäre an andere Personen über-
tragen wird.
Es kommen die bei der ofsenen Handelsgesellschaft über die Anmeldung und das
Nechtsverhälmiß der Liquidatoren gegebenen Bestimmungen auch hier zur Anwendung,
mit der Maaßgabe, daß die Anmeldungen behufs der Eintragung in das Handelsregl-
ster durch den Vorstand zu machen sind.
Die Bestellung der Liquidatoren ist jederzeit widerruflich.
Art. 245. Das Vermögen einer aufgelösten Aktiengesellschaft wird nach Tilgung
lbrer Schulden unter die Aktionäre nach Verhäliniß ihrer Aktien vertheilt.
Die Vertheilung darf nicht eher vollzogen werden, als nach Ablauf eines Jahres
von dem Tage an gerechuet, an welchem die Bekanntmachung in den hierzu bestimmten
öffentlichen Blättern (Art. 243) zum dritten Male erfolgt ist.
In Ansehung der aus den Handelsbüchern ersichtlichen oder in anderer Welse be-
kannten Gläublger und in Ansehung der noch schwebenden Verbindlichkeiten und stretti-
gen Forderungen kommen die bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien gegebenen Be-
stimmungen (Ark. 202. Abs. 2 und 3) zur Anwendung.
Mitglieder des Vorstandes und Liquidatoren, welche diesen Vorschriften entgegen-
handeln, sind persönlich und solidarisch zur Erstaltung der geleisteten Zahlungen verpflichtet.
Art. 246. Die Handelsbücher der aufgelösten Gesellschaft sind an einem von dem
Handelsgerlchte zu bestimmenden sicheren Orte zur Aufbewahrung auf die Dauer von
zehn Jahren nlederzulegen
Art. 247. Dle Auflösung einer Aktlengesellschaft durch Vereinigung derselben mun
einer anderen Aktiengesellschaft (Art. 215) kann nur unter staatlicher Genehmigung erfolgen.
Es kommen bei dieser Auflösung folgende Bestimmungen zur Anwendung:
1) Das Veimögen der aufzulösenden Gesellschaft ist so lange getrennt zu verwalten,
bis die Befrledigung oder Sicherstellung ihrer Gläubige erfolgt ist.
2) Der blsherlge Gerichtsstand der Gesellschaft bleibt für die Dauer der getrennten
Vermögensverwaltung bestehen; dagegen wind die Verwaltung von der anderen
Gesellschaft gefüyrt.
3) Der Vorstand der lehleren Gesellschaft ist den Glänbigern für die Au"führung
der getrenuten Verwaltung persönlich und solldarisch verantwortlich.
4) Die Auflösung der Gesellschaft ist zur Eintragung in das Handelsregister bei
Ordnungsstrafe anzumelden.
5) Oie öffenlliche Aufforderung der Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft (Art. 243)
kann unterlassen oder auf einen späteren Zeilpunkt verschoben werden. Jedoch ist
120
die Vereinigung der Vermoͤgen der belden Gesellschaften erst in dem Zeitpunkte
zulässig, in welchem eine Vertheilung des Vermoͤgens einer aufgeloͤsten Aktienge-
sellschaft unter die Aktionäre erfolgen darf (Art. 245).
Art. 248. Eine theilweise Zurückzablung des Grundkapitals an die Aektionäre
kann nur auf Beschluß der Generalversammlung erfolgen; dieser Beschluß bedarf zu sei-
ner Gültigkeit der staatlichen Genehmigung.
Die Zurückzahlung kann nur unter Beobachtung derselben Bestimmungen erfolgen,
welche für die Vertheilung des Gesellschaftovermögens im Falle der Auflösung maaß-
gebend sind (Art. 243. 245),
Die Mitglieder des Vorstandes, welche dieser Vorschrist entgegenhandeln, sind den
Gläubigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch verhaftet.
Fünfter Abschnitt.
Schlupbestimmungen.
Art. 249. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu bestimmen, dah es der staat-
lichen Genehmigung zur Errichtung von Aktiengesellschaften im Allgemeinen oder von
einzelnen Arten derselben nicht bedarf. Auch in diesem Falle kommen jedoch die Be-
stimmungen dieses Titels zur Anwendung, ausgenommen insoweit dieselben:
1) zur Errichtung einer Aktiengesellschaft (Art. 208. 210. 211),
2) zu Beschlüssen der Generalverversammlung (Arl. 214),
3) zur Auflösung einer Aktiengeseltschaft durch Vereinigung mit einer anderen Aktien-
gesellschaft (Art. 247),
4) zur theilweisen Zurückzahlung des Grundkapiluls an die Aktionäre (Wi. 2486)
die stagtliche Genehmigung und deren Eintragung in das Handelöregister erfordern, und
5) die Anzeige, daß sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, sowie die
hierauf zu erlassende Verfügung der Verwaltungsbebörde (Art. 240.242. Ziff. 3)
zum Gegenstande haben; der Gesellschastsvertrag muh jedoch die in dem Art 209 ver-
zeichneten Bestimmungen enthalten, bevor die in dem Art. 210 vorgeschriebene Eintrag-
ung in das Handeloregister erfolgen kann.
Außerdem bleibt den Landesgesezen überhaupt vorbehalten, zu bestimmen, daß für
besondere Arten von Aktlengesellschaften oder in besonderen Fällen durch den Gesellschafte
vertrag mit staatlicher Genehmigung
1) die in dem Art. 222 bestimmte Höhe der Einzahlung von vierzig Prozent des
Nominalbetrages der Aktien bis auf fünfundzwanzig Prozent dieses Betrages
herabgesetzt, und
2) die in dem Art. 239 bestlmmte Frist zur Vorlegung der Bilanz bls auf zwolf
Monate selt Ablauf des Geschäftsjahres ausgedehnt werden darf.
i2
Drittes Buch.
Von der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu einzelnen
Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung.
Erster Titel.
Von der stillen Gesellschaft.
Art. 250. Eine siille Gesellschaft ist vorhanden, wenn sich Jemand an dem Be-
kriebe des Handelsgewerbes eines Anderen mit einer Vermögenseinlage gegen Antheil
an Gewinn und Verlust betheiligt.
Zur Gültigkeit der Vernages bedarf es der schriftlichen Abfassung oder sonsiiger
Förmlichkeiten nicht.
Art. 251. Der Inhaber des Handelsgewerbes betreibt die Geschäfte unter sei-
ner Firma.
Eine das Verhälmiß einer Handelsgesellschaft andeutende F.rma darf derselbe we-
gen der Betheiligung eines silllen Gesellschafters bei Ordnungsstrafe nicht annehmen.
Art. 252. Der Inhaber eines Handelsgewerbes wird Eigemhümer der Einlage
des stillen Gesellschafters.
Der stille Gesellschafter ist nicht verpflichtet, die Einlage über den vertragmäßigen
Betrag zu erhöhen, oder die durch Verlust verminderte Einlage zu ergänzen.
Art. 253. Der Kille Gesellschafter ist berechtigt, die abschristliche Mittheilung der
jährlichen Bilanz zu verlangen und die Nichtigkeit derselben unter Einsicht der Bücher
und Papiere zu prüfen.
Das Handelsgericht kann auf den Antrag des stillen Gesellschaftero, wenn wichtige
Gründe dazu vorliegen, die Mittheilung einer Bllanz oder sonstiger Aufklärungen nebst
Vorlegung der Bücher und Papiere zu jeder Zeit anordnen.
Art. 2 54. Ist über die Höhe der Belbeiligung des slillen Gesellschafters an Ge.
winn und Verlußt nichts vereinbart, so wird dieselbe nach richterlichem Ermessen, nöthi-
gensalls unter Zuziehung von Sachversländigen festgestellt.
Art. 255. Am Schlusse eines jeden Geschäftsjahres wird der Gewinn und Ver-
lust berechnet und dem slillen Gesellschafter der ihm zufallende Gewinn ausbezahlt.
Der stille Gesellschafter nimmt an dem Verlusi nur bis zum Betrage seiner einge-
jahlten oder rückständigen Einlage Antheil. Er ist nicht verpslichtet, den bezogenen Ge-
winn wegen späterer Verluste zurückzuzahlen; jedoch wird, so lange seine ursprüngliche
Einlage durch Verlust verminder ist, der jährliche Gewinn zur Deckung des Verlustes
verwendet. ½
122
Der Gewinn, welcher von dem stillen Gesellschaster nicht erhoben wird, vermehrt
dessen Einlage nicht, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist.
Art. 256. Aus den Geschästen des Handelsgewerbes wird der Inhaber desselben
dem Dritten gegenüber alleln berechtigt und verpflichtet.
Art 257. Der Name eines stillen Gesellschasters darf in der Firma des Inha-
bers des Handelsgewerbes nicht emthalten sein; im entgegengesetzten Falle haftet der stllle
Gesellschafter den Gläutigern der Gesellschaft persönlich und solidarisch.
Art. 258. Wenn der Inhaber des Handelsgewerbes in Konkurs verfällt, so isi
der stille Gesellschafter befugk, wegen seiner Einlage, soweit dieselbe den Betrag des auf
tön fallenden Antheils am Verlust übersteigt, eine Forderung als Konkursgläubiger gel-
tend zu machen.
Ist die Einlage rückständig, so hat der stille Gesellschafter dieselbe bio zu dem Be-
trage, welcher zur Deckung seines Antheils am Verluste erforderlich ist, in die Konkurs-
masse zu gahlen.
Art. 259. Wenn innerhalb elnes Jahres vor Eröffnung des Konkurses über das
Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes durch Vereinbarung zwischen ihm und dem
silllen Gesellschafter dao Gesellschaftoverhältniß aufgelöst worden ist, so können die Kon-
kursgläubiger verlangen, daß der stille Gesellschaffer die ihm zurückbezahlte Einlage in
die Konkuromasse einzahle, unbeschadet seines Rechts, die in dem Zeltpunkt der Auflösung
ihm aus dem Gesellschaftoverhältnisse zustehende Forderung als Konkursgläubiger geltend
zu machen. ,
Dasselbeqilk,wcandemstillenGesellschafkckindcmbezcichnctknZeickattmobukAnk.
lösung des Gesellschaftsverhältnisses die Einlage zurückbezahlt wurde.
In gleicher Weise ist, wenn der Inhaber des Handelsgewerbes in dem bezelchneten
Zeitraum dem stillen Gesellschafter dessen Antheil an dem entstandenen Verlust ganz oder
theilweise erlassen hat, der Erlaß zu Gunsten der Konkursgläubiger unwirksam.
Die Bestimmungen dieses Artikels treten nicht ein, wenn der slille Gesellschafter be-
weist, daß der Konkurs in Umständen seinen Grund hat, welche erst nach dem Zeilpunkt
der Auflösung, der Zurückzahlung oder des Erlasses eingetreten sind.
Art. 260. Ob und inwieweit cine rechtliche Wirkung zu Gunsten dritter Personen
eintritt, wenn durch einen stillen Gesellschafter oder mit dessen Willen das Vorhanden-
sein der stillen Gesellschaft kundgemacht wird, ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu
beurtheilen.
Art. 26 k. Die stille Gesellschaft wird aufgelöst:
4) durch den Tod des Inhabers des Handelsgewerbes, wenn nicht der Vertrag be-
stimmt, daß die Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen fortbestehen soll;
123
durch die elngetretene rechtliche Unfählgkeit des Inhabers des Handelogewerbes
zur selbstständigen Vermögensverwaltung;
durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Juhabers des Han-
delsgewerbes oder des stillen Gesellschafters;
4) durch gegenseitige Uebereinkunft;
5) durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die siille Gesellschaft eingegangen i#s,
wenn dieselbe nicht stillschwelgend fortgesetzt wird; in diesem Falle gilt der Ver-
trag von da an als auf unbeslimmte Dauer geschlossen;
durch die Aufkündigung eines der beiden Theile, wenn der Vertrag auf unbe-
slimmte Dauer geschlossen ist.
Ein auf Lebenszeit geschlossener Vertrag ist als auf unbestimmte Dauer geschlossen
zu betrachten.
Die Aufkündigung eines auf unbestimmte Dauer geschlossenen Vertrages muß, wentt
nicht ein Anderes vereinbart ist, mindestens secho Monate vor Ablauf des Geschäftsjah
res erfolgen.
Art. 262. Die Auflösung der slillen Gesellschaft kann vor Ablauf der für ihre
Dauer bestimmten Zeit oder bei einem Vertrage von unbestimmter Dauer ohne vorherige
Aufkündigung verlangt werden, wenn dazu wichtige Gründe vorhanden sind. Die Be-
urtheilung, ob solche Gründe anzunehmen lind, bleibt im Falle des Widerspruchs dem
Ermessen des Richters überlassen.
Art. 263 Die Bestimmung des Art. 126 gilt auch zu Gunsten der Privatgläu-
biger eines siillen Gesellschafters.
Art. 2604. Wenn der slille Gesellschaftet slirbt, oder zür Verwaltung seines Ver-
mögens rechtlich unfählg wird, so hat dles die Aa#flösung der stillen Gesellschaft nicht
zur Folge. 4
Ar## 265. Jach Auflösung der (lillen Gesellschaft muß der Inhaber des Han-
delsgewerbes sich mit dem stillen Gesellschafter auseinandersehen und die Forderung des-
selben in Gelde berichilgen.
Der Juhaber des Handelogewerbes besorgt dle Liquidation der bei der Austösung
noch schwebenden Geschäfte.
□—
#
#
Zweiter Titel.
Von der Vereini ingelnen Gandelsgeschäft, flir gemeinschaftliche Rechnüng.
Art. 266. Die ween ##r einem oder mehreren elnzelnen Handelsgeschäften
kür gemeinschaftliche Rechnung bedarf einer schriftlichen Absassung nicht und ist sonstigen
Förmlichkeiten nicht unterworfen. »
19
124
Art. 267. Wenn nicht ein Anderes verabicdet isi, so sind alle Theilnehmer in
gleichem Verhältnisse zu dem gemelnsamen Unternehmen beizutragen verpflichtet.
Art. 268. Ist über den Antheil der Theilnehmer am Gewinn und Verlust nichts
vereinbart, so werden die Einlagen verzinst, der Gewinn oder Werlust aber nach Köpfen
vertheilt.
Art. 269. Aus Geschäften, welche ein Theilnehmer mit elnem Dritten geschlossen
hat, wird Ersterer dem Dritten gegenüber allein berechtigt und verpflichtet.
Ist ein Theilnehmer zugleich im Auftrage und Namen der übrigen aufgetreten, oder
haben alle Theilnehmer gemeinschaftlich oder durch einen gememsam Bevollmächtigten ge-
handelt, so ist jeder Tbeilnehmer Dritten gegenüber solidarisch berechtigt und verpflichter
Art. 270. Nach Beendigung des gemeinschaftlichen Geschäfts muß der Theilneh=
mer, welcher dasselbe führte, den übrigen Theilnehmern unter Mittheilung der Belege
Rechnung ablegen.
Er besorgt die Liquidation.
Viertes Buch.
Von den Handelsgeschäften.
Erster Titel.
Von den Gandelsgeschäften im Allgemeinen.
Erster Abschnitt.
Begriff der Handelsgeschäfte.
Art. 271. Handelsgeschäfte snd:
1) der Kauf oder die anderweite Anschaffung von Waaren oder anderen beweglichen
Sachen, von Staatspapieren, Aktien oder anderen für den Handelsverkehr be-
stimmten Werthpapieren, um dieselben weiter zu veräußern; es macht keinen Un
terschied, ob die Waaren oder anderen beweglichen Sachen in Natur oder nach
einer Bearbeltung oder Verarbeikung weiter veräußert werden sollen;
die Uebernahme einer Lieserung von Gegenständen der unter Ziff. 1 bezeichneten
Art, welche der Uebernehmer zu diesem Zweck anschafft;
3) die Uebernahme einer Versicherung gegen Prämic;
4) die Uebernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See und das
Darleihen gegen Verbodmung.
□—
#
125
Art. 272. Handelsgeschäfte sind ferner die folgenden Geschäfte, wenn sie gewerbe-
mäßig betrieben werden:
1) die Uebernahme der Bearbeitung oder Verarbellung beweglicher Sachen für An-
dere, wenn der Gewerbebetrieb des Uebernehmers über den Umfang des Hand-
werks hinausgehr;
2) die Bankier- oder Geldwechslergeschäfte;
3) die Geschäfte des Kommissionärs (Art. 360), des Spediteurs und des Frachtfüh-
rers, sowie die Geschäfte der für den Transport von Personen bestimmten An-
stalten;
die Vermittelung oder Abschließfung von Handelsgeschästen für andere Personen:
die amtlichen Geschäfte der Handelsmäkler sind jedoch hierin nicht einbegriffen;
die Verlagsgeschäfte, sowie die sonstigen Geschäste des Buch= oder Kunsthandels;
ferner die Geschäfte der Druckereien, sofern nicht ihr Betrieb nur ein handwerks-
mäßiger ist.
Die bezeichneten Geschäfte sind auch alsdann Handelsgeschäfte, wenn sic zwar ein-
zeln, jedoch von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte
gerichteten Handelsgewerbes gemacht werden.
Art. 273. Alle einzelnen Geschäfte eines Kaufmanns, welche zum Bekriebe einco
Handelsgewerbes gebören, sind als Handelsgeschäfte anzusehen.
Dies gilt insbesondere für die gewerbliche Weikerveräußerung der zu diesem Zweck
angeschafften Waaren, beweglichen Sachen und Werthpapiere, sowie für die Anschaffung
von Geräthen, Material und anderen beweglichen Sachen, welche bei dem Betriebe des
Gewerbes unmittelbar benupt oder verbraucht werden sollen.
Die Weiterveräußerungen, welche von Handwerkern vorgenommen werden, sind, in-
soweit dieselben nur in Ausübung ihres Handwerksbetriebes geschehen, als Handelsge-
schäfte nicht zu betrachten.
Art. 274. Die von einem Kaufmann geschlossenen Verträge gelten im Zweisel
als zum Betriebe des Handelsgewerbes gehörig,
Die von einem Kaufmann gezeichneten Schuldscheine gelien als im Betriebe des
Handelsgewerbes aczeichnet, sofern sich nicht aus denselben das Gegentheil ergibt.
Art. 275. Verträge über unbewegliche Sachen sind keine Handelsgeschäfte.
Art. 276. Die Eigenschaft oder die Gültigkeit eines Handelsgeschäfts wird da-
durch nicht ausgeschlossen, daß einer Verson wegen ihres Amtes oder Standes, oder aus ge-
werbepolizeilichen oder anderen ähnlichen Gruͤnden untersagt ist, Handel zu treiben oder
Handelsgeschäfte zu schließen.
Art. 277. Bei jedem Rechtsgeschäft, welches auf der Seite eines der Kontrahen-
4—
·
126
ten ein Handelsgeschäft ist, sind dle Besllmmungen dleses virrten Buchs in Bezlehung
auf belde Kontrahenten gleichmählg anzuwenden, sofern nicht aus diesen Besttmmungen
selbst sich ergiebt, daß ihre besonderen Festsetzungen sich nur auf denjenigen von beiden
Kontrabenten beziehen, auf dessen Seite das Geschäft ein Handelsgeschäft ist.
Iweiter Abschnitt.
Allgemeine Bestlmmungen über Handelsgeschäfte.
Art. 278. Bei Beurtbeilung und Auslegung der Handelsgeschäfte hat der Rich-
ter den Willen der Kontrahenten zu erforschen und nicht an dem buchsläblichen Sie
des Ausdrucks zu haften.
Art. 279. In Beziehung auf die Bedeukung und Wirkung von Handlungen
und Unterlassungen ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Ge-
bräuche Rücksicht zu nehmen.
Art. 280. Wenn zwei oder mehrere Personen einem Anderen gegenüber in ei-
nem Geschäft, welches auf ihrer Seite ein Handelsgeschäft ist, gemeinschaftlich eine Ver-
pslichtung eingegangen sind, so sind sie als Solidarschuldner zu betrachten, sofern sich
nicht auo der Uebereinkunft mit dem Gläubiger das Gegenthell erglbt.
Art. 261. Bei Handelsgeschäften, ingleichen in allen Fällen, in welchen in die-
sem Gesehbuche eine solidarische Verpflichtung auferlegt wird, sleht elnem Solidarschuld.
ner die Einrede der Theilung oder der Vorausklage nicht zu.
Dasselbe gilt von Bürgen, wenn die Schuld aus einem Handelsgeschäft auf Selten
deg Hauptschuldners hervorgeht, oder wenn die Bürgschaft selbst ein Handelsgeschäft st.
Art 282. Wer aus einem Geschäft, welches auf seiner Selte ein Hanvelege-
schäft ist, einem Anderen zur Sorgfalt verpflichtet ist, muß die Sorgfalt eines ordenkkl-
chen Kaufmanus anwenden.
Art. 283. Wer Schadenersatz zu fordern hat, kann die Erstallung des wirklichen
Schadens und des entgangenen Gewinnes verlangen.
Art 284. Die Konventienalstrafe unterliegt keiner Beschränkung in Ansehung
des Betrages; sie kann das Doppelte des Interesses übersteigen.
Der Schuldkner ist im Zwelifel nicht berechligt, sich durch Erlegung der Konvenlio-
nalstrafe von der Erfüllung zu besreien.
Die Verabredung einer Konventionalstrafe schließt im Zwelsel den Anspruch auf el-
nen den Bekrag derselben übersteigenden Schadensersatz nicht aus.
Art. 285. Die Daraufgabe (Artha) gilt nur dann als Reugelb, wenn dies ver-
einbart oder orksgebräuchlich ist.
127
Sie ist, wenn nichts Anderes vereinbart oder ortögebräuchlich (#l, zurückzugeben oder
in Anrechnung zu bringen.
Art. 266. Wenen übermäßiger Verlehung, insbesondere wegen Perlehung über
die Hälste, können Handelggeschäste nicht angefochten werden.
Art. 287. Die Höhe der geseplichen Zinsen, insbesondere auch der Verzugszinsen,
ist bei Handelsgeschäften Sechs vom Hundert jährlic.
In allen Fällen, in welchen in diesem Gesepbuche die Verpflichtung zur Zahlung
von Zinsen ohne Bestimmung der Höhe ausgesprochen wird, sind darunter Zinsen zu
Sechs voin Hundert jährlich zu verstehen.
Art. 238. Wer aus einem Geschäft, welches auf seiner Seite ein Handelsge-
schäft ist, eine fällige Forderung hat, kann wegen derselben vom Tage der Mahnung an
Zinsen fordern, sofern er nicht nach dem bürgerlichen Recht schon von einem früheren
Zeitpunkte an Zinsen zu fordern berechtigt ist.
Die Uebersendung der Rechnung gilt für sich allein nicht als Mahnung.
Art. 239. Kaufleute unter einander sind berechtigt, in beiderseitigen Handelege-
schäften auch ohne Verabredung oder Mahnung von jeder Forderung seit dem Tage, an
welchen sie fällig war, Zinsen zu fordern.
Art. 290 Ein Kaufmann, welcher in Ausübung des Handelsgewerbes einem
Kaufmann oder Nichkkaufnann Geschäfte besorgt ober Dieuste leistet, kann dafür auch
ohnc vorherige Verabredung Provisson, und wenn es sich um Aufbewahrung handell,
zugleich auch Lagergeld nach den an dem Orte gewöhnlichen Säßen fordern.
Von selnen Darlehen, Vorschüssen, Auslagen und anderen Verwendungen kaun er,
vom Tage ihrer Lelstung oder Beschaffung an, Zinsen in Ansatz bringen.
Dies gilt insbesondere auch von dem Kommissionär und Spediteur.
Art#. 291. Wenn ein Kaufmann mit elnem anderen Kausfmann in laufender Rech-
nung (Konkokurrent) steht, so ist derjenige, welchem beim Rechnungsabschlusse ein Ueber-
schuh gebührt, von dem ganzen Betrage desselben, wenn gleich darunter Zinsen begrif-
sen sind, seit dem Tage des Abschlusses Zinsen zu sordern berechtigt.
Der Rechnungoabschluß geschieht jährlich einmal, sofern nicht von den Partelen ein
Anderes bestimmt ist.
Art. 292. Bei Handelsgeschästen können Zinsen zu Sechs vom Hundert jähr
lich bedungen werden; höhere Zlusen zu bedingen, ist nur in sofern zulässig, als die
Landesgesete solches gestatten.
Bei Darlehen, welche eln Kaufmann empfängt, und bel Schulden eines Kaufmanns
aus seinen Handelsgeschäften können auch höhere Zinsen als Sechs vom Hundert jähr,
lich= bedungen werden.
128
Art. 293. Die Zinsen können bei Handelsgeschäften in ihrem Gesammtbetrage
das Kapital fbersteigen.
Art. 294. Die Anerkennung einer Rechnung schlleßt den Beweis eincs Irrthums
vder eines Betrugs in der Rechnung nicht aus.
Art. 295. Die Beweiskraft eines Schuldscheins oder einer Quittung ist an den
Ablauf einer Zeilfrist nicht gebunden.
Art. 296. Der Ueberbringer einer Ouiktung gilt für ermächtig!, die Zahlung zu
empfangen, sofern nicht die dem Zahlenden bekannten Umstände der Annahme einer sol-
chen Ermächtigung entgegenstehen.
Art 297. Ein Antrag, ein Auftrag oder eine Vollmacht, welche von einem
Kaußnann in dem Handelsgewerbe ausgegangen sink, werden durch seinen Tod nicht
aufgehoben, sofern nicht eine entgegengesehte Willensmeinung aus seiner Erklärung oder
aus den Umstenden bervorgeht.
Art. 29tz. Bei einer Vollmacht zu Handelsgeschästen kommem in Bekreff des
Verhältnisses zwischen dem Vollmachtgeber, dem Vevellmächligten und dem Dritten, mit
welchem der Bevollmächtigte Namens des Vollmachtgebers das Geschäft schließt, dieselben
Besiimmungen zur Anwendung, welche im Am 52 in Beziehung auf die Prokuristen
und Handlungsbevollmächtigten gegeben sind.
Ingleichen gilt die Bestimmung des Art 55 in Beziehung auf denjenigen, welcher
ein Haudelsgeschäft als Bevollmächtigker schlieöt, obne Vollmacht dazu erhalten zu ba-
ben, oder welcher bei dem Abschlusse des Hawpelsgeschäfis seine Vollmacht überschreiter.
Art. 299. Im Falle der Abtretung einer aus einem Handelsgeschäft bervorge-
gangenen Forderung kann die Bezahlung ihres vollen Betrages auch dann verlangt
werden, wenn dieser Betrag die Summe des für die Abtretung vereinbarten Preises
übersteigt.
Art. 300. Ein Kaufmann, welcher eine auf ihn ausgesiellte Anweisung (Assig
nation) gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsien sie ausgestellt ist, angenommen hat,
ist demselben zur Erfüllung verpflichtet Die auf cine schriftliche Anweisung geschrie-
bene und unterschriebene Annahmeerklärung gill als ein dem Asügnatar geleistetc Zoh=
lüngsversprechen.
Ar#. 301. Anweisungen und Verpflichtungascheine, welche von Kaufleuten über
Leistungen von Geld oder einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere aus-
gestellt ünd, ohne dah darin Verpflichtung zur Leistung von einer Gegenleistung abhängig
gemacht ist, können durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Ordre lauten.
Zur Gültigkeit der Urkunde oder des Indossaments ist nicht ersorderlich, dah sie die
Angabe des Vewflichtungsgrundes oder das Empfangsbekenntnih der Valuta enthalten.
129
Wer eine solche Anweisung accepllrt hat, ist demjenlgen, zu dessen Gunsten sie aus-
gestellt oder an welchen sie indossirt ist, zur Erfüllung verpflichtet.
Art. 302. Ingleichen können Konnossemente der Seeschiffer und Ladescheine der
Frachtführer, Auslieferungsscheine (Lagerscheine, Warranks) über Waaren oder andere
bewegiiche Sachen, welche von elner zur Aufbewahrung solcher Sachen staatlich ermäch-
tigten Anstalt ausgestellt sind, ferner Bodmereibriese und Seeassekuranzpolizen durch In-
dossament übertragen werden, wenn sie an Ordre lauten.
Art. 303. Durch das Indossament der in den beiden vorhergehenden Artikeln
bezeichutxten Urkunden gehen alle Rechte aus dem indossirten Papiere auf den Indossa-
tar über. ·
Der Verpslichtete kann sich nur solcher Einreden bedienen, welche ihm nach Maaß-
gabe der Urkunde selbst oder unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen.
Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung des quittirten Papiers zu ersüllen
#verpflichtet.
Art. 304 Ob auher den in diesem Gesehbuch bezelchneten noch andere an Or-
dre lautende Anweisungen, Verpflichtungsscheine oder sonstige Urkunden mit der in Art.
303 erwäbnten Wirkung durch Indossament übertragen werden können, ist nach den
Landesgesetzen zu beurtheilen.
Art. 30 5. Für Papiere, welche an Ordre lauten und welche durch Indossament
übertraen werden können (Art. 301—301), gelten in Betreff der Form des Indossa-
ments, in Berreff der Legitimation des Inhabers und der Prüfung dieser Legitimation,
sowie in Bekreff der Verpflichtung des Besitzers zur Herausgabe dieselben Bestimmungen,
welsche die Art. 11 bis 13, 36 und 74 der allgemeinen deulschen Wechselordnung in
Betreff des Wechsels enthalten.
Sind die in Art. 301 bezeichneten Papiere abhanden gekommen, so finden in Be-
zug auf die Amortisation die in Art. 73 der allgemeinen deulschen Wechselordnung ge-
hebenen Bestimmungen Anwendung. Die Anorkisation der im Art. 302 bezeichneten
Paplere richte sich nach den Landesgeseten.
Art. 30 6. Wenn Waaren oder andere bewegliche Sachen von einem Kaufnann
ndessen Handelsbetriebe veräußert und übergeben worden sind, so erlangt der redliche
Erwerber das Elgenthum, auch wenn der Veräuherer nicht Eigenthümer war. Das frü-
ber begründete Elgenthum erlischt Jedes früher begründete Pfandrecht oder sonstige
dingliche Recht erlischt, wenn dasselbe dem Erwerber bel der Veräuherung unbekann war.
Sind Waaren oder andere bewegliche Sachen von einem Kaufmann in dessen Han-
delsbekrieb verpfündet und übergeben worden, so kann ein früher begründetes Eigenthum,
20
130
Pfandrecht oder sonstiges dingliches Recht an den Gegenständen zum Nachthell des red-
lichen Pfandnehmers oder dessen Rechtsnachfolger nicht geltend gemacht werden.
Das gelehliche Pfandrecht des Kommissionärs, Spedlteurs und Frachtführers sleht
einem durch Vertrag erworbenen Pfandrechte gleich.
Dieser Artikel findet keine Anwendung, wenn die Gegenstände geslohlen oder verlo-
ren waren.
Art. 307. Die Bestimmungen des vorigen Axtikels finden bel Papieren auf In-
haber auch dann Anwendung, wenn die Veräußerung oder Verpfändung nicht von einem
Kaufmann in dessen Handelsbetrleb geschehen ist, und wenn die Papiere gestohlen oder
verloren waren.
Art. 30 8. Durch die beiden vorhergehenden Artikel werden die Landesgesehze nicht
berührt, welche für den Besiper noch günstigere Bestimmungen enthalten.
Art. 309. Die zur Bestellung eines Faustpfandes in dem bürgerlichen Rechte
vorgeschriebenen Förmlichkeiten sind nicht erforderlich, wenn unter Kaufleuten für eine
Forderung aus beiderseitigen Handelsgeschäften ein Faustpfand an beweglichen Sachen,
oan Papieren auf Inhaber oder an Papieren, welche durch Indossament Übertragen wer-
den können, bestellt wird.
In diesem Falle genügt neben der einfachen Vereinbarung über die Verpfändung:
4) bei beweglichen Sachen und bei Papieren auf Inhaber die Uebertragung des Be-
sipes auf den Gläubiger, wie solche nach den Bestimmungen des bürgerlichen
Rechts für das Faustpfand ersordert wird;
2) bei Papieren, welche durch Indossament übertragen werden können, die Ueber-
habe des indosürten Papiers.
Art. 310. Ist die Bestellung eines Fausipfandes unter Kaufleuten für elne For-
derung aus beiderseitigen Handelsgeschäften schristlich erfolgt, so kann der Gläubiger,
wenn der Schuldner lm Verzuge ist, sich aus dem Pfande sofort bezahlt machen, ohne
daß es einer Klage gegen den Schuldner bedarf.
Der Gläubiger hat die Bewilligung hiezu unter Vorlegung der erforderlichen Be-
weismittel bel dem für ihn zuständigen Handelsgerichte nachzusuchen, von welchem hier-
auf ohne Gehör des Schuldners und auf Gefahr des Gläublgers der Verkauf der ver-
pfändelen Gegenstände oder eines Theils derselben verordnet wird.
Von der Bewilligung, sowie von der Vollziehung des Verkaufs hat der Glänbiger
den Schuldner, soweit es thunlich, sofort zu benachrichtigen; unterläßt er die Anzeige, so
ist er zum Schadensersaße verpflichtet. Um den Verkauf zu bewirken, ist der Nachweis
der Anzeige nicht erforderlich.
Art. 311. Wenn die Bestellung eines Faustpfandes unter Kaufleuten für cine
131
GCorderung aus belderselllgen Handelsgeschäften ersolgt, und schristlich verelnbart ist, daß
der Gläubiger ohne gerichtliches Verfahren sich aus dem Pfande befrledigen könne, so
darf, wenn der Schuldner im Verzuge ist, der Gläubiger das Pfand öffentlich verkaufen
lassen; er darf in diesem Falle, wenn die verpsändeten Gegenstände einen Börsenpreis
oder Marktprels haben, den Verkauf auch nicht öffentlich durch einen Handelsmäkler oder
in Ermangrelung eines solchen durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten zum
laufenden Preise bewirken. Von der Vollziehung des Verkaufs hat der Gläubiger den
Schuldner, soweit es thunlich, sofort zu benachrichtigen; bel Unterlassung der Anzeige ist
er zum Schadensersaße verpflichtet.
Art. 312. Durch die vorhergehenden Artikel werden die den öffentlichen Pfandan-
stalten, Kreditinstituten oder Banken durch Gesetze, Verordnungen oder Statuten verlie-
benen besonderen Rechte in Bekreff der Bestellung oder Veräußerung von Pfändern nulcht berührt.
Ingleichen ist durch die vorhergehenden Artikel nicht ausgeschlossen, daß die Be-
stellung oder die Veräußerung von Faustpfändern unter Kaufleuten für Forderungen aus
Handelsgeschäften rechtsgültig geschehen kann, wenn dabei die in den einzelnen Staaten
für die Bestellung oder Veräußerung von Faustpfändern geltenden Bestimmungen beobach-
tet werden.
Art. 713. Ein Kaufmann hat wegen der sälligen Forderungen, welche ihm gegen
einen anderen Kaufmann aus den zwischen ihnen geschlossenen beiderseitlgen Handelsge=
schäften zustehen, ein Zurückbehaltungsrecht (Retentionsrecht) an allen beweglichen Sachen
und Werthpapieren des Schuldners, welche mit dessen Willen auf Grund von Handels-
geschäften in seinen Besig gekommen sind, sofern er dieselben noch in seinem Gewahrsam
hat oder sonst, insbesondere vermitlelst Konnossemente, Ladescheine oder Lagerscheine, noch
in der Lage ist, darüber zu verfügen.
Dieses Recht tritt jedoch nicht ein, wenn die Zurückbehaltung der Gegenstände der
von dem Schuldner vor oder bei der Uebergabe ertheilten Vorschrift oder der von dem
Gläubiger übernommenen Vew#flichtung, in einer bestimmten Weise mit den Gegenständen
zu verfahren, widerstreiten würde.
Art. 314. Das in dem vorhergehenden Artikel bezeichnete Jurückbeholtungorecht
besteht unter den dort angegebenen Voraussehungen selbst wegen der nicht fälligen For-
erungen,
4) wenn über das Vermögen des Schuldners der Konkurs eröffnet worden ist, oder
der Schuldner auch nur seine Zahlungen elngestellt hat;
2) wenn eine Exekution in das Vermögen des Schuldners fruchtlos vollstreckt oder
wider denselben wegen Nichterfüllung einer Zahlungsverbindlichkeit die Vollstreck-
ung des Personalarrestes erwukt worden ist. #e.
132
In diesen Fällen sleht auch die Vorschrift des Schuldners oder die Uebernahme der
Verpflichtung, in einer bestimmten Weise mit den Gegenständen zu verfahren, dem Zu-
rückbehaltungörecht nicht entgegen, sofern die vorslebend unter 1 und 2 bezeichneten Um-
stände erst nach Uebergabe der Gegenstände oder nach Uebernahme der Verpflichtung ein-
getreten oder dem Gläubiger bekannt geworden sind.
Art. 315. Der Gläublger, welchem as Zurückbehallungorecht nach den Artikeln
313 oder 314 zusteht, ist verpflichtet, von der Ausübung desselben den Schuldner ohne
Verzug zu benachrichtigen. Er ist befugt, wenn ihn dieser nicht rechtzeitig in anderer
Weise sichert, im Wege der Klage bei dem für ihn selbst zuständigen Gerichte gegen den
Schuldner den Verkauf der Gegenstände zu beantragen; er kann sich aus dem Erlöse
vor den anderen Gläubigern des Schuldners befriedigen. Der Gläubiger hat diese dlechte
auch gegenüber der Konkursmasse des Schuldners.
Art. 316. Die in den Art. 313 bis 315 dem Gläubiger gegebenen Rechte tre
ten nicht ein, sowelt die Parteien dies besonders vereinbart haben.
Dritter Abschnitt.
Abschließung der Handelsgeschäfte.
Art. 317. Bei Handelsgeschäften ist die Gültigkeit der Verkräge durch schriftliche
Abfassung oder andere Förmlichkeiten nicht bedingt.
Ausnahmen von dieser NRegel finden nur insoweit statt, als sie in diesem Gesetzbuche
enthalten sind.
Art. 318. Ueber elnen Antrag unter Gegenwärligen zur Abschliebung eines Han-
delsgeschäfts muß die Erklärung sogleich abgegeben werden, widrigenfalls der Antragende
an seinen Antrag nicht länger gebunden ist.
Art. 319. Bei einem unter Abwesenden gestellten Antrage bleibt der Antragende
bis zu dem Zeitpunkte gebunden, in welchem er bei ordnungsmäßiger, rechtzeitiger Ab-
sendung der Antwort den Eingang der letzteren erwarten darf. Bei der Berechnung
dieses Zeitpunkts darf der Antragende von der Voraussehung ausgehen, daß sein Antrag
rechtzeitig angekommen sei.
Trifft die rechtzeitig abgesandte Annahme erst nach diesem Zeitpunkte ein, so besteht
der Vertrag nicht, wenn der Antragende in der Zwischenzelt oder ohne Verzug nach dem
Einkreffen der Annahme von seinem Rücktritt Nachricht gegeben hat.
Art. 320. Geht der Widerruf eines Antrages dem anderen Theile srüher als
der Antrag oder zu gleicher Zeit mit demselben zu, so ist der Antrag für nicht geschehen
zu erachten.
Ebenso ist die Annahme für nicht geschehen zu erachten, wenn der Widerruf noch
133
vor der Erklärung der Annahme oder zu gleicher Zeit mit derselben bei dem Autrag-
sieller eingegangen ist.
Art. 32 1. Ist ein unter Abwesenden verhandeller Vertrag zu Stande gekommen,
so gilt der Zeitpunkl, in welchem die Erklärung der Annahme behuft der Absendung ab-
gegeben ist, alo der Zeilpunkt des Abschlusses des Vertrages.
Art. 322. Eine Annahme unter Bedingungen uder Einschränkungen gilt als
Ablehnung des Antkrags verbunden mit einem neuen Autrage.
Art. 32 3. Wenn zwischen dem Kaufmann, welchem ein Austrag gegeben wird,
und dem Austraggeber eine Geschäftsverbindung besteht, oder sich derselbe gegen lepteren
zur Aurichlung solcher Aufträge erkoten hat, so ist er zu einer Antwort ohne Zögern
verpflichtet, widrigenfalls sein Schweigen als Uebernahme des Auftrages gill.
Auch wenn derselbe den Auftrag ablehnt, ist er schuldig, die mit dem Auftrage eira
übersandten Waaren oder underen Gegenstände auf Kosten des Auftraggebers, soweit er
für diese Kosten gedeckt ist und soweit es ohne seinen Nachtheil geschehen kann, einsi-
weilen vor Schaden zu bewahren. "
Das Handelsgericht kann auf seinen Antrag verordnen, daß das Gut in einem e#f-
fentlichen Lagerhause oder bei einem Dritten so lange niedergelegt wird, bis der Eigen-
thümer anderweitige Vorkehrung krifst.
Vierter Abschnitt.
Crfüllung der Handelsgeschäfte.
Art. 324. Die Erfüllung des Handelsgeschäfts muß an dem Orte geschehen, wol-
cher im Vertrage bestimmt oder nach der Natur des Geschäfts oder der Absicht der Kon-
trahenten als Ort der Erfüllung anzuseben ist.
Fehlt es an diesen Voraussehungen, so hat der Verpflichtete an dem Orte zu er-
füllen, an welchem er zur Zeit des Vertragsabschlusses seine Handelsniederlassung odet
in deren Ermangelung seinen Wohnort daue. Wenn jedoch eine bestimmte Sache über-
teben werden soll, welche sich zur Zeit des Vertragsakschlusses mlt Wissen der Kentra-
benten an einem anderen Orte befand, so geschieht die Uebergabe an diesem Orte.
Art. 325. Bei Geldzahlungen, mit Ausnahme der Auszahlung von indossabelen
oder auf Inhaber lautenden Popieren, ist der Schuldner verpflichtet, wenn nicht ein An-
deres aus dem Vertrage oder aus der Natur des Geschäfts oder der Abüicht der Kontra-
benten hervorgeht, auf seine Gefahr und Kosten die Zahlung dem Gläubiger an den Ort
zu übermachen, an welchem der lettere zur Zeit der Entstehung der Horderung seine Hau-
delsniederlassung oder in deren Ermangelung seinen Wohnort hatte.
Durch diese Bestimmung wird jedoch der gesepliche Erfüllungsort des Schuldneis
(Art. 324) in Bekreff des Gerichtostandes oder in sonstiger Beziehung nicht geänden.
134
Art. 32 6. Wenn die Zeit der Erfüllung einer Verbindlichkeli in dem Vertrage
nicht bestlmmt ist, so kann die Erfüllung zu jeder Zeit gefordert und gelelstet werden,
sofern nicht nach den Umständen oder nach dem Handelsgebrauche etwas Anderes anzu-
nebmen ist.
Art. 327. Lautet die Erfüllungszeit auf das Frühjahr oder den Herbst oder auf
ähnliche Zeitbetimmungen, so entscheldet der Handelsgebrauch des Orts der Erfüllung.
In rie Erfüllung auf die Mine eines Monats gestellt worden, so gilt der fünfzehnte
dieses Monats als der Tag der Erfüllung.
Art. 328. Wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit mit dem Ablaufe einer be-
stimmten Frist nach Abschluß des Vertrages erfolgen soll, so fällt der Zeitpunkt der Er-
füllung:
1) wenn die Frist nach Tagen bestimmt ist, auf den letzten Tag der Frist; bei Be-
rechnung der Frist wird der Tag, an welchem der Vertrag geschlossen ist, nicht
mit gerechnet; ist die Frist auf acht oder vierzehn Tage bestimmt, so werden dar-
unter volle acht oder vierzehn Tage verstanden;
wenn die Frist nach Wochen, Monaten, oder einem mehrere Monate umfassenden
Zeitraum (Jahr, halbes Jahr, viertel Jahr) bestimmt ist, auf denjenigen Tag der
lehten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder Zahl
dem Tage des Vertragsschlusses entspricht; sehlt dieser Tag in dem letzten Monate,
so fällt die Erfüllung auf den letzten Tag dieses Monats.
Der Ausdruck „halber Monak“ wird einem Zeitraum von fünfzehn Tagen gleich
geachtet. Ist die Frist zur Erfüllung auf einen oder mehrere ganze Monate und einen
balten Monat gestellt, so sind die fünfzehn Tage zulegtt zu zählen.
Nach den vorstehenden Grundsäyen ist die Frist auch dann zu berechnen, wenn der
Aufang derselben nicht nach dem Tage des Vertragsschlusses, sondern nach einem anderen
Zeilpunkte oder Ereignisse bestimmt worden ist.
Art. 329. Fällt der Zeilpunkt der Ersüllung auf einen Sonntag oder allgemei-
nen Feiertag, so gilt der nächste Werktag als der Tag der Erfüllung.
Art. 330. Soll die Erfüllung innerhalb eines gewissen ZJeitraums geschehen, so
muß sie vor Ablauf desselben erfolgen.
Fillt der leyte Tag des Zeitraums auf elnen Sonntag oder allgemeinen Feiertag,
so muß spätestens am nächstvorhergehenden Werktage erfüllt werden.
Art. 331. Abänderungen in diesen Zeltberechnungen (Art. 328 bis 330), soweit
sie die Liquidationskermine der Börsengeschäfte betreffen, bleiben den Börsenordnungen
vorbehalten.
Art. 332. Die Erfüllung muß an dem Erkfüllungstage während der gewöhnli-
chen Geschästszelt geleistet und angenommen werden.
*
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135
Art. 333. Ist die vertragsmähige Frlst zur Erfüllung einer Verbindlichkeit ver-
längert worden, so beginut die neue Frlsi im Zweifel am ersten Tage nach Ablauf der
alten Frist.
Art. 334. In allen Fällen, in welchen ein Verfalltag bestimmt worden ist, ist
nach der Natur des Geschäfts und der Absicht der Konkrahenden zu beurtheilen, ob der-
selbe nur zu Gunsten eines der beiden Konkrahenden hinzugefügt worden ist.
Auch wenn der Schuldner hiernach vor dem Verfalltage zu zahlen bejugt ist, ist er
doch nicht berechtigt, ohne Einwilligung des Gläubigers den Diszkonto abzuziehen, inso-
fern nicht Uebereinkunft oder Handelsgebrauch ihn dazu ermächtigen.
Art. 335. Ist im Vertrage über die Beschaffenheit und Güte der Waare nichts
Näheres bestimmt, so hat der Verpflichtete Handelsgut mittlerer Art und Güte zu ge-
währen.
Art. 336. Maah, Gewicht, Münzfuß, Münzsorten, Zeitrechnung und Entfernun-
gen, welche an dem Orte gelten, wo der Vertrag erfüllt werden soll, sind im Zweifel
als die vertragsmäßigen zu betrachten.
Ist die im Vertrage bestimmte Münzsorte am Zahlungsorte nicht im Umlauf oder
nur eine Rechnungswährung, so kann der Betrag nach dem Werthe zur Verfallzeit in
der Landesmünze gezahlt werden, sofern nicht durch den Gebrauch des Wortes „effectiv“
oder eines ähnlichen Zusatzes die Jahlung in der im Vertrage benannten Münzsorte
ausdrücklich bedungen ist.
Zweiter Titel.
Vom Kauf.
Art. 337. Das Anerbleten zum Verkauf, welches erkennbar für mehrere Perso-
nen, insbesondere durch Mittheilung von Preislisten, Lagerverzeichnissen, Proben oder
Mustern geschieht, oder bei welchem die Waare, der Preis oder die Menge nicht besiimmt
bezeichnet ist, ist kein verbindlicher Antrag zum Kauf.
Art. 338. Nach den Bestimmungen über den Kauf ist auch ein Handelsgeschäft
zu beurthellen, dessen Gegenstand in der Lieferung einer Quantitäl vertretbarer Sachen
gegen elnen bestimmten Preis besteht.
Art. 339. Ein Kauf auf Besicht oder auf Probe ist unter der in dem Willen
des Käufers stehenden Bedingung geschlossen, daß der Käufer die Waare besehen oder
prüfen und genehmigen werde, Diese Bedingung ist im Zweifel eine ausschiebende.
Der Käufer ist vor seiner Genehmigung an den Kauf nicht gebunden. Der Ver-
käufer hört auß, gebunden zu seln, wenn der Käufer bls zum Ablauf der verabredeten
oder ortsgebräuch ichen Frist nicht genehmigt.
136
In Ermangelung einer verabredeten oder ortsgebräuchlichen Frist kaun der Ver-
käufer nach Aklauf einer den Umständen angemessenen Zeit den Käufer zur Erklärung
aufferdern; er bört auf, gebunden zu sein, wenn sich der Käufer auf die Aufforderung
nicht sofort erklärt
Int die auf Beüicht oder Probe verkanste Waare zum Zweck der Besichtigung oder
Probe bereils übergeben, so gilt das Seillschweigen des Käufers bis nach Ablauf der
Frist oder auf die Aufforderung als Genehmigung.
Art. 310. Ein Kauf nach Probe oder Musier ist unbedingt, jedoch unter der
Verpflichtung des Verkäufers geichlossen, daß die Waare der Probe oder dem Muster
gemäß sei.
Art. 34 1. Ein Kauf zur Probe ist unbedingter Kauf unter Hinzufügung des
Beweggrundes.
Art. 342. Hinsichtlich des Orts der Erfüllung der Verbindlichkeiten des Verkäu-
fers und des Käufers kommen die Bestimmungen des Art. 324. Abs. 1 zur Anwendung.
Die Uebergabe der Waare geschiebt, wenn aus diesen Besiimmungen sich nicht ein
Andercs ergiebt, an dem Orte, wo der Verkäufer zur Zeit des Vertragsabschlusses seine
Handelsniederlassung oder in deren Ermangelung seinen Wohnort hatte. Wenn jedoch
eine bestimmte Sache verkauft ist, welche sich zur Zeit des Vertragöabschlusses mit Wissen
der Kontrahenten an einem anderen Orte besand, so geschieht die Uebergabe an diesem
Orte.
Der Kaufpreis ist bel der Uebergabe zu entrichten, sofern nicht ein Anderes durch die
Natur des Geschäfts bedingt oder durch Vertrag oder Handelsgebrauch bestimmt ist. Im
Uebrigen kommt die Bestimmung des Art. 325 auch in Bezug auf diese Zahlung zur
Anwendung. 6 *
Art. 343. Der Verkzufer ist verpflichtet, die Waare, so lange der Käufer mit
der Empfangnahme nicht im Verzuge ist, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäfts-
manns aufzubewahren.
Ist der Kiufer mit der Empfangnahme der Waare im Verzug, so kann der Ver-
känfer die Waare auf Gefahr und Kosten des Käufers in einem öffentlichen Lagerhause
oder bei einem Dritten niederlegen. Er ist auch besugt, nach vorgängiger Androhung
die Waare öffenklich verkaufen zu lassen; er darf, wenn die Waare einen Börsenpreis
oder einen Marktpreis hat, nach vorgängiger Androhung den Verkauf auch nicht öffent-
lich durch einen Handelsmäkler oder in Ermangelung eines, solchen durch elnen zu Ver-
steigerungen befugten Beamten zum laufenden Preise bewirken. Ist die Waare dem
Verderben ausgesetzt und Gefahr iu Verzuge, so bedarf es der vorgänglgen Androb=
ung nicht.
137
Von der Vollziehung des Verkausé hat der Verkäufer den Käufer, soweit es thun-
lich, sofort zu benachrichtigen; bel Unterlassung ist er zum Schadensersate verpflichtet.
Art. 344. Soll die Waare dem Käufer von einem anderen Orte übersendet wer-
den und hat der Käufer über die Art der Uebersendung nichts bestimmt, so gilt der Ver-
käufer für beauftragt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Bestimmung
stat des Käufers zu treffen, insbesondere auch die Person zu bestimmen, durch welche der
Transport der Waare besorgt oder ausgeführt werden soll.
Art. 34 5. Nach Uebergabe der Waare an den Spedlteur oder Frachtführer oder
die sonst zum Transport der Waare bestimmte Person trägt der Käufer die Gefahr, von
welcher die Waare betroffen wird. Hat jedoch der Käufer eine besondere Anwelsung über
die Art der Uebersendung ertheilt, und ist der Verkäufer ohne dringende Veranlassung da-
von abgewichen, so ist dieser für den daraus entstandenen Schaden verantwortlich.
Der Verkäufer hat die Gefahr, von welcher die Waare auf dem Transport betrof-
ken wird, in dem Falle zu tragen, wenn er gemäß dem Vertrage die Waare an dem
Ont, wohin der Transport geschieht, zu liefern hat, so daß dieser Ort für ihn als der
On der Erfüllung gilt. Daraus, daß der Verkäufer die Zahlung von Kosten oder Aus-
lagen der Versendung übernommen hat, folgt für sich allein noch nicht, daß der Ort, wo-
bin der Trausport geschieht, für den Verkäufer als der On der Erfüllung gilt.
Durch die Bestimmungen dieses Artikels ist nicht ausgeschlossen, daß die Gefahr schon
seit einem früheren Zeitpunkte von dem Käufer getragen wird, sofern dies nach dem bür-
gerlichen Recht der Fall sein würde.
Art. 346. Der Käufer ist verpflichtet, die Waare zu empfangen, sofern sie ver-
tragsmähig beschaffen ist oder in Ermangelung besonderer Verabredung den gesehlichen
Erfordernissen entspricht (Art. 335.)
Die Empfangnahme muß sofort geschehen, wenn nicht ein Anderes bedungen oder
orksgebräuchlich oder durch die Umstände geboten ist.
Art. 347. Jü die Waare von einem anderen Orte übersendet, so hat der Käufer
ohne Verzug nach der Abliekerung, sowelt dics nach dem ordnungsmäßiten Geschäftsgange
ihunlich ist, die Waare zu untersuchen, und wenn sich dieselbe nicht als vertragsmähig
oder gesebmäßig (Ark. 335) ergiebt, dem Verkäufer sofort davon Anzeige zu machen.
Versäumt er dies, so gilt die Waare als genehmigt, soweit es sich nicht um Män-
gel handelt, welche bei der sofortigen Untersuchung nach ordnungsmäßlzem Geschäfts-
hange nicht erkennbar waren.
Ergeben sich später solche Mängel, so muß die Anzeige ohne Verzug nach der Ent-
deckung gemacht werden, widrigenfalls die Waare auch rücksichtlich dieser Mängel als ge-
nehmigt gilt.
21
136
Die vorstehende Bestimmung findet auch auf den Verkauf auf Belicht oder Probe
oder nach Probe Anwendung, insowelt es sich um Mängel der übersendeten Waare han-
delt, welche bei ordnungsmäßlgem Besicht oder ordnungsmähiger Prüfung nicht erkenn-
bar waren.
Art. 348. Wenn der Käufer die von einem anderen Orte übersendete Waare
beanstandet, so ist er verpflichtet, für die einstweilige Aufbewahrung derselben zu sorgen.
Er kann, wenn sich bei der Ablleferung oder später Mängel ergeben, den Zustand
der Waare durch Sachverständige fesistellen lassen. Der Verkäufer ist in gleicher Weise
berechtigt, diese Feüstellung zu verlangen, wenn ihm der Käufer die Anzeige gewacht hat,
daß er die Waare wegen Mängel beanstande.
Die Sachverständigen erneunt auf Antrag des Betheiligten das Handelagericht oder
in dessen Ermangelung der Richter des Orts.
Die Sachverständigen haben das Gutachten schriftlich oder zu Protokoll zu erstatten.
Ist die Waare dem Verderben ausgeseyt und Gefahr im Verzuge, so kann der
Käuser die Waare unter Beobachtung der Bestimmungen des Art. 343 verkaufen lassen.
Art. 349. Der Mangel der vertragsmäßigen oder gesepxmäßigen Beschaffenheit der
Waare kann von dem. Käufer nicht geltend gemacht werden, wenn derselbe ersi nach Ab-
lauf von sechs Monaten seit der Ablieferung an den Käufer entdeckt worden ist.
Die Klagen gegen den Verkäufer wegen Mängel verjähren in sechs Monaten nach
der Ablieferung an den Käufer.
Die Einreden sind erloschen, wenn die im Art. 347 vorgeschriebene sosortige Absen-
dung der Anzeige des Mangels nicht innerhalb sechs Monaten nach der Ablieferung an
den Käufer geschehen ist. In die Anzeige in dleser Weise erfolgt, so bleiben die Ein-
reden bestehen. »
An den besonderen Gesetzen oder Handelsgebräuchen, durch welche für einzelne Ar-
len von Gegenständen eine kürzere Frist bestimmt ist, wird hierdurch nichts geändert.
Ist die Hastbarkeit des Verkäufers auf eine kürzere oder längere Frisi vertrags-
mäßig festgeseht, so hat es hiebei sein Bewenden.
Art. 3 50. Die Bestlmmungen der Art. 347 und 349 können von dem Verkäufer
im Falle eines Betruges nicht geltend gemacht werden.
Art. 351. Sofern nicht durch Ortsgebrauch oder besondere Abrede ein Anderes
bestimmt ist, trägt der Verkäufer die Kosten der Uebergabe, insbesondere des Messens und
Wägens, der Käuser die Kosten der Abnahme.
Art. 352. Ist der Kaufpreis nach dem Gewicht der Waare zu berechnen, so
kommt das Gewicht der Verpackung (Taragewicht) in Abzug, wenn nicht durch besondere
Abrede oder durch den Handelsgebrauch am Orte der Uebergabe ein Anderes bestimmt
139
ist. Ob und in welcher Höbe das Taragewicht nach einem bestimmten Ansaße oder Ver-
hältnisse stan nach genauer Ausmittelung abzuzlehen ist, ingleichen ob und wie viel als
Gutgewicht zu Gunsten des Käufers zu berechnen ist, oder als Vergütung für schadhafte
oder unbrauchbare Theile (Refaktie) gefordert werden kann, ist nach dem Vertrage oder
dem Hawelsgebrauche am Orte der Uebergabe zu beurtheilen.
Art. 353. Ist im Vertrage der Markipreis oder der Börsenpreio als Kaufpreis
bestimmt, so ist im Zweifel hierunker der lanfende Preis, welcher zur Zeit und an dem
Orte der Erfüllung oder an dem für lehzteren maaßgebenden Handelsplatze nach den da-
für bestehenden örtlichen Einrichtungen fesigestellt ist, in Eimangelung elner solchen Fest-
stellung oder bei nachgewiesener Unrichtigkeit derselben, der mittlere Preis zu verstehen,
welcher sich aus der Vergleichung der zur Zeit und am Orte der Erfüllung geschlossenen
Kaufverträge ergiebt.
Art. 354. Wenn der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises im Verzuge und
die Waare noch nicht übergeben ist, so hat der Verkäufer die Wahl, ob er die Erfüllung
des. Vertrages und Schadensersat wegen verspäteter Erfüllung verlangen, oder ob er
statt der Erfüllung die Waare unker Beobachtung der Bestimmungen des Art. 343 für
Rechnung des Käufers verkaufen und Schadensersatz fordern oder ob er von dem Ver-
trage abgehen will, gleich alo ob derselbe nicht geschlossen wärc.
Art. 355. Wenn der Verkäufer mit der Uebergabe der Waare im Verzuge isi,
so hat der Käufer die Wahl, ob er die Erfüllung nebst Schadensersatz wegen verspäteter
Erfüllung verlangen, oder ob er statt der Erfüllung Schadensersat wegen Nichterfüllung
sordern oder von dem Vertrage abgehen will, gleich als ob derselbe nicht geschlossen wäre.
Art. 356. Will ein Kontrahent auf Grund der Bestimmungen der vorigen Ar-
tikel statt der Erfüllung Schadensersap wegen Nichterfüllung fordern oder von dem Ver-
trage abgehen, so muß er dies dem anderen Kontrahenten anzeigen und ihm dabei, wenn
die Namur des Geschäfts dies zuläßt, noch eine den Umständen angemessene Frist zur
Nachholung des Versäumten gewähren.
Art. 357. Ist bedungen, daß die Waare genau zu einer fesibestimmten Zeit
oder binnen einer festbestimmten Frist gelicfert werden soll, so kommt der Art. 356 nicht
zur Anwendung. Der Käufer, sewie der Verkäufer kann die Rechte, welche ihm gemäß
Am. 354 oder 355 zustehen, nach seiner Wahl ausüben. Es muß jedoch derjenige,
welcher auf der Erfüllung bestehen will, dies unverzüglich nach Ablauf der Zeit oder
der Frist dem andern Kontrahenten anzeigen; unterläßt er dies, so kann er später nicht
auf der Erfüllung bestehen.
Will der Verkäufer statt der Erfüllung für Rechnung des säumigen Käufers ver-
kaufen, so muß er, im Falle die Waare einen Markt= oder Börsenpreis hat, den Ver-
21°
140
kauf unverzuͤglich nach Ablauf der Zeit dder der Frist vornehmen Ein spaͤterer Ver-
kauf gilt nicht als für Rechnung des Käufers geschehen. Eine vorgängige Androhung
ist nicht erforderlich, dagegen hat der Verkäuser auch in diesem Falle den bewirkten
Verkauf dem Käufer ungesäumt anzuzeigen.
Wenn der Käufer slatt der Erfüllung Schadensersat wegen Nichterfüllung fordert,
so besteht, im Falle die Waare einen Markt= oder Börsenpreis hat, der Betrag des von
dem Verkäufer zu leistenden Schadensersapes in der Disserenz zwischen dem Kaufpreise
und dem Mark= und Börsenpreise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Lleferung,
unbeschadet des Nechts des Käufers, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen.
Art. 358. In den Fällen des Art. 357 ist jeder Kontrahent berechtigt, den Ver-
zug des andern Kontrahenten auf dessen Kosten durch eine öffentliche Urkunde (Protest)
feststellen zu lassen.
Art. 359. Wenn in den Fällen der Art. 354, 355 und 357 sich aus den Um-
ständen, insbesondere aus der Natur des Vertrages, aus der Absicht der Kontrahenten
oder aus der Beschaffenheit des zu leistenden Gegenstandes ergiebt, daß die Erfüllung
des Vertrages auf beiden Seiten theilbar ist, so kann das Abgeben des einen Kontrahen-
ten von dem Vertrage nur in Betreff des von dem anderen Kontrahenten nicht erfüllten
Theiles des Vertrages erfolgen.
Dritter Titel.
Von dem Kommissionsgeschäft.
Art. 360. Kommissionär ist derjenige, welcher gewerbemäßlg in eigenem Namen
für Rechnung eines Austraggebers (Kommittenten) Handelsgeschäfte schließt. «
Durch die Geschäfte, welche der Kommissionär mit Dritten schließt, wird er allein
berechtigt und verpflichtet. Zwischen dem Kommitkenten und den Dritten entstehen da-
raus keine Rechte und Pflichten.
Ist von dem Austraggeber ausdrücklich bestimmt, daß das Geschäft auf selnen Na-
men abgeschlossen werden soll, so ist dies keine kaufmännische Kommission, sondern eln
gewöhnlicher Auftrag zu einem Handelsgeschäft
Art. 361. Der Kommissionär hat das Geschäft mit der Sorgfalt einco ordent=
lichen Kaufmanns im Interesse des Kommittenten, gemäß dem Austrage auszuführen; er
hat dem Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere sosort nach
der Ausführung des Auftrags davon Anzeige zu machen; er ist verpflichtet, dem Kem-
mittenten über das Geschäft Rechenschit zu geben und ihm dasjenige zu leisten, was er
aus dem Geschäft zu sordern hat.
Art. 362. Handelt der Kommissionär nicht gemäh dem übernommenen Austrage,
141
so ist er dem Kommittenten zum Ersate des Schadens vewflichtet; der Kommltient ist
nicht gehalten, das Geschäft für seine Rechnung gelten zu lassen.
Art. 363. Hat der Kommissionär unter dem ihm geseyten Preise verkauft, so muß
er dem Kommittenken den Unterschied im Preise vergüten, sofern er ulcht beweist, daß ein
Verkauf zu dem gesetzten Preise nicht ausgeführt werden konnte und die Vomahme des
Verkaufs von dem Kommittenten Schaden abgewendet bat.
Art. 364. Hat der Kommissionär den für den Einkauf gesetzten Preis überschrit-
ten, so kann der Kommitlent den Einkauf als nicht für seine Rechnung geschehen zurück-
weisen, sofern sich der Kommissionär nicht zugleich mit der Einkaufsanzeige zur Deckung
des Unterschiedes erbietet.
Der Kommtttent, welcher den Einkauf als nicht für seine Rechnung geschehen zuruck-
weisen will, muß dies ohne Verzug auf die Einkaufsanzeige erklären, widrigenfalls die
Ueberschreitung des Auftrags als genehmigt gilt.
Art. 365. Wenn das Gut, welches dem Kommissionär zugesandt wird, bel der
Ablieferung sich in elnem äußerlich erkenubar beschädigten oder mangelhaften Zustande
besindet, so muß der Kommissionär die Rechte gegen den Frachtführer oder Schiffer wah-
ren, für den Beweis jenes Zustandes sorgen und dem Kommittenten ohne Verzug Nach-
richt geben.
Im Unterlassungofalle ist er für den daraus entstandenen Schaden verantwortlich.
Er kann den Zustand durch Sachverständige fesistellen lassen, und wenn das Gut
dem Verderben ausgeseht und Gefahr im Verzuge ist, unter Beobachtung der Bestimme
ungen des Art. 343 den Verkauf des Guts bewirken.
Art. 366. Treten Veränderungen an dem Gute ein, welche dessen Entwerthung
befürchten lassen, und int keine Zelt vorhanden, die Verfügung des Kommlttenten einzu-
holen, oder der Kommittent in der Ertheilung der Verfügung säumig, so kann der Kom-
missionär unter Beobachtung der Bestimmungen des Art. 313 den Verkauf des Guts
Ein gleiches Recht hat der Kommissionär in allen anderen Fällen, in welchen der
Kommittent, obwohl hiezu nach Lage der Sache verpflichtet, über das Gut zu versügen
unterläßt.
Art. 367. Für Verlust oder Beschädigung des Guts ist der Kommitssionä, wäh-
rend er Aufbewahrer desselben ist, verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß der Verlust
oder die Beschädigung durch Umstände herbeigeführt ist, welche durch die Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnten. .
Der Kommissionär ist wegen Unterlassung der Versicherung des Guts nur dann
verantwortlich, wenn er von dem Kommittenten den Austrag zur Versicherung erhalten hat.
142
Art. 368. Forderungen aus einem Geschäft, welches der Kommissionär abgeschlos-
sen hat, kann der Kommittent dem Schuldner gegenüber erst nach der Abtretung geltend
machen.
Jedoch gelten solche Forderungen, auch wenn sie nicht abgetreten sind, im Verhält.
niß zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär oder dessen Gläubigern als For-
derungen des Kommittenten.
Art. 369. Der Kommissionär, welcher ohne Einwilligung des Kommitteuten einem
Drinen Vorschüsse macht oder Kredit giebt, thut dies auf eigene Gefahr.
Insoweit jedoch der Handelsgebrauch am Orte des Geschäfts das Kreditiren des
Kaufpreises mit sich bringt, ist in Ermangelung einer anderen Bestimmung des Kommit-
lenten auch der Kommissionär dazu berechtigt.
Hat der Kommissionär unbefugt auf Kredit verkauft, so hat er dem Kommittenten,
welcher dies nicht genehmigt, sofort als Schuldner des Kaufpreises die Zahlung zu leisten.
Beweisi der Kommissionär, daß beim Verkauf gegen baar der Preis ein geringerer
gewesen sein würde, so hat er nur diesen Preis und, wenn derselbe geringer ist, als der
austraggemäße Preis, auch den Unterschied gemäh Art. 363 zu vergüten.
Art. 370 Der Kommissionär steht für die Zahlung oder für die anderweitige
Erfüllung der Verbindlichkeit seines Kontrahenten ein, wenn dies von ihm übernommen
oder am Orte seiner Niederlassung Handelsgebrauch ist.
Der Kommissionär, welcher für seinen Kontrahenten einsteht, ist dem Kommittenten
für die gehörige Erfüllung im Zeitpunkte des Verfalls unminelbar und persönlich inso-
weit verhaftet, als solche aus dem Vertragsverhälmisse überhaupt rechtlich gefordert wer-
den kann.
Der Kommtssionär, welcher für seinen Kontrahenten einsteht, ist dafür zu einer Ver-
gutung (del credere-Provision) berechtigt.
Art. 371. Der Kommittent ist schuldig, dem Kommissionär zu ersetzen, was die-
ser an baaren Auslagen oder überhaupt zum Vollzuge des Geschäfts nothwendig oder
nüßlich aufgewendet hat Hiezu gehört auch die Vergütung für die Benupung der La-
gerräume und der Transportmittel des Kommissionärs und der Arbeit seiner Leute.
Der Kommissionär hat die Provision zu fordern, wenn das Geschäft zur Ausführ-
ung gekommen ist. Für Geschäfte, welche nicht zur Ausführung gekommen sind, kann
eine Provisiion nicht gefordert werden; jedoch hat der Kommissionär das Recht auf die
Auslieferungsprovision, soferne eine solche ortsgebränchlich ist.
Art. 372. Wenn der Kommissionär zu vorthellhafteren Bedingungen abschließt,
als sie ihm vom Kommittenten gestellt worden, so kommt der Vortheil dem letzteren al-
lein zu Statten.
143
Dies gilt insbesondere, wenn der Preis, für welchen der Kommissionär verkauft, den
vom Kommittenten bestimmten niedrigsten Prels übersteigt, oder wenn der Preis, für wel-
chen er einkauft, den vom Kommittenten bestimmten höchsten Preis nicht erreicht.
Art. 373. Ein Kommissionär, welcher den Ankauf eines Wechsels übernommen
hat, ist, wenn er den Wechsel indossirt, verpflichtet, denselben regelmäßig und ohne Vor-
behalt zu indosslren.
Art. 374. Der Nommisssonär hat an dem Kommissionsgut, sofern er dasselbe noch
in seinem Gewahrsam hat oder sonst, insbesondere mittelst der Konnossemente, Ladescheine
oder Lagerscheine, noch in der Lage ist, darüber zu verfügen, ein Pfandrecht wegen der
auf das Gut verwendeten Kosten, wegen der Provision, wegen der rücküchtlich des Gms
gegebenen Vorschüsse und Darlehen, wegen der rücksichtlich desselben gezeichneten Wechsel
oder in anderer Weise eingegangenen Verbindlichkeiten, sowie wegen aller Forderungen
aus laufender Rechuung in Kommissiongeschäften.
Der Kommissionär kann sich für die vorslehend erwähnten Ausprüche aus den durch
das Kommissionsgeschäst begründeten und noch ausstehenden Forderungen voizugsweise
vor dem Kommittenten und dessen Gläubigern befriedigen.
Art. 375. Ist der Kommittent in Erfüllung der in dem vorigen Anikel bezeich-
neten Verpflichtungen gegen den Kommissionär im Verzuge, so ist der leptere berechtigt,
sich unter Beobachtung der Vorschriften des Att. 310 aus dem Kommissionogute bezahlt
zu machen; er hat dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigern und der Kon.
kursmasse des Kommittenten.
Art. 376. Bei der Kommission zum Einkauf oder zum Verkauf von Waaren,
Wechseln und Werthpapieren, welche einen Börsenpreis oder Markipreis haben, ist der
Kommissionär, wenn der Kommittent nicht ein Andereo bestimmt hat, befugt, das Gut,
welches er einkaufen soll, selbst als Verkäufer zu liefern, vder das Gut, welches er zu
verkaufen beaustragt ist, als Käufer für sich zu behalten.
In diesem Falle ist die Pflicht des Kommissionärs, Rechenschaft über die Abschließ-
ung des Kaufs oder Verkaufs zu geben, auf den Nachweis beschränkt, daß bei dem be-
rechneten Preise der Börsenpreis oder Marktpreis zur Zeit der Ausführung des Auftrage.
eingehalten ist. Er ist zu der gewöhnlichen Provision berechtigt und kann die bei Kom-
missionsgeschäften sonst regelmähig vorkommenden Unkosten berechnen.
slacht der Kommissionär nicht zugleich mit der Anzeige über die Ausführung deo
Auftrags eine andere Person als Käufer oder Verkäufer namhaft, so ist der Komminent
befugt, den Kommissionär selbst als Käufer oder Verkäufer in Anspruch zu nehmen.
Art. 377. Wenn der Kommittent den Austrag widerrust und der Widerruf bei
dem Kommissionär eintrifft, bevor die Anzeige von der Ausführung deb Auftrage behuse
144
ihrer Absendung abgegeben ist, so kann sich der Kommissienaͤr der Befugniß, selbst als
Käufer oder Verkäufer elnzutreten, nicht mehr bedienen.
Art. 378. Die Bestimmungen dieses Titels kommen auch zur Anwendung, wenn
ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb nicht in Kommissionsgeschästen besteht,
ein einzelnes Handelsgeschäft in eigenem Namen für Rechnung eines Auftraggebers
schließt.
Vierter Titel.
Von dem Speditionsgeschäfte.
Art. 179. Spediteur ist derjenige, welcher gewerbemähig in eigenem Namen für
fremde Rechnung Güterversendungen durch Frachtführer oder Schiffer zu beforgen über-
nimmt.
Art. 380. Der Spediteur hastet für jeden Schaden, welcher aus der Vernach-
lässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bel der Empfangnahme und Auf-
bewahrung des Guts, bei der Wahl der Frachtführer, Schisser oder Zwischenspediteure
und überhaupt bei der Ausführung der von ihm übernommenen Versendung der Güter
entsteht.
Der Spediteur hat die Anwendung dieser Sorgfalt zu beweisen.
Art. 381. Der Spediteur hat die Provison und die Erstattung dessen zu fordern,
was er an Auslagen und Kosten oder überhaupt zum Zweck der Versendung nothwendig
oder nüglich aufgewendet hat (Art. 371).
Er ist nicht befugt, eine höhere als die mit dem Frachtführer oder Schisser bedun-
gene Fracht zu berechnen.
Art. 382. Der Spediteur hat wegen der Fracht, der Provision, der Auslagen,
Kosten und Verwendungen und wegen der dem Versender auf das Gut geleisteten Vor.
schüsse ein Pfandrecht an dem Gute, sofern er dasselbe noch in seinem Gewahrsam hat
oder in der Lage ist, darüber zu verfügen.
Er kann dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigern und der Konkurs-
masse des Eigenthümers geltend machen.
Bedient sich der Spediteur eines Zwischenspediteurs, so hat der lehtere zuglelch
die seinem Vormann zusichenden Rechte, insbesondere dessen Pfandrecht, auszuüben.
Soweit der Vormann wegen seiner Forderung durch Nachnahme von dem Nach-
mann befriedigt isi, geht die Forderung und das Pfandrecht des Vormanns von Rechts-
wegen auf den Nachmann über. Dasselbe gilt in Bezug auf die Forderung und das
Pfandrecht des Frachtführeis, wenn und insowelt der letztere von dem Zwischenspediteur
befriedigt ist.
145
Art. 383. Ein Spedlteur, welcher die Versendung durch Frachtführer oder Schlf-
fer, jedoch mittelst von ihm für eigene Rechnung gemletheter Transportmittel besorgt,
kann die gewöhnliche Fracht nekst der Provision und den sonstigen Kosten berechnen.
Art. 384. Wenn ein Spediteur mit dem Absender oder Empfänger über be-
stimmte Säße der Transporkkosten sich geeinigt hat, so haftet er, in Ermangelung einer
entgegenstehenden Vereinbarung, für die von ihm angenommenen Zwischenspediteure und
Frachtführer. Er ist in diesem Falle zur Provision nur dann berechtigt, wenn verein-
bart isi, daß eine solche neben den bestimmten Säten der Transporkkosten gefordert wer-
den könne.
Art. 185. Der Spediteur ist, wenn nicht ein Anderes bestimmt ist, befugt, den
Transport der Güter selbst auszuführen.
Wenn er sich dieser Besugniß bedient, so hat er zugleich die Rechte und Plllchten
eines Frachtführers und kann die gewöhnliche Fracht, die Provision und die bei Spedl-
tionsgeschäften sonst regelmähig vorkommenden Unkosten berechnen.
Art. 366. Die Klagen gegen den Spediteur wegen gänzlichen Verlustes oder
wegen Verminderung, Beschädigung oder verspäteter Ablleserung des Guts verjähren nach
einem Jahre.
Die Frist beginnt in Ansehung der Klagen wegen gänzlichen Verlustes mit dem Ab-
lauf des Tages, an welchem die Ablieferung hätte bewirft sein müssen; in Ausehung der
Klagen wegen Verminderung, Beschädigung oder verspäteter Ablieferung mit dem Ablauf
des Tages, an welchem die Ablieferung geschehen ist.
In glelcher Art sind die Einreden wegen Verlustes, Verminderung, Beschädlgung
oder verspäteter Ablleferung des Guts erloschen, wenn nicht die Anzelge von diesen That-
sachen an den Spediteur biunen der einjährigen Frist abgesandt worden ist.
Die Bestimmungen dieses Artlkels finden in Fällen deo Betrugs oder der Verun-
ireuung des Speditcurs keine Anwendung.
Art. 387. Im Uebrigen sind die Rechte und Pflichten des Spediteurs, sowell
dleser Tikel keine Beslimmungen darüber enkhält, nach den Grundsätzen des vorigen Ti-
tels zu beurtheilen; insbesondere kommen die Bestimmungen, welche in den Ark. 365 bio
367 für den Kommissionär gegeben sind, auch für den Spedileur zur Anwendung.
Art. 388. Wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb nicht in Spe-
ditionsgeschäften besteht, eine Güterversendung durch Frachtführer oder Schiffer fürfremde
Rechnung in elgenem Namen zu besorgen übernimmt, so gelten in Ansehung eines sol-
chen Geschäfts die Vorschriften dieses Titels.
Art. 389. Die Bestimmungen dieses Titels finden keine Anwendung auf Perso-
22
146
nen, welche nur die Vermittelung von Frachtverträgen zwischen dem Absender und dem
Frachtführer oder Schiffer bewirken (Frachtmäkler, Güterbestätter, Schiffsprokureure).
Fünfter Titel.
Von dem Frachtgeschäft.
Erster Abschnitt.
Vom Frachtgeschäft überbaupt.
Art. 390. Frachtführer ist derjenige, welcher gewerbemäßig den Transport von
Gütern zu Lande oder auf Flüssen und Binnengewässern ausführt.
Art. 391. Der Frachtbrief dient als Beweis über den Vertrag zwischen dem
Frachtführer und dem Absender.
Der Frachtführer kann die Ausstellung eines Frachtbriefs verlangen.
Art. 392. Der Frachtbrief enthält:
1) die Bezeichnung des Guts nach Beschaffenheit, Menge und Merkzeichen;
2) den Namen und Wohnort des Frachtführers;
3) den Namen des Absenders;
4) den Namen dessen, an welchen das Gut abgeliefert werden soll;
5) den Ort der Ablieferung;
5) die Bestimmung in Ansehung der Fracht;
7) den Ort und Tag der Ausslellung;
8) die besonderen Verelnbarungen, welche die Parteien etwa noch über andere Punkte,
namentlich über die Zeit, innerhalb welcher der Trauspork bewirkt werden soll,
und über die Entschädigung wegen verspäteter Ablieserung, getroffen haben.
Art. 393. Der Absender ist verpflichtet, bei Gutern, welche vor der Ablleferung
an den Empfänger elner zoll= oder steueramtlichen Behandlung unterliegen, den Fracht-
führer in den Besig der deshalb erforderlichen Begleitpaplere zu setzen. Er hastet dem
Frachtführer, sofern nicht diesem selbst ein Verschulden zur Last fällt, für alle Strafen
und Schäden, welche denselben wegen Unrichtigkeit oder Unzulänglichkeit der Begleilpa-
piere treffen.
Art. 394. Ißt über die Zeit, binnen welcher der Frachtführer den Transport be-
wirken soll, im Frachtvertrag nichts bedungen, so wird die Frist, innerhalb deren er die
Reise antreten muh, durch den Ortsgebrauch bestimmt; besteht ein Ortsgebrauch nicht,
so ist die Reise binnen einer den Umständen des Falls angemessenen Frist anzutreten.
Wird der Antritt oder die Fortseyung der Relse durch Naturereignisse oder sonstige
Zufälle zeitweilig verhindert, so braucht der Absender die Aufhebung des Hindemnisses
147
nicht abzuwarten, er kann vielmehr von dem Vertrage zurücktreten, muß aber den Fracht-
fübrer, sofern demselben kein Verschulden zur Last fällt, wegen der Kosten zur Vorberei-
tung der Reise, der Kosten der Wiederausladung und der Ansprüche in Vcziehung auf
die bereins zurückgelegte Reise entschädigen. Ueber die Höhe der Entschädigung entschei-
det der Ortsgebrauch und in dessen Ermangelung das richterliche Ermessen.
Art. 395. Der Frachkführer haftet für den Schaden, welcher durch Verlust oder
Beschädigung des Frachtguns seit der Empfangnahme bis zur Ablieferung entstanden ist,
sofern er nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädigung durch höhere Gewalt
(vui major) oder durch die nakürliche Beschaffenheit des Gutk, namentlich durch inneren
Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage u. dgl. oder durch äußerlich nicht erkennbare
Mängel der Verpackung entstanden itt.
Für Kostbarkeiten, Gelder und Werthpapiere haftet der Frachtführer nur dann,
wenn ihm diese Beschaffenheit oder der Werth des Guts angegeben ist.
Art. 396. Wenn auf Grund des vorhergehenden Artikels von dem Frachtfüh-
rer für Verlust oder Beschädigung deg Guts Ersagy geleistet werden muß, so ist der
Berechnung des Schadens nur der gemeine Handelswerth des Gutb zu Grunde zu
legen. ·
JmFalledthcklusicsistdckgemeinehandklschbzuckfchethwelcher-Giova-
selben Art und Beschaffenheit am Ort der Ablieferung zu der Zeit hatte, in welcher
dao Gut abzuliefern war; davon kommt in Abzug, was in Folge des Verlustes an
Zöllen und Unkosten erspart ist.
Im Falle der Beschädigung ist der Unterschied zwischen dem Verkaufowerth des
Guts im beschädlgten Zustande und dem gemeinen Handelswerth zu ersetzen, welchen
das Gut ohne diese Beschädigung am Ort und zur Zelt der Ablieserung gehabt baben
würde, nach Abzug der Zölle und Unkosten, so welt sie in Folge der Beschädigung er-
spart sind.
Hat das Gut keinen Handelswerih, so ist der Berechnung des Schadens der ge-
meine Werth des Guts zu Grunde zu legen.
Wenn dem Frachifuͤhrer eine boösliche Handlungsweise nachgewiesen wird, so hat er
den vollen Schaden zu ersehen.
Art 397. Der Frachtführer haftet für den Schaden, welcher durch Versäumung
der bedungenen oder üblichen Lieferungszeit entstanden ist, sofern er nicht bewelst, daß
er die Verspätung durch Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht
habe abwenden können.
Art 398. Int für den Fall verspäteter Ablieserung ein Abzug an der Fracht
oder der Verlust der Fracht oder sonst eine Conventionalstrafe bedungen, so kann im
22*
148
Zwelsel auherdem auch der Ersah des diesen Betrag übersteigenden Schadens gefordert
werden, welcher durch die verspätete Ablieferung emstanden ist.
Art. 199. Beweist der Frachtlführer, daß er die Verspätung durch die Sorgfalt
eines ordentlichen Frachtführers nicht habe abwenden können, so kann die bedungene
gänzliche oder theilweise Einbehaltung der Fracht, oder die Konventlonalstrafe wegen
verspäteter Ablieserung nicht in Anspruch genommen werden, es sei denn, daß sich aus
dem Vertrage eine entgegenstehende Absicht kund gibt.
Art. 400. Der Frachtführer haftet für selne Leute und für andere Personen, de-
ren er sich bei Ausführung des von ihm übernommenen Transportes bedient.
Art. 401. Wenn der Frachlführer zur gänzlichen oder theilweisen Ausführung des
von ihm übernommenon Trausports das Gut einem andern Frachtführer übergibt, so haf-
tet er für diesen und die ebwa folgenden Frachtführer bis zur Ablieserung.
Jeder Frachtführer, welcher auf einen andern Frachtführer folgl, tritt dadurch, daß
er das Gut mit dem ursprünglichen Frachtbrief annimmt, in dem Frachwertrag gemäß
dem Machtbrief ein, übernimmt eine selbsisländige Verpflichtung, den Transport nach In-
balt des Frachtbriefs auszuführen, und hat auch in Vezug auf den von den frühreren
Frachtführern bereits ausgeführten Transport für die Verbindlichkeiten derselben einzustehen.
Art. 402 Der Frachtführer hat den späteren Anweisungen des Absenders wegen
Zurückgabe des Guts oder wegen Auslieferung desselben an elnen anderen als den im
Frachtbrief bezeichneten Empfänger so lange Folge zu letsten, als er nicht Letterem nach
Ankunft des Guts am Ort der Ablicferung den Frachkbrief übergeben hat.
Ist dles bereits geschehen, so hat er nur die Anweisungen des bezeichneten Em-
pfängers zu beachten, widrigenfalls er demselben für das Gut verhaftet ist.
Art. 403. Der Frachtführer ist verpflichtet, am Ort der Ablieserung dem durch
den Frachtbrief bezeichncten Empfänger das Frachtgut auszuhändigen.
Art. 401. Der im Frachtbrief bezeichuete Empfänger ist vor Ankunfst des Guts
am Ort der Ablieferung dem Frachtführer gegenüber berechtigt, alle zur Sicherstellung
des Guts erforderlichen Maßregeln zu ergreifen und dem Frachtführer die zu diesem Zweck
nothwendigen Anweisungen zu ertheilen; die Auslieferung des Guts kann er vor dessen
Ankunft am Orte der Ablieferung nur daun fordern, wenn der Absender den Frachtfüh-
rer zu derselben ermächtigt hat.
Art. 405. Nach Ankunft des Frachtführers am Ort der Ablieferung ist der im
Frachtbrief bezeichnete Empfänger berechtigt, die durch den Frachtwertrag begründeten Rechte
gegen Ersüllung der Verpflichtungen, wie sie der Frachtbrief ergiebt, in eigenem Namen
gegen den Frachtführer geltend zu machen, sei es, daß er hiebel in elgenem oder frem-
dem Interesse handle; er ist insbesondere berechtigt, den Frachlführer auf Uebergabe des
149
Frachtbriefs und Auslleferung des Guts zu belangen, sofern nicht der Absender demsel-
ben vor Anstellung der Klage eine nach Maabgabe des Art. 402 noch zulässige entge-
genstehende Anweisung gegeben hat.
Art. 106. Durch Annahme des Guts und des Frachtbrlefs wird der Empfänger
verpflichtet, dem Frachtführer nach Maaßgabe des Frachtbriefs Jahlung zu leisten.
Art. 107. Weun der bezeichuete Empfänger des Guts nicht auszumitteln ist oder
die Annahme veiweigert, oder wenn Streit über die Annahme oder den Zustand des
Guts entsteht, so kaun der Betheiligte den letzteren durch Sachverständige fesistellen lassen.
Die Sachverständigen erneunt auf das Ansuchen des Vetheiligten das Handelsgerlcht
oder in dessen Ermangelung der Richter des Orts.
Die Sachverständigen haben ihr Gutaachten schristlich oder zu Protokoll zu erstatten.
Das Gericht kann auf Ausuchen des Betheiligten verordnen, daß das Gut in elinem
öffentlichen Lagerhause oder bei einem Dritten niedergelegt, und daß es ganz oder zu
elnem entsprechenden Theile behufs Bezahlung der Fracht und der übrigen Forderungen
des Frachtführers öffentlich verkauft wird
Ueber das Ansuchen um Emmennung von Sachverständigen oder um Versügung des
Gerichts wegen Niederlegung und wegen Verkaufs des Gus wird die Gegenparlei, wenn
sie am Orte anwesend ist, gehört.
Art. 108. Durch Annahme des Guts und Bezahlung der Fracht erlischt jeder
Anspruch gegen den Fuaachtführer.
Nur wegen Verlustes oder Beschädigung, welche bei der Ablieferung äußerlich nicht
erkennbar waren, kann der Frachtführer selbst nach der Annahme und nach Bezahlung
der Fracht in Anspruch genommen werden, wenn die Festsiellung des Verlustes oder der
Beschädigung ohne Verzug nach der Entdeckung nachgesucht worden ist, und bewiesen wird,
daß der Verlust oder die Beschädigung während der Zeit seit der Empfangnahme bid zur
Ablieferung entstanden ist.
Die Bestimmungen über die Verjährung der Klagen und Einreden gegen den Spe-
dileur wegen Verlustes, Beschädigung oder verspäleter Ablieferung de# Guts (Art. 386)
finden auch auf den Frachtführer Anwendung.
Art. 409. Der Frachtsührer hat wegen aller durch den Frachtverkrag begründeten
Forderungen, insbesondere der Fracht= und Liegegelder, sowie wegen der Zollgelder und
anderer Auslagen ein Pfandrecht an dem Frachtgut. Dieses Pfandrecht besleht, so lange
das Gut zurückbehalten oder niedergelegt ist; es dauert auch nach der Ablieferung noch
sort, insofern der Frachtführer es binnen drei Tagen nach der Ablleferung gerichtlich gel-
tend macht, und das Gut noch bel dem Empfänger oder bel einem Drilten sich besindet,
welcher es für den Empfänger belitt.
150
Er kann zu seiner Befriedigung den Verkauf des Guts oder eines Theils desselben
veranlassen. (Art. 407.)
Er hat dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigern und der Konkursmasse
des Eigenthümers.
Art. 410. Geht das Gut durch die Hände mehrerer Frachtführer, so hat der
letzte bei der Ablieferung, sofenn nicht der Frachtbrief das Gegentheil bestimmt, auch die
aus dem Frachtbriefe sich ergebenden Forderungen der vorhergehenden einzuziehen und
deren Rechte, insbesondere auch das Pfandrecht, auszuüben.
Der vorhergehende Frachtfübrer, welcher von dem nachfolgenden befriedigt ist, über-
trägt auf diesen von Rechtswegen seine Forderung und sein Pfandrecht.
In gleicher Art wird die Forderung und das Pfandrecht des Spediteurs auf den
nachfolgenden Spediteur und den Frachtführer übertragen.
Das Pfandrecht der Vormänner besteht so lange, als das Pfandrecht des letzten
Frachtführers.
Art. 411. Wenn auf demselben Gute zwei oder mehrere gemäß den An. 374,
382 und 409 begründete Pfandrechte bestehen, so geht unter denjenigen Pfandrechten,
welche durch die Versendung oder durch den Transport des Guts entstanden sind, das
später entstandene dem früher entstandenen vor; diese Pfandrechte haben sämmtlich den
Vorrang vor dem Pfandrecht des Kommissionärs und vor dem Pfandrecht des Spedi=
leuré für Vorschüsse; unter den letzteren Pfandrechten geht das früher entstandene dem
später entstandenen vor.
Art. 412. Wenn der Frachtführer das Gut ohne Bezahlung abliesert und das
Pfandrecht nicht binnen drei Tagen nach der Ablieferung gerichtlich geltend macht, so
wird er, sowie die vorhergehenden Frachtführer und die Spedileure, des Rückgriffs ge-
gen die Vormänner verlustig. Der Anspruch gegen den Empfänger bleibt in Kraft.
Art. 413. Der Absender und der Frachtführer können übereinkommen, daß der
letztere dem ersteren einen adeschein ausslellt.
Der Ladeschein ist eine Urkunde, durch welche der Frachtführer sich zur Aushändig-
ung des Guts verpflichtet. «
Art. 414. Der Ladeschein enthaͤlt:
1) die Bezeichnung der geladenen Güter nach Beschaffenheit, Menge und Merkzeichen;
2) den Namen und Wohnort des Frachtführers;
3) den Namen des Absenders;
4) den Namen desjenigen, an den oder an dessen Ordre das Gut abgeliefert wer-
den soll. Als solcher ist der Absender zu verstehen, wenn der Ladeschein lediglich
an Ordre gestellt ist;
151
5) den Ort der Ablieserung;
6) die Beslimmung in Ansehung der Fracht;
7) den Ort und Tag der Ausstellung.
Der Ladeschein muß von dem Frachtführer unterzeichnet sein.
Der Absender hat dem Frachtführer auf dessen Verlangen eine von ihm unterzeich-
neke gleichlautende Kopie des Ladescheins auszuhändigen.
Art 415. Der Ladeschein entscheidet für die Rechtsverhälmmisse zwischen dem Fracht-
führer und dem Empfänger des Guts; die nicht in denlelben aufgenommenen Bestimm-
ungen des Frachtvertrages haben gegenüber dem Empfänger keine rechtliche Wirkung, so-
fern nicht auf dieselben ausdrücklich Bezug genommen ist.
Für die Rechtsverhälmisse zwischen Frachtführer und Absender bleiben die Bestimm-
ungen des Frachtvertrages maaßgebend.
Art. 116. Wenn der Frachtführer einen Ladeschein ausgestellt hat, darf er späte-
ren Anweisungen des Absenders wegen Zurückgabe oder Auslleferung des Guts an ei-
nen anderen als den durch den Ladeschein legitimirten Empfänger nur dann Folge lei-
sten, wenn ihm der Ladeschein zurückgegeben wird. Handelt er dieser Bestimmung ent-
gegen, so ist er dem rechtmäßigen Inhaber des Ladescheins für das Gut veryflichtet.
Art. 117. Zum Empfange des Guts legitimirt ist derjenige, an welchen das Gur
nach dem Ladeschein abgeliefert werden soll, oder auf welchen der badeschein, wenn er an
Ordre lautet, durch Indossament übertragen ist.
Art. 418. Der Frachtführer ist zur Ablieferung des Guts nur gegen Rückgabe
des Ladescheins, auf welchem die Ablieferung des Guts zu beschelnigen ist, verpflichtet.
Art. 119. Im Uebrigen kommen die Bestlmmungen über die Rechte und Pflich:
ten des Frachtführers auch in dem Falle zur Anwendung, wenn ein Badeschein auoge-
siellt ist.
Art. 120. Wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb sich nicht aur
die Ausführung von Frachtgeschäften erstreckt, in einem einzelnen Falle einen Transport
von Gütern zu Land oder auf Flüssen und Binnengewässern auszuführen übernimmt, so
kommen die Bestimmungen dieses Titels auch in Bezug auf ein solches Geschäft zur An-
wendung.
Art. 421. Die Bestimmungen dleses Abschuitts finden auch Anwendung auf
Frachtgeschäfte von Eisenbahnen und anderen öffentlichen Transportanstalten.
Sie gelten jedoch für die Postanstalten nur insoweit, als nicht durch besondere Gesepe
oder Verordnungen für dieselben ein Anderes bestimmt ist.
Für die Eisenbahnen kommen ferner die Bestimmungen des folgenden Abschnittes
zur Anwendung. "
152
Zweiter Abschnitt.
Von dem Frachtgeschäft der Eisenbahnen insbesondere.
Art. 422. Eine Gisenbahn, welcke dem Publikum zur Benußung fuͤr den Gü-
tertransport eröffnet ist, kann die bei ihr nachgesuchte Eingehung eines Frachtgeschäfts
für ihre Bahnstrecke nicht verweigern, (usofern:
4) die Güter, an sich oder vermöge ihrer Verpackung, nach den Reglements, und
m Falle die letzteren fehlen oder keinen Anhalt gewähren, nach den Einrichtun-
gei und der Benugungsweise der Bahn zum Transport sich elgnen,
2) der Absender in Bezug auf die Fracht, die Auflieferung der Güter und die son-
slloen den Eisenbahnen freigestellten Transporkbedingungen sich den allgemein
geltenden Anordnungen der Bahnverwaltung unterwirft,
3) die regelmäßigen Transportmittel der Bahn zur Ausführung des Transports ge-
nügen.
Die Eisenbahnen sind nicht verpflichtet, die Güter zum Transport eher anzuneh-
men, als bis die Beförderung derselben geschehen kann.
In Ansehung der Zeit der Beförderung darf kein Absender vor dem Andern ohne
einen in den Einrichtungen der Bahn, in den Transportverhältnissen, oder im öffentlichen
Interesse liegenden Grund begünstigt werden.
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Artikels begründen den An-
spruch auf Ersah des dadurch entstandenen Schadens.
Art 423. Die in Art. 422 bezeichneten Eisenbahnen sind nicht befugt, die An-
wendung der in den Art. 395, 396, 397, 400, 401, 408 enthaltenen Bestimmungen
über die Verpflichtung des Frachtführers zum Schadenersat, sei es in Bezug auf den
Eintritt, den Umfang oder die Dauer der Verpflichtung oder in Bezug auf die Beweis-
last, zu threm Vortheil durch Verträge (mittelst Reglements oder durch besondere Ueber-
einkunft) im Voraus ausgzuschließen oder zu beschränken, außer, soweit solches durch die
nachfolgenden Artikel zugelassen ist.
Vertragsbeslimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, haben keine rechiliche
Wirkung.
Art. 424. Es kann bedungen werden:
1) in Ansehung der Güter, welche nach Vereinbarung milt dem Absender in unbe-
deckten Wagen transportirt werden: 6
daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der mtt dieser Trans-
porkart verbundenen Gefahr entstanden ist,
2) in Ansehung der Güter, welche, ungeachtet ihre Natur elne Verpackung zum Schuy
gegen Verlust oder Beschädigung auf dem Transport ersordert, nach Erklärung
153
des Absenders auf dem Frachtbrlef unverpackt oder mit mangelhaster Verpackung
aufgegeben find:
daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der mit dem Man-
gel der Verpackung oder mit der mangelhaften Beschaffenheit der Verpackung
verbundenen Gefahr entstanden ist,
2) in Ansehung der Güter, deren Auf= und Abladen nach Vereinbarung mit dem
Absender von diesem besorgt wird,
daß für den Schaden nicht gehastet werde, der aus der mit dem Auf= und
Abladen oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr entstanden ist,
4 in Ansehung der Güter, welche vermöge ihrer eigenthümlichen natürlichen Be-
schaffenheit der besondern Gefahr ausgesetzt sind, gänzlichen oder theilweisen Ver-
lust oder Beschädigung, namentlich Bruch, Rost, inneren Verderb, außergewöhn-
liche Leckage u. s. w. zu erleiden:
daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus dieser Gefahr ent-
standen ist,
5) iIn Ansehung lebender Thiere:
daß für den Schaden uscht gehaftet werde, welcher aus der mit dem Trans-
port dieser Thiere für dieselben verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist,
6) in Ansehung begleiteter Güter:
daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der Gefahr enistan-
den ist, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt wird.
Ist eine der in diesem Artikel zugelassenen Bestimmungen bedungen, so gilt zuglelch
als bedungen: daß bis zum Nachweis des Gegentheils vermuthet werden foll, dah ein
eingetretener Schade, wenn er aus der nicht übernommenen Gefahr eutstehen konnte, aus
derselben wirklich entstanden ist.
Eine nach diesem Artikel bedungene Befreiung von der Haftpflicht kann nicht gel-
tend gemacht werden, wenn nachgewielen wird, daß der Schaden durch Verschulden der
Bahnverwaltung oder ihrer Leute entstanden ist.
Art. 425. In Ansehung des Mrisegepäcks kann bedungen werden:
1) daß für Verlust oder Beschädigung von Reisegepäck, welches nicht zum Trans-
vork aufgegeben ist, nur gehaftet werde, wenn ein Verschulden der Bahnverwaltung oder
ihrer Leute nachgewlesen wird. Dasselbe kann in Ansehung von Gegenständen bedungen
werden, welche sich in Meisecquipagen befinden.
2) daß für Verlust von Reisegepäck, welches zum Transpork ausgegeben ist, nur ge-
hastet werde, wenn das Gepäc binnen elner beslimmten Frist nach der Ablieferungszein
abgefordert wird.
Die Frist darf nicht kürzer als drei Tage seln. 2
154
Art. 426. In Ansehung der Güter, welche nach ihrer Beschaffenheit bei dem
Transport regelmäßlg einen Verlust an Gewicht oder an Maaß erleiden, kann bedungen
werden, daß bis zu einem im Voraus bestimmten Normalsatz für Verlust an Gewicht
vder Maaß nicht gehaftet werde. Der Normalsatz muß, im Fall mehrere Stücke zusam-
Mien transporlirt worden sind, für jedes einzelne Stück besonders berechnet werden, wenn
das Gewicht oder Maaß der einzelnen Stücke im Frachtbrief verzeichnet oder sonst er-
welslich ist.
Die hier bezeichnet; Besiimmung kann nicht geltend gemacht werden, wenn nachge-
wiesen wird, daß der Verlust nach den Umständen des Falls ulcht in Folge der natür-
lichen Beschaffenheit des Guts enistanden ist, oder daß der bestimmte Normalsatz dieser
Beschaffenheit oder den sonsitigen Umständen des Falls mehr entspricht.
Art. 427. Es kann bedungen werden:
1) daß der nach Art. 396 der Schadensberechnung zu Grunde zu legende Werth
den im Frachtbrief, im Ladeschein oder im Gepäckschein als Werth des Guls angegebe-
nen Betrag und in Ermangelung einer solchen Angabe einen im Voraus bestimmten
Normalsatz nicht übersteigen soll;
2) daß die Höhe des nach Art. 397 wegen verspäteter Lieferung zu leistenden Scha-
densersatzes den im Frachtbrief, im Ladescheln oder im Gepäckschein als die Höhe des
Interesses an der rechtzeitigen Lieferung angegebenen Betrag und in Ermangelung einer
solchen Angabe einen im Voraus bestimmten Normalsatz, welcher auch in dem Verlust
der Fracht oder eines Theils derselben bestehen kann, nicht übersteigen soll.
Im Falle einer böslichen Handlungsweise der Eisenbahnverwaltung oder ihrer Leute
kann die Beschränkung der Haftpflicht auf den Normalsatz oder den angegebenen Werth
des Guts nicht geltend gemacht werden.
Art. 428. Es kann bedungen werden, daß nach erfolgter Empfangnahme des
Guts und Bezahlung der Fracht jeder Anspruch wegen Verlusteg an dem Gm oder
wegen Beschädigung desselben auch dann, wenn dieselben bei der Ablieferung nicht er-
kennbar waren und erst später entdeckt worden sind, (Art. 408 Abs. 2) erlischt, wenn der
Anspruch nicht binnen einer bestimmten Frist nach der Ablieferung bei der Eisenbahnver-
waltung angemeldet worden ist.
Die Frist darf nicht kürzer als 4 Wochen sein.
Art. 429. Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einem Frachtbrief übernimmt, nach
welchem der Transport durch mehrere sich an einander anschließende Eisenbahnen zu be-
wirken ist, so kann bedungen werden, dah nicht sämmtliche Eisenbahnen, welche das Gut
mit dem Frachtbrief übernommen haben, nach Maßgabe des Art. 401 als Frachliührer
für den ganzen Transport haften, sondern daß nur die erste Bahn und diejenige Bahn,
155
welche das Gut mit dem Frachtbrief zuleht übernommen hat, dieser Haftpflicht für den
ganzen Transport unterliegt, vorbehaltlich des Rückgriffs der Etsenbahnen gegeneinander,
daß dagegen elne der übrigen, in der Mitte liegenden Eisenbahnen nur dann als Fracht.
führer in Anspruch genommen werden kaun, wenn ihr nachgewiesen wird, daß der Scha-
den auf ihrer Bahn sich ereignet hat.
Art. 430. Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einem Frachtbrief zum Trans-
rort übernimmt, in welchem als Ort der Ablieferung ein weder an ihrer Bahn noch an
einer der sich an sie anschließenden Bahnen liegender Ort bezeichnet ist, so kann bedun-
Gen werden, daß die Haftpflicht der Eisenbahn oder der Eisenbahnen als Frachtführer
nicht für den ganzen Transport bis zum Ort der Ablieferung, sondern nur für den
Transport bis zu dem Orte bestehe, wo der Transport mittelst Eisenbahn enden soll; ist
dies bedungen, so treten in Bezug auf die Welterbeförderung nur die Verpflichtungen
des Spediteurs ein.
Art. 431. Ist von dem Absender auf dem Frachtbrief bestimmt, daß das Gut an
einem an der Eisenbahn liegenden Ort abgegeben werden oder liegen bleiben soll, so
Gilt, ungeachtet im Frachtbrlef ein anderweitiger Bestimmungsort ongegeben ist, der Trans-
vort als nur bis zu jenem an der Bahn liegenden Ort übernommen, und die Bahn ist
nur bis zur Ablieferung an diesem Ort verantwortlich.
Fünftes Buch.
Vom Seehandel.
Erster Titel.
Allgemeine Bestimmungen.
Art. 432. Für die zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten Schiffe, welchen
das Mecht, die Landesflagge zu führen, zusteht, ist ein Schiffsregister zu föhren,
Das Schifferegister isl öffentlich; die Einsicht desselben ist während der gewöhnlichen
Dienstüunden elnem Jeden gestauet.
Art. 133. Die Eintragung in das Schifföregister dark erst geschehen, nachdem
das Recht, die Landesflagge zu führen, nachgewiesen lst.
Ver der Eintragung in das Schisfsregister darf das Necht, die Landeoflagge zu
führen, nicht ausgeübt werden.
Art. 434. Die Landesgesehe bestimmen die Erfordernisse, von welchen das Recht
eines Schiffs, die Landesflagge zu führen, abhängig ist. 23
156
Sie bestlmmen die Behörden, welche das Schiffsregister zu führen haben.
Ste bestimmen, ob und unter welchen Voraussehungen die Eintragung in das Schiffs-
register für ein aus einem anderen Lande erworbenes Schiff vorläufig durch eine Kon-
sulatsurkunde ersetzt werden kann. "
Art. 435. Die Eintragung in das Schifföregister muß enthalten:
1) die Thatsachen, welche das Recht des Schiffs, die Landesflagge zu führen, be-
gründen;
2) die Thatsachen, welche zur Fesisiellung der Identität des Schiffs und seiner Ei-
genthumsverhällnisse erforderlich sind;
3) den Hafen, von welchem aus mit dem Schiff die Seefahrt betrieben werden soll;
(Geimathshafen, Registerhafen).
Ueber die Eintragung wird eine, mit dem Inhalte derselben übereinstimmende Urkunde
(Certifikat) ausgeferligt.
Art. 436. Treten in den Thatsachen, welche in dem vorhergehenden Artikel be-
zeichnet sind, nach der Eintragung Veränderungen ein, so müssen dieselben in das Schiffs-
register eingetragen und auf dem Certisikat vermerkt werden.
Im Fall das Schiff untergeht oder das Recht, die Landesflagge zu führen, ver-
liert, ist das Schiff in dem Schisssregister zu löschen und das ertheilte Certifikat zurück-
zuliesern, sofern nicht glaubhaft bescheinigt wird, daß es nicht zurückgeliefert werden
könne.
Art. 437. Die Landesgesetze bestimmen die Fristen, binnen welcher die Thalsa-
chen anzuzelgen und nachzuweisen sind, welche eine Eintragung oder Löschung erforder-
lich machen, sowie die Strafen, welche für den Fall der Versäumung dieser Frisien oder
der Nichtbesolgung der vorhergehenden Vorschriften verwirkt sind.
Art. 438. Die Landesgesetze können besiimmen, daß die Vorschriften der Art.
432—437 auf kleinere Fahrzeuge (Küstenfahrer u. s. w.) keine Anwendung finden.
Art. 439. Bei der Veräußerung eines Schiffs oder eines Antheils am Schiff
(Schiffspart) kann zum Eigenihumserwerb die nach den Grundsätzen des bürgerlichen
Nechts etwa erforderliche Uebergabe durch die unter den Kontahenten getroffene Verein-
barung erseyt werden, daß das Eigenthum sofort auf den Erwerber übergehen foll.
Art. 440. In allen Fällen der Veräußerung eines Schiffs oder elner Schiffs-
part kann jeder Theil verlangen, dah ihm auf selne Kosten eine beglaubigte Urkunde über
die Veräußerung ertheilt werde.
Art. 441. Wird ein Schiff oder eine Schiffspart veräußert, während das Schiff
auf der Reise sich befindet, so ib im Verhältniß zwischen dem Veräußerer und Erver=
157
ber in Ermangelung elner anderen Vertinbarung anzunehmen, daß dem Erwerber der
Gewinn der laufenden Relse gebühre oder der Verlust derselben zur Last falle.
Art. 442. Durch die Veräußerung eines Schiffs oder elner Schiffspart wird in
den persönlichen Verpflichtungen des Veräußerers gegen Dritte nichts geändert.
Art. 443. Unter dem Zubehör eines Schifss sind alle Sachen begriffen, welche
zu dem bleibenden Gebrauch des Schiffs bei der Secfahrt bestimmt sind.
Dahin gehören insbesondere auch die Schiffsboote.
Im Zweifel werden Gegenstände, welche in das Schiffsinventar eingetragen find,
als Zubehör des Schiffs angesehen.
Art. 444. Im Sinne dieses fünften Buches gilt ein seeuntüchtig gewordenes Schiff
1) als reparaturunfähig, wenn die Reparatur des Schiffs überhaupt nicht möglich
ist, oder an dem Orte, wo das Schiff sich befindet, nicht bewerkstelligt, dasselbe
auch nicht nach dem Hafen, wo die Reparatur auszuführen wäre, gebracht wer-
den kann;
als reparaturunwürdig, wenn die Kosten der Reparatur ohne Abzug für den Un-
terschied zwischen alt und neu mehr betragen würden, als drei Viertel seines
srüheren Werths.
Ist die Seeuntüchtigkeit während einer Reise eingelreten, so gilt als der frühere
Werth derjenige, welchen das Schiff bei dem Antritt der Reise gehabt hat, in
den übrigen Fällen derjenige, welchen das Schiff, bevor es seeuntüchtig geworden
ist, gehabt hat oder bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben würde.
Art. 445. Zur Schiffsbesatzung werden gerechnet der Schlffer, die Schiffsmann-
schaft, so wie alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen.
Art. 446. Ein zum Abgehen fertiges (segelsertiges) Schiff kann wegen Schulden
nicht mit Beschlag belegt werden. Diese Bestimmung tritt jedoch nlcht ein, wenn die
Schulden zum Bcehuf der anzutretenden Reise gemacht worden find.
Durch eine Beschlagnahme von bereits an Bord des Schiffs befindlichen Gütern
wegen Schulden kann deren Wiederausladung nur in denjenigen Fällen erwirkt werden,
in welchen der Ablader selbst die Wiederausladung noch zu fordern befugt wäre, und nur
gegen Leistung deojenlgen, was dieser alödann zu leisten haben würde.
Eine zur Schiffsbesahung gehörige Person kann wegen Schulden von dem Zeit-
punkt an nicht mehr verhaftet werden, in welchem das Schiff segeljertig ist.
Art. 447. Wenn in diesem fünsten Buche die europäischen Häsen den nichteuro-
päischen Häfen entgegengesetzt werden, so sind unter den ersteren zugleich die nichteuro-
pälschen Häfen des mittelländischen, schwarzen und al#w'schen Meeres als mütbegrisfen
anzusehen.
d
158
Art. 448. Die Bestimmungen des fuͤnften Buchs, welche fich auf den Aufenthalt
des Schiffs im Heimathshafen beziehen, können von den Landesgesehen auf alle oder
einige Häfen des Reviers des Helmathshafens ausgedehnt werden.
Art. 449. Für die Postanstalten gelten die Besilmmungen des fünsten Buchs nur
insoweit, als nicht durch besondere Gesetze oder Verordnungen für dleselben ein Anderes
vorgeschrieben ist.
Zweiter Titel.
Von dem Rbeder und von der Rhederei.
Art. 450. Rheder ist der Eigenthümer eines ihm zum Erwerb durch die See-
fabrt dienenden Schiffs.
Art. 451. Der Rheder ist für den Schaden verantwortlich, welchen eine Person
der Schiffsbesahung einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienst-
verrichtungen zufügt.
Art. 152. Der Rheder haftet für den Anspruch eines Dritten nicht persönlich,
sondern er haftet nur mit Schiff und Fracht:
4) wenn der Aufpruch auf ein Rechtsgeschäft gegründet wird, welches der Schiffer als
solcher krast seiner gesetlichen Befugnisse, und nicht mit Bezug auf eine besondere
Vollmacht geschlossen hat;
wenn der Anspruch auf die Nichterfüllung oder auf die unvollständige oder man-
gelhafte Erfüllung eines von dem Nheder abgeschlossenen Vertrags gegründet wird,
insofern die Ausführung des Vertrags zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers
gehört hat, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die unvollständige oder
die mangelhafte Erfüllung von einer Person der Schiffsbesatzung verschuldet ist
1*½
oder nicht;
3) wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung ge-
gründet wird.
In den unter Ziffer 1 und 2 bezeichneten Fällen kommt jedoch dleser Artikel nicht
zur Anwendung, wenn den Rheder selbst in Ansehung der Vertragserfüllung ein Ver-
schulden trifft, oder wenn derselbe die Vertragserfüllung besonders gewährleistet hat.
Art. 453. Der Rheder hastet für die Forderungen der zur Schiffsbesahung ge-
börenden Personen aus den Dienst= und Heuerverträgen nicht nur mit Schiff und Fracht,
sondern zugleich persönlich.
Wenn jedoch das Schiff dem Rheder ohne sein Verschulden vor Vollendung der
Reise verloren geht, insbesondere:
159
wenn es verunglückt,
wenn es als reparaturunfählg oder als reparaturunwürdig kondemnirt (Art.
444) und in dem letzteren Falle ohne Verzug öffentlich verkauft wird,
wenn es geraubt wird,
wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute Prise erklärt wird,
so baftet der Rheder für die Forderungen aus der nicht vollendeten Reise oder, sofern
dieselbe aus mehreren Abschnitten besteht, für die Forderungen aus dem letzten Neiseab-
schnitt nicht persönlich.
Der lepte Reiseabschnitt begiunnt in dem Hafen, in welchem das Schiff zuleht Lad-
ung eingenommen oder gelöscht hal, und mit dem Zeitpunkt, in welchem mit dem Laden
der Aufang gemacht oder die Löschung vollendet ist. Ein Nothhafen, wird als. Ladungs-
oder Löschungshafen im Sinne dieser Vorschrist nicht angesehrn.
Der Rheder ist in keinem der vorgenannten Fälle besugt, die etwa gezahlien Hand-
gelder und Vorschüsse zurück zu fordern. 4
Art. 154. Die übrigen Fälle, in welchen der Rbeder nicht persönlich, sondern nur
mit Schiff und Fracht haftet, sind in den folgenden Titeln beslimmt.
Art. 455. Der Rheder als socher kann wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unter-
schied ob er persönlich oder nur mit Schiff und Fracht hastet, vor dem Gerichte des Hei-
mathshafens (Mt. 435) belangt werden.
Art. 456. Wird von mehreren Personen ein ihnen gemeinschaftlich zusiebendes
Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung verwendet, so be-
steht eine Rhederei.
Der Fall, wenn das Schiff einer Handelsgesellschaft gehört, wird durch die Be-
stimmungen über die Rhederei nicht berührt.
Art. 457. Das Nechtsverhältniß der Mitrheder unter einander bestimmt sich zu-
nächst nach dem zwischen ibnen geschlossenen Vertrag. Soweit eine Vereinbarung nicht
Vetroffen ist, kommen die Bestimmungen der nachfolgenden Ariikel zur Anwendung.
Art. 458. Für die Angelegenbeiten der Rhederei sind die Beschlüsse der Mu-
rheder maahgebend. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der Stimmen.
Die Stimuien werden nach der Groͤße der Schiffoparten gezaͤhlt. Die Stimmenmehr-
beit sür einen Beschluh ist vorhanden, wenn der Person oder den Personen, welche für
den Deschluß gesimmt baben, zusammen mehr als die Hälfte des ganzen Schiffs gehört.
Einstimmigkeit simmtlicher Mitrheder ist erforderlich zu Beschlüssen, welche eine Ab-
inderung des Rhedereivertrago bezwecken oder welche den Bestimmungen des Mhederei-
vertrages entgegen oder dem Zweck der Nhederei fremd find.
Art. 459. Durch Beschluß der Mehrheit kum für den Rhedereibetrieb ein Kor-
160
respondentrheder (Schiffodireltor, Schlffodlsponent) bestellt werden. Zur Bestellung elnes
Korrespondentrheders, welcher nicht zu den Mitrhedern gehoͤrt, ist ein elnstimmiger Be-
schluß erforderlich.
Die Bestellung des Korrespondentrheders kann zu jeder Zelt durch Stlmmenmehr-
beit widerrufen werden, unbeschadet der Rechte auf Entschädigung aus bestehenden Ver-
trägen.
Art. 460. Im Verhältniß zu Dritten ist der Korrespondentrheder kraft seiner Be-
stellung besugt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche der Geschäfts-
betrieb einer Rhederei gewöhnlich mit sich bringt.
Diese Vefugniß erstreckt sich insbesondere auf die Ausrüstung, Erhaltung und Ver-
srachtung des Schiffs, auf die Versicherung der Fracht, der Ausrüstungskosten und der
Havereigelder, sowie auf die mit dem gewöhnlichen Geschäflsbetrieb verbundene Empfang-
nahme von Geldern.
Der Korrespondentrheder ist in demselben Umfange befugt, die Nhederei vor Gericht
zu vertreten.
Er ist befngt, den Schiffer anzustellen und zu entlassen; der Schlffer hat sich nur
an dessen Anweisungen und nicht auch an die etwalgen Anweisungen der einzelnen Mit-
rheder zu halten.
Im Namen der Rbederei oder einzelner Mitrheder Wechselverbindlichkeiten elnzuge-
ben, oder Darlehen aufzunehmen, das Schiff oder Schifföparten zu verkaufen oder zu
verpfänden oder für dieselben Versicherung zu nehmen, ist der Korrespondenteheder nicht
befugt, es sei denn, daß ihm eine Vollmacht hierzu besonders ertheilt ist.
Im Uebrigen bedarf es zu den Geschäften und Rechtshandlungen, welche er kraft
seiner Bestellung vorzunehmen bekugt ist, der in den Landesgesehen elwa vorgeschriebenen
Spegzialvollmacht nicht.
Art. 461. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Korrespondentrheder als solcher
innerhalb der Grenzen seiner Besugnisse geschlossen hat, wird die Rhederel dem Dritten
gegenüber auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn das Geschäst ohne Nennung der
einzelnen Minkeder geschlossen ist.
In die hlhederei durch ein von dem Korrespondentrheder abgeschlossenes Geschäft
verpflichtet, so haften die Mitrheder in gleichem Umfange (Art. 452), ald wenn das Ge-
schäft von ihnen selbst geschlossen wäre.
Art. 462. Eine Beschränkung der im Art. 460 bezeichneten Besugnisse des Kor-
respondentkrheders kann die Rhederei einem Dritten nur insofern entgegensetzen, als sie
beweist, daß die Beschränkung dem Drutten zur Zeit des Abschlusses des Geschäfts be-
kannt war.
Art 463. Der Nhederel gegenüber ist der Korrespondenirheder verpflichtet, die
161
(Beschräukungen elnzuhalten, welche von derselben fuͤr den Umfang seiner Befugnlsse fest-
geseht sind; er hat sich ferner nach den gefaßten Beschlüssen zu richten und dleselben zur
Ausführung zu bringen. 6
Im Uebrigen ist der Umfang seiner Befugulsse auch der Mhederel gegenüber nach
den Bestimmungen des Art. 460 mit der Maaßgabe zu beurtheilen, daß er zu neuen
Reisen und Unternehmungen, zu außergewöhnlichen Reparaluren, sowie zur Anstellung
oder Enklassung des Schiffers vorher dle Beschlüsse der Rhederel elnholen muß.
Art. 464. Der Korrespondentrheder ist verpflichtet, in den Angelegenhekten der
AUhederei die Sorgfalt eines ordentlichen Rheders anzuwenden.
Art. 465. Der Korrespondentrheder hat ber seine die Rhederel betreffende Ge-
schäftsführung abgesondert Buch zu führen und die dazu gehörigen Velege aufzubewab=
ren. Er hat auch jedem Mitrheder auf dessen Verlangen Kenntniß von allen Verhält-
nissen zu deben, die sich auf die Rhederel, insbesondere auf das Schiff, die NRelle und
die Ausrüstung beziehen; er muß ihm jederzeit die Einsicht der die Ahederel betreffenden
Bücher, Briese und Paplere gestatten.
Art. 466. Der Korrespondentrheder ist verpflichtet, jederzeit auf Beschluß der
UAbederei derselben Rechnung zu legen. Die Genehmigung der Rechnung und die Bil-
ligung der Verwaltung des Korrespondentrheders durch die Mehrheit hindert die Minder-
beit nicht, ihr Recht geltend zu machen.
Art. 467. Jeder Mlirheder hat nach Verhältniß selner Schiffspart zu den Aus-
haben der Rhederei insbesondere zu den Kosten der Ausrüstung und der Reparatur des
Schiffs beizutragen. 4
Il ein Mitrheder mlt Leistung selnes Beikrags in Verzug und wird bas Geld von
Mitrhedern für ihn vorgeschossen, so ist er deuselben von Nechtswegen zur Entrichtung
von Zinsen von dem Zeitpunkt der Vorschüsse an verpflichtet. Ob durch einen solchen
Vorschuß ein Pfandrecht an der Schif'spart des säumigen Mitrbeders erworben wird, ist
nach den Landesgeseten zu beurtheilen. Auch wenn ein Pfandrecht nicht erworben ist,
wird durch den Vorschuh ein versicherbares Interesse hinsichtlich der Schiffspart für dle
Mitrheder begründet. Im Fall der Versiherung dieses Interesse hat der säumige Mit-
theder die Kosen derselben zu ersehen.
Art. 468. Wenn eine neue Reise oder wenn nach Beendigung einer Hieise dle
NReparatur des Schiffs oder wenn die Befriedigung elnes Gläubigers beschlossen worden
ist, welchem die Nhederel nur mit Schist und Fracht hastek, so kann jeder Mitrheder, wel-
cher dem Beschlusse nicht zugestimmt hat, sich von der Leistung der zur Ausführung des-
selben erforderlichen Einzahlungen dadurch befrelen, dah er selne Schifsspart ohne Anspruch
auf Entgeld aufglebt. r
162
Der Mitrheder, welcher von dieser Besugniß Gebrauch machen will, muß dies den
Mltrhedern oder dem Korrespondentrheder innerhalb dreier Tage nach dem Tage des Be-
schlusses oder, wenn er bet der Veschlußfassung nicht anwesend und nicht vertreten war,
(unerhalb dreier Tage nach der Mitthellung des Beschlusses gerichtlich oder notariell kund geben.
Die aufgegebene Schisfspart fällt den übrigen Mitrhedern nach Verhältniß der Größe
ihrer Schiffsparten zu.
Art 469. Die Vertheilung des Gewinnes und Verlustes geschieht nach der Größe
der Schiffsparten. Die Berechnung des Gewinnes und Verlustes und die Auszahlung
des elwaigen Gewinnes erfolgt jedesmal, nachdem das Schiff in den Heimathshafen zu-
rückgekehrt ist, oder nachdem es in einem anderen Hafen seine Neise beendigt hat und
die Schiffomannschaft enllassen ist.
Außerdem müssen auch vor dem erwähnten Zeitpunkte die eingehenden Gelder, in-
soweit sie nicht zu späteren Ausgaben oder zur Deckung von Ansprüchen einzelner Mlt-
rheder an die Rhederet erforderlich sind, unter die einzelnen Mitglieder nach Verhäliniß
der Größe ihrer Schiffsparten vorläufig vertheilt und ausgezahlt werden.
Art. 470. Jeder Mitrheder kann seine Schiffspart jederzeit und ohne Einwillig=
ung der übrigen Mitrheder ganz oder theilweise veräußern.
Ein gesetliches Vorkaufsrecht steht den Mitrhedern nicht zu. Es kann jedoch die
Veräußerung einer Schiffspart, in Folge welcher das Schiff das Recht, die Landesflagge
zu führen, verlieren würde, rechtögültig nur mit Zustimmung aller Mitrheder erfolgen.
Die Landesgesehe, welche eine solche Veräußerung überhaupt für unzulässig erklären, wer-
den durch diese Bestimmung nicht berührt.
Art. 471. Der Mitrheder, welcher seine Schiffspart veräußert hat, wird, so lan-
ge die Veräuherung von ihm und dem Erwerber den Mitrhedern oder dem Korrespon-
dentrheder nicht augezeigt worden ist, im Verhältniß zu den Milrhedern noch als Mit-
theder betrachtet und bleibt wegen aller vor dieser Anzeige begründeten Verbindlichkeiten
als Mitrheder den übrigen Mitrhedern verhastet.
Der Eiwerber der Schissspart ist jedoch im Verhältniß zu den übrigen Mitrhedern
schon selt dem Zeilpunkte der Erwerbung als Mitrheder verpflichtet.
Er muß die Bestimmungen des Mbedereivertrags, die gesaßten Beschlüsse und ein-
gegangenen Geschäfte gleichwie der Veräußerer gegen sich gelten lassen; die übrigen Mit-
rheder können außerdem alle gegen den Veräußerer als Mitrheder begründeten Verbind-
lichkeiten in Bezug auf die versuherte Schiffspart gegen den Erwerber zur Aufrechnung
bringen, unbeschadet des Rechts des Lehteren auf Gewährleistung gegen den Veräußerer.
Art. 472. Eine Aenderung in den Teisonen der Mitrheder ist ohne Einfluß auf
den Fortbestand der Abhederei.
163
Wenn ein Mitrheder stirbt oder in Konkurs geraͤth oder zur Verwaltung selnes
Vermoͤgens rechtlich unfäͤhig wird, so hat dies die Aufloͤsung der Rhederei nicht zur Folge.
Eine Aufkündigung von Seiten eines Mitrheders oder eine Ausschließung eines
Mitrheders sindet nicht statt.
Art. 473. Die Auflösung der Rbederei kann durch Stimmenmehrheit beschlossen
werden. Der Beschluß, das Schiff zu veräußern, sieht dem Veschluß der Auflösung gleich.
Ist die Auslösung der Abederei oder die Veräußerung des Schiffs beschlossen, so
muß das Schiff öffentlich verkauft werden. Der Verkauf kann nur geschehen, wenn
das Schiff zu einer Reise nicht verfrachtet ist und in dem Heimatbshafen oder in einem
inländischen Hafen sich besindet. Ist jedoch das Schiff als reparaturunfähig oder repa-
raturunwürdig (Art. 444) kondemnirk, so kann der Verkauf desselben, auch wenn es ver-
frachtet ist, und selbst lm Ausland erfolgen. Soll von den vorflehenden Bestimmungen
abgewichen werden, so ist die Zustimmung aller Minrheder erforderlich.
Art. 474. Die Minbeder als solche hasten Drikten, wenn ihre persönliche Haft-
ung eintritt, nur nach Verhältniß der Größe ihrer Schiffsparten.
Ist eine Schiffspart veräußert, so hasten für die in der Zeit zwischen der Veräußer=
ung und der im Art. 471 erwähnten Anzelge etwa begründeten persönlichen Verbind-
lichkeiten rücksichtlich dieser Schiffspart sowohl der Veräußerer als der Erwerber.
Art. 475. Die Mitrheder als solche können wegen elnes jeden Anspruchs ehne
Uneerschied, ob dieser von einem Mitrheder oder von einem Dritten erhoben ist, vor dem
Gerichte des Heimathshafens (Art. 435) belangt werden.
Diese Vorschrift kemmt auch dann zur Anwendung, wenn die Klage nur gegen einen
Mitrheder oder gegen einige Mitrheder gerichtet ist.
Ar#. 476. Auf die Vereinigung zweier oder mehrerer Personen, ein Schif für
gemeinschaftliche Rechnung zu erbauen und zur Seefabrt zu verwenden, finden die Art.
457, 458, 467, der letztere mit der Maaßgabe Anwendung, daß er zugleich auf die Bau-
kosten zu bezieben is, desgleichen die Act. 172 und 471 und, sobald das Schiff vollen-
det und von dem Erbauer abgeliefert ist, außerdem die Art. 470, 471 und 473.
Der Korrefpondenubeder (Art. 459) kann auch schen vor Vollendung des Schiffs
bestellt werden; er bat in dirsem Falle sogleich nach seiner Bestellung in Bezug aus den
künstigen Rhedereibetrleb die Mechte und Pflichten eines Korrespondenteheders.
Art 477. Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerb durch dle Seefahrt
flr seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schif-
ser anverlrant, wird im Verhäliß zu Dritten als Aheder angeseben.
Der Eigenthümer kann denjenigen, welcher aus der Venvendung einen Anspruch als
Schiffogläubiger herleitet, an der Durchführung des Anspruchs nicht hindern, sofern er
21
164
nicht beweist, daß die Verwendung ihm gegenuͤber elne widerrechtliche und der Glaͤubiger
nicht in gutem Glauben war.
Dritter Titel.
Von dem Schiffer.
Art. 478. Der Führer des Schiffs (Schiffskapitän, Schiffer) ist verpflichter, bei
allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Ersüllung der von ihm auszuführenden
Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. Er haftet für jeden
durch seln Verschulden entstandenen Schaden, insbesondere für den Schaden, welcher aus
der Verletzung der in diesem und den folgenden Titeln ihm auferlegten Pflichten entsteht.
Art. 479. Diese Hastung des Schiffers besteht nicht nur gegenüber dem Rheder,
sondern auch gegenüber dem Befrachter, Ablader und Ladungsempfänger, dem Reisenden,
der Schiffsbesapung und demjenigen Schiffsgläubiger, dessen Forderung aus einem Kre-
ditgeschäft (Art. 497) entstanden ist, insbesondere dem Bodmereigläubiger.
Der Schisser wird dadurch, dah er auf Anweisung des Rheders gehandelt hat, den
übrigen vorgenannten Personen gegenüber von der Hastung nicht besreit.
Durch eine solche Anweisung wird auch der Rheder persönlich verpflichtet, wenn er
bei Ertheilung derselben von dem Sachverhältniß unterrichtet war.
Art. 480. Der Schiffer hat vor Antrilt der Reise dafür zu sorgen, daß das
Schiff in seetüchtigem Stande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, gehörig bemannt und
verproviankirt ist, und daß die zum Ausweis für Schiff, Besahung und Ladung erfor-
derlichen Paplere an Bord find.
Art. 481. Der Schiffer hat zu sorgen für die Tüchtigkeit der Geräthschaften zum
Laden und Löschen sowie für die gehsrige Stauung nach Scemannsbrauch, auch wenn
die Stauung durch besondere Stauer bewirkt wird.
Er hat dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht überladen und daß es mit dem ns-
thigen Vallast und der erforderlichen Garnirung versehen wird.
Art. 482. Wenn der Schisser im Ausland die dort geltenden gesetzlichen Vor-
schriften, insbesondere die Polizel-, Steuer= und Zollgesetze nicht beobachtet, so hat er den
daraus entsiehenden Schaden zu erseten.
Desgleichen hat er den Schaden zu erseßen, welcher daraus entsteht, daß er Güter
ladet, von welchen er wußte oder wissen mußte, daß sie Kriegskontrebande seien.
Art. 487. Sobald das Schiff zum Abgehen fertig ist, hat der Schiffer die Nelse
bel der ersten günstigen Gelegenhelt anzutreten.
Auch wenn er durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu
165
führen, darf er den Abgang oder die Weiterfahrt desselben nicht ungebührlich aufhalten;
er muß vielmehr, wenn Zeit und Umstände gestatten, dle Anordnung des Rheders eln-
zuholen, diesem ungesäumt die Verhinderung anzeigen und für die Zwischenzeit die ge-
eigneten Vorkchrungen trefsen, im entgegengesetzten Fall einen anderen Schiffek einsepen.
Für diesen Stellvertreter ist er nur insofern verankworllich, als ihm bei der Wahl dessel-
ben ein Verschulden zur Last füällt.
Vom Beginn des Ladens an bis zur Beendigung der Löschung darf der Schiffer
das Schiff gleichzeilig mit dem Steuermann nur in dringenden Fällen verlassen; er hat
in solchen Fällen zuvor aus den Schiffsoffizieren oder der übrigen Mannschaft einen ge-
eigneten Vertreter zu bestellen.
Dasselbe gilt auch vor Beginn des Ladens und nach Beendigung der Löschung,
wenn das Schiff in einem nicht sicheren Hafen oder auf einer nicht sicheren Rhede liegt.
Bei drohender Gefahr oder, wenn das Schiff in See sich befindet, muß der Schiffer
an Vord sein, sofern nicht eine dringende Nothwendigkeit seine Abwesenheit rechtfertigt.
Art. 48 5. Wenn eln Schiffer Iin Fällen der Gefahr mit den Schiffofsizieren ei-
nen Schiffsrath zu halten für angemessen befindet, so ist er glelchwohl an dle gefahten
Beschlüsse nicht gebunden; er bleibt stets für die von ihm getroffenen Maßregel verant-
worklich.
Art. 486. Auf jedem Schiff muß ein Journal geführt werden, in welches für
jede Reise alle erheblichen Vegebenheiten, seit mit dem Einnehmen der Ladung oder des
Ballastes begonnen ist, einzutragen sind.
Das Journal wird unter Aussicht des Schiffers von dem Steuermann und im Fall
der Verhinderung des Letteren von dem Schiffer selbst oder unter seiner Aussicht von
einem durch ihn zu bestimmenden geeigneten Schiffszmann geführt.
Art. 487. Von Tag zu Tag sind in das Journal einzutragen:
die Beschaffenheit von Wind und Wetter;
dle von dem Schiffe gehaltenen Kurse und zurückgelegten Distanzen;
die ermittelte Breite und Länge;
der Wasserstand bei den Vumpen.
Ferner sind in das Journal einzutragen:
die durch das Loth ermittelte Wossertiefe;
jedes Annehmen eines Lvotsen und die Zelt seiner Ankunft und seines Ab-
ganges;
die Veränderungen im Personal der Schiffsbelahung;
die im Schifforath gesahten Beschlüsse;
alle Unlälle, welche dem Schiff oder der Ladung zustoßen und die Beschrelbung
derselben.
166
Auch die auf dem Schifse begangenen strafbaren Handlungen und die verhängten
Disziplinarsirafen, sowie die vorgekommenen Geburts= oder Sierbesälle sind in das Jour-
nal einzutragen.
Die Eintragungen müssen, soweit die Umstände nicht hindern, täglich geschehen.
Das Journal ist von dem Schiffer und dem Steuermanu zu unterschreiben.
Art. 488. Das Journal, wenn es ordnungmäßig geführt und in der Form un-
verdächlig ist, liefert für die Begebenheiten der Reise, soweit darüber weder eine Verklar-
ung erforderlich (Art. 490) noch die Beibringung anderer Belege gebräuchlich ist, in der
Regel einen unvollständigen Beweis, welcher durch den Eid oder andere Beweismittel ergänzt
werden kann. Jekoch hat der Richter nach seinem durch die Erwägung aller Umstände
geleiteten Ermessen zu entschriden, ob dem Inhalt des Journals ein größered oder gerin-
geres Maaß der Beweiskraft beizulegen sei.
Art. 489. Die Landesgesehe können besiimmen, daß auf kleineren Fahrzeugen
(Küstenfahrer u. dgl) die Führung eines Journals nicht erforderlich sei.
Art. 490. Der Schiffer hat über alie Unfälle, welche sich auf der Reise ereignen,
sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffs oder der Ladung, das Einlau-
sen in einen Nothhafen oder einen sonstigen Nachtheil zur Folge haben, mit Zuzichung
aller Personen der Schiffsbesahzung oder einer genügenden Anzahl derselben eine Ver-
klarung abzulegen.
Die Verklarung ist ohne Verzug zu bewirken und zwar:
im Bestimmungshafen oder bel mehreren Bestimmungshäfen, in demjenigen, wel-
chrn das Schiff nach dem Unfalle zuerst erreicht;
im Nothhafen, sofern in diesem reparirt oder gelöscht wird;
am ersten geeigneten Orte, wenn die Reise endet, ohne daß der Bestimmungs-
basen erreicht wird.
Ist der Schiffer gestorben oder außer Stande, die Aufnahme der Verklarung zu be-
wirken, so ist hierzu der im Nange nächste Schiffsoffizier berechtigt und verpflichtet.
Art. 491. Die Verklarung muß einen Bericht über die erheblichen Begebenheiten
der Reise, namentlich eine vollständige und deutliche Erzählung der erlittenen Unfälle,
unter Angabe der zur Abwendung oder Verringerung der Nachtheile angewendeten Mit-
tel enthalten.
Art 492. Im Gebleke dieses Gesezbuches muß die Verklarung, unter Vorleg-
ung des Journals und eines Verzeschnisses aller Personen der Schiffsbesayung, bei
dem zuständigen Gericht angemeldet werden.
Das Gericht hat nach Eingang der Anmeldung so bald als thunlich die Verklar=
ung aufzunehmen.
107
Der dazu anberaumte Termin wird in geelgneter Welse öffentlich bekannt gemacht,
insofern die Umstände einen solchen Ausenthalt gestatten.
Die Interessenten von Schiff und Ladung sowie die etwa sonst bei dem Unfalle
Belbelligten sind berechtigt, selbst oder durch Vertreter der Ableyung der Verklarung bei-
zuwohnen.,
Die Verklarung geschieht auf Grundlage des Journales. Kann das geführte
Journal nicht beigebracht werden oder ist eln Journal nicht geführt (Art. 489), so ist
der Giund hievon angugeben.
Art. 493. Der Richter ist besugt, außer den gestellten noch andere Personen der
Schiffsbesatzung, deren Abhörung er angemessen findet, zu vernehmen. Er kann zum
Zweck besserer Aufklärung dem Schiffer sowohl als jeder anderen Person der Schiffs-
besahung geeignete Fragen zur Beantwortung vorlegen.
Der Schisser und die zugezogenen übrigen Personen der Schiffsbesatzung haben
ihre Aussagen zu beschwören.
Die über die Verklarung ausfgenommenc Verhandlung ist in Urschrift aufzubewah-
ren und jelem Betbeiligten auf Verlangen beglaubigte Abschrift zu ertheilen.
Art. 494. Die in Gemäßheit Art. 492 und 493 aufgenommene Verklarung lle-
fert vollen Beweis der dadurch beurkundeten Begebenheiken der Reise.
Jedem Betheiligten bleibt im Prozeß der Gegenbeweis vorbehalten.
Art. 495. echtsgeschäste, welche der Schisfer eingeht, während das Schiff im
Heimathshafen sich befindet, sind für den Rheder nur dann verbindlich, wenn der Schif-
fer auf Grund einer Vollmacht gehandelt hat, oder wenn ein anderer besonderer Ver-
pflichtungsgrund vorhanden ist.
Zur Annahme der Schiffsmannschaft ist der Schisser auch im Heimathshafen befugt.
Art. 496. Befindet sich das Schiff außerhalb des Heimathshafens, so ist der
Schissen Dritten gegenüber kraft seiner Anstellung befugt, für den Rheder alle Geschäfte
und Nechtshandlungen vorzunehmen, welche die Ausrüstung, Bemannung, Verproviantir-
n0a und Erhaltung des Schiffs, sowie überhaupt die Ausführung der Reise mit lich
ringen.
Diese Befugulß erstreckt sich auch auf die Eingehung von Frachtverträgen; lie er-
streckt sich senner auf die Ansiellung von Klagen, welche sich auf den Wirkungokreis des
Schiffers beziehen.
Art. 497. Zur Aufnahme von Darlehen, zur Elngehung von Käufen auf Vorg
sowie zum Abschluß ähnlicher Krcditgeschäfle ist sedoch der Schiffer nur daun befugt,
wenn es zur Erhaltung des Schiffe oder zur Ausführung der Reise nollwendig und nur
insoweit, als cs zur Befticdigung des Bedürfnisses erforderlich ist. Ein Bodmereige=
168
schaͤst ist er elnzugehen nur dann befugt, wenn es zur Ausfuͤhrung der Reise nothwen-
dig und nur insoweit, als es zur Befriedigung des Beduͤrfnisses erforderlich ist.
Die Gültigkeit des Geschäfts ist weder von der wirklichen Verwendung noch von der
Zweckmäßigkeit der unter mehreren Kreditgeschäften getroffenen Wahl noch von dem Um-
stande abhängig, ob dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden habe,
es sei denn, daß dem Dritten der böse Glaube bewiesen würde.
Art. 49.8. Auf den persönlichen Kredit des Aheders Geschäfte abzuschließen, lus-
besondere Wechselverbindlichkeiten für denlelben einzugehen, ist der Schlffer nur auf Grund
einer ihn hlerzu ermächtigenden Vollmacht (Ark. 452 Ziff. 1) besugt. Verhaltungsmaß-
regeln und dienstliche Anwelsungen, welche der Schiffer vom Mheder erhält, genügen nicht
die persönliche Haftung des Rheders dem Drilten gegenüber zu begründen.
Art. 499. Die Befugniß zum Verkauf des Schisfs hat der Schifler nur im Falle
dringender Nothwendigkeit, und nachdem dieselbe durch das Ortsgericht nach Anhörung
von Sachverständigen und mit Zuziehung des Landeskonsuls, wo ein solcher vorhanden,
festgestellt iü.
Ist keine Gerschtsbehörde und auch keine andere Behörde, welche die Untersuchung
übernimmt, am Orte vorhanden, so hat der Schiffer zur Rechtfertigung seines Verfah-
rens das Gutachten von Sachverständigen einzuholen und, wenn dles nicht möglich ist,
mit anderen Beweisen sich zu versehen.
Der Verkauf muß öffentlich geschehen.
Art. 500. Der Rheder, welcher die gesehlichen Besugnisse des Schlffers beschränkt
bat, kann dem Dritten die Nichtetnhaltug dieser Beschränkungen nur dann entgegensetzen,
wenn er beweist, daß dieselben dem Dritten bekannt waren.
Art. 501. Hat der Schiffer ohne besonderen Austrag für Rechnung des Nhe-
ders aus eigenen Mitteln Vorschüsse geleistet oder sich persönlich verpflichtet, so stehrn
ihm gegen den Rheder wegen des Ersatzes kelne größeren Rechte als einem Drltten zu.
Art. 502. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Schisfer in selner Eigenschaft
als Führer des Schiffs, sel es mit, sei es ohne Bezelchnung ded Mheders, innerhalb
seiner gesetzlichen Besugnisse gelchlossen hat, wird der Rheder dem Drütten gegenüber be-
rechtigt und die Hastung des Nheders mit Schiff und Fracht begründet.
Der Schiffer selbst wird dem Drikten durch das echtsgeschäft nicht verpflichtet,
es sei denn, dah er eine Gewährleistung für die Ersüllung übernommen oder seine Be-
suguisse überschritten hätte. Die Hastung des Schiffers nach Maaßgabe der Art. 478
und 479 wird hlerdurch nicht ausgeschlossen.
Art. 50 3. Auch dem Rheder gegenüber sind für den Umfang der Besugnisse des
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Schiifers die vorstehenden Artikel maaßgebend, soweit der Rheder dlese Besugnisse nicht
beschränkt hat.
Außerdem ist der Schifser verpflichtct, von dem Zustande des Schiffs, den Begeb-
nissen der Reisen, den von ihm geschlossenen Verrägen und den anhängig gewordenen
Prozessen den Rheder in sorklaufender Kenntniß zu erhalten und in allen erheblichen
Fällen, namenklich in den Fällen der Art. 497 und 499, oder wenn er elne Reise zu
ändern oder einzustellen sich genöthigt sindet, oder bei außergewöhnlichen Reparaturen
und Anschaffungen die Ertheilung von Verhalungsmaahregeln nachzusuchen, sofern die
Unstände es gestatten. «
Zu außergewöhnlichen Reparaturen und Anschaffungen, selbst wenn er sie mit den
ihm zur Verfügung stehenden Miteln des Rheders bestreiten kann, darf er nur im Falle
der Nolhwendigkeit schrelten.
Wenn er das zur Bestreitung eines Bedürfnisses nöthige Geld nicht anders sich
verschaffen kann als entweder durch Bodmerei oder durch den Verkauf von entbehrlichem
Schiffözubehör oder durch den Verkauf von entbehrlichen Schiffsvorräthen, so hat er die-
jenige Maaßregel zu ergreifen, welche für den Rheder mit dem geringsten Nachthell ver-
bunden ist. «
EklllllßkklllNbcdckllachdkkkllückkchtindaneimathdhafcnundaußerdem,so
oft es verlangt wird, Rechnung legen.
Art. 504. Im Interesse der Ladungsbetheiligten hat der Schiffer während der
Meise zugleich für das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu lragen.
Werden zur. Abwendung oder Verringerung eines Verlustes besondere Maahregeln
erforderlich, so liegt ihm ob, das Interesse der Ladungsbetheiligten als Vertreter derfel-
ben wahrzunehmen, wenn thunlich deren Anweisungen einzuholen und, insoweit es den
Verhälinissen ensspricht, zu befolgen. sonst aber nach elgenem Ermessen zu verfahren und
überhaupt thunlichst dafür zu sorgen, dah die Ladungsbetheillgten von solchen Vorfällen
und den dadurch veranlaßten Maahregeln schleunigst in Kenniniß gesetzt werden.
Er ist in solchen Fällen namentlich auch berechtigt, die Ladung ganz oder zum Theil
zu löschen, äußerstenfalls, wenn ein erheblicher Verlust wegen drohenden Verderbs oder
aus sonstigen Gründen anders nicht abzuwenden ist, zu verkaufen oder behufs Beschaff-
ung der Minel zu ihrer Erhaltung und Weiterbeförderung zu verbodmen, sowie im Falle
der Anhaliung oder Aufbringung zu reklamiren oder, wenn sie auf andere Weise seiner
Verfügung entzogen i#s, ihre Wiedererlangung außergerthhtlich und gerichtlich zu betreiben.
Art. 505. Wird die Fo#tsezung der Reise in der ursprünglichen Richtung durch
einen Zufall verhindert, so isi der Schiffer befugt, die Reise entweder in einer anderen
Nichtunz fortzusetzen oder dieselbe auf kürzere oder längere Zeit einzustellen oder nach
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170
dem Abgangshafen zurückzukehren, je nachdem es den Verhältnissen und den möglichst zu
berücksichtigenden Anweisungen entspricht.
Im Falle der Auflösung des Frachtvertrags hat er nach den Vorschriften des Art.
634 zu verfahren.
Art. 506. Auf den persönlichen Kredit der Ladungsbetheiligten Geschäfte abzu-
schließen, ist der Schiffer auch in den Fällen des Art. 504 nur auf Grund einer ihn
biezu ermächtigenden Vollmacht befugt.
Art. 507. Außer den Fällen des Art 504 ist der Schiffer zur Verbodmung der
Ladung oder zur Verfügung über Ladungstheile durch Verkauf oder Verwendung nur
dann befugt, wenn und iusoweit es zum Zweck der Fortsebung der Reise nokhwendig ist.
Art. 508 Gründet sich das Bedürfniß in einer großen Haverei und kann der
Schisser demselben durch verschiedene Maaßregeln abhelfen, so hat er diejenige Maaßregel
zu ergreifen, welche für die Betheiligten mit dem geringsten Nachtheil verbunden ist.
Art. 50 9. Liegt der Fall einer großen Haverei nicht ver, so ist der Schiffer zur
Verbodmung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungstheile durch Verkauf oder
Verwendung nur dann befugt, wenn er dem Bedürfniß auf anderem Wege nicht abhel-
sen kann, oder wenn die Wahl eines anderen Mittels einen unverhältnißmäßigen Scha.
den für den Rbeder zur Folge haben würde.
Auch in diesen Fällen kann er die Ladung uur zusammen mit dem Schiff und der
* verbodmen (Art. 681. Abs. 2).
Er hat die Verbodmung vor dem Verkauf zu wählen, es sel denn, daß die Ver-
bodmung einen unverhältnihmähigen Schaden für den Aheder zur Folze haben würde.
Art. 510. Die Verbodmung der Ladung oder die Verfügung über Ladungstheile
durch Verkauf oder Verwendung wird in den Fällen des vorstehenden Arlikels als ein
für Rechnung des Rheders abgeschlossenes Kreditgeschäft (Art. 197 und 757 Ziffer 7)
angesehen.
Art. 511. In Bezug auf die Gültigkeit der in den Fällen der Art. 504 und
507—509 von dem Schiffer abgeschlossenen Nechisgeschäfte kommen die Vorschriften des
Art. 497 zur Anwendung.
Art. 512. Zu den Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Schiffer nach
den Art. 495, 196, 197, 199, 504, 507—509 vorzunehmen befugt ist, bedarf er der
in den Landesgesetzen etwa vorgeschriebenen Spezialvollmacht nicht.
rt. 513. Was der Schiffer vom Befrachter, Ablader oder Ladungsempfänger
außer der Fracht als Kaplaken, Prlmage oder sonst als Belohnung oder Entschädigung
bleichviel unter welchem Namen erhält, muß er dem Rheder als Einnahme in Nechnung
bringen.
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Art. 514. Der Schiffer darf ohne Einwilligung des Rheders für eigene Rechnung
keine Güter verladen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so muh er dem Rheder
die höchsic am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene
Fracht erstatten, unbeschadet des Rechis des Uheders, einen erweislich höheren Schaden
geltend zu machen.
Art 515. Der Schisser kann, selbst wenn das Gegentheil vereinbart ist, jederzeit
von dem Uheder entlassen werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche.
Art. 516. Erfolgt die Entlassung, weil der Schiffer untüchtig besunden ist, oder
weil er seiner Pflicht nicht genügt, so erhält er nur dasjenige, was er von der Heuer
einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile bis dahln verdient hat.
Art. 517. Wenn ein Schiffer, welcher für eine bestimmte Reise angesiellt ist, ent-
lassen wird, weil die-Heise wegen Krieg, Embargo oder Blokade oder wegen eines Ein-
fuhr- oder Ausfuhrverbots oder wegen eines anderen Schiff oder Ladung betreffenden Zu-
falls nicht angetreten oder fortgeseht werden kann, so erhält er gkeichfalls nur dassenige,
was er von der Heuer einschlleßlich aller sonst bedungenen Vortheile bis dahin verdlent
hat. Dasselbe gilt, wenn ein auf unbestimmte Zeit angesiellter Schiffer entlassen wird,
nachdem er die Ausführung einer bestimmen Reise übernommen hat.
Erfolgt in diesen Fällen die Entlassung während der Reise, so hat der Schiffer
außerdem nach seiner Wahl entweder auf freie Zurückbesörderung nach dem Hafen, wo
er geheuert worden ist, oder auf eine entsprechende Vergütung Anspruch.
Wenn nach den Bestimmungen dieses Gesehbuchs ein Anspruch auf freie Zurückbe-
förderung begründet ist, so umfaßt derselbe auch den Unterhalt während der Reise.
Art. 518. Wlrd eln Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist, aus an-
deren als den in den Art. 516 und 517 angeführten Gründen entlassen, nachdem er
die Ausführung einer bestimmten Reise übernommen hat, so erhält er außer demjenigen,
was ihm nach den Bestimmungen des vorigen Artikels gebührt, als Entschädigung noch
die Heuer für zwei oder vier Monate, je nachdem die Entlassung in einem europäischen
oder in einem nichteuropäischen Hafen erfolgt ist. Jedoch erhält er in keinem Falle mehr,
als er erhalten haben würde, wenn er die Reise zu Ende geführt hätte.
Arl. 519. War die Heuer nicht zeitweise, sondern in Bausch und Bogen für die
ganze Reise bedungen, so wird in den Fällen der Art. 516—518 die verdlente Heuer
mit Rücksicht auf den vollen Heuerbetrag nach Verhältniß der geleisieten Dienste, sowie
des elwa zurückgelegten Theils der Reise besimmt. Zur Ermittelung der im Art. 518.
erwähnten Heuer für zwei oder vier Monate wird die durchschnittliche Dauer der Reise
einschließlich der Ladungs= und Löschungszeit unter Berücksichtigung der Beschaffenheit
25°
172
des Schiffs in Ansatz gebracht und danach die Heuer für die zwei oder vier Monate
berechnet
Art. 520. Endet die Rückreise des Schiffs nicht in dem Heimathshafen und war
der Schiffer für die Aus= und Rückreise oder auf unbestimmte Zeit angestellt, so hat der
Schisser Anspruch auf sreie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden
ist, und auf Fortbezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl auf eine
emsprechende Vergütung.
Art. 52 1. Der Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist, muß, sobald
er eine Reise angetreten hal, in dem Dienst verbleiben, bis das Schiff in den Heimaths-
hafen oder in einen inländischen Hafen zurückgekehrt und die Entlöschung erfolgt ##.
Er kann jedoch seine Entlassung fordern, wenn seit der ersten Abreise zwei oder
drei Jahre verflossen sind, je nachdem das Schiff zur Zeit der Aufkündlgung in einem
europälschen oder in einem nichteuropäischen Hafen üch befindet. Er hat in einem sol-
chen Falle dem Rheder die zu seiner Ersetung erforderliche Zeit zu gewähren und den
Dienst inzwischen fortzuseten, jedenfalls die laufende Reise zu beendigen.
Hat der Rheder sofort nach der Kündigung die Rückreise angeordnet, so muß der
Schiffer das Schiff zurückführen.
Art. 522. Die Schissspart, mit welcher der Schiffer auf Grund einer mit den
übrigen Rhedern getroffenen Vereinbarung als Mitrheder an dem Schiff betheiligt in
muß im Fall seiner unfreiwilligen Entlassung auf sein Verlangen von den Mitrhedern
gegen Auczahlung des durch Sachverständige zu bestimmenden Schäpungswerths über-
nommen werden. Dieses Recht des Schiffers erlischt, wenn er die Erklärung, davon Ge-
brauch zu machen, ohne Grund verzögert.
Arkl. 523. Falls der Schisser nach Antritt der Reise erkrankt oder verwundet
wird, so trägt der Rheder die Kosten der Berpflegung und Heilung:
1) wenn der Schiffer mit dem Schiffe zurückkehrt und die Rückreise in dem Hei-
mathshafen oder in dem Hafen endet, wo er geheuert worden ist, bis zur Be-
endigung der Nückreise;
2) wenn er mit dem Schiffe zurückkehit und die Reise nicht in einem der genann-
ten Häfen endet, bis zum Ablauf von sechs Monaten seit Beendigung der
Rückreise;
3) wenn er während der Neise am Lande zurückgelassen werden mußte, bis zum Ab-
lauf von sechs „Monaten seit der Weiterreise des Schiffs.
Auch gebührt ihm in den beiden letzteren Fällen freie Zuräckzesörderung (Art. 517)
oder nach seiner Wahl eine entsprechende Vergütung.
Die Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vorthelle bezieht der nach Antritt
173
der Reise erkrankte oder verwundete Schiffer, wenn er mit dem Schlffe zurückkehrt, bis
zur Beendigung der Rückreise, wenn er am Lande zurückgelassen werden mußte, bis zu
dem Tage, an welchem er das Schiff verläßt
Ist der Schiffer bei Vertheldigung des Schiffs beschädigt, so bat er überdies auf
eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter zu bestimmende Belohnung Anspruch.
Art. 524. Stirbt der Schiffer nach Antritt des Dienstes, so hat der Rheder die
bis zum Todestage verdiente Heuer einschließlich aller sonst bedungenen Vortheile zu ent-
richten; ist der Tod nach Ankritt der Reise erfolgt, so hat der Rheder auch die Beer-
digungskosten zu tragen.
Wird der Schiffer bei Venkbeidigung des Schiffs getödtet, so hat der Rheder über-
dies eine angemessene, erforderlichenfalla von dem Richter zu bestimmende Belohnung zu
ahlen.
* Art 525 Auf die in den Art. 523 und 524 tezeichneten Forderungen findet
die Vorschrist des Art. 153 gleichfalls Anwendung.
Art. 526. Auch nach dem Verlust des Schisso ist der Schiffer verpflichter, noch
für die Verklarung zu sorgen und überhaupt das Interesse des Reders so lange wahr-
zunehmen, als es erforderlich ist. Er hat aber auch für diese Zeit Anspruch auf Fort-
bezug der Heuer und auf Erstattung der Kosten des Unterhalts. Für diese Heuer und
Unterhaltungskosten haftet der Reder persönlich. Außerdem behält der Schlffer, jedoch-
nur nach Maaßgabe des Ark. 453, Anspruch auf freie Zurückbeförderung (Art. 517)
oder nach seiner Wahl auf eine entsprechende Vergütung.
Art 527. Die Bestimmungen der Landesgesetze über die von dem Schiffer nach-
zuweisende Qualifikation werden durch dieses Gesepzbuch nicht berührt.
Vierter Titel.
Von der Schiffsmannschaft.
Art 528 Zur „Schiffsmannschaft“ werden auch die Schiffsoffkziere mit Ausschluß
des Schiffers gerechnet; desglelchen ist unter „Schistsmann“ auch jeder Schiffsofflzier
mit Ausnahme des Schiffers zu verstehen.
Art. 529. Die Bestimmungen des mit der Schiffsmannschaft abgeschlossenen Heu-
ervertrags sind tu die Musterrolle aufzunehmen.
Art. 530. Wird ein Schiffsmann erst nach Anfertigung der Musterrolle geheu-
ert, so gelten für ihn ln Ermangelung anderer Vertragsbestimmungen die nach Inhalr
der Musterrolle mit der übrigen Schiffsmannschaft getroffenen Abreden, insbesondere kann
er nur dieselbe Heuer fordern, welche nach der Musterrolle den übrigen Schisssleuten sel-
nes Ranges gebührt.
174
Art. 531. Die Verpflichtung der Schiffsmannschaft, an Vord zu kommen und
Schlstsdienste zu leisten, beginnt, wenn nicht ein Anderes bedungen ist, mit der Anmu-
sterung.
Von demselben Zeitpunkt an ist, in Ermangelung einer anderweitigen Abrede, die
Heuer zu zahlen.
Art. 532. Den Schiffsmann, welcher nach der Anmusterung dem Ankrikt oder
der Forisetzung des Dienstes sich entzieht, kann der Schisser zur Erfüllung seiner Pflicht
zwangsweise anhalten lassen.
Art. 533. Der Schiffsmann ist verpflichtet, in Ansehung des Schisssdienstes den
Anordnungen des Schiffers unweigerlich Gehorsam zu leisten und zu jeder Zeit alle für-
Schiff und Ladung ihm übertragenen Arbeiten zu verrichten.
Er isl der Disziplinargewalt des Schiffers unterworfen. Die näheren Bestimmungen
über die Disziplinargewalt des Schissers bleiben den Landesgesetzen vorbehalten.
Art. 534. Der Schiffsmann darf ohne Erlaubniß des Schiffers keine Güter an
Bord bringen. Jür die gegen dieses Verbot beförderten eigenen oder fremden Güter muß
er die höchsie am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedun-
gene Fracht erstatten, unbeschadet der Verpflichtung zum Ersah eines erweislich höheren
Schadens.
Der Schiffer ist auch befugt, die Güter über Bord zu werfen, wenn dieselben Schiff
oder Ladung gefährden.
Die Landesgesetze, welche die Uebertretung des Verbots mit noch anderen Nachthei-
len bedrohen, werden hierdurch nicht berührt. s
Akt.535.DekSchiffsmannisivekpflichtck,auscklangenbeide-Verkündung
mitzuwirken und seine Aussage eidlich zu bestärken.
Art. 536. Die Heuer isi dem Schiffsmann, sofern keine andere Vereinbarung ge-
troffen ist, erst nach Beendigung der Reise oder bei der Abdankung zu zahlen, wenn
diese früher erfolgt.
Ob und inwieweit vor dem Antritt und während der Reise Vorschußzahlungen und
Abschlagszahlungen zu leisien sind, bestimmen die Landesgesehe und in deren Ermangel-
ung der Ortsgebrauch des Heimathöhafens.
Art. 537. Der Schiffsmann darf den Schiffer vor einem fremden Gerscht nicht
belangen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so ist er nicht allein für den daraus
entstehenden Schaden verantwortlich, sondern er wird außerdem der bis dahin verdlenten
Heuer verlustig.
Er kann in Fällen, die keinen Aufschub leiden, die vorläufige Entscheidung des
Landeskonsuls oder desjenigen Konsuls, welcher dessen Geschäfte zu versehen berufen ist,
175
und in Ermangelung eines solchen die des Konsuls eines anderen deutschen Staates nach-
suchen.
Jeder Theil hat die Entscheidung des Kensuls einstweilen zu befolgen, vorbehaltlich
der Befugniß, nach Beendigung der Reise seine Rechte vor der zuständigen Behörde gel-
tend zu machen.
Art. 538. Der Schiffsmann ist verpflichtet, während der ganzen Reise einschließ
lich elwaiger Zwischenreisen bis zur Beendigung der Rückreise im Diensie zu verbleiben,
wenn in dem Heuewertrage nicht ein Anderes beslimmt ist.
Endet die Rückreise nicht in dem Heimathshafen, sa bat er Anspruch auf freie Zu-
rückbeförkerung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, und auf Fort-
bezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl auf eine entsprechende Ver-
gütung.
Art. 539. Ist nach Beendigung der Ausreise eine Zwischenreise beschlossen oder it
eine Zwischenreise beendigt, so kann der Schisfsmann seine Entlassung fordern, wenn seit
dem Dienstantritt zwei oder drei Jahre verflossen sind, je nachdem das Schiff in einem
europäischen oder in einem nlchteuropäischen Hafen sich besindet Bel der Entlassung ist
dem Schiffsmann die bis dahin verdiente Heuer, nicht aber eine weitere Vergitung zu
zablen.
Die Entlassung kann nicht gefordert werden, sobald die Rückreise angeordnet ist.
Art. 540. Der vorstehende Artikel findet keine Anwendung, wenn der Schiffs-
mann für eine längere Zeit sich verhenert hat.
Die Verheuerung auf unbestimmte Zeit oder mit der allgemelnen Bestimmung, daß
nach Beendigung der Ausreise der Dienst für alle Reisen, welche noch beschlossen werden
möchten, sortzusehen sel, wird als eine Verheuerung auf längere Zeit nicht angesehen.
Art. 541. In allen Fällen, in welchen ein Schiff länger als zwei Jahre aus-
wärts verweilt, kritt in Ermangelung elner anderweitlgen Abrede für den selt der Aus-
reise im Dienst besindlichen Schiffsmann eine Erhöhung der Heuer ein, wenn diese nach
Jeit bedungen ist.
Das Maaß der Erhöhung bestimmen die Landesgesetze.
Art. 542. Der Henervertrag endet, wenn das Schiff durch einen Zufall dem
Nbeder verloren geht, insbesondere
wenn es verunglückt,
wenn es als reparakurunfählg und reparaturunwürdig kondemnirt (Art. 444)
und in dem lehteren Fall ohne Verzug öffentlich verkauft wird,
wenn es geraubt wird,
wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute Prise erklärt wird.
Dem Schiffsmann gebührt aleodann nicht allein die verdiente Heuer, sondern auch
176
freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden iß, oder nach Wabl des
Schiffers eine entsprechende Vergütung.
Er blelbt verbunden, bei der Vergung gegen Fortbezug der Heuer Hülfe zu leisten
und bei der Verklarung gegen Zahlung der etwa erwachsenden Reise= und Versäumuißkosten
mitzuwi#ken Für dlese Kosten haftet der Rheder persönlich, im Uebrigen haftet er nur
nach Maaßgabe des Art. 453.
Art. 543. Der Schisser kann den Schiffsmann, abgesehen von den in dem Heu-
vertrag bestimmten Fällen, vor Ablauf der Dienstzelt entlassen:
1) so lange die Reise noch nicht angetreten ist, wenn der Schiffsmann zu dem
Dienst, zu welchem er sich verhenert hat, untauglich ist; wird die Untauglichkeit
erst später entdeckt, so ist der Schiffer befugt, den Schiffsmann, mit Ausschluß
des Steuermam#i#s, im Rang herabzusepen und seine Heuer verhälmißmäßig zu
verringern;
wenn der Schiffsmann eines groben Dienstvergehens, insbesondere des wieder-
holten Ungeborsams oder der fortgesehten Widerspenstigkeit, der Schmuggelei oder
einer mit schwerer Strafe bedrohten Handlung sich schuldig macht;
wenn der Schiffsmann mit einer syrhilitischen Krankheit behafiet ist oder wenn
er durch eine unerlaubte Handlung eine Krankheit oder Verwundung sich zuziebt,
welche ihn arbeitsunfähin macht;
wenn die Reise, für wesche der Schiffsmann gehenert war, wegen Krieg, Embargo“
oder Blokade oder wegen eines Ausfuhr= oder Einfuhrverbots oder wegen eines
anderen Schiff oder Ladung betreffenden Zusalls nicht angelreten oder fortgesetz
werden kann.
S
x
—
—
Art. 544. Dem Schiffsmann gebührt in den Fällen der Ziffern 1—3 des Art.
543. nicht mehr als die verdiente Heuer; in den Zällen der Zisser 4 hat er, wenn er
nach Antrikt der Reise enklassen, wird nicht allein auf die verdiente Heuer, sondern auch
auf freie Zurückbeförderung (Mt. 517) nach den Hasen, wo er geheuert worden itt, oder
nach Wahl des Schiffers auf eine entsprechende Vergütung Anspruch.
Die Landesgesetze, welche den Schiffsmann in Fähen der Pflichtverleyung (Ziffer
2) mit Verlust der verdienten Heuer bedrohen, werden durch die vorstehende Bestimmung.
nicht berührt.
Den Landesgeseten bleibt auch vorbehalten, noch aus anderen als den im Art. 543.
angefübrten Gründen die unfreiwillige Entlassung des Schiffsmanns ohne Entschädigung
oder gegen theilweise Entschädigung zu gestatten.
Art. 545. Der sür eine Reise geheuerte Schiffsmann, welcher aus anderen als
den in den Art. 543 und 544 erwähnten Gründen vor Ablauf des Heuewertrags ent-
17
lassen wird, behält, wenn die Entlassung vor Antritt der Reise erfolgt, als Entschädigung
die etwa empfangenen Hand= und Vorschußgelder, sowelt dieselben den üblichen Betrag
nicht überstegen.
Sind Hand= und Dorscnele nicht elngezahlt, so hat er als Enischädigung die
Heuer für einen Monat zu forde
Ist die Entlassung ern mach anr der Reise erfolgt, so erhält er auher der ver-
dienten Heuer noch die Heuer für zwei oder vier Monate, je nachdem er in einem euro-
päischen oder in einem nichteuropäischen Hafen entlassen ist, jedoch nicht mehr als er er-
balten haben würde, wenn er erst nach Beendigung der Reise entlassen worden wäre.
Außerdem hat er Anspruch auf freie Zurückbeförderung (Art. 517) nach dem Hasen,
wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Schiffers auf eine entsprechende Ver-
gütung.
Art. 546. Int die Heuer in Bausch und Vogen bedungen, so wird die verdiente
Ceuer (Art. 537, 539, 542, 544, 545) Und die ein-, zwei= oder viermonatliche Heuer
(Art. 545) nach Anleitung des Art. 519 berechnet.
Art. 547. Der Schiffsmann kann seine Entlassung fordern, wenn sich der Schis-
fer einer groben Verletzung seiner ihm gegen denselben obliegenden Pflichten, insbeson-
dere durch schwere Mißhandlung oder durch grundlose Vorenthaltung von Speise und
Trank schuldig macht.
Der Schiffsmann, welcher aus einem solchen Grunde seine Entlassung nimmt, hat
dleselben Ansprüche, welche für den Fall des Art. 545 bestimmt sind.
Dle Landesgesehe können beslimmen, ob und aus welchem anderen Gründen dem
Schiffomann das Recht, die Entlassung zu fordern, außerdem noch zuslebe.
In einem anderen Lande dark der Schiffsmann, welcher seine Entlassung fordert,
nicht ohne Genhmigung des zuständigen Konsuls (Art. 537) den Dienst verlassen.
Art 54 8. Falls der Schisssmann nach Antritt des Dienstes erkrankt oder verwun-
det wird, so trägt der Aheder die Kosien der Verpflegung und Heilung:
1) wenn der Schiffsmann wegen der Krankheit eder Verwundung die Reise nicht
antrint, bis zum Ablauf von drei Monaten seit der Erkrankung oder Ver-
wundung;
wenn er die Meise antitt und mit dem Schisfe nach dem Heimathahasen oder
dem Hafen, wo er geheuert worden ist, zurückkehrt, bis zum Ablauf von drei Mo-
naten seit der Rückkehr des Schisss;
wenn er die Reise antrikt und mit dem Schiffe zurückkehrt, die NRückreise des
Schiffs jeroch nicht in einem der genannten Häfen endet, bls zum Ablauf von
sechs Monaten seit der Rückkehr des Schifs;
w
4
178
4) wenn er während der Reise am Lande zurückgklassen werden mußte, bio zum Ab-
lauf von sechs Monaten seit der Weiterreise des Schiffs.
Auch gebührt dem Schiffsmann in den beiden letzteren Fällen freie Zurückbesörder-
derung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des
Rheders eine entsprechende Vergütung.
Art. 549. Die Heuer bezieht der erkrankte oder verwundete Schiffzmann:
wenn er die Relse ulcht antritk, bis zur Einstellung des Dienstes;
wenn er die Reise antritt und mit dem Schiffe zurückkehrt bis zur Beendig-
ung der Rückreise;
wenn er während der Reise am Lande zurückgelassen werden mußte, bis zu
dem Tage, an welchem er das Schiff verläßt.
Ist der Schiffsmann bei Vertheidigung des Schiffs beschädigt, so hat er überdics
auf eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter zu bestimmende Belohnung
Anspruch.
Art. 550. Auf den Schiffsmann, welcher die Krankheit oder Verwundung durch
elne unerlaubte Handlung sich zugezogen hat oder mit einer syphilitischen Krankheit be-
bastet is, finden die Art. 548 und 549 keine Anwendung.
Art. 551. Stlrbt der Schisssmam nach Antritt des Dienstes, so hat der Nheder
die bis zum Todestage verdiente Heuer (Art. 545) zu zahlen und die Beerdigungskosten
zu tragen. Wird der Schisssmann bei Vertheidigung des Schiffs getödter, so hat der
Aheder überdies eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter zu bestimmende Be-
lohnung zu entrichten.
Soweit der Nachlaß des während der Reise verstorbenen Schiffsmanns an Bord
sich besindet, hat der Schiffer für die Aufzeichnung und der Aufbewahrung sowie erfor-
derlichenfalls für den Verkauf des Nachlasses Sorge zu tragen.
Art. 5 52. Auf die in den Art. 548, 549 und 551 bezeichneten Forderungen
findet die Vorschrift des Art. 453 gleichfalls Anwendung.
Art. 553. Den Landesgeseyen bleibt vorbehalten, die Voraussepungen zu bestim-
men, ohne welche kein Schiffsmann wider seinen Willen in einem andern Lande zurück-
gelassen werden darf, sowie das Verfahren zu regeln, welches der Schisser im Falle einer
solchen Jurücklassung einhalten muß.
Art. 554, PDersonen, welche, ohne zur Schiffsmannschaft zu gehören, auf einem
Schiff als Maschinisten, Aufwärter oder in anderer Eigenschaft angestellt sind, haben,
sofern nicht durch Verkrag ein Anderes bestimmt ist, dieselben Rechte und Pflichten, welche
in diesem Titel in Ansehung der Schiffsmannschaft festgesept find.
179
Es macht hierbel kelnen Unterschled, ob sie von dem Schiffer oder Rheder ange-
nommen worden sind.
Art. 555. Der dem Schiffsmann als Lohn zugestandene Authell an der Fracht
oder an dem Gewinn wird als Heuer im Sinne dieses Tittels nicht angesehen.
Art. 556. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, sowohl in Ansehung des im
vorhergehenden Artikel erwähnten Lohnverhältnisses als in anderen Beziehungen die Vor-
schriften dieses Tilels zu ergänzen.
Fünfter Titel.
Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.
Art. 557. Der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern bezieht sich entweder
1) auf das Schiff im Ganzen oder einen verhältnißmäßigen Theil oder einen be-
stimmt bezeichneten Naum des Schisss oder
2) auf einzelne Güter (Stückgüter).
Art. 558. Wird das Schiff im Ganzen oder zu einem verhältnißmäßigen Theil
oder wird eln bestimmt bezeichneter Raum des Schiffs verfrachtet, so kann jede Partei
verlangen, daß über den Vertrag eine schriftliche Urkunde (Charteparkie) errichtet werde.
Art. 559. In der Verfrachtung eincs ganzen Schiffs ist die Kajüte nicht ein-
begriffen; es dürsen jedoch in dieselbe ohne Einwilligung des Befrachters keine Güter
verladen werden.
Art. 560. Bei jeder Art von Frachtertrag (Art. 557) hat der Verfrachter das
Schiff in sectüchtigem Stande zu liefern.
Er hastet dem Befrachter für jeden Schaden, welcher aus dem mangclhasten Zu-
stand des Schisss entsteht, cs sei denn, daß die Mängel aller Sorgsalt ungeachtet nicht
zu entdecken waren.
Art. 56 1. Der Schisfer hat zur Einnahme der Ladung das Schiff an den vom
Befrachter oder, wenn das Schiss an Mehrere verfrachtet ist, von sämmtlichen Befrachtern
ihm angewiesenen Plah hinzulegen.
Jenn die Anweisung nicht rechtzeitig erfolgt, oder wenn von sämmtlichen Befrach-
len nicht derselbe Plap angewiesen wird, oder wenn die-Wassertiefe, die Sicherhett des
Schiffs oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Auweis=
ung nicht gestatten, so muß der Schiffer an dem ortsüblichen Ladungsplah anlegen.
Art. 562. Sofern nicht durch Vertrag oder durch die örtlichen Verordnungen
des Abladungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Orts-
gebrauch ein Anderes bestimmt ist, müssen die Güter von dem Befrachter kostenfrei bis
an das Schiff geliefert, dagegen die Kosten der Einladung derselben in das Schiff von
dem Verfrachter getragen werden.
180
Art. 563. Der Verfrachter muß stalt der vertragsmählgen Guͤter andere, von
dem Befrachter zur Verschiffung nach demselben Veslimmungshafen tihm angebotene Güter
annehmen, wenn dadurch seine Lage nlcht erschwert wird.
Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Güter im Vertrag nicht blos
nach Art oder Gattung, sondern spezlell bezeichnet sind.
Art. 564. Der Befrachter oder Ablader, welcher die verladenen Güter unrichtig
bezeichnet oder Kriegskontrebande oder Güter verladet, deren Aussuhr oder deren Ein-
fuhr in den Bestimmungshafen verboten ist, oder welcher bei der Abladung die geseßli-
chen Vorschriften, insbesondere die Poligei= Steuer= und Zollgesetze übertrikt, wird, inso-
sern ihm dabei ein Verschulden zur Last fällt, nicht blong dem Verfrachter, sondern auch
allen übrigen im ersten Absaß des Art. 479 bezeichneten PVersonen für den durch sein
Versahren veranlaßten Aufenthalt und jeden anderen Schaden verandwortlich.
Dadurch, dah er mit Genehmigung des Schiffers gehandelt hat, wird seine Verant-
wortlichkeit den übrigen Personen gegenüber nicht ausgeschlossen.
Er kann aus der Konfiskation der Güter keinen Grund herleiten, die Zahlung der
Fracht zu vewweigern.
Gefährden die Güter das Schiff oder die übrige Ladung, so ist der Schiffer be-
sugt, dieselben ans Land zu sehen oder in dringenden Fällen über Bord zu werfen.
Art. 56 5. Auch derjenige, welcher ohne Wissen des Schiffers Gütk an Bord
bringt, ist nach Maaßgabe des vorigen Artikels zum Ersaß des daraus entslehenden Scha-
dens verpflichtet. Der Schiffer ist besugt, solche Güter wieder and Land zu seten oder,
wenn sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden, nöthigenfalls über Bord zu wer-
sen. Hat der Schiffer die Güter an Bord behalten, so muß dafür die höchste am Ablad-
ungsort zur Abladungszeit für selche Reisen und Güter bedungene Fracht bezahlt werden.
Art. 566. Der Verfrachter ist nicht befugt, ohne Erlaubniß des Befrachters die
Güter in ein anderes Schiff zu verladen. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, fo ist
er für jeden Schaden verantwortlich, in Ansehung dessen er nicht beweist, daß derselbe auch
dann entstanden und dem Befrachter zur Last gefallen sein würde, wenn die Güter nicht in
ein anderes Schiff verladen worden wären.
Auf Umladungen in ein anderes Schiff, welche in Fillen der Noth nach Antritt der
Neise erfolgen, sindet dieser Artikel keine Anwendung.
Art. 567. Ohne Genehmigung des Abladers dürfen dessen Güter weder auf das
Verdeck verladen noch an die Seilen des Schiffs gehängt werden.
Den Landesgesehen bleibt vorbehalten, zu bestlimmen, daß in Ansehung der Küsten-
schifffahrt die vorstehende Vorschrift, so weit sie auf die Beladung des Verdecko sich bezieht,
keine Anwendung finde.
181
Art. 568. Bei der Verfrachtung eines Schiffs im Ganzen hat der Schiffer, so-
bald er zur Elnnahme der Ladung fertig und berelt ist, dies dem Befrachter anzuzeigen.
Mit dem auf die Anzeige folgenden Tag beginnt die Ladezeit.
Ueber die Ladezeit hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch länger zu
warten, wenn es vereinbart ist (Ueberliegezeit.)
Für die Ladezeit kann, sofern nicht das Gegentheil bedungen ist, keine besondere
Vergütung verlangt werden. Dagegen muh der Befrachter dem Verfrachter für die Ueber-
liegezeit eine Vergütung (Liegege à) gewähren.
Art. 569. AM die Dauer der Ladezeit durch Vertrag nicht festgesetzt, so wird sie
durch die örllichen Verordnungen des Abladungshafens und in deren Ermangelung durch
den dalelbst bestehenden Ortsgebrauch bestimmt. Besteht auch ein solcher Ortsgebrauch
nicht, so gilt als Ladezeit eine den Umständen des Falls angemessene Frist.
Ist eine Ueberliegezeit, nicht aber deren Dauer durch Vertrag bestimmt, so beträgt
die Ueberliegezeit vierzehn Tage.
6 Enthäll der Vertrag nur dle Feslsehung eines Liegegeldes, so ist anzunehmen, daß
eine Ueberliegezeit ohne Bestimmung der Dauer vereinbart sei.
Art. 570. In die Dauer der Ladezeit oder der Tag, mit welchem dicselbe enden
soll, durch Verlrag bestimmt, so beginnt die Ueberliegezeit ohne Weiteres mit dem Ab-
lauf der Ladezeit. "
In Ermangelung einer solchen vertragsmäßigen Bestimmung beginnt die Ueberliege-
zeit erst, nachdem der Verfrachler dem Befrachter erklärt hat, dahß die Vadczeit abgelau-
sen sei. Der Verfrachter kann schen innerhalb der Ladezeit dem Befrachler erklären, an
welchem Tage er die Ladezeit für abgelaufen halte. In diesem Falle ist zum Ablauf der
Ladezeit und zum Veginn der Ueberliegezeit eine neue Erklärung des Verfrachters nicht
erforderlich.
Art. 571. Nach Ablauf der badezeit oder, wenn eine Ueberliegezeit vereinbart ist,
nach Ablauf der Ueberliegezeit isi der Verfrachter nicht verpflichtet, auf die Abladung noch
länger zu warten. Er muß jedoch seinen Willen, nicht länger zu warten, spätestens drei
Tage vor Ablauf der Ladezeit oder der Ueberliegezeit dem Befrachter erklären.
I dies nicht geschehen, so läuft die Ladezeit oder Ueberliegezeit nicht eher ab, als
bis die Erklärung nachgeholt ist und seit dem Tage der Abgabe derselben drei Tage
verstrichen sind.
Die in diesem Artikel erwähnten drei Tage werden in allen Fällen als ununter-
brochen sortlaufende Tage nach dem Kalender gezählt.
Art. 572. Die in den Ar 570 und 571 erwähnten Erklärungen des Ver-
frachters sind an keine besondere Form gebunden. Weigert sich der Befrachter, den Em-
182
pfang einer solchen Erklärung in genügender Weise zu bescheinigen, so ist der Verfrach-
ter befugt, eine öffentliche Urkunde darüber auf Koslen des Befrachters errichten zu lassen.
Art. 57 3. Das Liegegeld wird, wenn es nicht durch Vertrag bestimmt ist, von
dem Richter nach billigem Ermessen, nöthigenfalls nach Anhörung von Sachverständigen
fesigesegt.
Der Richter hat hierbei auf die näheren Umstände des Falls, insbesondere auf die
Heuerbeträge und Unterhaltskosien der Schiffsbesahung sowie auf den dem Verfrachter
entgehenden Frachtverdienst Rücksicht zu nehmen.
Art. 574. Bei Berechnung der Lade- und Ueberliegezeit werden die Tage in
ununterbrochen fortlaufender Reihenfolge gezählt; insbesondere kommen in Ansag die
Sonn= und Feiertage sowie diejenigen Tage, an welchen der Befrachter durch Zufall die
Ladung zu liesern verhindert ist.
Nicht in Ansatz kommen jekoch die Tage, an welchen durch Wind und Wetter oder
durch irgend cinen anderen Zufall entweker
4) die Lieferung nicht nur der bedungenen sondern jeder Art von Ladung an das
Schiff oder
2) die Uebernahme der Ladung
verbindert is.
Art. 575. Für die Tage, während welcher der Verfrachter wegen Verhinderung.
der Lieferung jeder Art von Ladung hat länger warten müssen, gebührt ihm Liegegeld,
selbst wenn die Verhinderung während der Ladezeit eingetreten ist. Dagegen ist für die
Tage, während welcher er wegen Verhinderung der Uebernahme der Ladung hat länger
warten müssen, Liegegeld nicht zu entrichten, selbst wenn die Verhinderung während der
Ueberliegezeit cingetreten ist.
Art. 576. Sind für die Dauer der Ladezeit nach Art. 569 die örtlichen Ver-
ordnungen oder der Ortsgebrauch maahgebend, so kommen bei Berechnung der Ladczeit
die belden vorstehenden Artikel nur insoweit zur Anwendung, als die örtlichen Verord-
nungen oder der Ortsgebrauch nichts Abweichendes bestimmen.
Art. 577. Hat der Verfrachter sich ausbedungen, daß die Abladung bis zu einem
bestimmten Tage beendigk sein müsse, so wird er durch die Verhinderung der Lieferung
seder Art von Ladung (Art. 574 Ziff. 1) zum längeren Warten nicht verpslichtel.
Art. 578. Soll der Verfrachter die Lakung von einem Dritten erhalten, und ist
dieser Dritte ungeachtet der von dem Verfrachter in ortennblicher Weise kundgemachten Be-
reitschaft zum Laden nicht zu ermitteln eder verweigert er die Lieserung der Ladung, so
bat der Verfrachter den Befrachter schleunigst hiervon zu benachrichtigen und nur bis
zum Ablauf der Ladezelt, nicht auch während der eiwa vereinbarten Ueberliegezeit auf
182
die Abladung zu warten, es sei denn, daß er von dem Befrachter oder einem Bevoll-
mächtigten desselben noch innerhalb der Ladezeit eine entgegengesete Anweisung erhält.
Ist für die Ladczeit und die Löschzeit zusammen eine ungetheilte Frist bestimmt, so
wird für den oben erwähnten Fall die Hälfte dieser Frist als Ladezeit angesehen.
Art. 579. Der Verstachter muß auf Verlangen des Befrachters die Reise auch
ohne die volle bedungene Ladung antreten. Es gebührt ihm aber alsdann nicht allein
die vollc Fracht und das etwaige Liegegeld, sondern er ist auch berechtigt, insoweit ihm
durch die Unvollständigkeit der Ladung die Sicherheit für die volle Fracht entgebt, die
Bestellung einer andenveitigen Slcherheit zu fordern. Außerdem sind ihm die Mehrko-
sten, welche in Folge der Unvollständigkeit der Ladung ihm etwa erwachsen, durch den
Befrachter zu erstatten.
Art. 580. Hat der Befrachter bis zum Ablauf der Zeit, während welcher der
Verfrachter auf die Abladung zu warten verpflichtet ist (Wartezeit), die Abladung nicht
vollständig bewirkt, so ist der Verfrachter befügt, sofern der Befrachter nicht von dem Ver-
trage zurücktritt, die Reise anzutreten und die im vorstehenden Artikel bezeichneten For-
derungen geltend zu machen.
Art. 581. Der Befrachter kann vor Antritt der Reise, sei diese eine einfache oder
zusammengesetzte, von dem Vertrage unter der Verpflichtung zurücktreten, die Hälfte der
bedungenen Fracht als Fautfracht zu zahlen.
Bei Anwendung dieser Bestimmung wird die Reise schon dann als angetreten er-
achtet,
1) wenn der Befrachter den Schiffer bereils abgefertigt hat;
2) weun er die Ladung bereits ganz oder zum Theil geliesert hat und die Warte-
zeit verstrichen ist.
Art. 582. Macht der Befrachter von den im vorstehenden Artikel bezeichneten
Rechte Gebrauch, nachdem Ladung geliefert ist, so muß er auch die Kosten der Einlad-
ung und Wiederausladung tragen und für die Zeit der mit möglichster Beschleunigung
zu bewirkenden Wiederausladung, soweit sie nicht in die Ladezeit fällt, Liegegeld (Arr.
573) zahlen.
Der Verfrachter ist verpflichtet, den Ausenthalt, welchen die Wiederausladung ver-
ursacht, selbst dann sich gefallen zu lassen, wenn dadurch die Wartezeit überschrinen wird
wogegen ihm für die Zeit nach Ablauf der Wartezeit Liegegeld und der Ersatz des durch
Ucberschreitung der Wartezeit entstandenen Schadens gebührt, soweit der letztere den Be-
trag dieses Liegegeldes erweislich übersteigt.
Art. 583. Nachdem die Neise im Sinne des Ark. 581 angetreten ist, kann der
Vefrachter nur gegen Berichtigung der vollen Fracht sowie aller sonstigen Foxderungen
184
des Verfrachters (Art. 615) und gegen Berichtlgung oder Sicherstellung der im Art.
öls bezeichneten Forderungen von dem Vertrage zurücktreten, und dle Wiederausladung
der Güter fordern.
Im Fall der Wiederausladung hat der Befrachter nicht nur die hierdurch entstan-
denen Mehrkosten, sondern auch den Schaden zu ersepen, welcher aus dem durch die Wle-
derausladung verursachten Aufenkhalt dem Verfrachter entsteht.
Zum Zweck der Wiederausladung der Güter die Reise zu ändern oder einen Hafen
anzulaufen, ist der Verfrachter nicht verpflichtet.
Art. 584. Der Befrachter ist statt der vollen Fracht nur zwel Drittel derselben
als Fankfracht zu zahlen verpflichtet, wenn das Schiff zugleich auf Rückladung verstach-
tet ist oder in Ausführung des Vertrags zur Einnahme der Ladung eine Fahrt aus ei-
nem onderen Hafen zu machen hat, und wenn in diesen beiden Fällen der Näcktritt frü-
her erklärt wird, als die Rückreise oder die Reise aus dem Abladungshafen im Sinne
des Art. 581 angerreten ist.
Art. 585. Bei anderen zusammengesetzten Reisen erhält der Verfrachter, wenn
der Befrachter den Rücklritt erklirt, bevor in Bezug auf den letzten Relseabschnitt die
Reise im Sinne des Art. 581 angetreten ist, als Fautfracht zwar die volle Fracht, es
kommt von dieser jedoch eine angemessene Quote in Abzug, sofern die Umstände die An-
nahme begründen, daß der Verfrachter in Folge der Aufhebung des Vertrags Kosten er-
srart und Gelegenheit zu anderweitigem Frachkverdienst gehabt habe.
Können sich dle Parkeien über die Zulisigkeit des Abzugs oder die Höhe desselben
nicht einlgen, so entscheidet darüber der Richter nach billigem Ermessen.
Der Alzug darf in keinem Falle die Hälfte der Fracht übersleigen.
Art. 586. Hat der Befrachter bis zum Ablauf der Wartezeit keine Ladung ge-
lieferk, so ist der Verfrachter an seine Verpflichtungen aus dem Vertrage nicht länger ge-
bunden, und befugt, gegen den Befrachter dieselben Ansprüche geltend zu machen, welche
ihm zugestanden haben würden, wenn der Befrachter von dem Vertrage zurückgerreten
wäre (Art. 581, 584, 585.).
Art. 587. Auf die Fautfracht wird die Fracht, welche der Verfrachter für andere
Ladungsgüter erhält, nicht angerechnet.
Durch diese Bestimmung wird jedoch die Vorschrift im ersten Absatz des Art. 585
nicht berührt.
Der Anspruch des Verfrachters auf Fautfracht in nicht davon abhängig, daß er die
im Vertrage bezelchnete Reise ausführt.
Durch die Faulfracht werden die Ansprüche des Verfrachters auf Liegegeld und die
übrigen ihm etwa zustehenden Forderungen (Ark. 615) nicht ausgeschloffen.
185
Art. 588. Ift ein verhältulbmäßlger Thell oder ein bestimmt bezeichneter Raum
des Schiffs verfrachtet, so gelten die Art. 568—587 mit folgenden Abweichungen:
4) der Verfrachter erhält in den Fällen, in welchen er nach diesen Artikeln mit el-
nem Thell der Fracht sich begnügen müßte, als Faulsracht die volle Fracht, e5d
sel denn, daß lämmtliche Befrachker zurücktreten oder keine Ladung liefern.
Von der vollen Fracht kommt jeroch die Fracht für diejenigen Gürer in Ab-
zug, welche der Verfrachter an Stelle der nicht gelleserten angenommen hat.
) In den Fällen der Art. 582 und 583 kann der Befrachter die Wiederausladung
nicht verlangen, wenn dieselbe eine Verzögerung der Reise zur Folge haben oder
eine Umladung nöthig machen würde, es sei denn, daß alle übrigen Befrachter
ihre Genehmigung ertheilten. Außerdem ist der Befrachter verpflichlet, sowohl
dee Kosten als auch den Schaden zu ersetzen, welche durch die Wiederaueladung
entstehen.
Machen sämmtliche Befrachter von dem Rechte des Rücktritts Gebrauch; so har
es bei den Vorschristen der Art. 582 und 583 sein Bewenden.
Art 589. Hat der Frachtvertrag Siuckgüter zum Gegenstand, so muß der Befrachter auf
die Aufforderung des Schiffers ohne Verzug die Abladung bewirken.
Ist der Befrachter säumig, so isi der Verfrachter nicht verpflichtet, auf die Lieferung
der Güter zu warten; der Befrachter muß, wenn ohne dieselben die Reise angetreten
wird, glelchwohl die volle Fracht entrichten. Es kommt von der lehteren jedoch die Fracht
für diejenigen Güter in Abzüg, welche der Verfrachter an Sielle der nicht gelieferten an-
genommen hat.
Der Versrachter, welcher den Anspruch auf die Fracht gegen den säumigen Befrachter
Veltend machen will ist bel Verlust des Anspruchs verpflichtet, dies dem Befrachter vor
der Abreise kund zu geben. Auf diese Erklärung finden die Vorschristen des Art. 572
Anwendung.
Art. 590. Nach der Abladung kann der Befrachter auch gegen Berichtigung der
vollen Fracht sowie aller sonstigen Forderungen des Verfrachters (Art. 615) und gegen
Berichtigung oder Sicherstellung der im Art lö bezeichneten Forderungen nur nach
Maaßgabe des erllen Absates der Vorschrift unter Ziffer 2 des Ark. 588 von dem Ver-
trage zurücktreten und die Wiederausladung der Güter fordern.
Außerdem sindet auch für diese Fille die Vorschrift im lehten Absah des Art. 593
Anwendung.
Art. 591. Ist eln Schiff auf Stückgl#ter angelegt und die Zeit der Abreise nicht
festgeseht, so hat auf Autrag des Besrachters der Nichter nach den Umständen ded Falls
27.
*
—
186
den Zeitpunkt zu besllmmen, über welchen hinaus der Antritt der Reise nicht verschoben
werden kann.]
Art. 59 2. Bei jeder Art von Frachtvertrag hat der Befrachter innerhalb der
Zeit, binnen welcher die Güter zu liesern sind, dem Schiffer zugleich olle zur Vorschiff-
ung derselben erforderlichen Papiere zuzuslellen.
Art. 593. Der Schiffer hat zur Löschung der Ladung das Schiff an den Plaß
binzulegen, welcher ihm von demjenigen, an den die Ladung alzuliefern ist (Empsänger)
oder, wenn die Ladung an mehrere Empfänger abzuliefern ist, von sämmrlichen Empfän-
gern angewiesen wird.
Wenn die Anweisung nicht rechtzeitig erfolgt, oder wenn von sämnnlichen Empfän-
gern nicht derselbe Platz angewiesen wird, ovder wenn die Wassertiefe, die Sicherheit des
Schiffs oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Anweis-
ung nicht gesialien, so muß der Schisser an dem ortsnblichen Löschungoplaß anlegen.
Art. 594. Sofern nicht durch Vertrag oder durch die örtlichen Verordnungen des
Löschungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Ortege-
brauch ein Anderes bestimmt ist, werden die Kosten der Ausladung aus dem Schiff von
dem Verfrachter, alle übrigen Kosten der Löschung von dem badungsempfänger Getragen.
Art. 59 5. Bei der Verfrachtung eines Schiffs im Ganzen hat der Schiffer, so-
bald er zum böschen fertig und bereit ist, dies dem Empfänger anzuzeigen.
Die Anzelge muß durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Welse geschehen,
wenn der Empfänger dem Schiffer unbekannt ist.
Mit dem auf die Anzeige folgenden Tage beginnt die Löschzeit.
Ueber die Löschzeit hinaus hat der Verfrachter nur dann auf die Abnahme der
Ladung noch länger zu warten, wenn es verelnbart ist (Ueberlieqzezeit).
Für die Löschzeit kann, sofern nicht das Gegentheil bedungen ist, keine besondere
Vergütung verlangt werden. Dagegen muh dem Verfrachter für die Ueberliegezeit eine
Vergütung (Liegegeld) gewährt werden.
Das Liegegeld wird von dem Richter nach Anleitung des Art. 573 fesigesept, wenn
es nicht durch Vertrag bestimmt ist.
Art. 596. Ist die Dauer der Löschzeit durch Vertrag nicht fesigesetzt, so wird sie
durch die örllichen Verordnungen des Leschungshafens und in deren Ermangelung durch
den daselbst bestehenden Ortsgebrauch bestimmt. Besteht auch ein solcher Ortsgebrauch
nicht, so gilt ols Löschzeit eine den Unständen des Falls angemessene Frist.
Ist eine Ueberliegezeit, nicht aber deren Dauer durch Vertrag bestimmt, so beträgt
dle Ueberllegezeit vierzehn Tage.
187
Enthält der Verkrag nur die Festsehung elnes Liegegeldes, so ist anzunehmen, daß
eine Ueberllegezeit ohne Besilmmung der Dauer vereinbart sel.
Art. 597. Ist die Dauer der Löschzelt oder der Tag, mit welchem dieselbe enden
soll, durch Vertrag bestimmt, so beginnt die Ueberliegezelt ohne Weiteres niit dem Ablaufs
der Löschzeit.
In Ermangelung einer solchen vertragsmäßlgen Bestimmung beginnt die Ueberliege-
heit erst, nachdem der Verfrachter dem Empfänger erklärt hat, daß die Löschzeit abgelau-
sen sei. Der Verfrachter kann schon innerhalb der Löschzelt dem Empfänger erklären, an
welchem Tage er die böschzeit für abgelaufen halte. In diesem Falle ist zum Ablauf der
Löschzeit und zum Beginn der Ueberliegezeit eine neue Erklärung des Verfrachters nicht
erforderlich.
Auf die in diesem Artikel enpähnten Erklärungen des Verfrachters finden die Vor-
schristen des Art. 572 Anwendung.
Art. 598. Bei Berechnung der Lösch= und Ueberllegezelt werden die Tage in un-
unterbrochen sortlaufender Reihenfolge gezählt; lnsbesondere kommen in Ansah die Sonn-
und Feiertage, sowie diejenigen Tage, an welchen der Empfänger durch Zukall die Lad-
ung abzunehmen verhlndert ist.
Nicht in Ansahz kommen jedoch dle Tage, an welchen durch Wind und Wetter oder
durch irgend einen anderen Zufall entweder
1) der Transport nicht nur der im Schlffe befindlichen, sondern jeder Ark von Lad-
ung von dem Schiff an das Land
oder
2) dle Ausladung aus dem Schiff
verhindert ist.
Art. 599. Für die Tage, während welcher der Verfrachter wegen der Derhinder-
ung des Transports jeder Art von Vadung von dem Schiff an das Land hat länger
warten müssen, gebührt ihm Liegegeld, selbst wenn die Verhinderung während der Lösch-
3eit eingetreten ist. Dagegen ist für die Tage, während welcher er wegen Verbinderung
der Ausladung aus dem Schiff hat länger warken müssen, Liegegeld nicht zu entrichten,
selbst wenn die Verhinderung während der Ueberliegezeit eingelreten ist.
Art. 600. Sind für die Dauer der Loschzeit nach Art. 596 die örklichen Ver-
ordnungen oder der Onogebrauch maaßgebend, so kommen bei Berechnung der Löschzeit dle
beiden vorstehenden Artlkel nur in soweit zur Anwendung, als die örtlichen Verordnungen
oder der Ortsgebrauch nichts Abweichended bestimmen.
Art. 601. Hat der Verfrachter sich ausbedungen, daßh die Löschung bis zu elnem
betimmten Tage beendigt seln müsse, soe wird er durch die Verhinderung des Transpons
27° .
188.
jeder Art von Ladung von dem Schisf an das Land (Art. 598 Ziff. 1) zum längeren
Warten nicht verpflichtet.
Art. 602. Wenn der Enpfänger zur Abnahme der Güter sich bereit erklärt, die-
selbe aber über die von ihm einzuhallenden Fristen verzögert, so ist der Schlffer befugt,
die Güter, unter Benachrichtigung des Empsängers, gerichtlich oder in anderer licherer
Weise niederzulegen.
Der Schisser ist verpflichtet, in dieser Weise zu verfahren und zugleich den Befrach-
ter davon in Kenntniß zu setzen, wenn der Empfänger die Annahme der Güter verwei-
gert oder über dieselbe auf die im Art. 595 vorgeschriebene Anzeige sich nicht erklärt
oder wenn der Empfänger nicht zu ermitteln ist.
Art. 60 3. Insoweit durch die Säumniß des Emfängers oder durch das Niederlegungs-
verfahren die Löschzeit ohne Verschulden des Schiffes überschritten wird, hat der Ver-
frachter Anspruch auf Liegegeld (Art. 595), unbeschadet des Rechts, für diese Zeit, so-
weit sie keine vertragsmäßige Ueberliegezeit ist, einen erweislich höheren Schaden heltend
zu machen.
Art. 60 1. Die Art. 595— 603 kommen auch dann zur Anwendung, wenn ein
verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt bezeichueter Naum des Schiffs verfrachtet ist.
Art. 60 5. Der Enpfänger von Stückgütern hat dieselben auf die Aufforderung
des Schissers ohne Verzug abzunehmen. Ist der Empfänger dem Schiffer nicht bekanm,
so muß die Aussorderung durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise geschehen.
In Ansehung des Rechts und der Verpflichtung des Schiffers, die Guter niederzu-
legen, gelten die Vorschriften des Art. 602. Die im Au. 602 vorgeschriebene Benach-
rlchtigung des Befrachters kann durch öffentliche, in ortsüblicher Weise zu bewirkende
Bekanntmachung ersolgen.
Für die Tage, um welche durch die Süumniß des Empfängers oder durch das Nic-
derlegungsversahren die Frist, binnen welcher das Schiff würde entlöscht worden seln,
überschritten ist, hat der Verfrachler Ansprch auf Liegegeld (Art. 395), unbeschadet des
Rechts, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen.
Art. 606. Wemn bei der Verfrachtung des Schiffs im Ganzen oder elnes ver-
Hbältnihmähigen Theils oder eines bestimmt bezeichneten Naums des Schiffs der Befrach-
ter Unterfrachwerträge über Sltückgüter geschlossen hat, so bleiben für die Rechte und
Pflichten des ursprünglichen Verfrachters die Art. 505—603 maahgebend.
Art. 607. Der Verfrachter haftet für den Schaden, welcher durch Verlust oder
Beschädigung der Güter seit der Empfangnahme blo zur Ablieserung entstanden ist, so-
sern er nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädlgung durch höhere Gewalt (vis
major) oder durch die natürliche Beschaffenhrit der Güter, namentlich durch inneren Ver-
189
derb., Schwinden, gewöhuliche Leckage u. dgl., oder durch äußerlich nicht erkennbare Män-
gel der Verpackung entstanden ist.
Verlust und Beschädigung, welche aus elnem mangelhaften Zustand des Schlffs
entsteben, der aller Sorgfalt ungeachtet nicht zu entdecken war (Art. 500 Abs. 2), wer-
den dem Verlusie oder der Beschädigung durch höhere Gewalt gleichgeachttt.
Art. 608. Gür Kosibarkeiten, Gelder und Werthpapiere haftet der Versrachter
nur in dem Falle, wenn diese Beschaffenheit oder der Werth der Güter bei der Abladung
dem Schiffer angegeben ist.
Art. 609. Bevor der Emxänger die Güter übernommen hat, kann sowohl der
Enpsänger als der Schiffer, um den Zustand oder die Menge der Güter fesizusiellen, die
Besschtigung derselben durch die zuständige Behörde oder durch die zu dem Zweck aml-
lich bestellten Sachverständigen bewirken lassen.
Bei diesem Verfahren isi die am Orte anwesende Gegenpartel zuzuziehen, sofern die
Umstände es gesiatten.
Art. 610. Ist die Besichtigung vor der Uebernahme nicht geschehen, so muß der
Empfänger binnen acht und vierzig Stunden nach dem Tage der Uebernahme die nach-
trägliche Beüchtlgung der Güter nach Maahgabe des Art. 609 erwirken, widrigenfalls
alle Ansprüche wegen Veschädigung oder theilweisen Verlustes erlöschen. Es macht kei-
nen Unterschied, ob Verlust und Beschädigung äuherlich erkennbar waren oder nicht.
Dicse Bestimmung findet keine Anwendung auf solche Verluste und Beschädigungen,
welche durch eine bösliche Handlungsweise einer Person der Schifföbesahung cutstan-
den sind. «
Akt-su.chstostcndcchsichtigunghatderjcnige zu tragen, welcher dieselbe
beantragt hat.
Ist jedoch die Vesichtigung von dem Empfanger beantragt, und wird ein Verlust
oder cine Beschädigung ermittell, wofür der Verfrachter Ersatz leisten muß, so fallen die
Kosien dem Lehteren zur Last.
Art. 612. Wenn auf Grund des Art. 607 für den Verlust von Gütern Ersatz
geleistet werden muß, so isi nur der Werth der verlorenen Güter zu vergüten. Dieser
Werth wird vurch den Markipreis besiimmt, welchen Güter derselben Art und Beschaffen-
beit am Bestimmungsort der verlorenen Güter bel Begi#n der Löschung des Schifs
oder, wenn eine Entisschung des Schiffs an diesem Ort nicht erfolgt, bel leiner Ankuuft
daselbst haben.
In Ermangelung elnes Marktpreises, oder falls über denselben oder über dessen An-
wendung, insbesondere mit Rücksicht auf die Qnalilät der Güter Zweifel bestehen, wird
der Prels durch Sachverständige eimittelt.
190
Von dem Preise kommt in Abzug, was an Fracht, Zoͤllen und Unkosten in Folge
desa Veirlusted der Güler erspart wird
Wird der Bestimmungtort der Guͤter nicht erreicht, so tritt an Stelle des Beftimm-
ungsorts der Ort, wo die Neise endet, oder wenn die Reise durch Verlust des Schiffs endet,
der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist
Art. 613. Die Bestimmungen des Art. 612 finden auch auf diejenigen Güter
Anwendung, für welche der Rheder nach Art. 510 Ersatz leisten muß.
Uebersteigt im Falle der Verfügung über die Güter durch Verkauf der Reinerlös
derselben den im Art. 612 bezeichneten Preis, so tritt an Stelle des letzteren der Reinerlös.
Art. 614. Muß für Beschädigung der Güter auf Grund des Art. 607 Ersat
geleistet werden, so ist nur die durch die Beschädigung verursachte Werthoverminderung
der Güter zu vergüten. Diese Werthsverminderung wird bestimmt durch den Unterschled
zwischen dem durch Sachverständige zu ermitkelnden Verkaufswerth, welchen die Güter im
beschädigten Zustand haben, und dem im Art. 612 bezeichneten Preise nach Abzug der
Zölle und Unkosten, soweit sie in Folge der Beschädigung erspart sind.
Art. 615. Durch Annahme der Güter wird der Emplänger verpflichtet, nach
Maaßgabe des Frachtvertrags oder des Konnossements, auf deren Grund die Empfang-
nabme geschieht, die Fracht nebst allen Nebengebühren. sowie das etwalge Elegegeld zu
bezahlen, die ausgeleqzten Zölle und übrigen Auslagen zu erstatten und die ihm sonst
obllegenden Werpflichtungen zu erfüllen.
Der Verfrachter hat die Güter gegen Jahlung der Gracht und gegen Erküllung der
übrigen Verpflichtungen des Empfängers auszuliefern.
Art 616. Der Verfrachter ist nicht verpflichtet, die Güter früher ausguliesern,
als bis die auf denselben haftenden Beiträge zur grohen Haverei, Bergungs, und Hülfs-
kosten und Bodmereigelder bezahlt oder sichergestellt Kind.
Ist dle Verbodmung für Rechnung des AUheders geschehen, so gilt die vorstehende
Bestimmung unbeschadet der Verpflichtung des Verfrachters, für die Besrelung der Güter
von der Bodmereischuld noch vor der Auslieferung zu sorgen.
Art. 617. Der Verfrachter ist nicht verpflichtet, die Güter, mögen sie verdorben
oder beschädigt sein oder nicht, für die Fracht an Zahlungoslatt anzunehmen.
Siud jedoch Behältnisse, welche mit flüssigen Waaren angefüllt waren, während der
Reise ganz oder zum gröheren Theil ausgelaufen, so können dieselben dem Verfrachter
für die Fracht und seine übrigen Forderungen (Art. 615) an Zahlungsstan überlassen
rden.
Durch die Verelnbarung, daß der Verfrachter nlcht für beckage haste oder durch die
191
Clausel: „frel von Leckage“, wird dieses Recht nicht audgeschlossen. Diesed Recht er-
lischt, sobald dle Behälluisse in den Gewahrsam des Abnehmers gelangt sind.
In die Fracht in Bausch und Bogen bedungen und sind nur einige Behältnsse
zanz oder zum #rößeren Theile ausgelaufen, so können dieselben für einen verhällniß-
mähigen Theil der Fracht und der übrigen Forderungen des Verfrachters an Zahlungs-
statt überlassen werden.
Art. 616. Für Gter, welche durch irgend einen Unfall verloren gegangen sind,
ist keine Fracht zu bezahlen und die etwa vorausbezahlte zu erstatten, sofern ulcht das
Gegentbeil bedungen ist.
Diese Bestimmung kommt auch dann zur Anwendung, wenn das Schiff im Gan-
zen oder ein verhältnißmäßiger oder ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffs ver-
frachtet it. Sofern in einem solchen Falle das Frachtgeld in Bausch und Bogen be-
dungen ist, berechtigt der Verlust eines Theils der Güter zu einem verhältnißmähigen
Abzuge von der Fracht.
Art 619. Ungeachtet der- Nichtablieferung ist die Fracht zu zahlen für Güter,
deren Verlusi in Folge ihrer nakürlichen Beschaffenheit (Art. 607) elngetreten ist, sowle
für Thiere, welche unterwegs gestorben find.
Inwiesern die Fracht für Güter zu ersetzen ist, welche in Fällen der großen Have-
rei aufgeopfert worden sind, wird durch die Vorschriften über die große Haverei beslimmt.
Art. 620. Für Güter, welche ohne Abrede über die Höhe der Fracht zur Beför-
derung übernommen sind, ist die am Abladungsort zur Abladungszeit übliche Fracht zu
zahle
Für Güter, welche über das milt dem Befrachter vereinbarte Maaß hinaus zur Be-
förderung übernommen sind, ist die Fracht nach Verhällniß der bedungenen Fracht zu zahlen.
Art. 62 1. Wenn die Fracht nach Maaß, Gewicht oder Menge der Güter bedun-
gen ist, so ist im Iweifel anzunehmen, daß Maah, Gewicht oder Menge der abgelieserten
und nicht der eingelieserten Güter für die Höhe der Fracht entscheiden foll.
4 Art. 622. Außer der Fracht können Kaplaken, Prämien und derglelchen nlcht ge-
sordert werden, sofern sie nicht ausbedungen sind.
Die gewöhulichen und ungewöhnlichen Unkosten der Schifffahrt, als Lootsengeld, Ha-
fengeld, Leuchtseuergeld, Schlepplohn, Quarantainegelder, Auseisungskosten und derglei-
chen fallen in Ermangelung einer entgegenstehenden Abrede dem Verfrachter allein zur
Last, selbst wenn derselbe zu den Maahregeln, welche die Auslagen verursacht haben, auf
Grund des Frachtverkrags nicht verpflichtet war,
Die Fille der großen Haverei sowie die Fälle der Aufwendung von Kosten zur Er-
haliung, Vergung und Reltung dei Ladung werden durch diesen Artikel nicht berührt.
192
Art. 623. Wenn die Fracht nach Zelt bedungen ist, so beginnt sie in Erman-
gelung einer anderen Abrede mlt dem Tage zu laufen, der auf denjenigen solgt, an wel-
chem der Schiffer angezeigt hat, daß er zur Einnahme der Ladung, oder bel elner Reise
in Ballast, daß er zum Antritt der Reise fertig und bereit sei, sofern aber bei einer
Reise in Vallast diese Anzeige am Tage vor dem Antrikt der Reise noch nicht erfolgt
ist, mit dem Tage, an welchem die Reise angetreten wird.
Jü Liegegeld oder Ueberliegezeit bedungen, so beginnt in allen Fällen die Zeitfracht
erst mit dem Tage zu laufen, an welchem der Antritt der Reise erfolgt.
Die Zeitfracht endet mit dem Tage, an welchem die Löschung vollendet ist.
Wird die Reise ohne Verschulden des Verfrachters verzögert oder unterbrochen, so
muß für die Zwischenzeit die Zeitfracht fertentrichtet werden, jedoch unbeschadet der Be-
stimmungen der Art. 639 und 610.
Art. 624. Der Verfrachter hat wegen der im Art. 615 erwähnten Forderungen
ein Pfandrecht an den Gütern.
Das Pfandrecht besteht, so lange die Güter zurückbehalten oder deponirt sind; es
dauert auch nach der Ablieferung noch fort, sofern es binnen dreihig Tagen nach Been-
digung derselben gerichtlich geltend gemacht wird; es erlischt jedech, sobald vor der ge-
richtlichen Geltendmachung die Güter in den Gewahrsam eines Dritten gelangen, wel-
cher sie nicht für den Empfänger besipt.
Art. 62 5. Im Falle des Streits über die Forderungen des Verfrachters ist die-
ser die Güter auszuliefern verpflichtet, sobald die üreitige Summe bel Gerlcht oder bel
einer anderen zur Annahme von Depositen ermächtigten Behörde oder Anstalt deponirt ist.
Nach Ablieferung der Güter isi der Verfrachter zur Erhebung der deponirten Summe
gegen angemessene Sicherheitsleistung berechtigt.
Art. 62 6. Se lange das Pfandrecht des Berfrachters besteht, kann das Gericht
auf dessen Ansuchen vererdnen, daß die Güter ganz oder zu einem entsprechenden Theil
behufs Besriedigung des Verfrachters öffentlich verkaust werden.
Dieses Recht gebührt dem Verfrachter auch gegenüber den übrigen Gläubigern und
der Konkursmasse des Elgenthümers.
Das Gertcht hat die Betheiligten, wenn sie am Ort amwesend sind, über das Ge-
such, bevor der Verkauf verfügt wird, zu bören.
Art. 627. Hat der Verfrachter die Güter ausgeliefert, so kann er wegen der
gegen den Enpfänger ihm zustehenden Forderungen (Art. 615) an dem Befrachter sich
nicht erhelen. Nur insoweit der Befrachter mit dem Schaden des Verfrachters sich
etwa bercichern würde, findet ein Näckgriff satt.
Art. 628. Hat der Verfrachter die Gürer nicht ausgellesert, und von dem im
193
ersten Absatz des Art. 626 bezeichneten Rechte Gebrauch gemacht, jedoch durch den Ver-
kauf der Güter seine vollständige Befriedigung nicht erhalten, so kann er an dem Be-
frachter sich erholen, soweit er wegen seiner Forderungen aus dem zwischen ihm und dem
Befrachter abgeschlossenen Frachlvertrage nicht befriedigt ist.
Art. 629. Werden die Güter von dem Empfänger nicht abgenommen, so ist der
Befrachter verpflichtet, den Verfrachker wegen der Fracht und den übrigen Forderungen
dem Frachtvertrage gemäß zu befriedigen.
» Bei der Abnahme der Güter durch den Befrachter kommen die Art. 593 bis 626
in der Weise zur Anwendung, aß an Sielle des in diesen Artikeln bezeichneten Em-
pfängere der Befrachter tritt. Insbesondere sieht in einem solchen Falle dem Verfrachter
wegen seiner Forderungen das Zurückbehaltungs= und Pfandrecht an den Gütern nach
Maaßgabe der Art. 624, 625, 626, sowie das im Art. 616 bezeichnete Recht zu.
Art. 630. Der Frachtvertrag tritt außer Krast, ohne daß ein Theil zur Ent-
schädigung des anderen verpflichtet ist, wenn vor Antrikt der Reise durch einen Zufall
1) das Schiff verloren geht, insbesondere "
wenn es verunglückt,
wenn es als reparakurunfähig oder reparaturunwürdig kondemnirt (Art. 444)
und in dem lepteren Falle ohne Verzug öffentlich verkauft wird,
wenn es geraubt wird,
wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute Prise erklärt wird;
-
2) die im Frachtvertrag nicht blos nach Art oder Gauung, sondern speziell bezeich-
neten Güter verloren gehen;
oder
3) die, wenn auch nicht im Frachtvertrag speziell bezeichneien Guͤter verloren gehen,
nachdem dieselben bereits an Bord gebracht oder behufs Einladung in das Schiff
an der Vadungssielle von dem Schisser übernommen worden sind.
Da aber in dem unter Zisser 3 bezeichneten Falle der Verlust der Güter noch in-
nerhalb der Wartezeit (An. 580) sich zugetragen, so tritt der Vertrag nicht auher Kraf,
sofern der Befrachter ohne Verzug sich bereit erklärt, statt der verloren gegangenen an-
dere Güter (Art 563) zu liefern, und mit der Lieferung noch innerhalb der Wartezeit
beginnt. Er hat die Abladung der anderen Güter binnen kürzester Frist zu vollenden.
die elwaigen Mehrkosten dieser Abladung zu tagen und insoweit durch dieselbe die Warte-
zeit überschritten wird, den dem Verfrachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Art. 631. Jeder Theil in befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Ent-
schädigung verpflichter zu sein:
2R8
194
1) Wenn vor Antrltt der Reise
das Schiff mit Embargo belegt oder zum landesherrlichen Dient oder zum
Dienst einer fremden Macht in Beschlag genommen,
der Handel mit dem Bestimmungsort untersagt,
der Abladungs= oder Bestimmungshafen blokirt,
die Ausfuhr der nach dem Frachtvertrag zu verschiffenden Güter aus dem Ab-
ladungshafen oder die Einfuhr derselben in den Besiimmungshafen verboten,
durch eine andere Verfügung von hoher Hand das Schiff am Auslaufen oder
die Reise oder die Versendung der nach dem Frachwertrag zu liefernden
Güter verhindert wird.
In allen vorstehenden Fällen berechtigt jedoch die Verfügung von hoher Hand
nur dann zum Rücktritt, wenn das eingetretene Hinderniß nicht voraussichtlich
von nur unerheblicher Dauer ist.
2) Wenn vor Antritt der Reise ein Krieg ausbricht, in Folge dessen das Schiff
oder die nach dem Frachtvertrag zu verschiffenden Güter oder beide nicht mehr
als frei betrachtet werden können und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt würden.
Die Ausübung der im Art. 563 dem Befrachter beigelegten Besugniß ist in den
Fällen der vorslehenden Bestimmungen nicht ausgeschlossen.
Art. 632. Wennn nach Antkitt der Reise das Schiff durch einen Zufall verlo-
ren geht (Art. 630 Zift. 1), so endet der Frachtwertrag. Jedoch hat der Befrachter, so-
weit Güter geborgen oder gerettet sind, die Fracht im Verhältniß der zurückgelegten zur
ganzen Reise zu zahlen (Distanzsrach).
Die Distanzfracht ist nur soweit zu zahlen, als der gerettete Werth der Güter reicht.
Art. 633. Bei Berechnung der Distanzfracht kommt in Anschlag nicht allein
das Verhältmiß der berelts zurückgelegten zu der noch zurückzulegenden Enkfernung, son-
dern auch das Verhältniß des Aufwandes an Kosten und Zeit, der Gefabren und Mühen,
welche durchschnitklich mit dem vollendeten Theil der Reise verbunden sind, zu denen
des nulcht vollendeten Thells. «
Können sich die Partelen über den Betrag der Distanzfracht nicht einigen, so ent-
scheidet darüber der Richter nach billigem Ermessen.
Art. 634. Die Auflösung des Frachtverlrags ändert nichts in den Verpflichtungen
des Schiffers, bei Abwesenheit der Betheiligten auch nach dem Verlust des Schiffs für
das Beste der Ladung zu sorgen (Art. 504—506). Der Schiffer ist demzufolge berech-
tigt und verpflichtet und zwar im Falle der Dringlichkeit auch ohne vorherige Anfrage,
je nachdem es den Umständen entspricht, entweder die Ladung für Rechnung der Be-
theiligten mittelst eines anderen Schiffs nach dem Besttmmungshafen befördern zu lassen,
195
oder die Auflagerung oder den Verkauf derselben zu bewirken und im Falle der Welter-
beförderung oder Auflagerung bebhufs Beschaffung der hierzu sowie zur Erhaltung der
Ladung nöthigen Mittel, einen Theil davon zu verkaufen, oder im Falle der Weilerbe-
förderung die Ladung ganz oder zum Theil zu verbodmen.
Der Schisser ist jedoch nicht verpflichtet, die Ladung auszuantworten oder zur Wet-
lerbesörderung elnem andern Schisfer zu übergeben, bevor die Distanzfracht nebst den
sonstigen Forderungen des Verfrachters (Ark. 615) und die auf der Ladung haftenden
Belträge zur großen Haverei, Vergungs= und Hülfskosten und Vodmereigelder bezahlt
oder sichergestellt find.
4 Auch für die Erfüllung der nach dem ersten Absah dieses Artikels dem Schiffer ob-
liegenden Pflichten haftet der Aheder mit dem Schiff, soweit elwas davon Oerettet ist,
und mit der Fracht.
Art. 635. Geben nach Antritt der Reise die Güter durch einen Zufall verloren,
so endet der Frachtwertrag, ohne dah ein Theil zur Entschädigung des andern ver-
eflichter ist; insbesondere ist die Fracht weder ganz noch theilweise zu zahlen, insofern
nicht im Gesetz das Gegenthell bestimmt ist (Art. 619).
Art. 636. Ereignet sich nach dem Antritt der Reise einer der im Art. 631 er-
wähnten Zufälle, so ist jeder Theil befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur
Entschädigung verpflichtet zu seln.
Ist jedoch einer der im Art. 631 unter Ziffer 1 bezeichneten Zufälle eingetreten,
so muß, bevor der Rücktritt stattsindet, auf die Beseitigung des Hindernisses drei oder
fünf Monate gewartet werden, je nachdem das Schiff in einem europäischen oder in ei-
nem nichteuropälschen Hafen sich befindet.
Die Frist wird, wenn der Schiffer das Hindernih während des Aufenthalts in elnem
Hafen erfährt, von dem Tage der erhaltenen Kunde, anderenfalls von dem Tage an be-
rechnet, an welchem der Schiffer, nachdem er davon in Kenntniß gesetzt worden ist, mit
dem Schisse zuerst einen Hafen erreicht.
Deie Ausladung des Schiffs erfolgt, in Ermangelung einer anderweitigen Verein=
barung in dem Hasen, in welchem es zur Zelt der Erklärung des Rücktritts sich befindet.
Für den zurückgelegten Theil der Reise ist der Befrachter Distanzsracht (Art. 632,
633) zu zahlen verpflichtet.
Ist das Schiff in Folge des Hindernisses in den Abgangshafen oder in einen an-
deren Hafen zurückgekehrt, so wird bel Berechnung der Distanzfracht der dem Bestim-
stimmungshafen nächste Punkt, welchen das Schiff erreicht hat, behufs-Feststellung der
zurückgelegten Entfernung zum Anhalt genommen.
Der Schiffer ist auch in den Fällen dieses Artlkels verpflichtet, vor und 0 der Auf-
196
lösung des Frachtvertrags für das Beste der Ladung nach Maahgabe der Art. 504 bis
506 und 634 zu sorgen.
Art. 637. Muß das Schiff, nachdem es die Ladung eingenommen hat, vor An-
tritt der Reise in dem Abladungshafen oder nach Antrikt derselben in einem Zwischen-
oder Nothhafen in Folge eines der im Art. 631 erwähnten Ereignisse liegen bleiben, so
werden die Kosten des Aufenthalts, auch wenn die Erfordernisse der großen Haverei
nicht vorliegen, über Schiff, Fracht und Ladung nach den Grundsätzen der großen
PHaverei vertheilt, gleichviel ob demnächst der Vertrag aufgehoben oder vollständig erfüllt
wird. Zu den Kosten des Aufentbalts werden alle in dem zweiten Absaßz des Art. 708
Ziffer 4 ausgeführten Kosten gezählt, diejenipen des Ein= und Auslaufens jedoch nur
dann, wenn wegen des Hindernisses eln Nothhafen angelaufen ist
Art. 6 38. Wird nur ein Theil der Ladung vor Antritt der Neise durch einen
Zufall betroffen, welcher, hälte er die ganze Ladung betroffen, nach den Alt. 630 und 631
den Vertrag aufgelsst oder die Parteien zum Rücktrikt berechtigt haben würde, so isi
der Befrachter nur befugt, ennveder statt der vertragsmäßigen andere Güter abzuladen,
sofern durch deren Beförderung die Lage deo Verfrachters nicht erschwert wird (Art 563),
oder von dem Vertrage unter der Verpflichtung zmückzutreten, die Hälfte der bedungenen
Fracht und die sonsiigen Forderungen des Verfrachiers zu berichtigen (Art. 581 und 582)
Bei Ausübung dieser Rechte ist der Befrachter jedoch nicht an die sonst einzuhaltende
Zelt gebunden. Er hat sich aber ohne Verzug zu erkären, von welchem der beiden
Rechte er Gebrauch machen wolle und, wenn er die Abladung anderer Güter wählt,
dieselbe binnen kürzester Frist zu bewirken, auch die etwaigen Mehrkosten dieser Ablad-
ung zu tragen, und insoweit durch sie die Wartezeit überschritten wird, den dem Ver-
frachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Macht er von keinem der beiden Rechte Gebrauch, so muß er auch für den durch
den Zufall betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht entrichten. Den durch Krieg,
Ein= und Ausfuhrverbot oder eine andere Verfügung von hoher Hand unfrei geworde-
nen Theil der Ladung ist er jedenfalls aus dem Schiff herauszunchmen verbunden.
Tritt der Zufall nach Antritt der Reise ein, so muß der Befrachter für den dadurch
betroffenen Theil der Ladung die volle Fracht auch dann entrichten, wenn der Schisfer
diesen Theil in einem anderen als dem Bestimmungöhafen zu löschen sich genötbigt ge-
funden und hierauf mit oder ohne Aufenthalt die Reise fortgesetzt hat.
Durch diesen Artikel werden die Bestimmungen der Art. 618 und 619 nicht berührt.
Art. 639. Abgesehen von den Fällen der Art. 631 bis 638 hat ein Aufenthalt,
welchen die Reise vor oder nach ihrem Antrikt durch Naturereignisse oder andere Zufälle
erleidet, auf die Rechte und Pflichten der Parteien keinen Einfluß;, es sel denn, daß der
197
erkennbare Zweck des Vertrags durch einen solchen Aufenthalt vereitelt wuͤrde. Der
Befrachter ist jedoch befugt, während jedes durch einen Zufall entstandenen, voraussicht-
lich längeren Aufenthalte die bereils in das Schiff geladenen Güter auf seine Gefahr
und Kosten gegen Sicherheitsleistung für die rechtzeitige Wtedereinladung ausguladen.
Unterläht er die Wiedereinladung, so hat er die volle Fracht zu zahlen. In jedem Falle
muß er den Schaden ersetzen, welcher aus der von ihm veranlaßten Wiederausladung
entsteht.
Gründet sich der Aufenthalt in einer Verfügung von hoher Hand, so ist für die
Dauer derselben keine Fracht zu bezahlen, wenn diese zeitweise bedungen war (An. 623).
Art. 640. Muß das Schiff während der Reise ausgebessert werden, so hat der
Befrachter die Wahl, ob er die ganze Ladung au dem Orte, wo das Schiff sich befindet,
gegen Berichtigung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen des Verfrachters
(Art. 615) und gegen Berichligung oder Sicherstellung der im Art. 616 bezeichneten
Forderungen zurücknehmen oder die Wiederherstellung abwarten will. Im letzteren Falle
ist für die Dauer der Ausbesserung keine Fracht zu bezahlen, wenn diese zeitweise be-
dungen war. »
AnsilLWirddekscachtvntmginGumäßhcikdrrthc630bisk136mtfch
löst,sowetdcndieKostenderAnöladungatthdentSchiffvonchichkfmchtek,die
übrigen Löschungskosten von dem Befrachter getragen. Hat der Zufall jedoch nur die
Ladung betroffen, so fallen die sämmtlichen Kosten der Löschung dem Befrachter zur Last.
Dasselbe gilt, wenn im Falle des Art. 638 ein Theil der Ladung gelöscht wird. Muößte
in einem solchen Falle behufs der Löschung ein Hafen angelaufen werden, so hat der
Befrachter auch die Hafenkosten zu tragen.
Art. 642. Die Art. 030 bis 641 kommen auch zur Anwendung, wenn das Schif
zur Einnahme der Ladung eine Zureise in Ballast nach dem Abladungshafen zu machen
hat. Die Reise gilt aber in einem solchem Falle erst dann als angetreten, wenn sie aus
dem Abladungshafen angetreten is. Wird der Vertrag, nachdem das Schiff den Abla-
dungshafen erreicht hat, aber vor Antritt der Reise aus dem lehteren aufgelöst, so er-
bält der Verfrachter für die Zureise eine nach den Grundsäten der Distanzfracht (An.
633) zu bemessende Entschädigung.
In anderen Fällen einer zusammengesetzten Reise sind dle obigen Artikel insoweit
anwendbar, als Natur und Inhalt des Vertrags nicht enthegensteben
Art. 643 Wenn der Vertrag nicht auf das Schiff im Ganzen, sondern nur
auf einen verhältnihmäßigen Theil oder einen bestimmt bezelchneten Naum der Schiffes
oder auf Stückgüter sich bezieht, so gelten die Art. 6320—642 mit folgenden Abweichungen:
1) In den Fällen der Art. 631 und 636 ist jeder Theil sogleich nach Eintritt des
198
Hindernisses und ohne Rücksicht auf die Dauer desselben von dem Vertrage zu-
luckzutreten befugt. «
2) Im Falle des Art. 638 kann von dem Befrachter das Recht, von dem Vertrage
zurückzutreten, nicht ausgeübt werden.
) Im Falle des Art. 639 steht dem Befrachter das Recht der einstwelligen Löschung
nur dann zu, wenn die übrigen Befrachter ihre Genehmigung ertheilen.
4) Im Fall des Arl. 640 kann der Befrachter die Güter gegen Enrrichtung der
vollen Fracht und der übrigen Forderungen nur dann zurücknehmen, wenn wäh-
tend der Ausbesserung die Löschung dieser Güter ohnehin erfolgt ist.
Die Vorschristen der Art. 588 und 590 werden hierdurch nicht berührt.
Art. 644. Nach Beendigung jeder einz lnen Abladung hat der Schiffer dem Ab-
lader ohne Verzug gegen Rückgabe des elwa bei der Annahme der Güter ertheilten vor-
läufigen Empfangscheins ein Konnossement in so vielen Exemplaren audzustellen, als der
Ablader verlangt.
Alle Exemplare des Konnossements müssen von gleichem Inhalt seln, dasselbe Da-
tum haben und ausdrücken, wie viele Exemplare ausgestellt sind.
Dem Schiffer ist auf sein Verlangen von dem Ablader eine mit der Unterschrift
des Lepteren versehene Abschrift des Konnossements zu ertheilen.
Art. 645. Das Sausb" ement enthält:
4) den Namen des Schiffers
2) den Namen und die Nationalttät des Schlffs;
3) den Namen des Abladers;
4) den Namen des Empsfängers;
5) den Abladungshafen;
6) den Löschungshafen, oder den Ort, an welchem Ordre über denselben einzuholen ist;
7) die Bezeichnung der abgeladenen Güter, deren Menge und Merkzeichen;
8) die Bestimmung in Anschung der Fracht;
9) den Ort und den Tag der Aussiellung;
10) die Zabl der ausgesiellten Exemplare.
Art. 646. Auf Verlangen des Abladers ist das Konnossement, sofern nicht das
Gegenthell vereinbart ist, an die Ordre des Empfängers oder lediglich an Ordrezustellen.
Im letzteren Falle ist unter der Ordre die Ordre des Abladers zu verstehen.
Das Konnossement kann auch auf den Namen des Schiffers als Empfängers lauten.
Art. 647. Der Schiffer ist verpflichtet, im Löschungshafen dem legitimirten In-
haber auch nur eines Exemplars des Konnossements die Güter auszuliefern.
Zur Empfangnahme der Güter legitimint ist derjenige, an welchen die Güter nach
—
199
dem Konnossement abgeliefert werden sollen, oder auf welchen das Konnossement, wenn
es an Ordre lautet, durch Indossement uüͤbertragen ist.
Art 648, Melden sich mehrere legitimirte Konnossementsluhaber, so ist der Schif-
fer verpflichtet, sie ssmmtlich zurückzuweisen, die Güter gerichtlich oder n einer anderen
sicheren Weise niederzulegen und die Konnossementsinhaber, welche sich gemeldet haben,
unter Angabe der Gründe seines Verfahrens hiervon zu benachrichtigen.
4 Wenn die Niederlegung nicht gerichtlich geschieht, so ist er befugt, über sein Ver-
fahren und dessen Gründe eine öffentliche Urkunde errichten zu lassen und wegen der
daraus entstehenden Kosten in gleicher Art wie wegen der Fracht sich an die Güter zu
balten (Art. 626).
Art. 649, Die Uebergabe des an Ordre lautenden Konossements an denjenigen,
welcher durch dasselbe zur Empfangnahme legitimirt wird, hat, sobald die Güter wirklich
abgeladen sind, für den Erwerb der von der Uebergabe der Güter abhängigen Rechte die-
selben rechtlichen Wirkungen wie die Uebergabe der Güter.
Art. 650. Sind mehrere Exemplare eines an Ordre lantenden Konnossements
ausgestellt, so können von dem Inhaber des einen Exemplars die in dem vorstehenden
Art. bezeichneten rechtlichen Wirkungen der Uebergabe des Konnossements zum Nachtheil
desjenigen nicht geltend gemacht werden, welcher auf Grund eines anderen Exemplars
in Gemähheit des Art. 647 die Auslieferung der Güter von dem Schiffer erlangt hat,
bevor der Anspruch auf Auslieferung von dem Inhaber des ersteren Exemplars erhoben
worden ist.
Art 651. Hat der Schiffer die Güter noch nicht ausgellefert, so geht unter meb-
reren sich meldenden Konnossemenksinhabern, wenn und soweit die von denselben auf
Grund der Konnossementsübergabe an den Gatern geliend gemachten Rechte kollldiren,
derjenige vor, dessen Exemplar von dem gemeinschafilichen Vormann, welcher mehrere
Konnossementsexemplare an verschiedene Personen übertragen hat, zuerst der einen dieser
Personen dergestalt übergeben ist, daß dieselbe zur Empfangnahme der Güter legitimirt wurde.
el dem nach einem andern Orte übersandten Exemplare wird die Zeit der Ueber-
Jabe durch den Zeilpunkt der Absendung bestimmt.
Art. 652. Der Schisfer ist zur Ablieferung der Güter nur gegen Rückgabe elnes Exem-
plars desKonnossemente, auf welchem die Ablieferung der Güter zu bescheinigen (#t, verpflichtet.
Art. 653. Das Konnossement ist entscheidend für die Rechtsverhältnisse zwischen
dem Verfrachter und dem Empsänger der Güter; insbesondere muß die Ablieferung der
Güter an den Empfänger nach Inhalt des Konnossements erfolgen.
Die in das Konnossement nicht aufgenomm nen Bestimmungen des Frachtvertrags haben
begenüber dem Empfänger keine rechtliche Wirkung, sofern nicht auf dieselben ausdrücklich Bezug
200
genommen ist Wird in Ansehung der Fracht auf den Frachwertrag verwiesen (3. B. durch
die Worte: „Fracht laut Chartepartie“), so sind hierin die Bestimmungen über Löoschzeit.
Ueberliegezeit und Liegezeit nicht als einbegriffen anzusehen.
Für die Rechtsverhältnisse zwischen Verfrachter und Befrachter bleiben die Bestimm,
ungen des Frachwertrags maahgebend.
Art 654. Der Verfrachter ist für die Richtigkeit der im Konnossement enthalte-
nen Bezeichnung der abgeladenen Güter dem Empfänger verantwortlich. Seine Haft-
ung beschränkt sich jedoch auf den Ersatz des Minderwerths, welcher aus der Nichtüber-
einstimmung der Güter mit der im Konnossement enthaltenen Bezeichnung sich ergielt
Art. 655. Die im vorstehenden Artikel erwähnte Haftung des Verfrachters tritt auch dann
ein, wenn die Güter dem Schlffer in Verpackung oder in geschlossenen Gefäßen übergeben sind.
Ist dieses zugleich aus dem Konnossement erüchtlich, so ist der Verfrachter für die
Michtigkeit der Bezeichuung der Güter dem Empfänger nicht-verantworllich, sofern er be-
weist, dah ungeachtet der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers die Unrichtigkeit der in
dem Konnossement entbaltenen Bezeichnung nicht wahrgenommen werden konnte.
Die Haftung des Verfrachters wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Identitär
der abgelieferten und der übernommenen Güter nicht bestritten oder daß dieselbe von dem
Verfrachter nachgewiesen ist.
Art. 656. Werden dem Schiffer Güter in Verpackung oder in geschlossenen Ge-
fähßen übergeben, so kann er das Konnossement mit dem Zusah: „Jnhalt unbekannt“ ver-
sehen. Enthält das Konnossement diesen oder einen gleichbedentenden Zusag, so ist der
Verfrachter im Falle der Nichtübereinstimmung des abgelieferten Inhalts mit dem im
Konnossement angegebenen nur insoweit verantwortlich, als ihm bewiesen wird, daß er
einen anderen als den abgelieferten Inhalt empfangen habe.
Art. 657. Sind die im Konnossement nach Zahl, Maaß oder Gewicht bezeichne-
ten Güter dem Schiffer nicht zugezählt, zugemessen oder zugewogen, so kann er das Kon-
nossement mit dem Zusatz: „Zahl, Maaß, Gewicht unbekannt“ versehen. Enthält das
Konnossement diesen oder einen hleichbedeutenden Zusatz, so hat der Verfrachter die Rich-
tigkeit der Angaben des Konnossemento über Zahl, Maaß oder Gewicht der übernommenen
Güter nicht zu vertreten.
Art 658. sll die Fracht nach Zahl, Maaß oder Gewicht der Güter bedungen und
im Konnossement Zahl, Maaß oder Gewicht angegeben, so ist diese Angabe für die Berechnung
der Fracht entscheidend, wenn nicht das Konnossement eine abweichende Bestimmung enthält.
Als eine solche ist der Zusat: „Zahl, Maah, Gewicht unbekannt“ oder ein gleichbedeutender
Zusag nicht anzusehen.
Art. 659. Ist das Konnossement mit dem Zusatz: „frei von Bruch“ oder „frei von
201
Leckage“ oder: „srel von Beschaͤdlgung“, oder mit elnem gleichbedeutenden Zusaß verse ·
ben, so hastet der Verfrachter bis zum Beweise des Verschuldens des Schiffers oder el-
ner Verson, für welche der Versrachter verantwortlich ist, nicht für Bruch oder Leckage
oder Beschädlgung.
Art. 660. Sind dem Schiffer Güter übergeben, deren Beschädigung, schlechte Be-
schaffenhelt oder schlechte Verpackung sichibar ist, so hat er diese Mängel im Konnossement
zu bemerken, widrigenfalls er dem Empfünger dafür verankwortlich ist, auch wenn das
Konnossement mit einem der im vorhergehenden Artikel erwähnten Zusätze versehen ist.
Art. 661. Nachdem der Schiffer ein an Ordre lautendes Konnossement ausgestellt
bat, darf er den Anweisungen des Abladers wegen Zurückgabe oder Auslieferung der Gü-
ter nur dann Folge leisten, wenn ihm die sämmtlichen Exemplare des Konnossements zu-
rückgegeben werden.
Dasselbe gilt in Ansehung der Anforderungen elnes Konnossementsinhabers auf Aus-
lleserung der Güter, so lange der Schisser den Besiimmungshafen nicht erreicht hat.
Handelt er diesen Bestimmungen entgegen, so bleibt er dem rechtmählgen Inhaber
des Konnossements verpflichtet.
Lautet das Konnossement nicht an Ordre, so ist der Schiffer zur Zurückgabe oder
Auslieferung der Güter, auch ohne Beibringung eines Exemplar# des Konnossements,
verpflichtet, sofern der Ablader und der im Konnossement bezeichnete Empfänger in die
Zurückgabe oder Auslieferung der Güter willigen. Werden jedoch nicht sämmtliche Ex-
emplare des Konnossements zurückgesiellt, so kann der Schiffer wegen der deshalb zu
besorgenden Nachtheile zuvor Sicherheitsleistung fordern.
Art. 662. Die Bestimmungen des Art. 661 kommen auch dann zur Anwendung,
wenn der Frachlvertrag vor Erreichung des Bestönmungshafens in Folge eines Zufalls
nach den An. 630 bis 643 ausgelöst wird.
Art. 663 In Ansehung der Verpslichtungen des Schiffers aus den von ihm ge.
schlossenen Frachtverträgen und ausgestellten Kennossementen hat es bei den Vorschriften
Per Ar#. 476, 479 und 502 sein Bewenden.
Art 664. Im Falle der Unkerverfrachtung haftet für die Erfüllung des Unter-
srachtsvertrags, insoweit dessen Ausführung zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers ge-
bö##t und von diesem übernommen ist, insbesondere durch Annahme der Güter und Aus-
siellung dee Konnossements, nicht der Unterverfrachter, sondern der Rbeder mit Schiff und
Fracht (Art. 452).
Ob und inwiewest im Uebrigen der Rheder oder der Untewerfrachter von dem Un-
terbesrachter iu Anspruch genommen werden könne, und ob im lepteren Falle der Unter-
verfrachter für die Erfüllung unbeschränkt zu haften oder nur die auf Schiff und Gracht
29
202
beschränkte Haftung des Nheders zu vertreten habe, wird durch vorstehende Bestimmung
nicht beruͤhrt.
Sechster Titel.
Von dem Frachtgeschäft zur Beförderung von Relsenden.
Art. 66 5. Ist der Reisende in dem Ueberfahrtsvertrage genannt, so ist derselbe
nicht besugt, das Recht auf die Ueberfahrt an einen Anderen abzutreten.
Art. 666. Der Reisende ist verpflichtet, alle die Schiffsordnung betreffenden Au-
weisungen des Schiffers zu befolgen.
Art. 667. Der Reisende, welcher vor oder nach dem Antrilt der Reise sich nicht
rechtzeitig an Bord begiebt, muß das volle Ueberfahrtsgeld bezahlen, wenn der Schiffer
die Relse antritt oder sortsehzt, ohne anf ihn zu warten.
Art. 668. Wenn der Reisende vor dem Antritt der Reise den Rücktrin von dem
Ueberfahrtsvertrage erklärt oder stirbt oder durch Krankheit oder einen anderen in seiner
Person sich ereignenden Zufall zurückzubleiben genöthigt wird, so ist nur die Hälfte des
Ueberfahrtsgeldes zu zahlen.
Wenn nach Antritt der Reise der Rücktritt erklärt wird oder einer der erwähnten
JZufälle sich ereignet, so ist das volle Ueberfahrtsgeld zu zahlen.
Art. 669. Der Ueberfahrtsvertrag ui- außer Krast, wenn durch einen Zufall
das Schiff verloren geht (Art. 630 Zilffer 1),
Art. 670. Der Reisende ist befugt, ven dem Vertrage zurückzutreten, wenn ein
Krleg ausbricht, in Folge dessen das Schiff nicht mehr alo frei betrachtet werden kann
und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt wäre, oder wenn die Neise durch eine das
Schiff betressende Versügung von hoher Hand ausgehalten wird.
Das Recht des Rücktritts sicht auch dem Verfrachter zu, wenn er in einem der
vorsiehenden Fälle die Reise aufgiebt, oder wenn das Schiff hauptsächlich zur Beförder-
ung von Gütern bestimmt ist, und die Unternehmung unterbleiben muß, weil die Güter
ohne sein Verschulden nicht befördert werden können.
Art. 671. In allen Fällen, in welchen zusolge der Art. 669 und 670 der Ueber-
fahrtovertrag aufgelöst wird, ist kein Theil zur Entschädigung des anderen venpslichtet.
Ist jedoch die Auflösung erst nach Ankrikt der Reise erfolgt, so hat der Reisende das
Ueberfahrtsgeld nach Verhältniß der zurückgelegten zur ganzen Relse zu zahlen.
Bei der Berechnung des zu zahlenden Betrags sind die Vorschristen des Ark. 633
Naaßgebend.-
Art 672. Muß das Schiff während der Neise ausgebessert werden, so hat der
203
Relsende, auch wenn er die Ausbesserung nicht abwartet, das volle Ueberfahrtsgeld zu
jahlen. Wartet er dle Ausbesserung ab, so hat lhm der Perfrachter bls zum Wiederan-
tritt der Reise ohne besondere Vergütung Wohnung zu gewähren, auch die nach dem
Uebersehrtsvertrage in Ansehung der Beköstigung lhm obliegenden Pflichten welter zu
ersüllen.
Erbletet sich jedoch der Versrachter, den Reisenden mit elner andern glelch guten
Schiffögelegenheit ohne Beeinträchtigung der übrigen vertragsmäßigen Nechie desselben
nach dem Bestimmungshafen zu befördern und weigert sich der Reisende, von dem Aner-
bieten Gebrauch zu machen, so hat er auf Gewährung von Wohnung und Kost bis zum
Wiederantritt der Reise nicht weiter Anspruch.
Art. 673. Für den Transport der Reiseeffekten, welche der Reisende nach dem
Ueberfahrtsvertrag an Bord zu bringen befugt ist, hat derselbe, wenn nicht elin Anderes
bedungen ist, neben dem Ueberfahrtsgelde keine besondere Vergütung zu zahlen.
Art. 674. Auf die an Vord gebrachten Relseeffekten finden die Vorschriften der
Art. 562, 594, 618 Anwendung.
Sind dieselben von dem Schiffer oder einem dazu bestellten Drilten übernommen,
so gelten für den Fall ihres Verlustes oder ihrer Beschädigung die Vorschristen der Ark.
607, 608, 609, 610, 611.
Auf sämmtliche von dem Reisenden an Bord gebrachte Sachen finden außerdem die
Art. 564, 565, 566 und 620 Anwendung.
Art. 675. Der Verfrachter hat wegen des Ueberfahrlsgeldes an den von dem Rei-
senden an Bord gebrachten Sachen ein Pfandrecht.
2½% Pfandrecht besteht jedoch nur so lange die Sachen zurückbehalten oder depo-
nirt sind.
Art. 676. Stlrbt eln Relsender, so ist der Schiffer verpflichtet, in Ansehung der
an Bord sich befindenden Effekten desselben das Interesse der Erben nach den Umständen
des Falls in geeigneter Weise wahrzunchmen. «
Akt.677.WikdeiaSchiffznchfötdenmgvoaniscndeneinethltlenveks
srachtet, sel es im Ganzen oder zu einem Theil oder dergestalt, dah eine bestimmte Zahl
von Reisenden befördert werden soll, so gelten für das Rechtsverhälluiß zwischen dem
Derftachter und dem Dritten die Porschriften des fünsten Titels, soweit die Nazur der
Sache die Anwendung derselben zuläßt.
Art. 678. Wenn in den solgenden Tlkeln dieses Buchs die Fracht erwähnt wird,
so sind unter dieser, sosern nicht das Gegentheil bestimmt ist, auch die Ueberfahrssgelder
zu verstehen.
Ark. 679. Die auf das Auswanderungswesen sich bezlehenden Landesgesehe, auch
296
204
insoweit fie privalrechtliche Bestimmungen enthalten, werden durch die Vorschriften dieses
Titels nicht berührt.
Siebenter Tilel.
Von der Bodmerei.
Art. 680. Bodmerei im Sinne dieses Gesetzbuchs ist eln Darlehnsgeschäft, wel-
ches von dem Schiffer als solchem kraft der in diesem Geseyzbuch ihm ertheilten Befug-
nisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und
Ladung oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird,
daß der Gläubiger wegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (berbodurten) Ge-
genstände nach Ankunft des Schiffs an dem Orte sich halten könne, wo die Reise enden
soll, für welche das Geschäst eingegangen ist (Bodmereireise).
Art. 681. Bodmerei kann von dem Schiffer nur in folgenden Fällen eingegan-
ged werden:
1) während das Schiff außerhalb des Heimathshafens sich besindet, zum Zweck der
Ausführung der Reise, nach Maahgabe der Art. 497, 507 bis 509 und 511;
2) während der Reise im alleinigen Interesse der Ladungsbetheiligten zum Zweck
der Erhaltung und Weiterbeförderung der Ladung nach Maaßgabe der Art. 504,
511 und 634. «
IndemIalledckZiffek2IanndckSchissekdleLadimqallctnvetbodmeminul-
len übrigen Fällen kann er zwax das Schiff oder die Fracht allein, die Ladung aber nur
zusammen mit dem Schiff und der Fracht verbodmen.
In der Verbodmung des Schiffs ohne Erwähnung der Fracht ist die Berbodmung
der letzteren nicht enthalten. Werden aber Schiff und Ladung verbodmet, so gilt die
Fracht als mitverbodmet.
Dle Verbodmung der Fracht ist zulässig, so lange diese der Seegefahr noch nicht
entzogen ist.
Auch die Fracht desjenigen Thells der Reise, welcher noch nicht angetreten ist, kaun
verbodmet werden.
Art. 6 82. Die doͤhe der Bodmerelprämie ist ohne Veschränkung dem Ueberein-
kommen der Parteien überlassen.
Die Prämie umfaßt in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung auch
dle Zinsen.
Art. 683. Ueber die Verbedmung muß von dem Schiffer ein Bedmereibrief aus-
gestelll werden. Ist dieses ulcht geschehen, so hal der Gläubiger diejenigen dlcchte, wes-
205
che ihm zusiehen würden, wenn der Schiffer zur Befrledigung des Bedarsnisses ein ein-
faches Kreditgeschäft elngegangen wäre.
Art. 684. Der Vodmereigeber kann verlangen, daß der Bodmereibrief enthalte:
1) den Namen des Vodmereigläubigers;
2) den Kapitalbetrag der Bodmereischuld;
3) den Betrag der Bodmereiprämie eder den Gesammtbetrag der dem Gläubiger zu
zahlenden Summe;
4) die Bezeichnung der verbodmeten Gegenstände;
5) die Bezeichnung des Schiffs und des Schiffers;
5) die Bodmereireise;
7) die Zeit, zu welcher die Bodmereischuld gezahlt werden soll;
8) den Ort, wo die Jahlung erfolgen foll;
9) die Bezeichnung der Urkunde im Kontext als Bodmereibrief, oder dle Erklärung,
daß die Schuld als Bodmereischuld eingegangen sei, oder eine andere das Wesen
der Bodmerei genügend bezeichnende Erklärung;
10) die Umstände, welche die Eingehung der Bodmerel nothwendlg gemacht haben:
11) den Tag und den Ort der Ausstellung;
12) die Unterschrift des Schisfers.
Die Unterschrift des Schiffers muß auf Verlangen in beglaubigter Form ertheilt
werden.
Art. 68 5. Auf Verlangen des Bodmereigebers ist der Bodmereibrief, sofern nicht
das Gegentheil vereinbart ist, an die Ordre des Gläubigers oder lediglich an Ordre zu
Kun. In lehteren Falle ist unter der Ordre die Ordre des Bodmereigebers zu ver-
ehen
Art. 686. Ist vor Ausstellung des Bodmerelbriefs die Nothwendigkelt der Eln-
gebung des Geschäfts von dem Landeskonsul oder demjeulgen Konsul, welcher dessen Ge-
schäste zu versehen berufen ist, und in dessen Ermangelung von dem Gericht oder der
soust zuständigen Behörde des Orts der Ausstellung, sofern es aber auch an einer solchen
feblt, von den Schiffsofsizieren urkundlich bezeugt, so wird angenommen, daß der Schiffer
zur Gingehung des Geschäfts in dem vorliegenden Umfange befugt gewesen sel.
Es fiudet jedoch der Gegenbeweis stau.
Art. 687. Der Bodmerelgeber kann die Ausslellung des Bodmertibrlefs in meh-
reren Exemplaren verlangen.
Werden mehrere Exemplare. ausgestellt, so ist m jedem Exemplar anzugeben, ie
viele eriheilt sind. "
Der Vodmereibriefkaun durch Indossament übertragen werden, wenn er an Ordre lantet.
206
Der Einwand, daß der Schiffer zur Eingehung des Geschäfts überhaupt oder in
dem vorliegenden Umfange nicht befngt gewesen sei, ist auch gegen den Indossatar zu-
lässig.
Art. 688. Die Bodmereischuld ist, sofern nicht in dem Bodmerelbrief selbst eine
andere Bestimmung getroffen ist, in dem Bestimmungshafen der Bodmereireise und am
achten Tage nach der Arkuuft des Schiffs in diesem Hafen zu zahlen.
Von dem Zahlungstage an laufen kaufmännische Zinsen von der ganzen Bodmerei-
schuld einschließlich der Prämie.
Die vorstehende Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn die Prämie nach
Zeit bedungen ist; die Zeitprämie läuft aber bis zur Zahlung des Bodmereikapitals.
Art. 689. Zur Zahlungszeit kann die Zahlung der Bodmereischuld dem leglti-
mirten Inhaber auch nur eines Exemplars des Bodmereibriefs nicht verweigert werden.
Die Zahlung kann nur gegen Rückgabe dieses Exemplars verlangt werden, auf wel-
chem über die Zahlung zu guittiren ist.
Art. 690. Melden sich mehrere gehörig legitimirte Bodmereibriefsinhaber, so sind
sie sämmtlich zurückzuweisen; die Gelder, wenn die verbodmeten Gegenstände befreit wer-
den sollen, gerichtlich oder in anderer sicherer Weise niederzulegen und die Bodmereibriefs-
inhaber, welche sich gemeldet haben, unter Angabe der Gründe des Verfahrens hier-
von zu benachrichtigen.
Wenn die Niederlegung nicht gerichtlich geschieht, so ist der Deponent befugt, über
sein Verfahren und dessen Gründe eine öffentliche Urkunde errichten zu lassen und die
daraus entstchenden Kosten von der Bodmereischuld abzuziehen.
Art. 691. Dem Bodmereigläubiger fällt weder die große noch die besondere Ha-
verei zur Last.
Insoweit jedoch die verbodmeten Gegenstände durch große oder besondere Haverei
zur Befriedigung des Bodmereigläubigers uuzureichend werden, hat derselbe den hieraus
entstehenden Nachtheil zu tragen.
Art. 692. Die sämmtlichen verbodmeten Gegenstände haften dem Bodmereigläu-
biger solidarisch.
Auch schon vor Eintrikt der Zahlungszeit kann der Gläubiger nach Ankunft des
Schiffs im Bestimmungehafen der Bodmereireise die Beschlagnahme der sämmtlichen
verbodmeten Gegenstände nachsuchen.
Art. 69 3. Der Schiffer hat für die Bewahrung und Erhaltung der verbodmeten
Gegenstände zu sorgen; er darf ohne dringende Gründe keine Handlung vornehmen, wo-
durch die Gefahr für den Bodmereigeber eine größere oder eine andere wird, als derselbe
bel dem Abschluß des Vertrags voraussetzen mußte.
207
Handelt er diesen Bestimmungen zuwider, so ist er dem Bodmereigläubiger für
den daraus entstehenden Schaden verantwortlich (Art. 479),
Art. 694. Hatder Schiffer die Bodmerelreise willkürlich verändert oder ister von dem
derselben entsprechenden Wege willkürlich abgewichen, oder hat er nach ihrer Beendigung
die verbodmeten Gegenstände von neuem einer Seegefahr ausgesetzt, ohne daß das In-
teresse des Gläubigers es geboten hat, so haftet der Schiffer dem Glänbiger für die
Bodmereischuld insoweit persönlich, als derselbe aus den verbodmeten Gegenständen seine
Befriedigung nicht erhält, es sei denn, daß er beweist, daß die unterbliebene Befriedigung
durch die Veränderung der Reise oder die Abweichung oder die neue Seegefahr nicht
verursacht ist.
Art. 69 5. Der Schiffer darf die verbodmete Ladung vor Befriedigung oder Si-
cherstellung des Gläubigers weder ganz noch theilweise ausliefern, widrigenfalls er dem
Gläubiger für die Bodmereischuld insoweit persönlich verpflichtet wird, als derselbe aus
den ausgelieferten Gütern zur Zeit der Auslieferung hätte befriedigt werden können.
Es wird bis zum Beweise des Gegentheils angenommen, daß der Gläubiger seine
vollständige Befriedigung hätte erlangen können.
Art. 696. Hat der Rheder in den Fällen der Art. 693, 694, 695 die Hand-
lungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die Vorschriften des zweiten und drit-
ten Absatzes des Art. 479 zur Anwendung.
Art. 697. Wird zur Zahlungszeit die Bodmereischuld nicht bezahlt, so kann der
Gläubiger den öffentlichen Verkauf des verbodmeten Schiffs und der verbodmeten Lad-
ung, sowie die Ueberweisung der verbodmeten Fracht bei dem zuständigen Gericht bean-
tragen.
Die Klage ist zu richten in Ansehung des Schiffs und der Fracht gegen den Schif-
ser oder Rheder, in Ansehung der Ladung vor der Auslieferung gegen den Schiffer, nach
der Auslieferung gegen den Empfänger, sofern dieselbe sich noch bei ihm oder einem Ane
deren befindet, welcher sie für ihn besitzt.
Zum Nachtheil eines dritten Erwerbers, welcher den Besitz der verbodmeten Ladung
in gutem Glauben erlangt hat, kann der Gläubiger von seinen Rechten keinen Gebrauch
machen. v
Art. 698. Der Empfaͤnger, welchem bei Annahme der verbodmeten Guͤter bekannt
ist, daß auf ihnen eine Bodmercischuld haftet, wird dem Glaͤubiger für die Schuld bis
zum Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieferung hatten, insoweit persönllch
verpflichtet, als der Gläubiger, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gür#n
bätte befriedigt werden können.
Art. 699. Wird vor dem Antritt der Bodmereireise die Unternehmung ausgege-
208
ben, so ist der Glaͤublger befugl, die soforlige Bezahlung der Bodmerelschuld an dem
Drte zu verlangen, an welchem die Bodmerel eingegangen ist; er muß sich jedoch elnt
rerhältnißmäßige Horabseyung der Prämie gefallen lassen; bel der Herabsehung ist vor-
zugsweise das Verhällniß der bestandenen zu der übernommenen Gefahr maaßgebend.
Wird die Bedmereireise in einem anderen als dem Bestimmungshafen derselben be-
endet, so ist die Bodmereischuld ohne einen Abzug von der Prämie in diesem anderen
Hasen nach Ablauf der vertragsmäßigen und in deren Ermangelung der achttägigen
(Art. 688) Zahlungsfrist zu zahlen. Die Zahlungsfrist wird vom Tage der definitiven
Einstellung der Reise berechnet.
Soweit in diesem Arlikel nicht ein Anderes bestimmt ist, kommen die Art. 689 bies
698 auch in den vorstehenden Jällen zur Anwendung.
Art. 700. Die Anwendung der Vorschriften dleses Titels wird dadurch nicht aus-
geschlessen, daß der Schisser zugleich Miteigenthümer oder Alleineigenthümer des Schiffs
oder der Ladung oder beider ist, oder daß er auf Grund besonderer Anweisung der Be-
. theiligten die Bodmerei eingegangen ist.
Art. 701. Die Bestimmung über die unelgentliche Bodmerei, d. h. diejenige,
welche nicht von dem Schiffer als solchem in den im Art. 681 bezeichneten Fällen ein-
gegangen ist, bleiben den Landesgesehen vorbehalten.
Achter Titel.
Von der Haverel.
Erster Abschnitt.
Grosie (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei.
Art. 702. Alle Schäden, welche dem Schiff oder der Ladung oder beiden zum Zweck
der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen
Geheiß vorsäßlich zugesügt werden, sowie auch die durch solche Maaßregeln ferner verur-
sochten Schäden, ingleichen die Kosten, welche zu demselben Zweck aufgewendet werden,
sind große Haverei.
Die große Haverei wird von Schiff, Fracht und Ludung gemeinschaftlich getragen.
Art. 703. Alle nicht zur großen Daverei gehsrigen, durch einen Unfsall verur-
sachten Schäden und Kosien, sewelt leztere nicht unter den Art. 622 sallen, sind beson-
dere Haverei.
Die besondere Haverel wird von den Elgenthümern des Schisss und der Ladung,
von jedem für sich allein getragen.
Art. 704. Die Anwendung der Bestlmmungen über große Haverel wird dadurch
209
nicht ausgeschlossen, daß die Gefahr in Folge des Verschuldens eines Drikten oder auch
eines Betheiligten herbelgeführt ist.
Der Bethelligte, welchem eln solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch nicht al-
lein wegen der ihm etwa entstandenen Schäden kelne Vergütung fordern, sondern er ist
auch den Beltragspflichtigen für den Verlust verantworklich, welchen sie dadurch erlelden,
daß der Schaden als große Haverel zur Pertheilung kommt.
Ist die Gefahr durch eine Person der Schisfsbesatung verschuldet, so trägt die Fol-
gen dieses Verschuldens auch der Nheder nach Maaßgabe der Art. 451, 452.
Art. 705. Die Havereiverkhellung tritt nur ein, wenn sowohl das Schiff als
auch die Ladung, und zwar jeder dieser Gegenstände entweder ganz oder theilweise wirk-
lich gerettel worden ist.
Art. 706. Die Verpflichtung, von einem gerekteten Gegenstande beizukragen, wird
dadurch, daß derselbe später von besonderer Haverei betroffen wird, nur dann vollständig
aufgehoben, wenn der Gegenstand ganz verloren geht.
Art. 708. Der Anspruch auf Vergülung elner zur großen Haverel gehörenden
Beschädigung wird durch elne besondere Gaverei, welche den beschädigten Gegenstand spä-
ter krifft, sei es, daß er von neuem beschädigt wird oder ganz verloren geht, nur in so-
weit aufgehoben, als bewiesen wird, daß der spätere Unfall nicht allein mit dem früheren
in keinem Zusammenhange steht, sondern daß er auch den früheren Schaden nach sich ge-
zogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre.
Sind jedoch vor Elntrltit des späteren Unfalls zur Wiedetherstellung des beschädig-
ten Gegenstandes berelts Aufwendungen gemacht, so bleibt rücksichtlich dieser der Anspruch
auf Verglltung bestehen.
Art. 708. Große Haverei liegt namentlich in folgenden Fällen vor, vorausgeseht,
daß in denselben zugleich dle Erfordernisse der Art. 702, 704 und 705 Insowelt vorhan-
den sind, als in diesem Artikel nichts Besonderes bestlmmt ist:
1) Wenn Waaren, Schiffstheile oder Schiffsgeräthschaften über Bord geworfen, Ma-
sten gekappt, Taue und Segel weggeschnitten, Anker, Ankerkaue oder Ankerketten
Geschlippt oder gekappt worden sind.
Sowohl diese Schäden selbst als die durch solche Maahregeln an Schiff und
Ladung ferner verursachten Schaͤden gehoͤren zur großen Haverei.
Wenn zur Erleichterung ded Schiffs die Ladung ganz oder thellwelse in Leichter-
sahrzeuge übergeladen worden ist.
Es gehört zur großen Haverei sowohl der Lelchterlohn als der Schaden, wel-
cher bel dem Ueberladen in pas Leichterfahrzeug oder bel dem Rückladen in das
Schiff der Ladung oder dem Schiff zugefügt worden ist, sowie der Schaden, wel-
cher die Ladung auf dem Leichterfahrzeug betroffen hat.
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Muh die Erleichterung im regelmäßigen Verlauf der Reise erfolgen, so liegt
große Haverei nicht vor.
Wenn das Schiff absichtlich auf den Strand geseht worden ist, jedoch nur wenn
die Abwendung des Untergangs oder der Nehmung damit bezweckt war.
Sowohl die durch die Strandung einschließlich der Abbringung entstandenen
Schäden, als auch die Kosten der Abbringung gehören zur großen Haverei.
Wird das behufs Abwendung des Untergangs auf den Strand gesetzte Schiff
nicht abgebracht oder nach der Abbringung reparaturunfähig (Art. 444) besunden,
so findet eine Haverelvertheilung nicht Statt.
Ist das Schiff gestrandet, ohne daß die Strandung zur Rettung von Schiff
und Ladung vorsäßzlich herbeigeführt war, so gehören zwar nicht die durch die
Strandung veranlaßten Schäden, wohl aber die auf die Abbringung verwendeten
Kosten und die zu diesem Zweck dem Schiff oder der Ladung absichtlich zugefüg-
ten Schäden zur großen Haverei.
Wenn das Schiff zur Vermeidung einer dem Schiff und der Ladung im Falle
der Fortsetzung der Reise drohenden gemeinfamen Gefahr in einen Nothhafen ein-
gelaufen ist, wohin insbesondere gehört, wenn das Einlaufen zur nothwendigen
Ausbesserung eincs Schadens erfolgt, welchen das Schiff während der Reise er-
litten hat.
Es gehören in diesem Falle zur großen Haverel: dle Kosten des Einlaufens
und des Auslaufens, die das Schiff selbst treffenden Aufenthaltskosten, die der
Schiffsbesatzung während des Aufenthalts gebührende Heuer und Kost, so wie die
Auslagen für die Unterbringung der Schiffsbesahung am Lande, wenn und so
lange dieselbe an Bord nicht hat verbleiben können, ferner, falls die Ladung we-
gen des Grundes, welcher das Einlaufen in den Nothhafen herbelgeführt hat, ge-
löscht werden muß, die Kosten des Von= und Anbordbringens und die Kosten
der Aufbewahrung der Ladung am Lande bis zu dem Zeilunkt, in welchem die-
selbe wieder an Bord hat gebracht werden können.
Die sämmtlichen Aufenthaltskosten kommen nur für die Zeit der Forldauer
des Grundes in Rechnung, welcher das Einlaufen in den Nothhafen berbeige-
führt hat. Liegt der Grund in einer nothwendigen Ausbesserung des Schiffs,
so kommen außerdem die Ausenthaltskosten nur bis zu dem Zeilpunkt in Nech-
nung, in welchem die Ausbesserung hätte vollendet sein können.
Dle Kosten der Ausbesserung des Schiffs gehören nur insoweit zur groben
Haverei, als der auszubessernde Schaden selbst große Haverei ist.
5) Wenn das Schiff gegen Feinde oder Seeräuber vertheidigt worden ist.
Die bel der Vertheidigung dem Schiff oder der Ladung zugefügten Beschi-
211
digungen, die dabei verbrauchte Munttion und, im Fall elne Person der Schiffs-
besahung verwundet oder geködtet worden ist, die Heilungs= und Begräbnißkosten
sowie die zu zahlenden Belohnungen (Art. 523, 524, 549, 551) bilden die große
Haverel.
Wenn im Fall der Anhaltung des Schisss durch Feinde oder Seeräuber Schlff
und Ladung losgekauft worden sind.
Was zum Lookauf gegeben Ist, bildet nebst den durch den Unterhalt und die
Auolssung der Geißeln entstandenen Kosten die Oroße Haverei.
Wenn die Beschaffung der zur Deckung der großen Haverel während der Reise
erforderlichen Gelder, Verluste und Kosten verursacht hat, oder wenn durch die
Auseinandersetzung unter den Betheiligten Kosten entstanden sind.
Diese Verluste und Kosten gehören gleichfalls zur großen Haverei.
Dahin werden insbesondere gezählt der Verlust an den während der Relse
verkauften Gütern, die Bodmereiprämie, wenn die erforderlichen Gelder durch
Bodmerel aufgenommen worden sind, und wenn dies nicht der Fall ist, die Prä-
mie für Versicherung der ausgewendeten Gelder, die Kosten für die Ermittelung
der Schäden und für die Aufmachung der Rechnung über die große Haverei
(Disyache.)
Art. 709. Nicht als große Haverei, sondern als besendere Haverei werden an-
hesehen:
1) die Verluste und Kosten, welche, wenn auch während der Reise, aus der In Folge
einer besonderen Haverei nöthig gewordenen Beschaffung von Geldern enistehen;
2) die Reklamekosten, auch wenn Schiff und Ladung zusammen und belde mit Er-
solg reklamirt werden;
3) die durch Prangen verursachte Beschädlgung des Schiffs, seines Zubehörs und
der Ladung, selbst wenn, um der Strandung oder Nchmung zu entgehen, ge-
prangt worden ist
Art. 710. In den Fällen der großen Haverei bleiben bel der Schadensberech-
nung die Beschädigungen und Verluste außer Ausay, welche die nachstehenden Gegen-
stände betreffen: ·
1) die nicht unter Deck geladenen Güter; dlese Vorschrist findet jedoch bel der Kü-
stenschifffohrt insofern keine Anwendung, als in Ansehung derielben Deckladungen
durch die Landesgesete für zulässig erklärt sind (Art. 567);
2) diejenigen Güter, worüber weder ein Konnossement ausgestellt it, noch das Ma-
nifest oder Ladebuch Auskunft glebt;
3) die Kostbarkeiten, Gelder und Werthpapiere, welche dem Schliser nich: gehörig be-
geichnet sind (Art. 608).
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Art. 711. Der an dem Schiff und dem Zubehör desselben entstandene, zur gro-
ben Gaverei gehörige Schaden ist, wenn die Neparatur während der Reise erfolgt, am
Ort der Ausbesserung und vor derselben, sonst an dem Ort, wo die Reise endet, durch
Sachverständige zu ermitteln und zu schäpen. Die Taxe muh die Veranschlagung der
erforderlichen Reparaturkosten enthalten. Sie ist, wenn während der Reise ausgebessert
wird, für die Schadensberechnung insoweit maaßgebend, als nicht die Ausführungskosten
unter den Anschlagssummen bleiben. War die Aufnahme einer Taxe nicht ausführbar,
so entscheidet der Betrag der auf die erforderlichen Reparaturen wirklich verwendeten
steu.
Insowelt die Ausbesserung während der Reise nicht geschieht, ist die Abschäyung für
die Schadensberechnung ausschließlich maaßgebend.
Art. 712. Der nach Maaßgabe des vorslehenden Arkleels ermittelte volle Betrag
der Reparaturkosten bestimmt die zu leistende Vergütung, wenn das Schiff zur Zeit der
Beschädigung noch nicht ein volles Jahr zu Wasser war.
Dasselbe gilt von der Vergütung für einzelne Theile des Schiffs, namentlich für die
Metallhaut, sowie für einzelne Theile des Zubehörs, wenn solche Theile noch nicht ein
volles Jahr in Gebrauch waren.
In den übrigen Fällen wird von dem vollen Betrage wegen des Unterschledes zwi-
schen alt und neu ein Drittel, bei deu. Ankerkelten ein Sechstel, bei den Ankern jedoch
nichts abgezogen. .
Von dem vollen Betrage kommen ferner in Abzug der volle Erloͤs oder Werth der
etwa noch vorhandenen alten Stücke, welche durch neue ersetzt sind oder zu ersehen sind.
Findet ein solcher Abzug und zugleich der Abzug wegen des Unterschieds zulschen
alt und neu statt, so ist zuerst dieser letztere und sodann erst von dem verbleibenden Be-
trage der andere Abzug zu machen.
Art. 71 3. Die Vergütung für aufgeopferte Güter wird durch den Marktprels be-
stimmt, welchen Güter derselben Art und Beschaffenheit am Bestimmungsort bei Beginn
der Löschung des Schiffs haben.
In Ermangelung eines Marklpreises, oder insofern über denselben oder über dessen
Anwendung, insbesondere mit Rücksicht auf die Qualität der Güter Zweifel besiehen, wird
der Preis durch Sachverständige ermittelt.
Von dem Preise kommt in Abzug, was an Fracht, Zöllen und Unkosten in Folge
des Verlustes der Güter erspart wird.
Zu den aufgeopferten Gütern gehören auch diesenigen, welche zur Deckung der gro-
Fen Haverel verkauft worden sind (Art. 708 Ziffer 7).
Art. 714. Die Vergütung für Güter, welche eine zur großen Haverei gehörige
213
Beschädigung erlitten haben, wird bestimmt durch den Unterschied zwischen dem durch
Sachverständige zu ermiktelnden Verkaufswerkh, welchen die Güter im beschädigten Zu-
stande am Bestlmmungsort bei Begiun der Löschung des Schiffs haben, und dem im
vorstehenden Artikel bezeichneten Preise nach Abzug der Zölle und Unkosten, soweit sie in
Folge der Beschädigung erspart sind.
Art. 715. Die vor, bei oder nach dem Haverelfall entsiandenen, zur großen Ha-
verei nicht gehörenden Werthsverringerungen und Verluste sind bei Berechnung der Ver-
Hütung (Art. 713, 714) in Abzug zu bringen.
Art. 716. Endet die Reise für Schiff und Ladung nicht im Beslimmungöhafen,
sondern an einem anderen Ort, so tritt dieser letztere, endet sie durch Verlust des Schiffs,
so trilt der Ort, wohin die Ladung in Sicherheit gebracht ist, für die Ermittelung der
Vergütung an die Stelle des Beslimmungsorts.
Art. 717. Die Vergütung für entgangene Fracht wird bestimmt durch den Fracht-
betrag, welcher für die ausgeopferten Güter zu entrichten gewesen sein würde, wenn die-
lelben mit dem Schiff an dem Ort ihrer Bestimmung, oder wenn dieser von dem Schiff
nicht erreicht wird, an dem Ort angelangt wären, wo die Reise endet.
Art. 718. Der gesammte Schaden, welcher die große Haverel bildet, wird über
das Schiff, die Ladung und die Fracht nach Verhällniß des Werths und des Betrags
derselben verlheilt.
Art. 719. Das Schiff nebst Jubehör trägt bei:
4) mit dem Werthe, welchen es in dem Zustand am Ende der Reise bei Beginn
der Löschung hat;
2) ’* als große Haverel in Rechnung kommenden Schaden an Schiff und Zu-
ehör.
Von dem unter Ziffer 1 bezeichneten Werth ist der noch vorhandene Werth dorje-
ulgen Reparaturen und Anschaffungen abzuzlehen, welche erst nach dem Havereifall er-
folgt sind.
Art. 720. Die Ladung trägt bei:
1) mit den am Ende der Reise bei Beginn der Löschung noch vorhandenen Gütern.
oder wenn die Reise durch den Berlust des Schiffs endet (Art.7 16), mit den in
Sicherhett gebrachten Gütern, soweit in beiden Fillen diese Güter sich zur Zeit
des Havereifalls am Vord des Schlffs oder eines Leichtersahrzeugs (Art. 708
Ziffer 2) befunden baben;
2) mit den aufgeopferten Gütern (Art. 713).
Art. 721. Bei Erminelung des Beltrags kommt in Ansah:
4) für dle Güter, welche unvensehrt sind, der Marktpreis oder der durch Sachvor-
214
verständige zu ermittelnde Preis (Art. 713), welchen dieselben am Ende der
Reise bei Beginn und am Orte der Löschung des Schiffs, oder wenn die Reise
durch Verlusi des Schiffs enret (Art. 7160), zur Zeit und am Orte der Bergung
haben, nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Unkosten;
für die Güter, welche während der Hleise verdorben sind oder elne zur großen
Haverei nicht gehörige Beschädigung erlitten haben, der durch Sachverständtge zu
ermittelnde Verkaufswerth (Art. 714), welchen die Güter im beschädigten Zustand
zu der unter Ziffer 1 erwähnten Zeit und an dem dort bezeichneten Ort haben,
nach Abzug der Fracht, Zölle und sonstigen Unkosten;
für die Güter, welche ausgeopfert worden sind, der Betrag, welcher nach Art. 713
für dieselben als große Haverei in Rechnung kommt;
für die Güter, welche eine zur großen Haverel gehörige Beschädigung erlliten ha-
ben, der nach der Bestimmung unter Ziffer 2 zu ermittelnde Werth, welchen die
Güter im beschädigten Zustand haben, und der Werthsunterschied, welcher nach
Art. 711 für die Beschädigung als große Haverei in Rechnung kommt.
Art. 722. Sind Güter geworfen, so haben dieselben zu der gleichzeltigen oder
elner späteren großen Haverei im Fall ihrer Bergung nur dann belzutragen, wenn der
Eigenkbümer eine Vergütung verlangt.
Art. 72 3. Die Frachtgelder tragen bei mit zwel Drittel:
1) des Brunobetrags, welcher verdient ist; .
2) des Betrags, welcher nach Art. 717 als große Haverei in Rechnung kommt.
Den Landesgesehzen bleibt vorbehalten, die auf zwei Drittel bestimmte Quote bis
auf die Hälfte zu ermäßigen.
Ueberfahrtgelder tragen bei mit dem Betrage, welcher im Falle des Verlustes des
Schiffs eingebüßt wäre (Art. 671), nach Abzug der Unkosten, welche alsdann erspart
sein würden.
Art. 724. Hastet auf einem beitragspflichttgen Gegenstand eine, in einem späte-
reu Nothfalle sich gründende Forderung, so trägt der Gegenstand nur mit seinem Werthe
nach Abzug dieser Forderung bei.
Art 725. Zur großen Haverei tragen nicht bei:
1) die Kriegs= und Mundvorräthe des Schiffs;
2) die Heuer und Effekten der Schifföbesahung;
3) die Reiseeffekten der Relsenden.
Sind Vorrälhe oder Effekten dieser Art aufgeopfert oder haben sie eine zur groben
Haverel gehörige Beschädlgung erlitten, so wird für dieselben nach Maaßgabe der Art.
713—717 Vergülug gewährt; für Essekten, welche in Kostbarkeiten, Geldern und
#
—
215
Werthpapieren besleben, wird jedoch nur dann Vergütung gewährt, wenn dieselben dem
Schiffer gehörig bezelchnet sind (Art. 608). Vorräthe und Essekten, für welche eine Ver-
gütung gewährt wird, tragen mit dem Werth oder dem Werthaunterschied bei, welcher
als große Haverei in Rechnung kommt.
Die im Art. 710 erwähnten Gegenstände sind beitragspflichtig, soweit sie gerettet sind.
Die Bodmereigelder sind nicht beitragspflichtig.
Art. 726. Wenn nach dem Haverelfall und bis zum Beginn der Löschung am
Ende der MReise ein beitragspflichtiger Gegenstand ganz verloren geht (Art. 706) oder
zum Theil verloren geht oder im Werthe verringert wird, wohin insbesondere der Fall
des Ar. 724 gehört, so tritt eine verhältnißmäßige Erhöhung der von den übrigen Ge-
genständen zu entrichtenden Beiträge ein.
In ersi nach Beginn der Löschung der Verlust oder die Werthsverringerung erfolgt,
so geht der Beitrag, welcher auf den Gegenstand fällt, so weit dieser zur Berichigung
desselben unzureichend geworden ist, den Vergütungsberechiigten verloren.
Art. 727. Dle Vergütungsberechilgten haben wegen der von dem Schiff und der
Fracht zu entrichtenden Beilräge die Rechte von Schiffsgläubigern (Tit. 10). Auch in
Ansehung der beitragspflichtigen Güter steht ihnen an den einzelnen Gütern wegen des
von diesen zu entrichtenden Beitrags ein Pfandrecht zu. Das Pfandrecht kann jedoch
nach der Auslieserung der Güter nicht zum Nachtheil des dritten Erwerbers, welcher
den Besit im guten Glauben erlangt hat, geltend gemacht werden.
Art. 726. Eine perlönliche Verpslichtung zur Entrichtung des Beitrags wird
durch den Haverelfall an sich nicht begründet.
Der Empfänger beitragspflichtiger Güter wird jedoch, wenn ihm bei der Annahme
der Güter bekannt ist, dah davon ein Beltrag zu entichten sel, für den leßteren bis
zum Werthe, welchen die Güter zur Zeit ihrer Auslieseruug hatten, insoweit persönlich
venpflichtet, als der Beitrag, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern
bätte geleistet werden können.
Art. 729. Die Festüellung und Verthellung der Schäden erfolgt an dem Be-
stimmungoort und, wenn rieser nicht erreicht wird, in dem Hafen, wo die Reise endet.
Art. 730. Der Schiffer ist verpflichtet, die Aufmachung der Dispache ohne Ver-
zug zu veranlassen. Handelt er dieser Verpslichtung zuwider, so macht er sich jedem
Betheiligten verantworklich.
Wund die Aufmachung der Diepache alcht rechtzeitig veranlaßt, so kann jeder Be-
tbeiligte die Aufmachung in Autrag bringen und betreiben.
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Art. 731. Im Gebiele dieses Gesetzbuchs wird die Dispache durch die eln fuͤr
allemal bestellten oder in deren Ermangelung durch die vom Gericht besonders ernann-
ken Personen (Dispacheure) aufgemacht.
Jeder Betheiligte ist verpflichtet, die zur Aufmachung der Dispache erforderlichen
Ukunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, namentlich Charkeparticen, Konnossemente
und Facturen, dem Dispacheur mitzutheilen.
Den Landeogesehen bleibt vorbehalten, über das Verfahren bei Aufmachung der
Dispache und die Ausführung derselben nähere Bestlmmungen zu erlassen.
Art. 732. Für die von dem Schiff zu leistenden Beiträge ist den Ladungsbe-
theiligten Sicherheit zu bestellen, bevor das Schiff den Hafen verlassen darf, in welchem
nach Art. 729 die Feststellung und Vertheilung der Schäden erfolgen muß.
Art. 733. Der Schiffer darf Güter, auf welchen Havereibeiträge haften, vor
Berichtigung oder Sichersiellung der lehzteren (Art. 616) nicht ausliefern, widrigenfalls
er„, unbeschadet der Haftung der Güter, für die Beiträge persönlich verantworklich wird.
Hat der Rheder die Handlungsweise des Schiffers angeordnet, so kommen die
Vorschristen des zweiten und dritten Absayes des Art. 479 zur Anwendung.
Das an den beitragspflichtigen Gütern den Vergütungsberechtigten zustehende Pfand-
recht wird für diese durch den Verfrachter ausgeübt.
Art. 734. Hat der Schiffer zur Fortseung der Relse, jedoch zum Zweck elner
nicht zur großen Haverel gehörenden Aufwendung, die Ladung verbodmet oder über elnen
Theil derselben durch Verkauf oder durch Verwendung verfügt, so ist der Verlust, welchen
ein Ladungsbetheiligter dadurch erleidet, daß er wegen seiner Ersayansprüche aus Schiff
und Fracht gar nicht oder nicht vollständig befriedigt werden kann (Art. 509, 510, 613),
von sämmtlichen Ladungsbetheiligten nach den Grundsätzen der großen Haverei zu tragen.
Bei der Eimittelung des Verlusies ist in dem Verhältniß zu den Ladungsbetheilig
ten in allen Fällen, namentlich auch im Falle des zweiten Absahes des Art. 613 die im
Art. 713 bezeichnete Vergütung maaßgebend. Mit dem Werthe, durch wilchen diese Ver-
gütung bestimmt wird, tragen die verkauften Güter auch zu einer etwa elntretenden gro-
oien Haverei bei (Art 720).
Art. 7 35. Ueber die auherdem nach den EIndsigen der großen Haverei zu ver-
theilenden Schäden und Kosten bestimmt der Art.
Die in den Fällen des Art. 637 und des * 5 zu entrichtenden Beiträge und
eintretenden Vergütungen steben in allen rechtlichen Beziehungen den Beiträgen und Ver-
gütungen in Fällen der großen Haverei gleich.
217
Zweiter Abschnitt.
Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen.
Art. 736. Wenn zwei Schisse zusammenstohen und entweder auf einer oder auf
beiden Seiten vurch den Stoh Schiff oder Ladung allein, oder Schiff und Ladung be-
schädigt werden oder ganz verloren gehen, so ist, salls eine Person der Besatzung des ei-
nen Schiffs durch ihr Verschulden den Zusammensloß herbeigeführt hat, der Abeder die-
ses Schiffs nach Maahgabe der Art. 451 und 452 verpslichtet, den durch den Zusam=
menstoß dem andern Schis' und dessen Ladung zugefügten Schaden zu ersehen.
Die Eigenthümer der Ladung beider Schiffe sind zum Ersah des Schadens beizu-
tragen nicht verpflichtet.
Die persönliche Verpflichtung der zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen, für die
Folgen ihres Verschuldens aufzukommen, wird durch diesen Artlkel nicht berührt.
Art. 737. Fällt keiner Person der Besahung der einen oder des anderen Schlffs
ein Verschulden zur Last oder ist der Zusammenstoß durch beiderseitiges Verschulden her-
belgeführt, so sindet ein Anspruch auf Ersat des dem einen oder anderen oder beiden
Schiffen zugefügten Schadens nicht slatt.
Art. 7 38. Die beiden vorsiehenden Artikel kommen zur Anwendung ohne Unter-
schied, ob beide Schisfe oder das eine oder das andere sich in der Fahrt oder im Trei-
ben besinden, oder vor Anker oder am Lande befesligt liegen.
Art. 739. Ist ein durch den Zusammenstoß beschädigtes Schiff gesunken, bevor
es einen Hafen erreichen konnte, so wird vermuthet, daß der Untergang des Schiffs eine
Folge des Zusammenstoßes war.
Art. 740. Wenn sich das Schlff unter der Führung eines Zwangslootsen befun-
den bat und die zur Schiffsbesatzung gehörigen Personen die ihnen obllegenden Pflichten
erfüllt baben, so isi der Rbeder des Schiffs von der Verantwortung für den Schaden
frei, welcher durch den von dem Lootsen verschuldcten Zusammenstoh entstanden ist.
Art. 741. Die Vorschriften dieses Abschnittes kommen auch dann zur Anwendung,
wenn mehr als zwei Schisse zusammenstoßen.
Ist in einem solchen Falle der Zusammenstoß durch eine Person der Besatzung des
einen Schisfs verschuldet, so haftet der Aheder des leyteren auch für den Schaden, wel-
cher daraus entsieht, daß durch den Zusammensloß dieses Schiffs mit elnem anderen der
Zusammensloh diese# anderen Schiffs mit einem dritken verursacht ist.
Neunter Titel.
Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth.
Art. 742. Wünd in einer Scenoih eln Schiff oder dessen Ladung ganz oder bheil-
3i
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weise, nachdem sie der Versügung der Schiffsbesaßung entzogen oder von derselben ver-
lassen waren, von dritten Personen an sich genommen und in Sicherheit gebracht, so ha-
ben diese Personen Anspruch auf Bergelohn.
Wird außer dem vorstehenden Fall ein Schiff oder dessen Ladung durch Hülfe drit-
ter Personen aus einer Seenoth gercttet, so haben dieselben nur Anspruch auf Hülfölohd.
Der Schiffsbesatzung des verunglückten oder gefährdeten Schiffs steht ein Anspruch
auf Berge= oder Hülfslohn nicht zu.
Art. 743. Wenn noch während der Gefahr ein Vertrag über die Höhe des Ber-
ge- oder Hülfslohns geschlossen ist, so kann derselbe wegen erheblichen Uebermaaßes der
zugesicherten Vergütung angesochten und die Herabsehung der lehteren auf das den Um-
ständen entsprechende Maaß verlangt werden.
Art 744. In Ermangelung einer Vereinbarung wird die Höhe des Berge- oder
Hülfêlohns von dem Richter unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls nach billi-
dgem Ermessen in Geld festgesett.
Art. 745. Der Berge= oder Hülfblohn umfaßt zugleich die Vergütung für die
Aufwendungen, welche zum Zweck des Bergens und Alettens geschehen ünd.
Nicht darin enthalten sind die Kosten und Gebühren der Behörden, die von den
geborgenen oder geretteten Gegenständen zu entrichtenden Zölle und sonstigen Abgaben
und die Kosien zum Zweck der Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Veräuherung
derselben.
Art. 746. Bei der Bestimmung des Betrags des Berge- oder Hülfslohns kom-
men insbesondere in Anschlag: der bewiesene Eiser, die verwendele Zeit, die geleisieten
Diensie, die geschebenen. Aufwendungen, die Jahl der thätig gewesenen Personen, die Ge-
fahr, welcher dieselben ihre Person und ihre Fahrzeuge unkerzogen haben; sowie die Ge-
sahr, welche den geborgenen oder gerekteten Gegenständen gedroht hat, und der nach Ab-
zug der Kosien (Art. 745 Abs. 2) verbliebene Werth dersellen.
Art. 747. Der Berge= oder Hülfslohn daif ohne den übereinsiimmenden Annag
der Parteien nicht auf eine Quote des Wertheo der geborgenen oder gerelteten Gegen-
siände feslgesetzt werden.
Art. 748. Der Betrag des Bergelebns soll den drilten Theil deno Werthes der
geborgenen Gegensiände (An 746) nicht übersteigen.
Nur ausnahmoweise, wenn die Vergung mit ungewöhnlichen Ansirengungen und
Gefahren verbunden war und jener Werth zugleich ein geringer ist, kann der Betrag
bis zur Hälfte des Werthes erhöht werden.
Art. 749. Der Hälsslohn ist siets unter dem Betrage festzusetzen, welchen der
Bergelohn unter seust gleichen Umständen erreicht haben wunde. Auf den Werih der
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heretteten Gegenstände ist bel Bestimmung des Hürfslohns nur eine untergeordneie Rück-
sicht zu nehmen.
Art. 750. Haben mehrere Personen an der Bergung oder Hülfsleistung sich be-
thelligt, so wlid der Berge= oder Hülfslohn unter dieselben nach Maaßgabe der persönli-
chen und sachlichen Leislungen der Einzelnen und im Zweifel nach der Kopfzahl vertheilt.
Zur gleichmäßigen Theilnähme sind auch diejenigen berechtigt, welche in derselben,
Gefahr der Rettung von Menschen sich unterzogen haben.
Art. 751. Wird eln Schiff oder dessen Ladung ganz oder theilweise von elnem
anderen Schiff geborgen oder gerellet, so wird der Berge= oder Hülfslohn zwischen dem
Nheder, dem Schiffer und der übrigen Besatzung des anderen Schiffs, sofern nichl durch
Vertrag unter ihnen ein Anderes bestimmt ist, in der Art verthellt, daß der Nheder die
Hälfte, der Schiffer ein Viertel und die übrige Besatzung zusammen gleichfalls ein Vier-
tel erhalten. Die Vertheilung unter die lehtere erfolgt nach Verhältniß der Heuer, wel-
che dem Einzelnen gebührt oder seinem Range nach gebühren würde.
5 Auf Berge= oder Hülfslohn hat keinen Anspruch:
1) wer seine Dienste aufgedrungen, insbesondere ohne Erlaubniß des anwesenden
Schiffers das Schiff betreten hat;
2) wer von den geborgenen Gegenständen dem Schiffer, dem Eigenthümer oder der
zusiändigen Behörde nicht sofort Anzeige gemacht hat.
Art. 753. Wegen der Bergungs= und Hülfskosten, wozu auch der Berge= und
Hülfslohn gezählt wird, sieht dem Gläubiger ein Pfandrecht an den geborgenen oder ge-
reiteten Gegenständen, an den geborgenen Gegensländen bis zur Sicherheiksleistung zu-
gleich das Zurückbehaltungorecht zu.
In Ansehung der Geltendmachung des Pfandrechts finden die Vorschristen des zwei-
ten und dritten Absaßes des Artl. 697 Anwendung.
Art. 754. Der Schiffer darf die Güter vor Befrledigung oder Sicherstellung des
Gläubigers weder ganz noch theilweise ausliesern, widrigenfalls er dem Gläubiger inso-
weit persönlich verpflichict wird, als derselbe aus den ausgelieserten Gütern zur Zeit der
Auolieferung hätte befriedigt werden können.
at der Aheder die Handlungsweise des Schissers angeordnet, so kommen die Vor-
schristen des zweiten und dritten Absatzes des Art. 479 zur Anwendung
Art. 755. Eine pesönliche Verpflichtung zur Enwichtung dei Bergungs= und
Häliskosten wird durch die Bergung oder Relung an sich nicht begründet.
Der Empfsänger von Gütern wird jeroch, wenn ihm bei Annahme derselben bekannt
ist, daß davon Bergungs= oder Hülfskosten zu berichtigen selen, für diese Kosten lusowelt
persönlich verpflichtet, als diesellen, falls die Auslicferung nicht erfolgt wäre, aus den
Gütern hälten berichtiget werden können. k
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220
Sind noch andere Gegenslände gemeinschaftlich mit den ausgelleferten Gütern ge-
borgen oder gerettet, so geht die persönliche Hastung des Empfängers über den Betrag
nicht hinaus, welcher bel Vertheilung der Kösten über sämmtliche Gegenstände auf die
ausgelieferten Güter fällt.
Art. 756. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, die Vorschriften dleses Titels zu
ergänzen.
Dieselben können bestimmen, dah über die Verpflichtung zur Zahlung eines Berge-
oder Hülfslohnes oder über den Betrag desselben von einer anderen als einer richter-
lichen Behörde unter Vorbehalt des Rechtswegs (Art. 744) zu entscheiden sei.
Die Bestimmungen der Landesgeseye über die Wiedernehmung eines von dem Feinde
genommenen Schiffs werden durch die Vorschriften dieses Titels nicht berührt.
Zehnter Titel.
Von den Schiffegläubigern.
Art. 757. Die nachbenannten Forderungen gewähren die Rechte eines Schiffs-
gläubigers:
1) die Kosten des Zwangsverkaufs des Schiffs; zu diesen gehören auch die Kosten
der Vertheilung des Kaufsgeldes, sowie die ekwaigen Kosien der Bewachung,
Verwahrung und Erhaltung des Schiffs und selnes Zubehörs selt der Einleitung
des Zwangsverkaufs oder seit der derselben vorausgegangenen Beschlagnahme;
2) die in der Ziffer 1 nicht begriffenen Kosten der Bewachung und Verwahrung des
Schiffs und seines Zubehörs seit der Einbringung des Schiffs in den letten Ha-
ken, falls das Schiff im Wege der Zwangsvollstreckung verkauft ist;
5) die öffentlichen Schisss= Schifffahrts= und Hafenabgaben, insbesondere die Ton-
nen-Leuchtfeuer-Quarantäne- und Hafengelder;
4) die aus den Dienst= und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffs-
besatzung;
5) die Lootsengelder sowie die Bergungs= Hülfs= Loskaufs= und Reklamekosten;
6) die Beiträge des Schiffs zur großen Haverei;
7) die Forderungen der Bodmereigläubiger, welchen das Schiff verbodmet ist, sowie
die Forderungen aus sonstigen Kieditgeschäften, weche der Schiffer als solcher
während des Aufenthalts des Schiffs außerhalb des Heimathshafens in Noth--
sällen abgeschlossen hat (Art. 497, 510), auch wenn er Miteigenthümer oder Allein-
eigenthümer des Schiffs ist; den Forderungen aus solchen Kreditgeschäften stehen
die Forderungen wegen Lieferungen oder Leislungen gleich, welche ohne Gewähr,
221
ung eines Kredits dem Schiffer als solchem während des Aufenthalts des Schilss
außerhälb des Heimathshafens in Nothfällen zur Erbalung des Schiffs oder zur
Ausführung der Reise gemacht sind, soweil diese Lieferungen oder Leistungen zur
Vefriedigung des Bedürfnisses erforderlich waren;
die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungsgüter und
der im zwelten Absatz des Art. 674 erwähnten Reiseeffekten;
die nicht unter eine der vorigen Zissern fallenden Forderungen aus Nechtögeschäf-
ten, welche der Schiffer als solcher krast seiner gesehlichen Befugnisse und nicht
mit Bezug auf eine besondere Vollmacht geschlossen hat (Art. 452 Ziffer 1), so-
wie die nicht unter eine der vorigen Ziffern fallenden Forderungen wegen
Nichterfüllung oder wegen unvollständiger oder mangelhafter Erfüllung eines
von dem Nheder abgeschlossenen Vertrags, insofern die Ausführung des lepteren
zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat (Ark. 452 Ziffer 2);
10) die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesapung (Art.
451 u. 452 Zlffer 3), auch wenn dieselbe zugleich Mlteigenthümer oder Alleln-
elgenthümer des Schiffs ist.
Art. 758. Den Schiffsgläubigern, welchen das Schiff nicht schon durch Verbod-
mung verpfändet ist, fleht ein gesehliches Pfandrecht an dem Schiff und dem Zubehör
desselben zu.
Das Pfandrecht ist gegen dritte Besiper des Schiffs verfolgbar.
Art. 759. Das gesehliche Pfandrecht eines jeden dieser Schiffsgläubiger erstreckt
6 ich “s auf die Bruttofracht derjenigen Reise, aus welcher seine Forderung enk-
ander
Art. 760. Als eine Relse im Sinne diesen Tlteld wird diesenige angesehen, zu
welcher das Schiff von neuem ausgerüstet oder welche entweder auf Grund eines neuen
Frachtveitrags oder nach vollständiger Löschung der Ladung angetreten wird.
Art. 761. Den im Art. 757 unter Zisser 4 aufgeführten Schiffsgläubigern stehr
wegen der aus elner späteren Reise entstandenen Forderungen zugleich ein gesepliches
Pfandrecht an der Fracht der früheren Reisen zu, sofern die verschiedenen Reisen unter
denselben Dienst und Heuervertrag fallen (Art. 521, 536, 538, 551).
Art. 762. Auf das dem Bodmereigläubiger in Gemäßheit des Art 680 zustehende
Pfandrecht finden dieselben Vorschriflen Anwendung, welche für das gesehliche Pfandrecht
der übrigen Schlffsgläubiger gelten.
Der Umfang des Pfandrechts des Bodmereigläubigers bestimmt sich jedoch nach dem
Inhalt des Bodmertiverirags (Art. 681.)
—
222
Art. 763. Das elnem Schiffögläubiger zustehende Pfandrecht gllt in gleichem
Maaße für Kapital, Zinsen, Bormereiprämie und Kosten.
Art. 764. Der Schiffsgläubiger, welcher seln Pfandrecht verfolgt, kann sowohl
den Rheder als auch den Schiffer belangen, den Letteren auch dann, wenn das Schiff
in dem Heimathshafen liegt (Art. 495).
Das gegen den Schiffer ergangene Erkenntniß ist in Ansehung des Pfandrechts ge-
gen den Aheder wirksam.
Art. 765. Auf die Rechte eines Schiffsgläubigers hat es keinen Einfluß, daß
der Nheder für die Forderung bei deren Entstehung oder später zugleich perfönlich ver-
pflichlet wird.
Diese Vorschrift findet insbesondere auf dle Forderungen der Schiffsbesahung aus
den Dienst= und Heuerverträgen Anwendung (Art. 453),
Art. 76 6. Gehört das Schiff einer Nhederei, so hastet das Schiff und dle Fracht
den Schiffsgläubigern in gleicher Weise, als wenn das Schiff nur einem Nheder gehörte.
Art. 167. Das Pfandrecht der Schisfsgläubiger am Schiff erlischt:
1) durch den im Juland im Wege der Zwangsvollsireckung ersolgten Verkauf des
Schiffs; an Stelle des letzteren tritt für die Schiffsgläubiger das Kaufgeld.
Es müssen die Schiffsgläubiger zur Wahrnehmung ihrer Rechte öffentlich auf-
gesordert werden; im Uerrigen bleiben die Vorschristen über das den Verkaus
betrefsende Verfahren den Landesgesehen vorbehalten;
2) durch den von dem Schisser im Falle der zwingenden Nothwendigkeit auf Grund
seiner gesehlichen Befugnisse bewi#sten Verkauf des Schiffs (Art. 499); an Stelle
des lehteren tritt für die Schiffsgläubiger das Kaufgeld, so lange es bei dem
Käufer aussicht oder noch in den Händen des Schiffers ist.
Art. 768. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, zu besilmmen, daß auch in ande-
tren Veräußerungsfällen die Pfandrechte erlöschen, wenn die Schiffsgläubiger zur Anmeld-
ung der Pfandrechte ohne Erfolg öffenklich aufgefordert sind, oder wenn die Schiffsgläu=
biger ihre Pfandrechte innerhalb einer bestimmten Frist, seitdem das Schiff in dem Hel-
mathshafen oder in einem inländischen Hasen sich befunden hat, bei der zuständigen Be-
börde nicht angemeldet haben.
Art. 769. Der Art. 767 findet keine Anwendung, wenn nicht das ganze Schiss,
sondern nur eine oder mehrere Schiffsparten veräuhert werden.
Art 770. In Aunsehung des Schiffs haben die Kosten des Zwangsverkaufs (Art.
757 Zisser 1) und die Bewachungs= und Verwahrungskosten seit der Einbringung in
den lehten Hafen (Art. 757 Ziffer 2) vor allen anderen Forderungen der Schlffsgläu-
biger den Vorzug.
223
Die Kosten des Zwangsverkaufs gehen den Bewachungs= und Verwahrungskosten
seit der Einbringung in den letzten Hafen vor.
Art. 771. Von den übrigen Forderungen gehen die, die lette Reise (Art. 760)
betresfenden Forderungen, zu welchen auch die nach Beendigung der letzten Reise ent-
standenen Forderungen Verechnet werden, den Forderungen vor, welche die früheren Rei-
sen brtreffen.
Von den Forderungen, welche nicht die lehte Reise betreffen, gehen dle elne spätere
Reise betreffenden denjenigen vor, welche eine frühere Reise betreffen.
Den im Art. 757 unter Ziffer 4 aufgeführten Schiffsgläubigern gebührt jedoch we-
Veu der eine frühere Reise betreffenden Forderungen dasselbe Vorzugsrecht, welches ihnen
wegen der eine spätere Reise betreffenden Forderungen zusteht, sofern die verschiedenen
Neisen unter denselben Dienst= oder Heuervertrag sallen.
Wenn die Bodmereireise mehrere Reisen im Sinne des Art. 760 umfaßt, so sieht
der Bodmereigläubiger denjenigen Schiffsgläubigern nach, derei Forderungen die nach
Vollendung der ersten dieser Reisen angelrekenen späteren Reisen betreffen.
Art. 772. Die Forderungen, welche dieselbe Reise betreffen, sowie diejenigen,
welche als dieselbe Reise betreffend anzusehen sind (Art. 771), werden in nachstehender
Ordnung berichtigt:
1) die öffentlichen Schiffs= Schifffabrts= und Hafenabgaben (Art. 757 Ziffer 3);
2) die aus den Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen der Schiffs-
besatung (Art. 757 Ziffer 4);
dle Lootsengelder sowie die Bergungs= Hülfs= Loskaufs= und Reklamekosten (Art.
757 Ziffer 5), dle Belträge des Schiffs zur großen Haverei (Art. 757 Ziff. 6,
die Forderungen aus den von dem Schiffer in Nothfällen abgeschlossenen Bod-
merei= und sonstigen Kreditgeschäften sowie die diesen Forderungen gleichzuachten-
den Forderungen (Art. 757 Ziffer 7);
die Foiderungen wegen Nichtablieserung oder Beschädigung von Gütern und Rei-
seeffeklen (Art. 757 Ziffer 8);
5) die im Art. 757 unter Ziffer 9 und 10 aufgefährten Forderungen.
Art. 773. Von den unter Zisser 1, 2, 4 und 5 des Art. 772 aufgeführten Fer-
derungen sind die unter derselben Zisfer dieses Ariikels ausgesührten gleichberechligt.
Von den unter Ziffer 3 des Art. 772 aufgeführten Forderungen geht dagegen die
später entstandene der früher entstandenen ror; die glelchzeilig entstandenen sind gleich-
bercchtigk.
Hat der Schiffer aus Aulaß desselben Nolhfalls rerschiedene Geschäfte abgeschlessen
#
—
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224
(Art. 757 Zisser 7), so gelten die daraus herrührenden Forderungen als glelchzeitig ent-
standen.
Forderungen aus Kreditgeschäften namentlich aus Bodmereiverträgen, welche der
Schiffer zur Berichtigung früherer, unter die Ziffer 3 des Art 772 fallender Forder-
ungen eingegangen ist, sowie Forderungen aus Verträgen, welche derselbe behuss Verlän-
herung der Zahlungszeit, Anerkennung oder Erneuerung solcher früherer Forderungen
algeschlossen hat, haben auch dann, wenn das Kreditgeschäft oder der Vertrag zur Fort-
setung der Reise nothwendig war, nur dasjenige Vorzugrecht, welches der früheren For-
derung zustand.
Art. 774. Das Pfandrecht der Schiffsgläubiger an der Fracht (Art. 759) ist
nur so lange wirksam, als die Fracht noch aussieht oder die Frachtgelder in den Händen
des Schisfers sind.
Auch auf dieses Pfandrecht finden die in den vorstehenden Artikeln über die Rang-
ordnung enthaltenen Bestimmungen Anwendung.
Im Falle der Cession der Fracht kann das Pfandrecht der Schiffsgläubiger, so lange
die Fracht noch aussteht oder die Frachtgelder in den Händen des Schiffers sind, auch
dem Cesü#onar gegenüber geltend gemacht werden.
Insoweit der Rheder die Fracht eingezogen hat, haftet er den. Schiffsgläubigern,
welchen das Pfandrecht dadurch ganz oder zum Theil entgebt, persönlich und zwar einem
jeden in Höhe desjenigen Betrags, welcher für deuselben bei Vertheilung des eingezoge-
nen Betrags nach der gesetlichen Rangordnung sich ergiebt.
Dieselbe perfönliche Hastung des Mheders tritt ein in Ansehung der am Abladungs-
ort zur Abladungszeit üblichen Fracht für dle Güter, welche für seine Rechnung abgela-
den sind.
Art. 775. Hat der Nheder die Fracht zur Befriedigung elnes oder mehrerer Gläu-
blger, welchen ein Pfandrecht an derselben zustand, verwendet, so ist er den Gläubigern,
welchen der Vorzug gebührt hälte, nur iusoweit verankwortlich, als erwiesen wird, daß
er dieselben wissentlich verkürzt hat.
Art. 776. Insoweil der RAbeder in den im Art. 767 unter Ziffer 1 und 2 er-
wähnten Fällen das Kaufgeld eingezogen hat, haftet er in Höhe des eingezogen Betrags
sämmtlichen Schiffsgläubigern in gleicher Weise persönlich, wie den Gläubigern einer
Reise im Falle der Einziehung der Fracht (Art. 774, 775).
Art. 777. Wenn der Rheder, nachdem er von der Forderung eines Schiffsgläu-
bigers, für welche er nur mit Schiff und Fracht haftet, Kennmiß erhalten hat, das Schif
zu einer neuen Reise (Art. 760) in See sendet, ohne daß das Interesse des Schiffs=
gläubigers es geboten hat, so wird er für die Ferderung in Höhe desjenigen Betrags
225
zugleich persoͤnlich verpflichtet, welcher fuͤr den Gläubiger sich ergeben haben wuͤrde, falls
der Wertb, welchen das Schiss bel Antritt der Reise hatte, unter die Schiffögläubiger
nach der gesehlichen Rangordnung vertheilt worden wäre.
Es wird bis zum Beweise des Gegemheils augenommen, daß der Gläubiger bei
dieser Vertheilung seine vollständige Befriedigung erlangt haben würde.
Die persönliche Verpflichtung des Rheders, welche aus der Einzlehung der dem Gläu-
biger haftenden Fracht entsieht (Art. 774), wird durch dlesen Artikel nicht berührt.
Art. 778. Die Verhütung für Aufopferung oder Beschädigung in Fällen der
großen Haverei trit für die Schiffögläubiger an Stelle desjenigen, wofür die Vergütung
bestimmt ist.
Dasselbe gilt von der Entschädigung, welche im Falle des Verlustes oder der Be-
schädigung des Schiffs oder wenen entzogener Fracht im Falle des Verlustes oder der.
Beschädigung von Gütern dem Aheder von demjenigen gezahlt werden muß, welcher den
Schaden durch eine rechtswidrige Handlung verursacht.
Ist die Vergütuny oder Entschädigung von dem Nbeder eingezogen, so haftet er in
Höhe des eingezogenen Berags den Schiffsgläubigern in gleicher Art persönlich, wie den
Gläubigern einer Reise im Falle der Einziehung der Fracht (Art 774, 775).
Art. 779. Im Falle der Konkurrenz der Schiffsgläubiger, welche ihr Pfandrecht
verfolgen, mit anderen Pfandgläubigern oder sonsiigen Gläubigern, haben dle Schiffs-
gläubiger den Vorzug.
Art. 780. Die Bestimmung der Art. 767 und 769 über das Erlöschen der
Pfandrechte der Schiffsgläubiger finden auch Anwendung auf die sonstigen Pfandrechte,
welche nach den Landesgesehen an dem Schiff oder einer Schiffspart durch Willenser-
klärung oder Gesehz erworben und gegen den dritten Besiher verfolgbar sind.
Die Vorschrift des Art. 767 Ziffer 1 trilt auch rücksichtlich der auf elner Schiffs=
pa##t haftenden Pfandrechte im Falle des Zwangsverkaufs dieser Schiffspart ein
Im Uebrigen werden die Rechie der im ersten Absah erwähnten Pfandgläubiger
nicht nach den Bestimmungen dieses Titels, sondern nach den Landesgesetzen beurtheilt.
Art. 781. Von den auf den Gütern wegen der Fracht, der Bodmereigelder, der
Beiträge zur grohen Haverei und der Bergungs= und Hulsskosten (Art. 624, 626, 680,
727, 753) hastenden Pfandrechten sieht das wegen der Fracht allen übrigen nach; unter
diesen übrigen hat das später entstandene vor dem früber entslandenen den Vorzug; die
gleichzeitig entsiandenen sind gleichberechtigt. Die Forderungen aus den von dem Schil-
fer aus Anlaß desselben Nothfalls abgeschlossenen Geschäften gelten als glelchzeitig
entstanden.
In den Zällen der großen Haverei und des Verlustes oder der Beschädigung durch
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226
rechtswidrige Handlungen kommen die Vorschriften des Art. 778 und in dem Falle des
von dem Schisser zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes nach Maaßgabe
des dritten Absatzes des Art 504 bewirkten Verkaufs die Vorschristen des Ark. 767 Zif-
fer 2 und wenn derjenige, für dessen Rechnung der Verkauf geschehen ist, das Kaufgeld
einzieht, der Art. 776 zur Anwendung.
Elfter Titel.
Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt.
Erster Abschnitt.
Allgemeine Grundsätze.
Art. 782. Jedes in Geld schähbare Interesse, welches Jemand daran hat, das
Schiff oder Ladung die Gesahren der Seeschifffahrt bestehe, kann Gegenstand der See-
versicherung sein.
Art. 783. Es können insbesondere versichert werden:
das Schiff;
die Fracht;
die Ueberfahrtsgelder;
die Güter;
die Bodmereigelder;
die Havereigelder;
andere Forderungen, zu deren Deckung Schiff, Fracht, Ueberfahrtsgelder oder Güter dienen;
der von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort erwartete Gewinn (imaginäre Gewinn):
die zu verdienende Provision;
die von dem Versicherer übernommene Gefahr (Rückversicherung).
In der einen dieser Versicherungen ist die andere nicht enthalten.
Art. 784. Die Heuerforderung des Schiffers und der Schiffsmannschaft kann
nicht versichert werden.
Art. 78 5. Der Versicherungsnehmer kann entweder sein eigenes Interesse (Ver-
sicherung für eigene Rechnung) oder das Interesse elnes Dritten (Versicherung für fremde
Rechnung) und in dem lehteren Falle mit oder ohne Bezeichnung der Person des Ver-
Versicherten unter Versicherung bringen.
Es kann im Vertrag auch unbesilmmt gelassen werden, ob die Versicherung für ei-
gene oder für fremde Rechnung genommen wird (für Rechnung „wen es angeht“). Er-
giebt sich bei der Versicherung für Rechnung „wen es angeht“, daß dieselbe für fremde
Rechnung genommen ist, so kommen die Vorschriflen über die Versicherung für fremde
Nechnung zur Anwendung.
227
Die Versicherung gilt als für elgene Rechnung des Versicherungsnehmers geschlossen,
wenn der Vertrag nicht ergiebt, daß sie für fremde Rechnung oder für Rechnung „wen
es angeht" genommen ist.
Art. 786. Die Versicherung für fremde Rechnung ist für den Versicherer nur
dann verbindlich, wenn entweder der Versicherungönehmer zur Eingehung derselben von
dem Versicherten beaustragt war, oder wenn der Mangel eines solchen Auftrags von dem
Versccherungsnehmer bei dem Abschluß des Vertrags dem Versicherer angezeigt wird.
Iü die Anzeige unterlassen, so kann der Mangel des Auftrags dadurch nicht ersetzt
werden, daß der Versicherte die Versicherung nachträglich genehmigt.
Is die Anzeige erfolgt, so ist die Verbindlichkit der Versicherung für den Versiche-
rer von der nachträglichen Genchmigung des Versicherten nicht abhängig.
Der Versicherer, für welchen nach den Bestlmmungen dieses Artikels der Versicher-
ungsvertrag unverbindlich ist, hat, selbst wenn er die Unverbindlichkeit des Vertrags gel-
tend macht, gleichwohl auf die volle Prämie Anspruch.
Art. 787. Ist die Versicherung von einem Bevolhnächtigten, von einem Geschäfts-
fübrer ohne Auftrag oder von elnem sonstigen Verweter des Versicherten in dessen Na-
mien geschlossen, so ist im Sinne dieses Geseybuchs weder der Vertreter Versicherungsneh-
mer, noch die Verücherung selbst eine Versicherung für fremde Rechnung.
Im Zweisel wird angenommen, dah selbst dle auf das Interesse eines benannten
Drineen sich beziehende Versicherung eine Versicherung für fremde Hlechnung ist.
Art. 788. Der Versicherer ist verpflichtet, eine von ihm unterzeichnete schriftliche
Urkunde (Volize) über den Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer af dessen Ver-
langen auszuhändigen.
Art. 789. Auf die Gültigkelt des Versicherungsvertrags hat es keinen Einfluh,
daß zur Zeit des Abschlusses desselben die Möglichkelt des Eintritts elnes zu ersehenden
Schadens schon ausgeschlossen oder da der zu ersehende Schaden bereits eingetreten ist
Wearen jedoch beide Theile von dem Sachverhältniß unterrichtet, so ist der Vertrag
als Bersicherungsvertrag ungültig.
Wußte nur der Versicherer, daß die Möglichkelt des Eintritks eines zu ersehenden
Schadens schon ausgeschlossen sei, oder wußte nur der Versicherungsnehmer, daß der zu
ersehende Schaden schon eingetreten sel, so ist der Vertrag für den anderen, von dem
Sackverhälmiß nicht unterrichteten Theil unverbindlich. Im zwelten Falle bat der Ver-
sicherer, selbst wenn er die Unverbindlichkelt des Vertrags geltend macht, gleichwohl auf
die volle Prämie Anspruch.
Im Falle der Vertrag für den Versicherungsnehmer durch einen Vertreter abgeschlos-
sen wirk, kommt die Vorschrift des zweiten Absahes des Art. 810, im Falle der Ver-
·-
228
sicherung für fremde Rechnung die Vorschrift des Art. 811 und im Falle der Versicher-
ung mehrerer Gegenstände oder einer Gesammtheit von Gegenständen die Vorschrift des
Art. 814 zur Anwendung.
Art. 790. Der volle Werih des versicherten Gegenstandes ist der Wersicherungs-
werth.
Dle Versicherungssumme kann den Versicherungswerth nicht übersteigen.
Soweit die Versicherungssumme den Versscherungowerth übersteigt (Ueberverücherung),
hat die Versicherung keine rechtliche Gellung.
Art. 791. Uebersteigt im Fall einer gleichzeiligen Abschließung verschiedener Ver-
sicherungsverträge der Gesammtbetrag der Versicherungssummen den Versicherungswerth,
so haften alle Versicherer zusammen nur in Höhe des Versicherungswerths und zwar je-
der einzelne für so vlele Prozente des Versicherungswertho, als seine Verlicherungssumme
Prozente des Gesammtbetrags der Versicherungssummen bildet. Hierbei wird im Zweifel
vermuthet, daß die Verträge gleichzeitig abgeschlossen sind.
Mehrere Versicherungsverträge, worüber eine gemeinschaftliche Polize ertheilt ist, in-
glelchen mehrere Versicherungsverträge, welche an demselben Tag abgeschlossen sind, gelten
als gleichzeltig abgeschlossen.
Art. 792. Wird ein Gegenstand, welcher bereits zum vollen Werthe versichert ist,
nochmals wversichert, so hat die spätere Versicherung lusoweit keine rechtliche Geltung, als
der Gegensland auf dieselbe Zeit und gegen dieselbe Gefahr berelts versichert ist (Doppel-
versicherung).
Ist durch die frühere Versicherung nicht der volle Werth versichert, so gilt die spä-
tere Versicherung, insowelt sie auf dieselbe Zelt und gegen dieselbe Gefahr genommen ist,
mr für den noch nicht versicherten Theil des Werths.
Art. 79 3. Die spätere Versicherung hat jedoch ungeachtet der Eingehung der frü-
heren Versicherung rechtliche Geltung:
1) wenn bei dem Abschluß des späteren Vertrags mit dem Versicherer vereinbart wird,
daß demselben die Rechte aus der früheren Versicherung abzutreten seien;
wenn dle spätere Versicherung unter der Bedingung geschlossen wird, daß der Ver-
sicherer nur insowelt hafte, als der Versicherte sich an den früheren Versicherer
wegen Zahlungsunsähigkeit desselben nicht zu erholen vermöge oder die frühere
Persicherung nicht zu Recht bestehe;
wenn der frühere Versicherer mittelst Verzichtanzeige seiner Verpflichtung insoweit
entlassen wird, als zur Vermeidung einer Doppelversicherung nöthig ist, und der
spätere Versicherer bei Eingehung der späteren Versicherung hievon benachrschtigt
wird. Dem früheren Versicherer gebührt in diesem Fall, obschon er von seiner
Verpflichtung befreit wird, gleichwohl die volle Prämie.
le
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Art. 794. Im Falle der Doppelversicherung hat nicht die zuerst genommene son-
dern die später genommene Versicherung rechtliche Gellung, wenn die stühere Versicher-
ung für fremde Rechnung ohne Austrag genommen ist, die spätere dagegen von dem Ver-
sicherten selbst genommen wird, sofern in einem solchen Falle der Verskicherte entweder bei
Eingehung der späteren Versicherung von der früheren noch nicht unterrichtet war oder
bel Eingehung der späteren Versicherung dem Versicherer anzeigt, dah er die frühere Ver-
sicherung zurückweise.
Die Rechte des früheren Versicherers in Ansehung der Prämie besilmmen sich in die-
sen Fällen nach den Vorschriften der Art. 900 und 901.
Art. 795. Sind mehrere Versicherungen hleichzeillg oder nach einander geschlos.
sen worden, so hat ein späterer Verzicht auf die gegen den einen Versicherer begründeten
Rechte keinen Einfluß auf die Rechte und Verpflichtungen der übrigen Versicherer.
Art. 796. Wenn die Versicherungssumme den Versicherungswerth nicht erreicht,
so haftet der Versicherer im Fall eines theilweisen Schadens für den Betrag desselben nur
nach Verhältniß der Versicherungssumme zum PVersicherungswertb.
Art. 797. Wird durch Vereinbarung der Partelen der Versicherungswerth auf
eine bestimmte Summe (Taxe) festgestellt (taxirte Polize), so ist die Taxe unter den Par-
teien für den Versicherungswerth maaßgebend.
Der Versicherer ist jedoch befugt, eine Herabsezung der Taxe zu sordern, wenn er
beweist, daß dieselbe wesentlich überseyt sei; ist imaginärer Gewinn taxirt, so hat er im
Falle der Anfechtung der Taxe zu beweisen, daß dieselbe den zur Zeit des Abschlusses
des Vertrags nach kaufmännischer Berechnung möglicher Welse zu erwartenden Gewinn
überstiegen habe.
Eine Polize mit der Bestimmung: „vorläufig taxirt“ wird, se lange die Tage nicht
in eine feste verwandelt ist, einer nicht taxirten Polize (offenen Polize) gleichgeachtet.
Bei der Versicherung von Fracht ist die Taxe in Bezug auf einen von dem Ver-
sicherer zu ersependen Schaden nur dann maaßgebend, wenn dieses besonders bedungen iß.
Art. 798. Wenn in einem Vertrage mehrere Gegenstände oder eine Gesammtheir
von Gegenständen unter einer Versicherungssumme begriffen, aber für einzelne derlelben
besondere Taxen vereinbart sind, so gelten die Gegenstände, welche besonders taxirt sind,
auch als abgesondert versichert.
Art. 799. Als Versicherungswerth des Schiffs gilt, wenn die Parteien nicht eine
andere Grundlage für die Schätung verelnbart haben, der Werth, welchen das Schiff in
dem Zeltpunkt hat, in welchem die. Gefahr für den Versicherer zu laufen beginnt.
Diese Bestlmmung komut auch dann zur Auwendung, wenn der Versicherungswerth
des Schiffs taxirt #s..
230
Art. 800. Die Ausrüstungskosten, die Hener und die Versicherungskosten koͤnnen
zugleich mit dem Schiff oder besonders versichert werden, insoweit sie nicht bereits durch
die Versicherung der Brutkofracht versichert sind. Dieselben gelten nur dann als mit dem
Schiff versichert, wenn es vereinbart ist.
Art. 801. Die Fracht kann bis zu ihrem Bruttobetrage versichert werden, inso-
weit sie nicht bereits durch die Versicherung der Ausrüstungskosien, der Heuer und der
Versicherungskosten versichert ist.
Als Versicherungswerth der Fracht gilt der Betrag der in den Frachtverträgen be-
dungenen Fracht, und wenn eine bestimmte Fracht nicht bedungen ist oder insoweit Güter
für Rechnung des Nheders verschifft sind, der Betrag der üblichen Fracht (Art. 620).
Art. 802. Ist bei der Versicherung der Fracht nicht bestimmt, ob dieselbe ganz
oder ob nur ein Theil derselben versichert sei, so gilt die ganze Fracht als versichert
Ist nicht bestimmt, ob die Brurto= oder Nettofracht versichert sei, so gilt die Brurto-
fracht als verslchert. .
Wenn die Fracht der Hinreise und die Fracht der Zurückreise unter einer Versicher-
ungssumme versichert sind und nicht bestimmt ist, welcher Theil der Versicherungssumme
auf die Fracht der Hinreise und welcher Theil auf die Fracht der Zurückreise falle, so
wird die Hälfte derselben auf die Fracht der Hinreise, die Hälste auf die Fracht der Zu-
rückreise gerechnet.
Art. 80 3. Alos Versicherungswerth der Güter gilt, wenn die Parteien nicht eine
andere Grundlage für die Schägung vereinbart haben, derjenige Werth, welchen die Gü-
ter am Ort und zur Zeit der Abladung haben, unter Hinzurechnung aller Kosten bis
an Bord einschließlich der Versicherungskosten.
Die Fracht sowice die Kosien während der Reise und am Besièmmungsort werden
nur hinzugerechnet, sofern es vereinbart ist.
Die Bestimmungen dieses Artikels kommen auch dann zur Anwendung, wenn der
Versicherungswerth der Güter taxirt ist.
Art. 80 4. Sind die Ausrüstungskosten oder die Heuer, sei es selbstständig, sei
es durch Versicherung der Brunofracht, versichert, oder sind bei der Versicherung von Gü-
kern dle Fracht oder die Kosten während der Reise und am Besiimmungsort versichert,
so leistet der Verlicherer für denjenigen Theil derselben keinen Ersatz, welcher in Folge
eines Unfalls erspart wird.
Art. 805. Bei der Versicherung von Gütern ist der imaginäre Gewinn oder die
Provision, selbst wenn der Versicherungswerth der Güter taxirt ist, als mitversichert nur
anzusehen, sofern es im Vertrage bestimmt ist.
Ist im Falle der Mitversicherung des imaginären Gewinns der Versicherungswerth
231
taxirt, aber nicht bestimmt, welcher Theil der Taxe auf den imaginären Gewinn sch be-
ziehe, so wird angenommen, dah zehn Prozent der Taxe auf den imaginären Gewinn
sallen. Wenn im Falle der Mitversicherung des imaginären Gewinns der Versicherungs-
werth nicht taxirk tt, so werden als imaginärer Gewinn zehn Prozent des Versicherungs-
werths der Güter (Art. 803) als versichert bekrachtet.
Die Bestimmungen des zweiten Absapes kommen auch im Falle der Mitverllcherung
der Provision mit der Maaßgabe zu Anwendung, daß an Stelle der zehn Prozent zwei
Prozent treten. «
Akt-AM.JstdckinmginåkeöjnvinnodkkdicPkovisivnselbstständigvnsichekb
der Versicherungswerth jedoch nicht taxirt, so wird im Zweifel angenommen, dah die Ver-
sicherungssumme zugleich als Taxe des Versicherungswerths gelten soll.
Art. 807. Die Bodmereigelder können einschließlich der Vodmereiprämie für den
Bodmereigläubiger versichert werden.
Ist bel der Versicherung von Bodmerelgeldern nicht angegeben, welche Gegenstände
verbodmet sind, so wird angenommen, dah Bodmereigelder auf Schiff, Fracht und Lad-
ung versichert seien. Wenn in Wirklichkeit nicht alle diese Gegenstände verbodmet sind,
so kann nur der Versicherer auf die vorstehende Bestimmung sich berufen.
Art. 808. Hat der Versicherer seine Verpflichtungen erfüllt, so tritt er, insoweit
er einen Schaden vergütet hat, dessen Erstattung der Versicherte von einem Dritten zu
sordern befugt ist, jedoch unbeschadet der Bestimmungen im zweiten Absatz des Art. 778
und im zweiten Absah des An 781, in die Nechte des Versicherten gegen den Dritten.
Der Versicherte ist verpflichtet, dem Versicherer, wenn er es verlangt, auf dessen Ko-
sten eine beglaubigte Anerkennungsurkunde über den Eintrint in die Rechte gegen den
Drilten zu erthellen
Der Versicherte ist verantwortlich für jede Handlung, durch welche er jene Rechte
beeinträchtigl.
Art. 809. Ist eine Forderung versichert, zu deren Deckung eine den Gefahren
der Ser ausgesetzte Sache dient, so ist der Versicherte im Fall eines Schadens verpflich.
tet, dem Versicherer, nachdem dieser seine Verpflichtungen erfüllt hat, seine Rechte gegen
den Schuldner insoweit abzutreien, als der Versicherer Ersah geleistet hat.
Der Versicherte ist nicht verpflichtet, die ihm gegen den Schuldner zustehenden Rechte
geltend zu machen, bevor er den Versicherer in Anspruch nimmt.
Zweiter Abschnitt.
Anzeigen bei dem Abschluß des Vertrags.
Art. 910. Der Versicherungsnehmer ist sowohl im Falle der Versicherung für ei-
232
gene Rechnung als im Falle der Versicherung für fremde Rechnung verpflichter, bei dem
Abschluß des Vertrags dem Versicherer alle ihm bekannten Umstände anzuzeigen, welche
wegen ihrer Erheblichkeit für die Beurtheilung der von dem Versicherer zu kragenden Ge-
fabr geeignet sind, auf den Enischluß des Leteren, sich auf den Vertrag überhaupt oder
unter denselben Bestimmungen einzulassen, Einfluß zu üben.
Wenn der Vertrag für den Versicherungsnehmer durch einen Vertreter desselben ab-
geschlossen wird, so sind auch die dem Vertreter bekannten Umstände anzuzeigen.
Art. 811. Im Falee der Versicherung für fremde Rechnung müssen dem Versiche-
rer bel dem Abschluß des Vertrags auch diejenigen Umstände angezeigt werden, welche
dem Versicherten selbst oder einem Iwischenbeauftragten bekannt sind.
Die Kenmuiß des Versicherten oder eines Zwischenbeauftragten kommt jedoch nicht in
Betracht, wenn der Umstand denselben so spät bekannt wird, daß sie den Versicherungs-
nehmer ohne Anwendung außergewöhnlicher Maaßregeln vor Abschluß des Vertrags nicht
mehr davon benachrichtigen können.
Die Kenntniß des Versicherten kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die Ver-
sicherung ohne Auftrag und ohne Wissen desselben genommen ist.
Art. 812. Wenn die in den beiden vorstehenden Artikeln bezeichnete Verpflicht-
ung nicht erfüllt wird, so ist der Vertrag für den Versicherer unverbindlich.
Dlese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn der nicht angezeigte Umstand
dem Versicherer bekannt war oder als ihm bekannt vorausgesetzt werden durste.
Art. 813. Wird von dem Versicherungsnehmer bei dem Abschluß des Vertrags
in Bezug auf einen erheblichen Umstand (Art. 810) eine unrlchtige Anzeige gemacht, so
ist der Vertrag für den Versicherer unerbindlich, es sei denn, daß diesem die Unrichtig-
keit der Anzeige bekannt war.
Diese Bestimmung kommt zur Anwendung ohne Unterschied, ob die Anzeige wissentlich
oder aus Irrthum, ob sie mit oder ohne Verschulden unrichtig gemacht ist.
Art 814. Wird bei einer Versicherung mehrerer Gegenstände oder einer Gesammt-
beit von Gegenständen den Vorschristen der Art. 810—813 in Ausehung eines Umstandes zu-
widergehandelt, welcher nur einen Theil der versicherten Gegenstände betrifft, so bleibt der
Vertrag für den Versicherer in Ansehung des übrigen Theils verbindlich. Der Vertrag ist je-
doch auch in Ansehung dieses Thells für den Versicherer unverbindlich, wenn erhellt, dah der
Leptere deuselben allein unter denselben Bestimmungen nicht versichert haben würde.
Art. 81 5. Dem Versicherer gebührt in den Fällen der Art. 810—814, selbst wenn
er die gängliche oder theilweise Unverbindlichkeit des Verkrags geltend macht, gleichwohl die
volle Prämie.
222
Oritter Abschnitt.
Verpflichtungen des Versicherten aus dem Verficherungsvertrag.
Art. 816. Die Praͤmle ist, sofern nicht ein Anderes vereinbart ist, sosort nach
dem Abschluß des Vertrags und wenn elne Polize verlangt wird, gegen Auslieferung der
Vollze zu zahlen.
Zur Zahlung der Prämie ist der Versicherungsnehmer verpflichtet.
Wenn bei der Verlsicherung für fremde Rechnung der Versicherungsnehmer zahlungs-
unfähig geworden ist und dle Prämie von dem Versicherten noch nicht erhalten hat, so
kann der Versicherer auch den Versicherten auf Zahlung der Prämie in Auspruch nehmen.
Art. 817. Wird statt der versicherten Reise, bevor die Gefahr für den Versicherer
zu laufen begonnen hat, eine andere Reise angetreten, so ist der Versicherer bei der Ver-
sicherung von Schiff und Fracht von jeder Hastung frei, bei anderen Versicherungen trägt
der Versicherer die Gefahr für die andere Reise nur dann, wenn die Veränderung der
Reise weder von dem Versicherten noch im Auftrage oder mit Genehmigung desselben be-
wirkt ist.
Wird die versicherte Relse verändert, nachdem die Gefahr fuͤr den Versicherer zu
laufen begonnen hat, so haftet der Versicherer nicht für die nach der Veränderung der
Reise eintretenden Unsälle. Er haftet jedoch für diese Unfälle, wenn die Veränderung
weder von dem Versicherten noch im Auftrage oder mit Genehmigung desselben bewirkt
oder wenn sie durch einen Nothfall verursacht ist, es sel denn, daß der lehtere in elner
Gefsahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu tragen hat.
Die Relse Ist verändert, sobald der Enischluß, dieselbe nach einem anderen Besilmm-
ungshafen zu richten, zur Ausführung gebracht wird, sollten auch die Wege nach belden
Bestimmungshäfen sich noch nicht geschieden haben. Diese Vorschrift gilt sowohl für die
Fälle des ersten als für die Fälle des zweiten Absatzes dieses Artikels.
Art. 818. Wenn von dem Versicherken oder im Auftrag oder mit Genehmigung
desselben der Antritt oder die Vollendung der Reise ungebührlich verzögert, von dem der
versicherten Reise entsprechenden Wege abgewichen oder ein Hafen angelaufen wlrd, dessen
Angehung als in der versicherten Reise begriffen nicht erachtet werden kann, oder wenn
der Versicherte in anderer Weise eine Vergrößerung oder Veränderung der Gekahr ver-
aulaßt, namentlich eine in dieser Beziehung ertheilte besondere Zusage nicht erfüllt, so
bastet der Versicherer nicht für die später st si is ereignenden Unfälle.
Diese Wirkung kritt jedoch uicht ei
4) wenn erhellt, daß die Dehe ober Veränderung der Gefahr keinen Elnfluß
auf den späteren Unfall hat üben können; "
234
2) wenn die Vergröherung oder Veränderung der Gefahr, nachdem die Gefahr fuͤr
den Versicherer bereits zu laufen begonnen hat, durch einen Nothfall verursacht
ist, es sei denn, doß der letztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versl=
cherer nicht zu tragen hat;
3) wenn der Schifser zu der Abweichung von dem Wege durch das Gebot der
Menschlichkeit genöthigt ist.
Art. 6819. Wird bei dem Abschluß des Vertrags der Schiffer bezeichnet, so ist in
dleser Bezeichnung allein noch ulcht die Zusage enthalten, daß der benannte Schiffer auch
dle Führung des Schiffs behalten werde.
Art. 820. Bei der Versicherung von Gütern haftet der Versicherer für keinen
Unfall, wenn und insoweit die Beförderung derselben nicht mit dem zum Transport be-
stlmmten Schiff geschieht. Er haftet jedoch nach Maahgabe des Vertrags, wenn die Gü-
ter, nachdem die Gefahr für ihn bereits zu laufen begonnen hat, ohne Auftrag und oh-
ne Genehmigung des Versicherten in anderer Art als mit dem zum Transport bestimm-
ten Schiff weiter befördert werden, oder wenn dies in Folge eines Unfalls geschieht, es
sei denn, daß der lehztere in einer Gefahr sich gründet, welche der Versicherer nicht zu
tragen hat.
Art. 821. Bel der Versicherung von Gütern ohne Bezeichnung des Schiffs oder
der Schiffe (in unbestimmten oder unbenannten Schissen) muß der Verüicherte, sobald er
Nachricht erhält, in welches Schiff versicherte Güter abgeladen sind, diese Nachricht dem
Versicherer mittheilen.
Im Falle der Mlchtersüllung dieser Verpflichtung hastet der Verlicherer für keinen
Unfall, welcher den abgeladenen Gütern zuslößt.
Art. 822. Jeder Unfall muß, sobald der Versicherungsnehmer oder der Versi=
cherte, wenn dieser von der Versicherung Kenntniß ha:, Nachricht von dem Unfall erhält,
dem Versicherer angezeigt werden, widrigenfalls der Versicherer besugt ist, von der Ent-
schädigungssumme den Betrag abzuziehen, um welchen dieselbe bei rechtzeltiger Anzelge
sich gemindert hätte.
Art. 823. Der Versicherte ist verpflichtet, wenn ein Unfall sich zuträgt, sowohl
für die Retlung der versicherten Sachen als für die Abwendung größerer Nachthelle
thunlichst zu sorgen.
Er hat jedoch, wenn thunlich, über die ersorderlichen Maahregeln vorher mit dem
Versicherer Rücksprache zu nehmen.
Vierter Abschnitt.
Umfaug der Gefahr.
Ar#l. 824. Der Versicherer tägt alle Gesahren, welchen Schisf oder Ladung wah-
285
rend der Dauer der Versicherung ausgeseht sind, sowelt nicht durch die nachfolgenden Be-
stimmungen oder durch Vertrag ein Anderes bestlmmt ist.
Er trägt (usbesondere:
die Gefahr der Elementarerelgnisse und der sonstigen Seeunsälle, selbst wenn diese
durch das Verschulden eines Dritten veranlahßt sind, als: Eindringen des See-
wassers, Strandung, Schiffbruch, Sinken, Feuer, Explosion, Blih, Erdbeben, Be-
schädigung durch Eis u. s. w.;
2) die Gefahr des Kriegs und der Verfügungen von hoher Hand;
3) die Gefahr des auf Antrag eincs Dritten verhängten, von dem Versicherken nicht
verschuldeten Arrestes;
die Gefahr des Diebstahls, sowie die Gefahr des Seeraubs, der Plünderung und
sonstiger Gewaltthäligkeiten;
) die Gesahr der Verbodmung der versicherten Güter zur Forisehung der Relse oder
der Verfügung über dieselben durch Verkauf oder durch Verwendung zu gleichem
Zweck (Art. 507— 510, 734);
die Gesahr der Unredlichkelt oder des Verschuldens einer Person der Schisfsöbe-
sabung, sofern daraus für den versicherren Gegenstand ein Schaden entsteht;
die Gefahr des Zusammensioßes von Schiffen und zwar ohne Unterschled, ob der
Versicherte in Folge des Zusammenstoßes unmittelbar oder ob er miltelbar da-
durch elnen Schaden erleidet, daß er den einem Dritten zugefügten Schaden zu
ersehen hat.
#unr 825. Dem Verlicherer fallen dle nachstehend bezelchneten Schäden nicht
zur Last:
1) bel der Versicherung von Schiff oder Fracht:
der Schaden, welcher daraus entsteht, dab das Schiss in elnem nicht sertüch-
tigen Zustand oder nicht gehörlg ausgerüstet oder bemannt oder ohne die
erforderlichen Papiere (Art. 480) in See gesandt ist;
der Schaden, welcher außer dem Falle des Zusemmensobes von Schlffen dar-
aus entsieht, dah der Nbeder für den durch eine Person der Schlffsbesahung
einem Dritten zugesügten Schaden haften muß (Art. 451 und 452);
2) bel elner auf das Schiff sch beziehenden Versicherung:
der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur eine Folge der Abnuhung
des Schiffs tm gewähnlichen Gebralch ist;
der Schaden an Schiff und Zubehör, welcher nur durch Alter, Fäuluiß oder
Wurmfrah verursacht witd;
3) bel elner auf Güter oder Fracht sich bezlehenden Verlicherung der Schaden, wel-
cher durch dle natürliche Beschaffenhelt der Güter, namenklich durch # Ver-
—
—
S 2
4
299.
berb, Schwinden, gewöhliche Leckage u. dgl., oder durch mangelhaffe Verpackung
der Güter entsteht oder an diesen durch Ratten oder Mäuse verursacht wird;
wenn jedoch die Reise durch einen Unfall, für welchen der Versicherer haftet, un-
Gewöhnlich verzögert wird, so hat der Versicherer den unter dieser Ziffer bezeich-
neten Schaden in dem Maaße zu ersehen, in welcher die Verzögerung dessen Ur-
sache ist;
4) der Schaden, welcher in einem Verschulden des Verscherten sich gründet und bel
der Veisicherung von Guͤlern oder imaginärem Gewinn auch der Schaden, wel-
cher durch ein dem Ablader, Empfänger oder Kargadeur in dieser ihrer Eigen-
schaft zur Lasi fallendes Verschulden entsicht.
Art. 826. Die Verpflichtung des Versicherers zum Ersatz eines Schadens tritt
auch dann ein, wenn dem Versicherten ein Anspruch auf dessen Vergütung gegen den
Schiffer oder eine andere Person zusteht. Der Versicherte kann sich wegen Ersatzes des
Schadens zunächst an den Versicherer halten. Er hat jedoch dem Versicherer die zur wirk.
samen Verfolgung eines solchen Anspruchs etwa erferderliche Hülfe zu gewähren, auch
für die Sicherstellung des Anspruchs durch Einbehaltung der Fracht, Auswirkung der
Beschlagnahme des Schisss oder in sonst geeigneter Weise auf Kosten des Versicherers die
nach den Umständen angemessene Sorge zu kragen (Art. 823).
Art. 827. Bei der Versicherung des Schisss für eine Reise beglunt die Gefahr
für den Versicherer mit dem Zeitpunkt, in welchem mit der Einnahme der Ladung oder
des Vallastes angesangen wird oder, wenn weder Ladunß noch Vallast elnzunehmen ist,
mit dem Zeilpunkt der elbfahrt des Schisso. Sie endet mit dem Zeilpunkt, in welchem
die Löschung der Ladung oder des Ballastes im Bestimmungshafen beewigt is. 6
Wird die Löschung von dem Versicherten ungebührlich verzögert, so endet die Ge-
fahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Löschung beendigt sein würde, falls ein solcher
Verzug nicht stattgesunden hätle.
Wird vor Beendigung der Löschung für eine neue Reise Ladung oder Ballast ein-
genommen, so endet die Gesahr mit dem Zeitpunk, in welchem mit der Einnahme der
Ladung oder des Ballastes begonnen wird.
Art. 828. Sind Güter imaginärer Gewinn oder die von verschissten Gütern zu ver-
dienende Provision versichert, so beginnt die Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die
Güter zum ZJweck der Einladung in das Schiff eder in die Leichterfahrzeuge vom Lande
ccheiden; lie endet mit dem Zeimunkt, in welchem die Güter im Bestimmungshafen wie-
der an das Land gelangen.
Wird vie Löschung von dem Vassicherten oder bei der Versicherung von Gütern oder
tmaginärem Gewinn von dem Versicherten oder von einer der im Art. 825 unter Ziffer
237
4 bezelchneten Personen ungebührlich verzögert, so endet dle Gefahr mit dem Zeikpunkt,
in welchem die Löschung beendigt sein würde, falls ein solcher Verzug ulcht slattgefun-
den hätte.
Bei der Einladung und Ausladung trägt der Versicherer die Gefahr der ortsge-
bräuchlichen Benutung von Leichterfahrzeugen.
Art. 829. Bei der Versicherung der Fracht beginnt und endet die Gesahr in An-
sehung der Unsälle, welchen das Schiff und dadurch die Fracht ausgesetzt ist, mit dem-
Kelben Zeiipunkt, in dem die Gefahr bei der Versicherung des Schiffs für dieselle Reiss
beginnen und enden würde, in Ansehung der Unfälle, welchen die Güter ausgesetzt sind
und dadurch die Fracht ausyeseht ist, mit demselben Zellpunkt, in welchem die Gefahr bei
der Versicherung der Güter für dieselbe Reise begiunen und enden würde.
Bei der Versicherung von Ueberfahrtsgeldern beglunt und endet die Gefahr mit
demselben Zellpunkt, in welchem die Gefahr bei der Versicherung des Schiffz beginnen
und enden würde. "
Der Versicherer von Fracht- und Ueberfahrtsgeldern hastet für einen Unfall, von
welchem das Schiff betroffen wird, nur insowelt, als Fracht= oder Ueberfahrtsverkräge be-
reits abgeschlossen sind, und wenn der Rheder Güter für selne #echnung verschifft, nur
insoweit, als dieselben zum Zweck der Einladung in das Schiff oder in die Leichterfahr-
zeuge bereits vom Lande geschieden sind.
Art. 830. Bei der Versicherung von Vodmerel- und Havereigeldern beginnt die
Gefahr mit dem Zeitpunkt, in welchem die Gelder vorgeschossen sind, oder wenn der Ver-
sicherte selbst die Havereigelder verausgabt hat, mit dem Zeilpunkt, in welchem dieselben verwen-
det sind; sie endet mit dem Zeitpunkt in welchem sie bei elner Versicherung der Gegen-
stände, welche verbodmet oder woranf die Havereigelder verwendet sind, enden würde.
Art. 8 31. Die begonnene Gesahr läuft für den Versscherer während der bedun-
genen Zeit oder der versicherten Reise ununterbrochen fort. Der Versicherer trägt Iins.
besoudere die Gefahr auch während des Aufenthalts in einem Noth= oder Zwischenhafen
und (m Falle der Versicherung für die Hin= und Rückreise, während deg Aufenthalts des
Schisfs in dem Besiimmungshafen der Hinreise.
Muüssen die Güter einstweilen gelöscht werden oder wird das Schiff zur Reparatur
an das Land gebracht, so trägt der Versicherer dle Gefahr auch während die Güter oder
das Schiff sich am Lande besinden.
Art. 832. Wenn nach dem Beginn der Gefahr die versicherle Reise freiwillig
oder Lezwungen ausgegeben wird, so kritt in Ansehung der Veendigung der Gefahr der
Hasen, in welchem die Reise beendigt wird, an die Stelle des Beslimmungshafens.
Werden die Güter, nachdem die Reise des Schisfs aufgegeben ist, in anderer Ari
238
ols mit dem zum Transport bestimmten Schlff nach dem Bestimmungshafen weiter be-
fördert, so läuft in Betress derselben die begonnene Gefahr sort, auch wenn die Welter-
beförrerung ganz oder zum Theil zu Lande geschieht. Der Versicherer trägt in solchen
Fällen zugleich die Kosten der früheren Löschung, die Kosten der einstweiligen Lagerung
und die Mehrkosten der Weiterbeförderung. auch wenn diese zu Lande erfolgt.
Art. 833. Die Art. 831 und 832 gelten nur unbeschadet der in den Art. 816
und 820 enthaltenen Vorschriften. .
Art. 834. Ist die Dauer der Versicherung nach Tagen, Wochen, Monaten oder
Jahren bestimmt, so wird die Jeit nach dem Kalender und der Tag von Mitternacht zu
Miltternacht berechnet. Der Versicherer trägt die Gefahr während des Anfangstags und
Schlußtags. «
Bei der Berechnung der Zeit ist der Orl, wo das Schiff sich befindet, maaßgebend.
Art. 835. Wenn im Falle der Versicherung des Schiffs auf Zeit dasselbe bel
dem Ablauf der im Verlrage festgesehten Versicherungozeit unterwegs ist, so gilt dle Ver-
sicherung in Ermangelung einer entgegenstehenden Vereinbarung als verlängert bis zur
Ankunft des Schiffs im nächsten Bestimmungshafen und, falls in diesem Gelöscht wird,
bis zur Beendigung der Löschung (Art. 827). Der Versicherte ist jedoch befugt, die Ver-
längerung durch eine dem Versicherer, so lange das Schiff noch nicht unterwegs ist, kund-
zugebende Erklärung auczuschließen.
Im Falle der Verlängerung hat der Versicherte für dle Dauer derselben und, wenn
die Verschollenheit des Schiffs eintritt, bis zum Ablauf der Verschollenheltsfrist die ver-
einbarte Zeitprämie fortzuentrichten.
Ist die Veriängerung ausgeschlessen, so kann der Versicherer, wenn die Verschollen-
beitsfris über die Verücherungszeit hinausläuft, auf Grund der Verschollenhelt nicht in
Anspruch genommen werden.
Art. 836. Bei einer Versicherung nach einem oder dem anderen unter mehreren
Häfen ist dem Versicherten gestattet, einen dieser Häfen zu wählen; bel elner Versicher-
ung nach einem und einem anderen oder nach einem und mehreren anderen Häfen is
der Versicherte zum Besuch elnes jeden der bezeichneten Häsen befugt. «
Akt·837.WknndieBeksichcnmgnachmehreren-bäerqkschlossmodkkdkaksp
ficherten das Recht vorbehalten ist, mebrere Häfen anzulaufen, so ist dem Versicherten nut
gestattet, die Häsen nach der vereinbarten oder in Ermangelung einer Vereinbarung nach
der den Schifffahrtsverhällnissen entsprechenden Neihenfolge zu besuchen; er ist jedoch zum
Besuch aller cinzelnen Häsen nicht verpflichtet.
Die in der Polize enthaltene Reihenfolge wird, insowelt nicht ein Anderes erhellt,
als dle vercinbarte angesehen.
239
Art. 938. Dem Versicherer fallen zur Last:
1) die Beiträge zur großen Haverei mit Einschluß derjenlgen, welche der Versicherte
selbst wegen eines von ihm erliktenen Schadens zu tragen hat; die in Gemäß-
beit der Art. 637 und 734 nach den Grundsäpen der großen Haverei zu beur-
theilenden Beiträge werden den Beiträgen zur großen Haverei gleich geachtet;
die Aufepserungen, welche zur großen Haverei gehören würden, wenn das Schiff
Güter und zwar andere als Güter des Rheders an Vord gehabt häue;
die sonsiigen zur Rektung sowie zur Abwendung größerer Nachtheile nothwendig
eder zweckmäßig aufgewendcten Kosten (Art. 323), selbst wenn die ergriffenen
Maßregeln erfolglos geblieben sind;
die zur Ermittelung und Frslstellung des dem Verstcherer zur Last fallenden Scha-
dens erforderlichen Kosten, insbesondere die Kosten der Besichtigung, der Abschäg-
ung, des Verkaufs und der Anfertigung der Dispache.
Art. 839. In Ansehung der Beiträge zur großen Haverei und der nach den
Grundsähen der großen Haverei zu beurkheilenden Beiträge bestimmen sich die Verpflicht-
ungen des Versicherers nach der, am gehörigen Orte im Inland oder im Ausland, im
Einklang mit dem am Ort der Aufmachung geltenden Icchte aufgemachten Dispache.
Insbesondere ist der Versicherte, welcher einen zur grohen Haverei gehörenden Schaden
erlitten hat, nicht berechtigt, von dem Versicherer mehr als den Betrag zu fordern, zu
welchem der Schaden in der Dispache berechnet ist; andrerseits haftet der Vasicherer für
dlesen ganzen Bekrag, ohne daß namentlich der Versicherungswerth maahgebend ist.
Auch kann der Versicherte, wenn der Schaden nach dem am Orte der Aufmachung
geltenden Mccht als große Haverel nicht anzusehen ist, den Ersaß des Schadens von dem
Versicherer nicht aus dem Grunde fordern, well der Schaden nach einem auderen Rechte
Insbesondere nach dem Nechte deo Versicherungsorts, große Haverel fel.
Art. 840. Der Versicherer haftet jedoch nicht für die im vorstehenden Artikel er-
wähnten Beiträge, insoweit dieselben in einem Unfall sich gründen, für welchen der Ver-
licherer nach dem Versicherungsvertrage nicht haftet.
Art. 84 1. Ist die Dispache von einer durch Geseh oder Gebrauch dazu beruse-
nen Person aufgemacht, so kann der Versicherer dieselbe wegen Richtübereinstimmung mit
dem am Ort der Aufmachung geltenden Recht und der dadurch bewirkten Venachthellig-
ung des Versicherken nicht ansechten, es sei denn, daß der Versicherte durch mangelhaste
Wahrnehmung seiner Rechte die Benachtheiligung verschuldet hat.
Dem Versicherten liegt jedoch ob, die Ansprüche gegen die zu seinen Nachwbell Be-
günstigten dem Versicherer abzutreten. g
Dagegen ist der Verkcherer befugt, in allen Fällen die Dispache dem Versicher#ten
rS#□N
#
—
240
gegenuͤber insoweit anzufechten, als eln von dem Versicherken selbst erlitlener Schaden,
für welchen ihm nach dem am Orte der Aufmachung der Diopache geltenden Rechle elne
Vergütung nicht gebuͤhrt haͤtte, gleichwohl als große Haverei behandelt worden ist.
Art. 842. Wegen elnes von dem Versicherten erlittenen zur großen Haverei ge-
börenden oder nach den Grundsätzen der lehzteren zu beurtheilenden Schadens haftet der
Versicherer, wenn die Einleitung des, die Fesistellung und Vertheilung des Schadens be-
zweckenden ordnungsmähigen Verfahrens staltgefunden hat, in Ansehung der Beiträge,
welche dem Versicherten zu entrichten sind, nur insoweit, als der Versicherte die ihm ge-
bührende Vergütung auch im Rechkswege, sosern er diesen süglich betreten konnte, nicht
erhalten hat.
Art. 84 3. Ist die Einleitung des Verfahrens ohne Verschulden des Versicherten
unterblieben, so kann derselbe den Versicherer wegen des ganzen Schadens nach Maaßgabe
des Versicherungsvertrags unmittelbar in Anspruch nehmen.
Art. 844. Der Versicherer hastet für den Schaden nur bis auf Höhe der Ver-
sicherungssumme.
Er hat jedoch die in Art. 838 unter Zisser 3 und 4 erwähnten Kosten vollsiändig
zu erstatten, wenngleich die hiernach im Ganzen zu zahlende Vergütung die Bersicher-
ungssumme übersteigt.
Sind in Folge eines Unfalls solche Kosien bereits aufgewendet, z. B. Loskaufs= oder
Neklamekosten verausgabt, oder sind zur Wiederherstellung oder Ausbesserung der durch
den Unfall beschädigten Sache bereits Verwendungen geschehen, z. B. zu einem golchen-
Zwecke Havereigelder verausgabt oder sind von dem Versicherten Beiträge zur großen
Haverci bereits entrichtet, oder ist eine persönliche Verpflichtung des Versicherten zur Ent-
richlung solcher Beiträge bereits entstanden, und ereignet sich später ein neuer Unfall, so
hastet der Versicherer für den durch den späteren Unfall entsichenden Schaden bis auf
Höhe der ganzen Versicherungssumme ohne Rücksicht auf die ihm zur Last fallenden frü-
beren Aufwendungen und Beiträge.
Art. 84 5. Der Versicherer ist nach Einkritt eines Unfalls berechtigt, durch Zahl-
ung der vollen Verstcherungssumme von allen weiteren Verbindlichkeiten aus dem Ver-
sicherungsvertrage sich zu befrelen, insbesondere von der Verpflichtung, die Kosten zu er-
statten, welche zur Rektung. Erhaltung und Wiederherstellung der versicherten Sachen er-
sorderlich sind.
Warzur Zeltdes Ei des Unfalls ein Theild sicherten Sachen der vom Verslcherer
zu tragenden Gesahr bereits —1 so bat der Verlicherer, welcher von dem Rechte
dieses Artlkelo Gebrauch macht, den auf jenen Theil kallenden Thell der Versicherungs-
summe nicht zu entrichten.
241
Der Versicherer erlangt durch Zahlung der Versicherungssumme kelnen Anspruch auf
die versicherten Sachen.
Ungeachtet der Zahlung der Versicherungssumme bleibt der Wersicherer zum Ersatz
derjenigen Kosten verpflichtet, welche auf die Rettung, Erhallung oder Wiederherstellung
der versicherten Sachen verwendet lind, bevor seine Erklärung, von dem Rechte Gebrauch
zu machen, dem Versscherken zugegangen ist.
Art. 846. Der Persicherer muß selnen Entschluß, daß er von dem im Art. 845
bezeichneten Rechte Gebrauch machen wolle, bei Verlust dieses Rechts dem Verücherten
spätestens am dritten Tage nach Ablauf dessenigen Tages erklären, an welchem ihm der
Versicherte nicht allein den Unfall unter Bezeichnung der Beschaffenheit und. unmittelba-
ren Folyen desselben angezeigt, sondern auch alle sonstigen auf den Unfall sich bezlehen-
den Umstände mitgetheilt hat, soweit die lehteren dem Versicherten bekannt sind.
Art. 847. Im Falle nicht zum vollen Werthe versichert ist, haftet der Versicherer
für die im Art. 838 unter Ziffer 1—4 erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten
nur nach Verhältniß der Versicherungosumme zum Versicherungswerth.
Art. 848. Die Verpflichtung des Versicherers, einen Schaden zu ersehen, wird
dadurch nicht wieder aufgehoben oder geändert, daß späler in Folge einer Gefahr, welche
der Versicherer nicht zu tragen hat, ein neuer Schaden und selbst ein Totalverlust eintritt.
Art. 849. Besondere Havereien, wenn sie ohne die Kosten der Ermittelung und
Feststellung des Schadens (Art. 838 Ziffer 4) drei Prozent des Versicherungswerihs
nicht übersteigen, hat der Versicherer nicht zu ersehzen, wenn sie aber mehr als drei Pro-
jent betragen, ohne Abzug der drei Prozent zu vergüten.
Ist das Schiff auf Zeit oder auf mehrere Reisen versichert, so sind die drel Prozent
für jede einzelne Reise zu berechnen. Der Begriff der Reise bestimmt sich nach der Vor-
schrift des Art. 760.
Art. 8 50. Die im Art. 838 unter Zisser 1—3 erwähnten Beiträge, Anfopfer-
ungen und Kosten muß der Versicherer ersepen, auch wenn sie drei Prozent des Versi.
cherungswerths nicht erreichen. Dieselben kommen jedoch bei der Ermittelung der im
Art. 819 bezeichueten drei Prozent nicht in Berechnung.
Art 851 Ixn vereinbart, daß der Versicherer von bestimmten Prozenten frei sein
sell, so kommen die in den An 819 und 850 enthaltenen Vorschriflen mit der Maaß=
gabe zur Anwendung, daß an Stelle der dort erwähnten drei Prozent die im Vertrage
angegebene Anzahl von Prozenten trin.
Art. 852. Ist vereinbart, daß der Versicherer die Krlegsgefahr nicht übernehme,
auch die Versicherung rücksichtlich der übrigen Gefabren nur bis zum Eintrilt einer Kriegs-
34
242
belästigung dauern solle, — welche Vereinbarung namentlich angenommen wird, wenn
der Vertrag mit der Klausel: „frei von Krlegsmolest“ abgeschlossen ist, — so endet die
Gefahr für den Versicherer mit dem Zeitpunkt, in welchem die Kriegsgefahr auf die Reise
Einfluß zu üben begiunt, insbesondere also, wenn der Antritt oder die Fortsetung der
Relse durch Kriegsschiffe, Kaper oder Blokade behindert oder zur Vermeidung der Kriegs-
gefahr aufgeschoben wird, wenn das Schiff aus einem solchen Grunde von seinem Wege
abweicht, oder wenn der Schisfer durch Kriegsbelästigung die freie Führung des Schiffs
verliert.
Art. 853. Ist vereinbart, daß der Verslcherer zwar nicht die Kriegsgefahr über-
nehme, alle übrigen Gefahren aber auch nach Eintritt einer Kriegsbelästigung tragen
solle, — welche Vereinbarung namentlich angenommen wird, wenn der Vertrag mit der
Klausel: „nur für Seegefahr“ abgeschlossen ist —, so endet die Gefahr für den Versi-
cherer erst mit der Kondemnation der versicherten Sache, oder sobald sie geendet häue
wenn die Kriegsgefahr nicht ausgenommen worden wärc, der Versicherer haftet aber niobt
für die zunächst durch Kriegsgefahr verursachten Schäden, also insbesondere nicht:
für Konstskation durch kriegführende Mächte,
für Aehmung, Beschädigung, Vernichtung und Plünderung durch Kriegeschiffe und
Kaper, 6
für die Kosten, welche entstehen aus der Anhaliung und Reklamirung, aus der Blo-
kade des Aufenthaltshafens, oder der Zurückweisung von einem blokirten Hafen
oder aus dem freiwilligen Aufenthalt wegen Kriegsgefahr,
für die nachstehenden Folgen elnes solchen Aufenthalts: Verderb und Verminderung
der Güter, Kosten und Gefahr ihrer Entlöschung und Lagerung, Kesten ihrer
Weiterbeförderung.
Im Zweifel wird augenommen, daß ein eingetretener Schaden durch Kriegsgefahr
nicht verursacht sei.
Art. 854. Wenn der Vertrag mit der Klausel: „für behaltene Ankunst“ abge-
schlossen ist, so endet die Gefahr für den Versicherer schon mit dem Zeitpunkt, in wel-
chem das Schiff im Bestimmungshafen am gebräuchlichen oder gehörigen Platze den Anker
hat fallen lassen oder befesiigt iü.
Auch haftet der Versicherer nur:
1) bei der auf das Schif sich beziehenden Versicherung, wenn entweder ein Total-
verlust eintritt, oder wenn das Schiff abandonnirt (Art. 865) oder in Folge ei-
nes Unfalls vor Erreichung des Bestimmungshafens wegen Reparaturunfähigkeit
oder wegen Reparaturunwürdigkeit verkauft wird (Art. 877);
2) bei der auf Güter sich beziehenden Versicherung, wenn die Güter oder ein Theil
243
derselben In Folge eines Unfalls den Bestimmungshafen nicht erreicheu, insbeson-
dere wenn sie vor Errelchung desselben in Folge eines Unfalls verkaust werden.
Erreichen die Güter den Bestimmungshafen, so hafstet der Versicherer weder für
eine Beschädigung noch für einen Verlust, welcher Folge einer Beschädigung ist.
Ueberdies hat der Versicherer in keinem Falle die in dem Art. 838 unter Zifsfer 1
bis 4 erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten zu tragen.
Art. 855. Wenn der Vertrag mit der Klausel: „frei von Beschädigung außer
im Strandungsfall“ abgeschlossen ist, so haftet der Versicherer nicht für einen Schaden,
welcher aus einer Beschädigung entstanden ist, ohne Unterschied, ob derselbe in einer
Werkhsverringerung oder in einem gänzlichen oder theilweisen Verlust und insbesondere
darin besteht, daß die versicherten Güter gänzlich verdorben und in ihrer ursprünglichen
Beschaffenheit zerstärt den Bestimmungshafen erreichen oder während der Relse wegen Be-
schädigung und drohenden Verderbs verkaust worden sind, es sei denn, daß das Schiff
vder das Lelchterfahrzeug, worin die versicherten Güter sich befinden, gestrandet ist. Der
Strandung werden folgende Seeunfälle gleichgeachtet: Kentern, Sinken, Zerbrechen des
Numufs, Scheitern und jeder Secunfall, wodurch das Schiff oder Leichterfahrzeug repa-
raturunfähig geworden ist.
Hat eine Strandung oder ein dieser gleichzuachtender anderer Seeunfall sich ereig-
net, so haftet der Versicherer für jede drei Prozent übersteigende (Art. 849) Beschädig-
ung, welche in Folge eines solchen Seeunfalls entstanden ist, nicht aber für eine sonstige
Beschädigung. Es wird bis zum Nachweis des Gegentheils vermuthet, daß eine Beschä-
digung, welche möglicherweise Folge des eingetretenen Seeunfalls sein kann, in Folge
desselben entstanden ist.
Für jeden Schaden, welcher nicht aus einer Beschädigung entstanden ist, haftet der
Verüicherer, ohne Unterschied, ob eine Strandung oder ein anderer der enwähnten Unfille
üich zugetragen hat oder nicht, in derselben Weise, als wenn der Vertrag ohne die Klau-
sel abgeschlossen wäre. Jedenfalls haftet er für die im Art. 838 unter Ziffer 1, 2 und
4 erwähnten Beiträge, Aufopferungen und Kosten, für die darin unter Ziffer 3 ewähn.
ten Kosten aber nur dann, wenn ste zur Abwendung eines ihm zur Lan# fallenden Ver-
lusles verausgabt sind.
Eine Beschädigung, welche enveislich ohne Selbstentzündung durch Feuer oder durch
Löschung eines solchen Feuers oder durch Beschiehen entstanden ist, wird als eine solche
Beschädigung., von welcher der Versicherer durch die Klaufel befreit wird, nicht angesehen.
Art. 856. Wenn der Vertrag mit der Klausel: „frei von Bruch außer im Strand-=
ungsfall" abgeschlossen Ist, so finden die Bestimmungen des vorslehenden Artikels mit der
Maaßgabe Anwendung, daß der Versicherer für Bruch tusoweit haftet, als er nach dem
vorstehenden Artikel für Beschädigung aufkommt.
34%
244
Art. 857. Eine Strandung im Sinne der Art. 855 und 856 ist vorhanden,
wenn das Schiff unter nicht gewöhnlichen Verhältnissen der Schifffahrt auf den Grund
festgeräth und entweder:
nicht wieder flott wird, oder
zwar wieder flott wird, jedoch entweder:
nur unter Anwendung ungewöhnlicher Maaßregeln, als: Kappen der Masten,
Werfen sader Löschung eines Theils der Ladung und dgl., oder durch den Eintritt
einer ungewöhnlich hohen Fluth, nicht aber ausschließlich durch Anwendung ge-
wöhulicher Maahregeln, als Winden auf den Anker, Backstellen der Segel u dgl.,
oder:
2) eist nachdem das Schiff durch das Festgerathen einen erheblichen Schaden am,
Schiffskörper erlilten hat.
—
Fünfker Abschnitt.
Umfang des Schadenc.
Art. 858. Ein Totalverlust des Schiffs oder der Güter liegt vor, wenn das
Schiff oder die Güter zu Grunde gegangen oder dem Versicherten ohne Aussicht auf
Wiedererlangung entzogen sind, namentlich wenn sie uUnrektbar gesunken oder in ihrer ur-
sprünglichen Beschaffenheit zerstört oder für gule Prise erklärt sind. Ein Totalverlust des
Schiffs wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß einzelne Theile des Wracks oder des In-
ventars gerettet sind.
Art. 859. Ein Totalverlust in Ansehung der Fracht liegt vor, wenn die ganze
Fracht verloren gegangen ist.
Art. 860. Ein Totalverlust in Ansehung des imaginären Gewinns oder in An-
sehung der Provision, welche von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort erwartet
werden, liegt vor, wenn die Güter den Besimmungsort nicht erreicht haben.
Art. 861. Ein Totalverlust in Ansehung der Bodmerei= oder Havereigelder liegt
vor, wenn die Gegenstände, welche verbodmet oder für welche die Havereigelder vorge-
schossen oder verausgabt sind, entweder von eimem Totalverlust oder dergestalt von ande-
ren Unsällen betroffen sind, daß in Folge der dadurch herbeigeführten Beschädigungen,
Verbodmungen oder sonstigen Belastungen zur Deckung jeuer Gelder nichts Ubrig geblie-
en ist.
Art. 862. Im Falle des Tokalverlusies bat der Persccherer die Verücherungssum-
me zum vollen Betrage zu zahlen, jedoch unbeschadet der nach Vorschrift der Art. 801
enva zu machenden Abzüge.
245
Art. 863. Ist im Falle des Totalverlustes vor der Zahlung der Versicherungs-
summe ekwas gerektet, so kemmt der Erlös des Geretteten von der Versicherungssumme
in Abzug. Wer nicht zum vollen Werth versichert, so wird nur ein verhälmißmäßiger
Theil des Gereticten von der Versicherungssumme abgczogen.
Müt der Zahlung der Versicherungssumme gehen die Rechte des Versicherten an der
verlicherten Sache auf den Versicherer über.
Erfolgt erst nach der Zahlung der Verlicherungssumme eine vollständige oder theil-
weise Rettung, so hat auf das nachträglich Gerettete nur der Versicherer Anspruch. War
nicht zum vollen Werth versichert, so gebührt dem Vorsicherer nur ein verhällnihmäßiger
Theil des Geretteten.
Art. 864. Sind bel einem Totalverlust in Ansehung des imaginären Gewinns
(Art. 860) die Güter während der Reise so günstig verkauft, daß der Reinerlös mehr
beträgt, als der Versicherungswerth der Güter, oder ist für dieselben, wenn sie in Fällen
der großen Haverel aufgeopfert sind oder wenn dafür nach Maaßgabe der Art. 612 und
613 Ersatz geleistet werden muß, mehr als jener Werth vergütet, so kommt von der Ver-
sicherungssumme des imaginären .„Gewinns der Ueberschuß in Abzug.
Art 865. Der Versicherte ist besugt, die Zahlung der Versicherungssumme zum
vollen Betrage gegen Abtretung der in Betreff des versicherten Gegensiandes ihm zusie-
henden Rechte in folgenden Jällen zu verlangen (Abandon):
1) wenn das Schiff verschollen ist;
2) wenn der Gegenstand der Versicherung dadurch bedroht ist, daß das Schiff oder
die Güter unter Embargo gelegt, von einer kriegsührenden Macht aufgebracht,
auf andere Weise durch Verfügung von hoher Hand angehalten oder durch See-
räuber genommen und während einer Frist von sechs, neun oder zwölf Monaten
nicht freigegeben sind, je nachdem die Aufbringung, Anhalmag oder Nehmung ge-
schehen ist:
a) in einem europäi#schen Hafen oder in elnem eurohäischen Meere oder in ei-
nem, wenn auch nicht zu Europa gehörenden Theile des mittelländischen,
schwarzen oder azow'schen Meeres, oder
in einem anderen Gewässer, jedoch diesseito des Vorgebirges der guten Hoff-
nung und des Kap Horn, oder
) in einem Gewässer jensrito des einen jener Vorgebirge.
Die Fristen werden von dem Tag an berechnet, an welchem dem Versicherer der Un-
fall durch den Versicherten angezeigt ist (Art. 822.)
Art. 866. Ein Schiff, welches eine eise angetreten hat, ist als verschollen an-
zusehen, wenn es innerbalb der Vorschollenheitsfrist den Bestimmungehafen nicht erreicht
S
-
□—
245
bat, auch innerhalb dieser Frist den Bethelligten keine Nachrichten über dasselbe zugegan-
gen sind.
Die Verschollenheitsfrist beträgt: 4
1) wenn sowohl der Abgangshafen als der Bestimmungshafen ein europälscher Hafen
ist, bei Segelschiffen sechs, bei Dampfschlffen vier Monate;
2) wenn entweder nur der Abgangshafen oder nur der Vestimmungshafen ein nicht-
europäischer Hafen ist, falls derselbe diesseits des Vorgebirges der guten Hoffnung
und des Kap Horn belegen ist, bei Segel= und Dampsschiffen ueun Monate,
falls derselbe jensetts des einen jener Vorgebirge belegen ist, bel Segel. und
Danpsschiffen zwölf Monate;
3) weun sowohl der Abgangs= als der Bestimmungshafen ein nichtenropäischer Hafen
ist, bei Segel- und Danpsschiffen sechs, neun oder zwölf Monate, je nachvem die
Durchschnittödauer der Reise nicht über zwei oder nicht über drei oder mehr als
drei Monate beträgt.
Im Zweifel ist die längere Frist abzuwarten.
Art. 867. Die Verschollenheitsfrist wird von dem Tage an berechnet, an welchem
das Schiff die Reise angetreten hat. Sind jedoch seit dessen Abgange Nachrichten von
demselben angelangt, so wird von dem Tage an, bis zu welchem die lehte Nachricht
reicht, diejenige Frisi berechnet, welche maaßgebend sein würde, wenn das Schiff von
dem Punkt, an welchem es nach sicherer Nachricht zuleht sich besunden bat, abgegangen
ware.
Art. 868. Die Abandonerklärung muß dem Versicherer innerhalb der Abandon-
frisi zugegangen sein.
Die Abandonfrist beträgt sechs Monate, wenn im Falle der Verschollenheit (Art.
865 Ziffer 1) der Bestimmungshafen ein europälscher Hafen ist und wenn im Falle der
Aufbringung, Anhaltung oder Nehmung (Art. 865 Ziffer 2) der Unfall in elnem euro-
välschen Hafen oder in einem europfischen Meere oder in einem, wenn auch nicht zu
Europa gehörenden Theile des mittelländischen, schwarzen oder azow'schen Meeres sich
zugetragen hat. In den übrigen Fällen bekrägt die Abandonfrist neun Monate. Die
Abandonfrist beginnt mit dem Ablauf der in den Art. 865 und 866 bezeichneten
Frisien.
Bei der Rückverüicherung begiunt die Abandonfrist mit dem Ablaufe ded Tags, an
welchem dem Rückversicherten von dem Versicherten der Abandon erklärt worden isi.
Art. 869. Nach Ablauf der Abandonfrist ist der Abandon unstatthaft, unbescha-
det des Rechts des Versicherten, nach Maaßgabe der sonsttgen Grundsätze Vergütung
eines Schadens in Anspruch zu nehmen.
247
Ill im Falle der Derschollenheit des Schiffs die Abandonfrist verscumt, so kann der
Versicherte zwar den Ersaßh elnes Totalschadens fordern; er muß jedoch, wenn die ver-
sicherte Sache wieder zum Vorschein kommt, und sich dabei ergiebt, daß ein Totalverlust
nicht vorliegt, auf Verlangen des VersichererS gegen Verzicht des Lehteren auf die in
Folge Zahlung der Versicherungssumme nach Art. 863 ihm zustehenden Rechte die Ver-
sicherungssumme ersiatten und mit dem Ersatz eines elwa erlittenen Partialschadens sich
begnügen.
Art. 870. Die Abadonerklärung muß, um gültig zu sein, ohne Vorbehalt oder
Bedingung erfolgen und auf den ganzen versicherten Gegenstand sich erstrecken, so weit
dieser zur Zeit des Unfalls den Gefahren der See ausgesehzt war.
Wenn jedoch nicht zum vollen Werth versichert war, so ist der Versicherte nur den
verhältnihmäßigen Theil des versicherten Gegenstandes zu abandonniren verpflichtet.
Die Abandonerklärung ist unwiderruflich.
Art. 871. Die Abandonerklärung ist ohne rechtliche Wirkung, wenn die Thalsa-
chen, auf welche sie gestützt wird, sich nicht bestätigen oder zur Zeit der Mittheilung der
Erklärung nicht mehr bestehen. Dagegen bleibt sie für beide Theile verbindlich, wenn
auch später Umstände sich ereignen, deren früherer Eintritt das Recht zum Abandon aus-
geschlossen haben würde.
Art. 872. Durch die Abandonerklärung gehen auf den Versicherer alle Rechre
über, welche dem Versicherten in Ansehung des abandonnirten Gegenstandes zustanden.
Der Versicherte hat dem Versicherer Gewähr zu leisten wegen der auf dem abau-
donnirten Gegenstande zur Zeit der Abandonerklärung haftenden dinglichen Rechte, es
sei denn, daß diese in Gefahren sich gründen, wofür der Versicherer nach dem Versicher-
ungsvertrag aufzukommen hatte.
Wird das Schiff abandonnirt, so gebührt dem Versicherer desselben die Nelkofracht
der Reise, auf welcher der Unfall sich zugetragen hat, so weit die Fracht erst nach der
Abandonerklärung verdient ist. Dieser Theil der Fracht wird nach den für die Ermit-
telung der Distanzfracht geltenden Grundsäßzen berechnet.
Den hlernach für den Versicherten entstehenden Verlust hat, wenn die Fracht selbst-
ständig versichert ist, der Versicherer der lehteren zu tragen.
Art. 87 3. Die Jahlung der Versicherungssumme kann erst verlangt werden, nach-
dem die zur Rechtserilgung des Abandons dienenden Urkunden dem Versicherer mitge-
tbeilt sind und eine angemessene Frist zur Prüfung derselben abgelaufen ist. Wird we-
gen Verschollenheit des Schiffs abandonnirt, so gehören zu den mitzutheilenden Urkunden
glaubhafte Bescheinigungen über die Zeit, in welcher das Schiff den Abgangshafen ver-
248
lassen hat, und über die Richtankunst desselben im Bestimmungshafen während der Ver-
schollenbeitsfrist.
Der Verlicherte ist verpflichtet, bei der Abandonerklärung, so weit er dazu im Stande
ist, dem Versicherer anzuzeigen, ob und welche andere, den abandonnirten Gegenstand
betreffende Bersicherungen genommen sind, und ob und wolche Bodmereischulden oder son-
stige Belastungen darauf haften. Ist die Anzeige unterblieben, so kann der Versicherer
die Zahlung der Versicherungssumme so lange verweigern, bis die Anzeige nachträglich
heschehen ist; wenn eine Zahlungofrist bedungen ist, so beginut dieselbe erst mit dem Zeit-
punkt, in welchem die Anzeige nachgeholt ist.
Art. 874. Der Vassccherte ist verpflichtet, auch nach der Abandonerklärung für
die Rettung der versicherten Sachen und für die Abwendung größerer Nachtheile nach
Vorschrist des Art. 823 und zwar so lange zu sorgen, bis der Versicherer selbst dazu im
Stande ist.
Erfährt der Versicherte, daß ein für verloren crachteler Gegensland wieder zum Vor-
schein gekommen ist, so muß er dies dem Versicherer sofort anzeigen und ihm auf Ver-
langen die zur Erlangung oder Verwerkhung des Gegenstandes ersorderliche Hülfe leisten.
Die Kosten hat der Versicherer zu erletzen; auch hat derselbe den Versicherten auf
Verlangen mit einem angemessenen Vorschusse zu versehen.
Ar:. 875. Der Verüicherte muß dem Versicherer, wenn dieser die Rechtmäßigkeit
res Abandons anerkennt, auf Verlangen und auf Kosten desselben über den nach Art.
782 durch die Abandonerklärung eingetretenen lebergang der Mechte eine beglaubigte
Anerkennungsurkunde (Abandonrevere) ertheilen und die auf die abandonnirten Gegen-
stände sich beziehenden Urkunden ausliefern.
Art. 876. Bei einem parliellen Schaden am Schif besieht der Schaden in dem
nach Vorschrift der Art. 711 und 712 zu ermitteluden Betrag der Reparaturkosten, so
weit diese die Beschärigungen betressen, welche dem Versicherer zur Last fallen.
Art. 877. Ist die Neparaturnnfähigkeit oder Reparaturunwürdigkelt des Schiffs
(Art. 444) auf dem im Art. 499 vorgeschriebenen Wege festgesiellt, so ist der Versicherte
dem Versicherer gegenüber befugt, das Schiff oder das Wrack zum öffentlichen Verkauf
zu bringen und besicht im Falle des Verkaufs der Schaden in dem Untorschlede zwischen
dem Reinerlös und dem Versicherungswerth.
Die übernommene Gefahr endet für den Versicherer erst mit dem Verkause des Schiffs
oder des Wracks; auch hastet der Versccherer für den Eingang des Kauspreises.
Bei der zur Ermitlelung der Nepxaramrunwürdigkeit des Schiffo erforderlichen Fest-
stellung des Werths desselben im unbeschädigten Zustande bleibt dessen Versicherungswerth,
gleichviel ob dieser kaxlrt ist oder nicht, außer Bekracht.
249
Art. 878. Der Beginn der Reparatur schliebt dle Ausübung des in dem vor-
hergehenden Artikel dem Versicherken eingeräumten Rechts nicht aus, wenn erst später er-
bebliche Schäden entdeckt werden, welche dem Versicherten ohne sein Perschulden unbe-
kannt geblieben waren.
Macht der Versicherte von dem Rechte nachträglich Gebrauch, so muß der Versiche-
rer die bereits aufgewendeten Icparaturkoslen insoweit besonders vergüten, als durch dle
Neparatur bei dem Verkauf des Schiffs ein höherer Erlös erzielt worden ist.
Art. 879. Bei Gütern, welche beschädigt in dem Bestlmmungshafen ankommen,
ist durch Vergleichung des Bruttowerths, den sie daselbst im beschädigten Zustand wirk-
lich haben, mit dem Bruttowerth, welchen sie dort im unbeschädigten Zustand haben wür-
den, zu ermitteln, wie viele Prozente des Werths der Güter verloren sind. Eben so
viele Prozente des Versicherungswerths sind als der Betrag des Schadens anzusehen.
Die Ermiltelung des Werths, welchen die Güter im beschädigten Zustand haben, er-
felut durch öffentlichen Verkauf oder, wenn der Versicherer einwilllgt, durch Abschähung.
Die Eiminelung des Wertbs, welchen die Güter im unbeschädigten Zustand haben wür-
den, geschieht nach Maaßgabe der Bestimmungen des ersten und zweiten Absatzes des
Ait 612.
Der Versicherer hat außerdem die Besichtigungs= Abschätungs= und Verkaufskosten
zu tragen.
Art. 880. Ist ein Theil der Gäter auf der Neise verloren gegangen, so besteht
der Schaden in eben so vielen Prezenten #es Versicherungswerths, als Prozente des
Werihs der Güter verloren gegangen fnd.
Art. 881. Wenn Güter auf der Relse in Folge eines Unfalls verkaust worden
sind, so bestieht der Schaden in dem Unterschled zwischen dem nach Abzug der Fracht,
Zölle und Verkaufskosien sich ergebenden Reinerlös der Güter und dessen Versicherungs-
werth.
Die übernommene Gefahr endet für den Versicherer erst mil dem Verkauf der Gü-
ter; auch haftet der Versicherer für den Eingang des Kaufpreiles.
Die Bestimmungen der An. 838—942 werden durch die Vorschristen dies. S Arti-
kels nicht berührt.
Art. 882. Bei partiellem Verlust der Fracht besteht der Schaden in demjenigen
Theile der bedungenen oder in deren Ermangelung der üblichen Fracht, welcher verloren
gegangen ist.
Ist die Fracht taxirt und die Taxe nach Vorschrist des vierten Absahes des Art.
35
250
797 in Bezug auf einen von dem Versicherer zu ersehenden Schaden maaßgebend, so
besteht der Schaden in eben so vielen Prozenten der Taxe, ais Prozente der bedungenen
oder uͤblichen Fracht verloren sind.
Art. 883. Bei imaginärem Gewinn oder Provision, welche von der Ankunft der
Güter erwartet werden, besteht der Schaden, wenn die Güter im beschädigten Zustande
ankommen, in eben so vielen Prozenten des als Gewinn oder Provision versicherten Be-
trags, als der nach Art. 879 zu ermiltelnde Schaden an den Gütern Prozente des Ver-
sicherungswerths der letzteren beträgt.
Hat ein Theil der Güter den Bestimmungshafen nicht erreicht, so besteht der Scha-
den in eben so vielen Prozenten des als Gewinn oder Provision versicherten Betrags,
als der Werth des in dem Bestimmungöhafen nicht angelangten Theils der Güter Pro-
zente den Werths aller Güler beträgt.
Wenn bei der Versicherung des imaginären Gewinns in Ansehung des nicht ange-
langten Theils der Güter die Voraussetungen des Art. 864 vorhanden sind, so kommt
von dem Schaden der im Art. 864 bezeichnete Ueberschuß in Abzug
Art. 884. Bei Bodmerei= oder Havereigeldern besteht im Fall elnes partiellen
Verlustes der Schaden in dem Ausfall, welcher darin sich gründet, daß der Gegenstand,
welcher verbodmet oder für welchen die Havereigelder vorgeschossen oder verausgabt sind,
zur Deckung der Bodmerei= oder Havereigelder in Folge späterer Unfälle nicht mehr
genügt.
Art. 885. Der Versicherer hat den nach den Art. 876—884 zu berechnenden
Schaden vollständig zu vergüten, wenn zum vollen Werthe versichert war, jedoch unbe-
schadet der Vorschrift des Art. 804; war nicht zum vollen Werthe versichert, so hat er
nach Maaßgabe des Art. 796 nur einen verhälmihmäßigen Theil dieses Schadens zu
vergüten,
Sechster Abschnitt.
Bezahlung des Schadens.
Art. 886. Der Versicherte hat, um den Ersatz eines Schadens fordern zu kön-
nen, eine Schadensberechnung dem Versicherer mitzutheilen.
Er muß zugleich durch genügende Belege dem Versicherer darthun:
4) sein Interesse:
2) daß der versicerte Gegenstand den Gefahren der See ausgesetzt worden ist;
251
3) den Unfall, worauf der Anspruch gestügt wird;
4) den Schaden und dessen Umfang.
Art. 887. Bel der Versicherung für fremde Rechnung hat auherdem der Verlicherte
sich darüber auszuweisen, daß er dem Versicherungsnehmer zum Abschluß des Vertrags
Austrag ertheilt hat. Ist die Versicherung ohne Austrag geschlossen (Art. 786), so muß
der Versicherte die Umstäude darthun, aus welchen hervorgeht, dah die Versicherung in
selnem Interesse genommen ist.
Art. 888. Als genügende Belege sind anzusehen im Allgemeinen solche Belege,
welche im Handelsverkehr namentlich wegen der Schwierigkeit der Beschaffung anderer
Beweise nicht beanstandet zu werden pflegen, insbesondere
1) zum Nachweis des Interesse:
bei der Vasicherung des Schiffs die üblichen Eigenthumsurkunden;
bei der Versicherung von Güter die Fakturen und Konnossemente, insofern nach
Juhalt derselben der Verslcherte zur Verfügung über die Güter besugt er-
scheint;
bei der Versicherung der Fracht die Charteparticen und NKonnossemente;
2) zum Nachweis der Verladung der Güter die Konnossemente;
3) zum Nachweis des Unfalls die Verklarung und das Schisssjournal (Art. 488
rn
und 494), in Kondemnationsfällen das Erkenntniß des Prilengerichts, in Ver-
schollenheitsfällen glaubhafte Bescheinigungen über die Zeit, in welcher das Schiff
den Abgangshafen verlassen hat, und über die Nichtaukunft desselben im Be-
stimmungshafen während der Verschollenheitsftist;
zum Nachweis des Schadens und dessen Umfangs dle den Gesetzen oder Gebräu-
chen des Orts der Schadensermittelung entsprechenden Besichelgungs- Abschät-
ungs- und Versteigerungsurkunden sowie die Kostenanschläge der Sachverständl-
gen, ferner die quittirten Rechnungen über die ausgeführten Reparaturen und
andere Quittungen über geleistete Zahlungen; in Ansehung eines parkiellen Scha-
dens am Schiff (Art 876, 877) genügen jedoch die Besichtigungs= und Abschäy-
ungsurkunden sowie die Kostenanschläge nur dann, wenn die etwaigen Schäden,
welche in Abnupung, Alter, Fäulniß oder Wurmfraß sich gründen, gebörig aus-
geschleden sind, und wenn zugleich, so welt es ausführbar war, solche Sachver-
ländige zugezogen worden k#nd, welche entweder ein für allemal obrigkeitlich be-
stllt oder von dem Otögericht oder dem Landeskonful und in deren Ermangel-
ung oder, sofern deren Mitwirkung sich nicht erlangen ließ, von einer anderen
Vehörde besonders ernannt waren.
35“
252
Art. 889. Auch im Fall eines Rechtsüireits ist den im Art. 888 bezeichneten Ur-
kunden in der Regel und, insofern nicht besondere Umstände Bedenken erregen, Beweis-
krast beigulegen.
Art. 890. Eine Vereinbarung, wodurch der Versicherte von dem Nachweise der
im Art. 886 erwähnten Umstände oder eines Theils derselben befreit wird, ist gültig.
jedoch unbeschadet des Rechts des Versicherers, das Gegentheil zu beweisen
Die bei der Versicherung von Gütern getroffene Vereinbarung, daß das Konnosse=
ment nicht zu produziren sei, befreit nur von dem Nachweise der Verladung.
Art. 89 1. Bel der Versicherung für fremde Rechnung ist der Versicherungeneh-
mer ohne Beibringung einer Vollmacht des Versicherten legitimict, über die Rechte, wel-
che in dem Versicherungsvertrage für den Versicherten ausbedungen sind, zu versügen, so-
wie die Versicherungsgelder zu erheben und einzuklagen Diese Bestimmung gilt jedoch
im Falle der Erkheilung einer Polize nur dann, wenn der Versicherungsnuehmer die Po-
lize beibringt.
Ist die Versicherung ohne Austrag genommen, so bedaif der Versicherungsnehmer
zur Erhebung oder Einklagung der Versicherungögelder der Zustimmung der Versücherten.
Art. 692. Im Falle der Ertheilung einer Polize hat der Veisicherer die Verfi.
cherungsgelder dem Versicherten zu zahlen, wenn dieser die Polize beibringt.
Art. 893. Der Versicherungonehmer ist ulcht verpflichtet, die Polize dem Versi-
cherten oder den Gläubigern oder der Konkursmasse desselben auszuliefern, bevor er we-
gen der gegen den Versicherten in Bezug auf den versicherten Gegenstand ihm zustehen-
den Ansprüche befriedigt ist. Im Fall eines Schadens kann der Versicherungenehmer
wegen dieser Ansprüche aus der Forderung, welche gegen den Versicherer begründek ist,
und nach Einziehung der Versicherungsgelder aus den letzteren vorzugsweise vor dem
Versicherten und vor dessen Gläubigein sich befriedigen.
Art. 894. Der Versicherer macht sich dem Versicherungsnehmer verantwortlich,
wenn er, während dieser noch im Bee der Polize sich besindet, durch Zahlungen, wel-
che er dem Versicherten oder den Gläubigern oder der Konkursmasse desselben leistet, oder
durch Verträge, welche er mit deuselben schließt, das in dem Art. 893 bezeichnete Recht
des Versicherungsnehmers beeinträchtigt.
Inwiefern der Versicherer einem Dritten, welchem Rechte aus der Polize eingeräumt
sind, sich dadurch verantwortlich macht, dah er über diese Rechte Verträge schließt oder
Versicherungsgelder zahlt, ohne die Polize sich zurückgeben zu lassen oder dieselbe mit der
253
ersorderlichen Bemerkung zu versehen, beüimmt sich nach den Vorschristen des bürgerli-
chen Rechts.
Art. 895. Wird der Versicherer auf Jahlung der Versicherungsgelder in Anspruch
genommen, so kann er bei der Versicherung für freude Rechnung Forderungen, welche
töm gegen den Versicherungsnehmer zustehen, nicht zur Kompensation bringen.
Art. 896. Der Varsicherte ist befugt, nicht allein die aus einem bereits eingetre.
tenen Unfall ihm zustehenden, sondern auch die künstigen Entschädigungsansrrüche einem
Dritlen abzutreten. Ist eine Polize ertheilt, welche an Ordre lautet, so kann dieselbe
durch Indossament übertragen werden; in Ansehung eines solchen Indossamentes kommen
die Vorschristen der Art. 301, 303, 305 zur Anwenkung. Bei der Versicherung für
fremde Rechnung ist zur Gültigkeit der ersten Uebertraguug das Indossament des Ver-
sicherungsuehmers genügend.
Art. 897. Wenn nach Ablauf zweier Monate seit der Anzeige des Unfalls die
Schadeneberechnung (Ar#. 886). ohne Verschulden des Versicherten Unoch nicht vorgelegt,
wohl aber durch ungefähre Ermittelung die Summe festgestellt ist, welche dem Versicherer
mindesteus zur Last fällt, so hat der Lehtere diese Summe in Anrechnung auf seine Schuld
vorläufig zu zahlen, jedoch nicht vor Ablauf der etwa für die Zahlung der Versicher-
ungegelder bedungenen Frist. Soll die Jahlungssrist mit dem Zeilpunkt beginnen, in
welchem dem Versicherer die Schadensberechnung mitgetheilt ist, so wird dieselbe im Falle
dieses Artikels von der Zeit an berechnet, in welcher dem Versicherer die vorläusige Er-
mittelung mitgetheilt ist.
Art. 898. Der Versicherer hat:
1) in Havereifällen zu den für die Rektung, Erbaltung oder Wiederherstellung der
versicherten Sache nörhigen Ausgaben in Anrechnung auf seinc später feützustel-
lende Schuld zwei Driktel des ihm zur Last fallenden Betrags,
2) bel Aufbringung des Schiffs oder der Güter den vollen Betrag der ihm zur
anssalen Kosten des Reklameprozesses, so wie sic erforderlich werden, vorzu-
leßen.
Siebenter Abschnitk.
Aufbebung der Versicherung und Rückzahlung der Prämie.
Art. 899. Wird die Unternehmung, auf welche die Versicherung sich bezleht, ganz
254
oder zum Theil von dem Versicherten aufgegeben, oder wird ohne seln Zuthun die ver-
sicherte Sache ganz oder ein Theil derselben der von dem Versicherer übernommenen Ge-
fahr nicht ausgesehzt, so kann die Prämie ganz oder zu dem verhältnißmäßigen Theil bis
auf eine dem Versicherer gebührende Vergütung zurückgesordert oder einbehalten werden
(Ristorno).
Die Vergütung (Nistornogebühr) besteht, sofern nicht ein anderer Betrag vereinbart
oder am Ort der Versicherung üblich ist, in einem halben Prozent der ganzen oder des
entsprechenden Theils der Versicherungssumme, wenn aber die Prämie nicht eln Prozent
der Versicherungssumme erreicht, in der Hälste der ganzen oder des verhältmmißmäßlgen
Theils der Prämie.
Art. 900. Jüi die Verscherung wegen Mangels des versicherten Interesse (Art.
782) oder wegen Ueberversicherung (Art. 790) oder wegen Doppelversicherung (Art.792)
unwirksam und hat sich der Versicherungsnehmer bei dem Abschluß des Vertrags und im
Falle der Verücherung für fremde Rechnung auch der Versicherte bei der Ertheilung des
Auftrags in gutem Glauben befunden, so kann die Prämie gleichfalls bis auf die im
Artl. 899 bezeichnete Ristornogebühr zurückgefordert oder einbehalten werden.
Art. 901. Die Anwendung der Art.899 und 900 ist dadurch nicht ausgeschlos-
sen, daß der Verlicherungsvertrag für den Versicherer wegen Verlehung der Anzeigepflicht
oder aus anderen Gründen unverbindlich ist, selbst wenn der Versicherer ungeachtet dle-
ser Unverbindlichkeit auf die volle Prämie Anspruch hälte.
Art. 902. Ein Ristorno sindet nicht staltt, wenn die Gefahr für den Wersicherer
bereits zu laufen begonnen hat.
Art. 903. Wenn der Voerslcherer zahlungsunsählg geworden ist, so ist der Versi-
cherte besugt, nach seiner Wahl entweder von dem Vertrage zurückzutreten und die ganze
Prämie zurückzufordern oder einzubehalten, oder auf Kosten des Versicherers nach Maaß-
gabe des Art. 793 eine neue Versicherung zu nehmen. Dieses Recht steht ihm jedoch
nicht zu, wenn ihm wegen Erfüllung der Verpflichtungen des Versicherers genügende Sl-
cherbeit bestellt wird, bevor er von dem Vertrage zurückgetreten ist oder die neue Versi-
cherung genommen hat.
Art. 904. Widd der versicherte Gegenstand veräußert, so können dem Erwerber
die, dem Vansicherten nach dem Versicherungsvertrage auch in Bezug auf künftige Un-
fälle zustchenden Rechte mit der Wirkung übertragen werden, daß der Erwerber den Ver-
sicherer ebenko in Anspruch zu nehmen befugt ist, als wenn die Veräußerung nicht statt-
gefunden hätte und der Versicherte selbst den Auspruch erhöbe.
255
Der Versicherer blelbt von der Hastung für die Gefahren befreit, welche nicht ein-
getreten sein würden, wenn die Veräußerung unterblieben wäre.
Er kann sich nicht nur der Einreden und Gegenforderungen bedlenen, welche ihm
unmit#elbar gegen den Erwerber zustehen, sondern auch Terjenigen, welche er dem Ver-
sicherten hätte entgegenstellen können, der aus dem Versicherungsvertrage nicht hergeleite-
ten jedoch nur insofern, als sie bereits vor der Anzeige der Uebertragung entstanden sind.
Durch die vorstehende Bestimmung werden die rechtlichen Wirkungen der mittelst
Indossaments erfolgten Uebertragung elner Polize, welche an Ordre lautet, nicht berührt.
Art. 905. Die Vorschristen des Art. 904 gelten auch im Falle der Versicherung
einer Schiffspart.
Ist das Schiff selbst versichert, so kommen dieselben nur dann zur Anwendung,
wenn das Schiff während einer Reise veräußert wird. Anfang und Ende der Reise be-
stimmen sich nach Ärt. 827. Ist das Schiff auf Zeit oder für mehrere Reisen (Art.
760) versichert, so dauert die Versicherung im Falle der Veräuherung während einer
Reise nur bis zur Entlöschung des Schiffs lm nächsten Bestimmungshafen (Art. 827).
Zwölfter Titel.
Von der Verlährung.
Art. 906. Die im Art. 757 aufgeführten Forderungen verjähren in einem Jahre.
Es beträgt jedoch die Verjährungsfrist zwei Jahre:
4) für die aus den Dienst= und Heuerverlrägen herrührenden Forderungen der
Schiffsbesahzung, wenn die Entlassung jeuseit des Vorgebirges der guten Hofl-
nung oder des Cap Horn erfolgt ist;
2) für die aus dem Zusammenstoh von Schiffen hergelelteten Entschädigungsfor-
derungen.
Art. 907. Die nach dem vorstehenden Artikel eintretende Verjährung bezieht sich
zugleich auf die persönlichen Ansprüche, welche dem Gläubiger etwa gegen den Rheder
oder eine Person der Schifföbesatzung zustehen.
Art. 908. Die Verjährung beglunt:
4) in Ansehung der Forderungen der Schiffsbesahung (Art. 757 Ziff. 4) mit dem
Ablauf des Tags, an welchem das Dienst= oder Heuerverhältniß endet, und falle
die Anstellung der Klage früher möglich und zulässig ist, mit dem Ablauf des
Tags, an welchem diese Voraussehung zutrifft; jedoch kommt das Recht, Vor-
256
schuß- und Abschlagszahlungen zu verlangen, für den Beginn der Verjährung
nicht in Betracht;
in Ansehung der Forderungen wegen Beschädlgung oder verspäteter Ablieferung
von Gütern= und Reiseeffekten (Art. 757 Ziffer 8 und 10) und wegen der Bei-
träge zur großen Haverei (Art. 757 Jif. 6) mit dem Ablaufe des Tags, an
welchem die Ablieferung erfolgt ist, in Ansehung der Forderungen wegen Nicht-
ablieferung von Gütern, mit dem Ablauf des Tags, an welchem das Schiff den
Hafen erreicht, wo die Ablieferung erfolgen sollte, und wenn dieser Hafen nicht.
erreicht wird, mit dem Ablaufe des Tags, an welchem der Bekheiligte sowohl
biervon als auch von dem Schaden zuerst Kennmiß gehabt hat;
in Ansehung der nicht unter die Ziffer 2 fallenden Forderungen aus dem Ver-
schulden einer Person der Schifföbesatzung (Art. 757 Zifsser 10) mit dem Ablauf
des Tags, an welchem der Betheiligte von dem Schaden Keuntniß erlangt hat,
in Ansehung der Eutschädigungsforderungen wegen des Zusammenstoßes von
Schiffen jedoch mit dem Ablaufe des Tags, an welchem der Zusammenstoß statl-
gefunden hat;
) in Ansehung aller anderen Forderungen mit dem Ablaufe des Tags, an welchem
die Uorderung fällig geworden ist.
Art. 909. Fenner verfähren in einem Jahre die auf den Gütern wegen der Fracht
nebst allen Nebengebühren, wegen des Liegegeldes, der ausgelegten Zölle und sonstigen
Auslagen, wegen der Bodmereigelder, der Beiträge zur großen Haverel und der Berg-
ungs- und Hülsskosten haftenden Forderungen, sowie alle persönlichen Ausprüche gegen
die Ladungsbetheiligten und die Forderungen wegen der Ueberfahrtsgelder.
Die Verjährung beginnt in Ansehung der Beiträge zur großen Haverei mit dem
Ablaufe des Tags, an welchem die beitragspflichtigen Güter abgeliefert sind, in Auseh=
ung der übrigen Farderungen min dem Ablaufe des Tags, an welchem die Fälligkeit ein-
getreten ist.
Art. 910. Es verjähren in fünf Jahren Forderungen des Versicherers und des
Versicherten aus dem Versicherungsverlrag.
Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des letzten Tags des Jahrs, in welchem
die versicherte Reise beendigt ist, und bei der Versicherung auf Zeit mit dem Ablaufe
des Tags, an welchem die Verücherungszeit endet. Sie beginnt, wenn das Schiff ver-
schollen ist, mit dem Ablaufe des Tags, an welchem die Verschollenheitsfrist endet.
Art. 911. Eine Forderung, welche nach den Art. 906—910 verjährt ist, kann
auch im Wege der Kompensation oder sonst als Gegenforderung nicht geitend gemacht
werden, wenn sie zur Zeit der Entstehung der anderen Forderung bereits verjährt war.
i
—
257
Inha l t.
—.
Allgemeiue Lelin ngen .
Erstes Bu nen Handeletande,
Erster Titel. Von Kaufleut . · . . .
Zweiter Titel. Von dem Sorüm, . . . .
dritterTiteLou Handelofir
Vierter Titel. Von den Vendelod. schern-
Künfter urel. Von den Prokuristen znd Lurdiungebewollächigtr .
SUWUTLIoadhaadlunstsqebtle ..
Siebenter 4%. Von den Handelsmällern und Senlalen ,
Iweites Vuch. Von den Handelagesellschaften
ern Titel. Von der offenen Handelegesellschaft.
n Abschnitt. Von der Ertiaserg der G
u% Abschnitt. Von dem aüin Aot aer t 14ibene.
unter einander
Dritter Abschnitt. Von dem chtoverbäliniß der Geselichasi zu
i
Vierter Abschnitt. Von der Ausloͤsung der Geichün und dem
Austreten einzelner Geklschafer aus derselben
Künster Abschnitt. Von t LHiquidation der Geselsch ast
Sechster Abschnitt. 23 . Verj W der Alasen gegen ve
IZweiter Titel. Von der Kommandiegeseülchaft.
Erster Abschnitt. Von der Kemmanditgesenschaft im Allgemeinen
Zweiter Abschnitt. Von der #eommandiszeielschaft auf Atuen
insbesondere
Dritter Titel. Von der Alltengesellschaft.
ester Abschnitt. Allgemeine Grundsäßze
Iwelter Abschnitt. Rechtsverhältniß der Aktionai .
Dritter Abschnitt. Rechte und Pflichten des n*s .
Vierter Abschnikt. Susang der Gesellschaft ·
Bünfter bN½ Schlußbestimmungen
Hrittes Vuch. vond Vere:
nigung d41½ einte1n Aluen. — ½ kelihe
3 o
rster Titel. Von der still Gesellchaft
Zweiter Titel. Von der Deinlgun, zur eimen m
für gemeinschafticht“ Rechnung
Art.
65— 89.
90—109.
110—122.
123—132.
132—145
146 —149.
150—172.
173—206.
250—265.
266—270.
6
258
ertes Buch. Von den Handelggeschäften.
Erster Titel. 20 den Hand#lsgelchäften im Allgemeinen.
rster Abschnitt. Begriff der Handelsgeschäste
Zweiter Abschn itt. illgemein Bestariungzer über nn=
schäfte -
Dritter Abschnitt. Ubfchliehung der Handelsgeschöfte
Vierter Abschnitt. —— der Handelsgeschäfte
Dritter Titel. Von demt omnistensgescht
Vierter Titel. Von dem Hedidentsün.
Fünfter Titel. Von dem Fracht
Erster Abschnitt. Vom chulest2 überhaup
3 Arue Abschnitt Bon ben Utachtgeschäft ot Eisendabnen ins.
eso
Funftes Buch. Vom Seeband
Erster Titel. Allgemeine se
weiter Titel. Von dem ü#he der uen von der 22
Vierter Titel. Von der Schilbmonescha si
Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäft zur Besörderung von Götern
Sechster Titel. Von dem Erachtgeschß 1ur Desörderung von n Reilenden
Siebenter Titel. Von der Zod odmerei .
Achter Tucl Von der Hav
er -*ms Grotee (oeneiiitasiihe Haverei und belondere
ber.
rrer aslhit Scaten durch Zusammensoß von Schiffen. .
Neunter Titel. Von der Bergung und Hülfeleisung in Seenoth
ehnter Tit l. BondenSchisssglnii
lfter Linil. Von der bosschineter 0. ie Gesahren dei Scisabei
Frster Abschnitt. Alg dsä
weiter Abschnitt. yeigen bei dem iichluse des Vertrages
ritter Abschnitt. Vervflichtungen des Versicherten aus dem
Versicherungsvertrage . .
Vierter Abschnitt. Umfang der Ge sahr
Fünfter Abschnitt. Umfang des Schaden
Sechster Abschnitt. Bezahlung des Scha
Siebenter bschnitt. Aushebung der ** kw#ncheht.
ung der Präm
Zwölfter Titel. Ven der Versährung
271—277.
390—421.
42— 431.
432—449.
757-71.
782—809.
810—81.
56— —698.
6899—905.
906—911.
259
Ministerial-Verordnung
zur Ausführung des allgemeinen deutschen Handels-Gesetzbuchs und des Gesetzes
vom 23. Februar 1863, die Einführung des allgemeinen deutschen Handels-
Gesetzbuchs betreffend, vom 23. März 1833.
Die Vorschrisien, welche zur Ausführung des allgemeinen deutschen Handels-Gesep.
buches, sowie des die Einführung desselben betreffenden Gesetzes vom 23. Februar d. J.
erforderlich und beziehungsweise in den S§. 5 und 30 des lehteren Geseyes vorbehalten
worden sind, werden auf Grund eingeholter Höchster Enutschliehung in Nachstehendem
erkbeilt:
I. Form und Fübrung des Handels-Registers.
Allgemeine Bestimmungen.
8. 1.
1. Das Handels-Register ist bestimmt:
1) zur Eintragung der Handels-Firmen (Art. 19, 20, 21, 25, 26 des Han-
del?-Geseybuchs);
2) zur Eintragung der Prokuren (An. 45, 46 des Handels-Gesepbucho);
3) zur Eintragung der Nechtsverhältnisse aller Handelsgesellschaften, nämlich:
0) der offenen Hundelgesellschaften (Art. 86—69, 110, 115, 129 und
135 des Handels-Gesepbucho;
) der Kommandit-Gesellschaften (Art. 151—156, 163, 171, 172 des
des Handels. Gesetzbuchs;
) der Kommamit,Gesellschaften auf Aktien (Art. 173—179, 198, 201
—203, 205 des Handels-Gesepbuchs;
) der Aktien-Gesellschaften (An. 207—212, 214, 228, 233, 243,244,
247, 246 des Handels-Gesepbuchs.)
Il. ür Hoker, Trödler, Hausirer und dergleichen Handelsleute von geringem Gewer-
bebetriebc, ferner für Wirihe, gewöhnliche Fuhrleute, gewöhuliche Schiffer und für
Versonen, dercu Gewerbe nicht über den Umfantz des Handwerksbetriebes hinaus.
geht, wird das Handels-Register nicht geführt; es findet in das letztere für jene
Versonen keinerlei Eintragung Statt, namentlich nicht die Eintragung einer Fir.
ma, einer Prokura oder eines Gesellschaftsverhältnisses (Art. 10 des Handelo- Ge-
setzbuchs, §. 3 des Einführungsgesehes).
.
—
S
36“
260
III. Das Handels-Register ist öffentlich. Die Oeffentlichkelt äußert sich dadurch, daß
die Einsicht desselben während der gewöhnlichen Dienststunden einem Jeden ge-
stattet ist und daß von den Eintragungen gegen Erlegung der Kosten eine auf
Verlangen zu beglaubigende Abschrift gefordert werden kann.
Auch ist regelmäßig jede Eintragung durch eine oder mehrere Anzelgen in
öffentlichen Blättern bekannt zu machen (Art. 12—14 verglichen mit Art. 151,
156, 171, 176, 198, 210, 214 des Handels-Gesetzbuchs).
Die in dem Handels-Gesehbuche vorgeschriebenen Eintragungen in das Han-
dels-Register sollen nur zwar auf Anmeldungen der Betheiligten erfolgen, es haben
jedoch die Gerichte, welchen die Führung des Handels-Registers obliegt, die
Betheiligten von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten, daß die erfor-
derlichen Anmeldungen und die damit in einzelnen Fällen zu verbindenden Zeich-
nungen der Firmen und Unterschristen geschehen, daß serner sich Niemand
einer ihm nach den Vorschriften des Handels--Gesezbuchs nicht zustehenden Firma
bedlent. Eine Ausnahme von der Regel, wonach die Betheiligten zur Anmeldung
ihrer Firmen von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten sind, sindet hin-
sichtlich der im §. 3 Absah 1 und 2 des Einführungsgesehes erwähnten Ein-
tragungen Statt.
Dle zur Eintragung in das Handels-Register beslimmten Anmeldungen müssen
von den Bethelligten entweder persönlich vor dem zuständigen Gerichte erklärt
oder in öffentlich beglaubigter Form bei demselben eingereicht werden. Dieselbe
Vorschrist gilt. für die Zeichnung oder Einreichung der Zeichnung einer Firma
oder Unterschrist (Art. 19, 45, 88, 135, 151, 152, 153, 155, 156, 177,
228 des Handelsgeseybuchs, §. 7 des Einführungsgesepeo).
AEs wird noch besonders darauf hingewiesen, daß die Vorschriften über die An-
meldung und Eintragung der Handelo-Firmen, sowie der Rechtsverhältnisse der
Handelsgesellschaften und über die Zeichnung der Fhimen und Unterschriften im
Allgemeinen auch auf diejenigen Kaufleute, welche vor Eintritt der Geltung des
Handelsgesetzbuchs ihren Geschäftsbetrieb begonnen hatten, und auf die vor diesem
Zeitpunkte bereits errichteten Handelegesellschaften Anwendung finden (§. 34 flg.
des Einführungsgesetzes), und daß eine vor dem Einkritt der Geltung des Han-
dels-Gesetzbuchs ertheilte und später nicht bestätigte oder erneuerte Prokura als
eine Prokura im Sinne des Handels-Gesehbuchs und als geelgnet zur Eintrag-
ung in das Handels-Register ulcht anzusehen ist (S. 40 des Elnführungsgesehes).
261
Obllegenheiten der Verwaltungsbehörden.
8. 2.
Die Fürstlichen Landrathsämter haben die Handelsgerichte in Erfuͤllung ihrer Ob-
liegenheit, von Amtswegen die Betheiligten zur Anmeldung aller nach den Bestimmungen
des allgemeinen deutschen Handels-Gesehbuchs und des Einführungsgesetzes in das Han-
dels-Register einzutragenden Thatsachen anzuhalten, in geelgneter Weise zu unterstüpen,
insbesondere denselben über derartige Thatlachen, z. B. über beslehende Handels-Firmen
und deren Inhaber, über Aenderungen der Firmen 2c. auf Ersuchen die erforderliche Aus-
kunft zu ertheilen.
8. 3.
Auf die im §. 4 des Einführungsgesehes gedachte Emscheidung des Fürstlichen and-
rathsamts kann der Betheiligte nicht provociren; sie wird nur durch einen Antrag des
Handelsgerichts, wenn dieses selbst im Zweifel ist, veranlaht.
Die fragliche Entscheidung ist von dem Fürstlichen Landrathoamt nach kurzer sach-
gemäher Erörterung zu ertheilen und zunächst dem Betheiligten zu eröffnen, damtt der-
selbe nach Befinden innerhalb der geseßlichen Frist von zehn Tagen Rekurs an das Fürst-
liche Ministerium einwenden kann.
Sobald eine endgültige Eutscheidung (5. 8 Absan 2 des Elnführungsgeseges)
vorliegt, ist solche im Original oder in beglaubigter Abschrift dem Handelsgerichte mit
elner Notlz darüber, daß und wann sie dem Betheiligten eröffnet worden und daß sie
endgüllig sei, von dem Fürstlichen Landrathsamt mitzutheilen.
Anlegung und Einrichtung der Handels-Register.
8. 4.
Jede Handelsgericht hat Ein Handels-Register für seinen Bezirk zu führen, wel-
ches jedoch aus mehreren Bänden bestehen kann. Ein einzelner Band soll in der Re-
gel nicht über Dreihundert Blätter enthalten.
Jeder Band ist alsbald bei seiner Aulegung auf allen Seiten mit forklaufenden
arabischen Ziffern zu paginiren und in der durch §.9 des Gesehen vom 6. März 1833
für die Depositen-Bücher vorgeschriebenen Form zu beglaubigen.
Ueber das Handels-Heegister eines jeden Gerlchtsbezirks ist ein besonderes alphabe.
lisches Namens-Reglster zu führen, in welches dle Firmen, die Namen ihrer Inhaber, die
Mitglieder der offenen Handelogesellschaften, die persönlich verantwortlichen Gesellschafter
und die Kommandlitisten der Kommandit-Gesellschaften, die Vorstände der Aktien-Gesell-
262
schaften, die persoͤnlich verantwortlichen Gesellschafter der Kommandit- Gesellschaften auf
Altien, endlich alle Liquidatoren und Prokuristen einzutragen sind
8. 5.
Für jede Firma ist in dem Handels-Register ein besonderes, in der Regel zwei Sei.
ten umfassendes Folium anzulegen, auf welches alle diese Firma betrefsenden Einträge
zu bringen sind.
Die Folien erhalten fortlaufende Nummern
Jedes Folium enthält drei Rubriken.
In die erste Rubrik werden die Firmen, in die zweite die Inhaber der Firmen, in
die dritte die Prokuristen, die Mitglieder des Vorstands einer Aktien-Gesellschaft und
die Liquidatoren einer Gesellschaft, und zwar in jeder Rubrik unter fortlaufenden Num-
mern, eingetragen.
Regelmäßig wird für dic ersie Rubrik die obere Hälste der ersten Seite, für die
zweite Rubrik die untere Hälfte der ersten und die obere Hälfte der zweiten Seite, für
die dritte Nubrik die unrere Hälfte der zweiten Seite bestimmt. Erscheint jedoch ein
Raum von zwei Seiten mit Rücksicht auf den Umfang des betreffenden Handelogeschäfts,
die Zahl der Inhaber oder die sonstigen Verhältnisse von vorn herein alo ungenügend,
so können ausnahmsweise auch mehrere Blälter des Registers unter angemessener Ver-
theilung des Raums auf die einzelnen Rubriken für ein Folium bestimmt werden.
Fehlt es auf einem Folium an Raum zu weileren Einträgen, so wird auf den näch-
sien noch disponiblen Blättern des Bandes oder in einem neuen Bande ein Supple-
ment.Folium angelegt und es ist dabei durch die Worte:
„Fortsekzung. Seite ... Band «
am Schlusse des Foliums bezüglich der NRubrit und durch die Worte:
„Fortsepung von Foliim . Seite . Band
über den Linien des Supplement-Follum von dem usprünglichen Folium auf das Sup-
vlement-Folium und von diesem auf jenes zu verweisen.
8. 6.
Jede Seite des Handels-Registers ist in allen drei Rubriken durch senkrechte Linien
in drei Spalten von ungleicher Breite abzutbeilen, von denen die erste und schmalste
zur linken Seite für die fortlaufenden Nummein der Einträge (F. 5 Absay 4), die min-
lere und breiteste für die Einträge selbst und die dritte zur rechten Seite für Anmerk-
ungen besiimmt ist.
Jeder für sich bestehende Elntrag ist durch eine Querlinie über die ganze Breite der
Blatseite von den folgenden Einträgen abzusondern.
263
Form der Register-Führung.
7
8. 7.
Racksichtlich der Form der Führung der Handels-Register und der alphabetischen
Namens-Register gelten folgende Vorschriften.
8. B.
Die erste Rubrik eines jeden Follums erhält die Ueberschrift: „Firma.“
" Beie Kommandit. Gesellschaften auf Aktien und bei Aktien-Gesellschaften erfolgt die
Eintragung des Gesellschaftsvertrages und der Genehmigungsurkunde (Ar. 176 und
210 des Handels-Gesepbuches) in der Weise, daß diese Urkunden, welche zu denFirmen-
Akten (F. 20) zu nehmen sind, in der ersten Rubrik bei dem Eintrage der Firma unter
Veweisung auf die betreffenden Stellen der Firmen-Akten angeführt werden.
Wird der Gesellschaftsvertrag abgeändert, so ist dieses gleichfalls unter Angabe des
Datums des Abänderungsvenrags und der Genehmigungsurkunde, welche zu den Gir-
men-Akten zu nehmen sind, ingleichen unter Verweisung auf die betreffenden Stellen der
Firmen-Akten einzutragen.
8. 9.
Die zweite Rubrik erhält die Ueberschrift: „Inhaber.“
Mehrere gleichzeitig einzutragende Inhaber der Firma werden unter sortlaufenden
Buchstaben (a, b, c 2c.) eingetragen, mögen dieselben offene Gesellschafter oder Komman-
ditisten seln.
Sind bel einer offenen Gesellschaft einzelne Gesellschafter von der Vertretung aus-
geschlossen oder darf das Recht der Vertretung nur in Gemeinschaft ausgeübt werden
(Art. 86 Nr. 4, Art. 115 des Handels-Geseybuchs), so ist dieses in besonderen Ein-
trägen zu bemerken.
Ebenso ist bei der Kommandit-Gesellschaft — nicht aber bei der stillen Gesellschaßt,
welche überhaupt nicht in das Handels-Register eingetragen wird (Art. 250 flg. des
Handels-Gesepbuchs) die Qualität jedes Kommanditisten als solchen und der Betrag
seiner Einlage (Art. 151 Nr. 4 des Handels-Gesepbuchs) in einem besonderen Eintrage
zu bemerken.
Bei Kommandit-Gesellschaften auf Aklien und bel Aktien-Gesellschaften sind die In-
haber der Aktien im Algemeinen („die Inhaber der Kommandit-Aktien der Bank in Ni,
die Inhaber der Aktlen der Disconto-Bank in A“) aufzuführen. Die Zahl und der Be-
mag der Aktien oder Aktien. Antheile ist in einem besonderen Eintrage zu bemerken.
8. 10.
Die dritte Rubrik erhält die Ueberschrift: „Vertreter.“
264
Werden mehrere Personen einer der nach §. 5 Abs. 4 hierher geboͤrigen Kalegorien
gleichzeitig eingetragen, oder ist eine Prokura mehreren Personen gemeinschaftlich ertheilt
worden (Art. 41 Absah 3 des Handels--Gesetzbuchs), so kommen die Vorschristen des
vorbergehenden Paragraphen Absatz 2 und 3 gleichfalls in Anwendung.
8. 11.
Die Führung des Handels-Registers liegt regelmäßig einer bel dem Gerlchte ange-
stellten, verpflichteten Person ob, welche von dem Vorstande des Gerlchtes blelbend damt
m beaustragen ist.
Die Verkretung des Register-Führers richtet sich nach den im Allgemelnen geltenden
Regeln.
8. 12.
Eine Eintragung in das Handels-Register darf nur auf Grund eines dieselbe an-
ordnenden gerichtlichen Beschlusses erfolgen, welcher zu den Firmen-Akten (S. 20) zu
bringen ist.
Die Einträge sind zwar vollständig und deutlich, aber möglichst kurz abzufassen.
Jeder Eintrag beginnt mit der Angabe des Tages, Monates und Jahres, in wel-
chem er ersolgt, und ist von dem Vorstande des Gerichtes oder dessen Stellvertreter und
von dem Führer des Handels-Registers zu unterschreiben oder zu ngniren, was, um Raum
zu ersparen, in der ersten Spalte (für die laufende Nummer) geschehen kann.
Am Schlusse jedes Eintrags ist das Datum des gerichtlichen Beschlusses anzuge-
ben, auf den der Eintrag sich gründet, und in der dritten Spalte (ür Anmerkungen)
ist auf den Band und die Blauseite der Firmen--Akten (5. 20) zu verwelsen, wo der
Beschluß und dessen Unterlagen zu finden sind.
8. 13.
Im Handels-Register darf nichts ohne rechtfertigende, vom Führer des Handels-
Registers zu unterzeichnende Seilenbemerkung, welcher ibre Stelle in der Spalte der
Anmerkungen (6 6 Abs. 1) zu geben ist, ausgestrichen, nichts radirt oder corrigirt wer-
den, auch sind Zwischenschriften zu vermeiden.
Veränderungen, welche mit dem Gegenstande eines Eintrags vorgehen, dürfen im
Handels-Register stetö nur in Form besonderer Einträge bemerkt werden.
Wird ein Eintrag oder eine in der Spalte der Anmerkungen befindliche Bemerk-
ung durch einen späleren Eintrag ganz wegsällig, so ist sowohl der erledigte Eintrag be-
züglich die erledigte Bemerkung, als auch die den Wegfall bezeichnende Bemerkung (3. B.
„Beschränkung wegfallen“) zu unterlinliren.
265
Böllig erledigte Follen sind nach dem ersolglen lehzten Elutrage (/. Formular B
Eol. 6 Firma Nr. 3, Fol. 7 Firma Nr. 2) mit einer Diagonal-Linte zu durchstrelchen.
KG. 14.
Jaeder Elntrag, der sich auf den Gegenstand elnes früheren, in derselben Rubrik
besindlichen Eintrags bezleht, ist in der Spalte der Anmerkungen mit einer Verwelsung
auf die Nummer jenes seüheren Eintrags — zu Nr. — zu versehen.
Ebenso ist neben dem früheren Eintrage in der Spalte der Anmerkungen auf den
späteren Eintrag, mittelsi dessen eine mit dem Gegenstande des früheren Eintrages vor-
gegangene Veränderung im Handels-Register bemerkt wird, durch ein passendes Wort
(#. B. „verändert“, „weggesallen“, „keschränk““, „Beschränkung weggefallen") mit Bei-
lügung der Nummer dieses späteren Eintrags zu verweisen.
8. 15.
Die KFirmen, ferner dle Namen der Inhaber derselben, der Prokuristen, der Mitglie-
der des Vorslandes einer Aktien-Gesellschaft und der Liquidatoren sind in dem Eintrage
der Firma, bezüglich ln dem Einkrage der bezelchucten Namen mit latelnischen Buchsta-
ben zu schreiben. —
§.15.
DieElntmgnngcnlndasHandklsingisteksind,sofctndenselbeüelaBedenken
Ilchtentgegeuslkht,mitmögichflkkBeschlcstnigungsubeschließenundznbcwlkknr.
EtwacgeZukücksvrisungobefchlüssesinddcmAntragsteller,untetAngabedekaündt,
ebenfalls mit thunlichster Beschleunigung zu eröffnen.
S. 17.
Wi#d eine Prokura, die Bestellung eines Llauldatord, welcher nicht zu den bis-
berigen Gesellschoftern gehört (Art. 133 des Handels-Gesepbucho), oder dle Bestellung
von Mitgliedern des Vorstandes einer Aktien.Gesellschaft von Personen, welche hlerzu
berechulgt sind, widerrufen, oder ein Liquidator, welcher nicht zu den bisherigen Gesell-
schaftern gehört, durch den Nichter abberufen (Art. 131 des Handels-Gesepbuchs), so ist
ein gegen Eintragung dieses Widerrufes oder dieser Abberusung in das Handels-Regl.
ster erhobener Widerspruch auch dann nicht zu beachten, wenn deilelbe mit elnem Rechts-
mittel verbunden wird. Es ist jedoch auf das eiwa eingewendete Rechtemiktel längsteno
binnen acht Tagen Bericht zu erstatlen.
Durch die Beslimmungen dieses Paragraphen werden etwalge Entschädlgungsan-
Grüche aus bestehenden Verträgen nicht berührt.
37
266
S. 18.
Wenn eine vor dem 1. Jum 1863 rechtsbeständig errichtete Handelsgesellschaft der
im §. 37 des Einführungsgesehes bemerkten Art (Kommandit-Gesellschast auf Aktien oder
Aktien-Gesellschaft, Art. 173—249 des Handels-Gesehbuchs) ihre Eintragung in das
Handels-Register nachsucht, so genügt
4) die Beibringung des Gesellschaftsvertrages und
2) der Nachweis, daß derselbe die staatliche Genehmigung erlangt hat. Ist lehtere
erst nach dem 1. Juli 1863 erfolgt, so bedarf es außerdem noch
3) des Nachweises, daß das Ministerium die Gesellschaft als vor dem 1. Juli 1663
rechtobeständig errichtet anerkannt habe.
Slnd die Vorschristen des vorhergehenden Absatzes erfüllt, so ist in der ersten Rubrik
ded betreffenden Foliums des Handels-Registers und zwar unmittelbar nach der Anfüh-
rung des Gesellschaftsvertrages und der Genehmigungsurkunde (§. 8 Absah 2) bezüglich
derjenigen Urkunde, durch welche der vorstehend unter Ziffer 3 gedachte Nachweis geführt
wird, zu bemerken, daß die Gesellschast vor dem 1. Juli 1863 rechtsgültig errichtet sel.
8. 19.
Zur Erlaͤuterung der in den vorstehenden 88. 5 flg. enthaltenen Vorschriften ist
dieser ergnnn unter B ein Formular beigefügt.
Gerichte, denen dle Führung der Handels-Negister obliegt, haben diese Handels-
¾i und die Namens--Register dazu von dem Fürstlichen Ministerium zu beziehen,
Akten-Führung.
8. 20.
Sämmtliche, eine Eintragung in das Handels-Register betreffende Eingaben, Pro-
tokolle, Ausfertigungen und Beschlüsse söwie sämmtliche sonstige Unterlagen und Belege,
auf welche die Einkräge sich gründen, sind zu besonderen Akten (Firmen-Akten) zu nehmen.
Wenn die Unterlagen, welche erforderlich sind, um den Elntrag in das Handels-
Register zu bewirken, in der Gesetzsammlung veröffentlicht sind, so brauchen dieselben zu
den Firmen-Akten ulcht eingereicht zu werden. Es genügt eine Bezugnahme auf die er-
solgte Veröffentlichung in der Gesetzzammlung unter Bezeichnung des Jahrganges und
der Seltenzahlen.
Ist die Eintragung in das Handels-Register bewirkt worden, so ist dieses in den
Flrmen-Akten zu bemerken unter Angabe des Zeitpunktes nach Tag, Monat und Jahr,
an welchem der Eintrag erfolgt, und der Stelle im Handels-Register nach Band, Fo-
lium und Blattseite, wo derselbe zu finden ist.
267
Gerichtliche Zeugnisse über Einträge in das Handels-Register.
8. 21.
Auher den nach Art. 12 Absatz 2 des Handels-Gesehbuchs auf Erfordern zu er-
Wellenden Abschristen hat das Gericht auf Verlangen über jede Eintragung in das Han-
dels-,Reglster ein deren Inhalt bezeugendes Attest ausgustellen.
Dieses Aitest ist jedesmal zugleich darauf zu erstrecken, ob und inwiesern eine die
Wirksamkeit der Eintragung berührende Thatsache eingelragen ist. Findet sich elne solche
Tatsache eingetragen, so ist der vollständige Inhalt des dleselbe betreffenden Eintrages
in das Aktest mit aufzunehmen.
Veröffentlichung der Einträge.
8. 22.
Die im Artikel 14 Absah 1 des Handels-Gesepbuchs vorgeschrlebene Bekanntmach-
ung ist von jedem Handelsgerlchte alljährlich im Monate December durch das. Amts= und
Verordnungsblatt und außerdem nach dessen Ermessen durch ein anderes öffentliches Blatt
zu erlassen.
§. 27.
Die öffentliche Bekanntmachung einer Eintragung in das Handels-Register ist ohne
Verzug und ohne daß eine andere Eintragung abgewartet werden darf, zu veranlassen.
II. Eintragungen in die Grund= und Hypothekenbücher.
8. 24.
Nücksichtlich des Elntragens des eElgenthums an Grundstücken, der Pfandrechte, so-
wie überhaupt aller der Eintragung in öffentliche Bücher sählgen Rechte, welche zu dem
Vermögen einer Handelsgesellschaft gehören, in die Grund= und Hypothekenbücher (6.12
des Einführungsgesetzes) gelten die Vorschriften des Gesetes, dle Grund= und Hypothe-
kenbücher rc. betr., vom 20. November 1858, der Ausführungsverordnung zu diesem Ge-
lebe vom 22. November 1858 und der §#§. 12, 13, 14 und 15 deo Einfährungsge-
sehes, sowie folgende Beslimmungen.
8. 26.
Wenn eine offene Handelsgesellschaft außer ihrer Firma auch noch die Namen der
sämmtlichen Inhaber in das Grund= und Hppothekenbuch elntragen lassen will (§§. 12,
14 und 15 des Einführungsgesetes, Art. 111, 164 und 213 des Handels= Gesepbuchs),
so hat sie den Nachweis darüber, welche Personen Inhaber der Firma sind, durch eln
37.
268
auf Grund des Handels-Registers auszustellendes gerlchtliches Zeugniß bei der Grund-
und Hypothekenbehörde zu führen.
Erglebt sich aus diesem Zeugnisse, daß ein Handelsgesellschafter oder mehrere dersel-
ben von der Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten oder allein zu vertreten, ausgeschlos-
sen sind (Art. 86 Nr. 4, Art. 87 und Art. 115 des Handels-Gesetzbuchs), so ist das
Eigenthumsrerhältniß unter Angabe der Firma und der Inhaber derselben stets von
Amtswegen, ohne daß ein etwaiger Verzicht der verfügungsberechtigten Gesellschafter
hlerauf von Einfluß ist, in das Grund= und Hpypothekenbuch einzutragen und die Be-
schränkung einzelner Gesellschafter in der Verfügungsbefugniß über das Grundstück als
Beschränkung des Eigenthums besonders einzutragen.
Läßt eine Kommandit-Gesellschaft außer der Firma die Namen der sämmtlichen In-
haber der Firma eintragen, so ist in Bezug auf die Eintragung des Eigenthumsverhält-
nisses und der Beschränkung der Kommanditisten zufolge dieser von der Führung der Ge-
schäfte der Gesellschaft ausschließenden Eigenschaft (Art. 158 des Handels-Gesehbuchs)
in das Grund- und Hypothekenbuch in gleicher Weise zu verfahren.
Eine Mittheilung an die Kataster-Behörde hat in derartigen Zällen nicht stattzuftn-
den, da in den Eigenthumsverhältnissen eine Aenderung nicht eintritt, vielmehr das El-
genthum bei der Firma, welcher das Objekt durch die Bestätigungsurkunde übereignet
und im Kataster zugeschrieben ist, nach wie vor verbleibt.
Wenn das Gericht, welches die Eintragung in das Grund= und Hypothekenbuch zu
bewirken hat, zugleich das Handels-Register über die Firma führt, genügt statt des ge-
richtlichen Zeugnisses etne beglaubigte Abschrift des Foliums im Handels-Register.
III. Konkurs-Eröffnung über das Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft
oder Kommandit. Gesellschaft oder Kommandit-Gesellschaft auf Abtien.
8 26
Wird über das Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft oder elner Kommandit-
Gesellschaft oder elner Kommanditgesellschaft auf Aktien der Konkurs eröffnet und der
Konkurs-Richter ist zur Eröffnung und bezüglich Leitung des Konkurses über das Pri-
vat-Vermögen des einen oder anderen persönlich haftenden Gesellschafters nicht zugleich
kompetent, so hat er von der erfolgten Konkurs Eröffnung über das Gesellschaftsvermö-
gen dem zuständigen Gerichte — wenn dasselte dem Konkurs-Richter bekannt ist — be-
hufs Wahrnehmung des nach §. 17 des Einführungsgesetzes weiter Erforderlichen ohne
Verzug Nachricht zu geben und demselben zugleich eine beglaubigte Abschrift des
der bemreffenden Handelsgesellschaft in dem dandels Register eingeräumten Foliums mit-
zutheilen.
2609
Iv. Sporteln Iin Handelssachen.
8. 27.
Vis zum Erlaß von Bestimmungen über die in Handelslachen zu berechnenden Ge-
büren im Wege der Gesehgebung (§. 29 des Elnführungsgesetzes) finden im Allgemel-
nen die Gebührensätze der landesherrlichen Verordnung, die Gebührentaxe der Gerlchts-
behörden, Sachwalter und Notare betreffend, vom 15. December 1855 Anwendung.
Daneben wird jedoch Folgendes bestimmt:
a) für jede Eintragung in das Handels-Register mit Einschluß der dieselbe vorbe-
reitenden Verhandlungen und Beschlüsse, sowie mit Einschluß der im Artikel 13 des
Handelo-Gesepbuchs vorgeschriebenen ösfentlichen Bekanntmachung, mit Aurschluß jedoch
aller durch die Einleitung des im §. 8 des Einführungögesehes geordneten Zwangsver-
fahrens veraulaßten gerichtlichen Geschäste und der Ausferligung der nach §. 21 dieser
Verordnung auf Verlangen zu ertheilenden Zeugnisse sind außer den Verlägen je
nach dem Umfange der Mühewaltung und der Größe des Handelgeschästs zehn Gro-
schen bis zwei Thaler an Gerichtosporkeln zu erheben.
Wurde die Eintragung aber auf Grund einer Anmeldung bewirkt, welche in
Gemäßheit des §. 29 dieser Verordnung, also vor dem 1. Juli 1863 erfolgt ist, so fin-
det nur die Hälfte der in dem vorhergehenden Absatze bestimmten Sportel Stau.
6b) Für die Eintragung oder die Löschung der Beschränkung einer Verfügungsbe-
suguh einzelner Eigenthümer in das Grund= und Hypotheken-Buch (§. 25) sind fünf
Groschen bis ein Thaler zu erheben.
c) Für die landesherrliche Genehmigung zur Errichtung elner Aktien-Gesellschaft
oder einer Kommandit-Gesellschaft auf Aktien (Art. 174 und 208 des Handels. Gesetz
buchs), sowie zu Abänderungen des Gelellschaftsvertrages bel Hawelsgesellschaften der
gedachten Art (Art. 198, 203, 247 und 248 des Handels-Gesehbuchs) lind fünf Tha-
ler bis Einhundert Thaler in Ansah zu bringen.
V. Gerlchte in Handelssachen.
*
Für die Orte, an welchen keine besondern Handelsgertchte errichtet sind, for
welche daher die den Handelsgerichten in dem Handelsgesepbuche und dem Einführungs.
gelehe dazu zugewiesenen Geschäffte den ordentlichen Gerichten übertragen sind (F. 30
des Einführungsgesehco), treten die nachslehenden Brstimmungen öber die Kompeienz der
Gerichlöbehörden ein.
1.
In Ausehbung der Rechtéstrelrigkellen kommen die Vorschristen des demnächn
270
erscheinenden Gesetzes über die Zuständlgkeltder Gerschte und den Instanzenzug in bürger-
lichen Rechtsstreitigkeiten zur Anwendung.
2.
Zur Führung der Handels-Register, sowie für die Handlungen der freiwil-
ligen Gerichtsbarkelt und solcher, zu deren Vornahme nach den Bestlmmungen des
Handels-Gesepbuchs die Handelsgerichte angewiesen werden können, ohne daß die Sache
in einen Rechtsstrelt übergeht, sind die Instizämter, bezüglich Abthellung für die sreiwil-
lige Gerichtöbarkeit, zuständig. Gegen ihre Beschlüsse findet Berufung an das zuständige
Krelsgericht als lehte Instanz Statt. Diese Berufung ist an keine Frist gebunden, hat
aber auch lcht ausschlebende Wirkung.
3.
Die in den 88. 8 und 9 des Einfuͤhrungsgesehes bestimmien Ordnungsstrafen ha-
ben die Justizämter, bezüglich Abtheilung für die freiwillige Gerichtsbarkelt, zu erkennen.
Gegen ihren Ausspruch findet binnen zehntägiger Nothfrist eine Berufung an das Krels-
gerlcht als lehte Instanz Statt.
Die im §. 19 des Einfährungsgesehes ausgesührken Zuwlderhandlungen sind von
den Kreisgerichten zu untersuchen und zu bestrafen und gegen ihre Erkenntnisse findet
binnen zehntägiger Nothfrist eine Berusung an das Appellatlons-Gericht als einziges
Rechtsmittel Stalt.
Zur Ausführung sowohl dieses, als des vorstehend unter Zisfer 3 erwähnten Rechts-
mittels ist eine einmalige zehntägige Frist gestattet.
VI. Transltorische Bestimmungen.
8. 29.
Die Justlzämter haben sich unverweilt der Anlegung der Handels-Register zu un-
terziehen.
Zu diesem Zwecke sind sämmtliche nach den Bestlmmungen des Handels. Gesehbuchs,
des Einführungsgesehes und dieser Verordnung erforderlichen, die Flrmen und deren In-
babtr bezüglich Vertreter — nicht aber auch die Prokurlsten (s. 31) — betreffenden.
Anmeldungen in Bezug auf alle bestehenden kaufmännischen Geschäfte, deren Geschäfts.
betrieb vor dem 1. Juli 1863 begonnen hat, von den dazu Verpflichteten bis zum 1.
Juli 1863 bei demjenkgen Justizamt, in dessen Vezirke sich die betreffende Handelsnle-
derlassung oder Zweigniederlassung bezüglich der Siy der Handelogesellschaft oder deren
271
Zweigniederlassung befindet, in der im §. 7 des Einführungogesehes, bezüglich im §. 20
Absaß 2 dieler Verordnung vorgeschriebenen Welse zu bewirken.
S. 30.
Himüchtlich der Eintragung der angemeldeten Thatsachen in das Handels-Regtster
find auch vor dem 1. Juli 1863 die in dleser Verordnung gegebenen Vorschristen zu
besolgen. Es sollen jedoch diese Eintragungen bis zum 1. Juli 1863 nur elnen provi.
sorischen Eharakter haben; sie gelten sämmtlich erst als an diesem Tage bewirkt und das
Datum derselben ist daher bis dahin offen zu lassen, unter diesem Tage aber und an
demselben durchgängig nachzutragen.
8. 31.
Sind bls zum 1. Juli 1803 vorschriftsmäßig (§. 29) uforderliche Anmeldingen
unterblieben und werden dieselben auch nicht innerhalb vier Wochen von dem bezeichne-
ten Tage an, diesen eingerechnet, nachträglich noch bewirkt, so ist gegen die Säumigen
in Gemäßheit des §. 8 des Einführungsgesetzes zu verfahren.
Die Anmeldung einer Prokura behufs Eintragung in das Handels-Regisier findet
vor dem 1. Juli 1863 nicht Statt. Ueberhaupt kann nur ein nach Eintritt dieses
Zeilpunktes bezüglich von Neuem besiellter Prokurist als solcher in das Handels-Register
eingelragen werden (. 40 des Einführungsgesehes).
8. 32.
Alsbald nach dem 1. Juli 1863 haben die Justizcnter die gesehlich vorgeschrie-
benen Bekauntmachungen der bis zu diesem Tage bewirkten Einträge zu erlassen.
Bel dieser ersten Bekanntmachung des Inhalts des angelegten Handels-Registers ist
die Form einer Collectiv-Anzeige der elnzelnen der Neihe nach zu specificirenden Ein-
träge mit einmaliger Unterzeichnung des Gerichtes nachgelassen.
g. 33.
Die vorschriftsmäßige Bekanntmachung der öffentlichen Blätter, durch welche in der
Zeit vom 1. Juli bis 31. December 1863 die Veröffentlichung der Elntragungen in
das Handels-Register ersolgen soll, haben dle Justizämter im Monate Juni dieses
Jahres in dem Amts= und Verordnungsblatt zu erlassen.
Gera, den 28. März 1863.
Fürstliches Ministerium.
v. Harbon.
Beilagen.
A. Schema der Follen in den Handels-Registern. (Die Handels-Register werden fo,
wie dleses Schema zeigt, auf allen Selten lintirt und mit Ueberschriften versehen
an die Justizämter abgegeben und von denselben, wie die folgende Beilage zeigt,
bei den Eintragungen verwendet und ausgefüllt.)
R. Mustereinträge in ein Handels-Reglster.
273
Fol.
Nr. Anmerkungen.
Nr.
Anmerkungen.
Handels-Kegister
des
Fürstlich Reußischen Justiz. Amts
zu
N. N.
277
Fol. 6.
r. Firma. D Anmerkungen.
1. · 1. Juli 1863. Karl Angust Thorwald in Gera. um Alt. Vol. L . 12.
u « VII-wasme20."S'uT-i-1863—. —"" äudert f. N
—
fi“]i'i*i
zu Nr. 1. Firm. Akt. 1.
orwald jun. Veschluß vom 3.rloschen s. Nr.
—.
3. 20. Novemder 1866. Die Firma Karl Zugun Tened jun ist zu
N. N. erloschen. Beschluß vom heutigen Tag 6
2. 9 Adgun 1863. s Karl August Thorwald firmirt künftig
N. N. láugust
Nr. 2.
irm. Akt. 1c.
— — —
In 59 er.
1. 1. Juli 1803. Karl Augns
horwald in Gera. #e Alt.
Veschluß vom 26. Juni 1863. "
We — Nr. 2.
2. 30. Juli 1864. Harla Augusata v. Thorwald 1 2. Firm. Akt-
N. N. geb. Vörner u Gerg Veschluß von heuigen Tage- Weggesallen sdit. *q
3. 2.Dezember 1864. Ernst Frledrich Khnzein Gera. | Firm. Akt. 1c.
N. N. 1 Beschluß vom 11. Dezember 1864. ,.
39
278
Fol. 6.
a ertbeilte Prokura is zurückgenommen. Beschluß vom 1. Jan. 1
Inhaber. Anmerkungen.
l
?
· I
V# N#treter.
I. 20. Juli 1363. Mcinri# Schmide ist Prokurist. Firm. A
!§*- Beschluß vom 20. Juli N 7. tant F4ibou:
X. N. men 1 Nr.
2. 16. Dezember 1863. Die demn Heinri. Schmirt ertheilke Pro. zu Nr.
X. xX. kura ist zurückgenommen. Beschluß ##m beutigen Tage. Firm. . K
3. 16. August 1864. Firm. Alt.
) KarI Gärtner, ;6 a und i beschrintt
** b) Ludwig Theodor Grlm I. 1.
N. X. sind Prekuristen. Beschinb von 16. Angas deen unce.
M — — Nr. 6.
1. 16. August 1561. Die Preluristen Karl Gäriner und L n dun. 7, Al.
« hervorGiimmdürsrstInstgruninselmfllichzeichncsr. [1 u Nr. 5 v a. und b.
N. N. Veschiuß vom heutigen Tage. n ,
· len s. Ni.
5. 1 3.Okteber 1864. Die unter Nr. 4 eingetragene Beschränkung des Nr. 1. Firm. Alt. ec.
1 Karl Gärmer und Ludwig et konmtin Wegüall.
N. N. 1 Beschluß vom 2. Slleber 1867. 1.
6. l I. Jannar 1865. Deem gemt Girmner und ruowig terdorchrin W¾F zu Nr. W rt.
N. N.
278
Fol. 7.
¾i“' 1 Firma. Anmerkungen.
1. 18. Juli 1863. LudWI S#mit Lm in Gera,Firm. Akt.
N. N. Veschluß vom 16. Jull eiele Ur. 2.
2. Dezember 1363. Die Firma budwig Schmidt & Comp. in Geraf zu Nr. 1.
*½m gbrenSih much Schkeigrerlegem tomm tdaherindiesem Han- Firm. Akt. 2c.
N. N. | dekd.Register in Wegfall. Beschlug vom 29. Dezember 1863.
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« In b(S er.
1. Firm. Alt.
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1
D tun L sen, s.
b Nr. .
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zu Nr. 1c. Firm. Art. 12c
Weggefallen s. Nr. 5.
2:.
N. J.
3.
N. N.
1.
un
i vom 27.
S1. Augun 1803. Die unter Nr. 3 bemerloe Veschränlung Lud
wig Schmid's und Wilhelm Schmidrs kemmt in Wegsa
Beschluß vom 30. August 13863.
zu Nr. l inmle Firm.
Arrt.
Wen f. Nr.
Firm. Art. 2c
all.
l
l
280
Fol. 7.
Inhaber.
Anmerkungen.
20. November 1863. Die unter Nr. 2 bemerkte Ausschließung
des Friedrich Schmtdt von der Verkretungsbefugniß kommt
in Wegsall. Beschluß vom 19. November
1863.
zu Nr. 2.Firm. Akt. 1c.
s### Ne
261
Fol. 13.
Nr. Firma. Anmerkungen.
i
1. 1. Juli 1863. Melnrich Schulze SComp. in Gera,Firm. Abt.
N. N. errichtet am 2. Nevember 1319. Beschluhvom 15. Jum 1863. Ausgelest 6. fr 2.
2. 3. Februar 1666. Die Firma Heinrich Schulze & Cour. in zu Nr. 1.
N. X. Gera ist ausgelöst. Beschluß vom heutigen Tage. ½% zm. All. 2c.
’ I
l
Inhaber.
1. 1. Juli 1
.. I
a) en Schulze,###mmerzien-Rath in Gera, 1 b, u
b) Ss Müller, Kramermeister in N., —
4 — — ————1 *“ Wiinhaber
N. N. * Inhen der Nrs *m vom 15. Juni 1863. L
2. 5. Oltober 1863. Der unter Rr. 16 denanne Briedrih Muller zu Nr. 10 Firm. Akt. .
N. N. 1—# ist ausgeschieden. Beschluß vom 1. Oktober
3. 5 Lltten 1563. Carl Lehmann, Kausmann in Gerg,,Firm. Akt. 1.
N. N. Mur#sader der F.Neschlt vom J. Skteber I80J. cal
282
Fol. 13.
Nr. Inhaber. Anmerkungen.
1. 15.November 1865. Der unter Nr. 3 genannte Carl Lehmamist zu Mr. 3. Firm. Akl. k.
N. .
Beschluß vom 15. November 1865.
rechtskräftig ausgeschlossen lantheugniß vom 12 Nerember 1885.
1
h
Dn
l
Vertreter.
1. 3. Februar 1866. Rirm. Alt. ec.
aq) Heinrlch Schulze, zu c auegetreten
b) Eduard Frli(zche, . Nr. 2.
c) Ferdinand Freita
N. J sind Liquldaforen. Teschiuh vom J. ’i-e 1866.
2. 4. April 1866. Der unter Nr. l genannte Ferdioand, Freuag zu Nr. 1 c.
N. X. ist nicht mehr Liquidator. Beschluß vom 4. April 1 Firm. Akt. 1.
283
Fol. 18.
Nr. Firma. Anmerkungen.
I
Lih Klaan ldtxssklotlsschsScliwtsk-osicotnp·IIIUAIIsc
m-
X. X. L— vom 5. August 1863.
I
|
Inhaber. 1
I. 6. Angust # Firm. Akt. ½.
* un Schwarze, Kaufmann in Gera, s- Zu c und. J sind
b) Franz Beyer, Haudlungslehrling in N. Lemmandiugen
U, ——— In Neisen, Gmebeszer in S. s. Nr.
** Albert Leipnitz, Guobesiper s
X. X. slnd Inhaber der Zirma. Beschluß vom 5. *- 1363.
2. 6. August 1863. Der unter Nr. le genaunte Heinrich Findeisen zu Nr. 1c. Firm. Akt. etc.
is Kommandinist mit einer Einn von Zehn Tausend Thalern. Einlage vermindert
J. N. Beschluß vom 5. Angust 1 s. Nr. 1.
3. 6. August 1363. Der umer Nr. 1d genannze Albert rm— ist. 51. rn l d. Firm.
temendtii mit einer Guluger von Sechs Tausend Tbalern.
N. NJ. VBeschluß vom 5. Angust 1
— — Z
284
Fol. 18.
Nr. Inhaber. Anmerkungen.
4. 3. September 1966. Häiurch Findeisen ist mit der unter gi 2 zu Nr. 2. Firm. Alt. 2c.
bemerkten Gnlage 1 öhe von aunt, c aufend Thalern
N. N. ausgeschieden wueschluß vom 6. Juni
Verktreter.
Nr.
Firma. Aumerkungen.
l
erdnmklsssiplshallsGlastGeIellIchaftsssgmnM
vktlquoomlädt-obeklsss und Genehmigungs-Urkunde nninie!
vom 31. Jannar 1864. Beschluß vom 28. Februar 1864. abgeändert s. Nr.
6. Jumi lt68. Der unter 1 bezeichnete Aielshaftsperung
.om 15. Oktober 18063 ist abgcändert laut Nachtra
" Vertrage vom 4. Mai 1869 und rchc
lunde vom 31. Mai l#68. Beschluß vom 6. Juni1
zu Nr. 1. Firm. Alt. 2c.
l
i
l
J«t:habct.
23. Februar 1861. E Firm. Alt.
) cIIIllIIs knochig-D Kaufmann in G. suc, *- reimnogen
b) Wilhelm Niedlich, Kaufmam in G. s. N
ej A zausheterns: Len elsmm andit-Ak-
er
sind gnn der Firma lant Ge schaftsvertrags vom 15.
stober 1863 und Genebmigunge 1trlunde vom 21. Jannar
1864. Beschluß vom 28. Februar 1864.
28. Februar 18641. Die Einlage der unter la — zu 1e. Firm. Alt. #c.
Kommoandsisen beträgt Seahg Tausend Thaler, e in Drei-
hunder!t ? zu Zwei Hundert Thaler getheiltstnd laut Gesell
gunertd vom 15. — 1863 und Genchmigingg Krr
kunde vom 31. Januar 1861. Beschluß vom 28. Febrnar 1864.
I
286
Pol. 9.
Nr. Firma. Anmerkungen:
1. ?2. Juli 1863. Die Disconto-Bank iu X laut Ge.
« IcllIÖaIISvcktkaqovomUqumdckldlihmd Genebmigungs.
Urkunde vom I/. Juli 1563, auch Unersennungs-Urfunde von von
demselben Tage, wonach die Gesellschaf vor dem #. Juli
N. N. 7 1803 gültig errichter worden ist.
Beschluß vom 20. Juli 1867.
Firm. Akt. ꝛc.
Ausaelost f. Nr. 2.
2. 5. Juni 1870. Die Diskomoe--Bank in & ist aufgelöst laut Ve- | zu Nr.
(ianse * Aktionäre vom 28. Mai 1870. Beschluz voum| Zirm. Akt. 2c.
N. N. 1. Juni 1870. I
c
s
5*5
Fol. 9.
Nr. Inhaber. Anmerkungen.
1. 21. Juli 1863. Die Inhaber der Altutien der Firm.
«· sconto-Bank in X ain, Inbeer der Firma laut 8 der lftislagkn
N. J. Gruesisestererdrage vom 9. Dezember 1802 und Sot. .
nnqdllklundunsmlslTal-MS Ncschlafs vom 20. Juli 1863
2. 21. Juli 1863. Die Einlage der unter Nr. 1 be, Feichneren # ## 1. Firm. Akt. k.
tionäre beträgt Fünsmalhundert Tansend #ubrun er, welche in bn ain vermin·
Fünf Tausend auf den In#er lautende Aktien zu 8
N. N. dert Thalern zerlegt sind, laut Gesellschaftsvertrage vom 9
· Dezember 1476 nde Genehmisenge. „Urkunde vom 14.Juli 1867.
1 Beschluß vom 20. Juli 18
3. 5. Juni 1867. Zufolge landesherrlich uhen. GBeschluß *
der General-Versammlung siud zwei usend
Diseconto-Bank zu & zurückgekauft und kah oi“ i
durch das s—— auf Dreibundert Tausend A
vermindert worden, laut Prolokolls vom % ** 1867 u
N. N.] Genehmigungs-Urkunde pen 21. Mai 1867.
# Beschluß vom 1. Juni 1367. 1Z
I u Nr. 2. Firm.
t. 2c.
288
Fol. P.
Nr. Vertreter. Anmerkungen
1. 21. Juli 1863. Firmen-Alten r.
1n H) Mclurich — in TC. zu b auogeichieden
b arl Heler in X. I. Nr 2.
. )Isassz tilgt-set- mL Neues Verstanhmi-
1 sind Mitglieder des Vorstands laur Gesellschasftsvertrags. ven iS4½6 nen.
N. N. 1 . Dezemder 1867, Genebmigungs-Urkunde vem 1.. Juli 1803 schied zudW-
. und Protokolls vom 1. Mai 1803. Beschluß vom 20. Juli n schieden f. Nr. 1.
2. 3. Mai 1805. Deruner 1b genaunte Karl Keller in icher I zu Nr. 1. b.
Mitglied des Vorstandes ln * otekolle vrm 1. Mai 18605.] Zi#m. Alt. .
N. A Beschlutz vom 3. Mai 1
3. 3. Mai 1865. Albert Heinze in * 1 uglied bes zu Ne. 1. Firui. Ari. ic.
N. N Vorstandeo lant Prokokolls aosnk 1. Ma#ll Ausgetreien
Beschluß vom 3. Mai 196. s. Nr. 1
4. 5. Juni 1870. Die unter Nr. L undc und Nr. 3 genaumen zu Nr. 1 a und c
Heintich Wagner, Jranz Kisiner und Alleit Heinze sind in, und Nr. 3. Zirm.
1n Folge der Auflösung der Aktien-Gesellschaft nichk mebr Vor- . Alt. ic.
N. N. stondamitgheeder, laut Beschlusses der —— ,
5*½ ä 28. Mai 1870. Beschluh vom 4. Juni 1
.
5. 5. Juni 187.1 Firm. Akt. 2c.
a) De *
b) Franz Kistnei
N. N. sind Ltqindnotcihlaut Beitvklmcs der General= Lerihmmong;
vom 26. Mai 1870. Beichlusses vom 4. Inni l
289
esetzsammlung
Fürstlich Reußischen Lande jüngerer Linie.
No. 232.
1) Sparkassenstatut vom 28. März 1863.
Wir Heinrich der Sieben und Secigst. von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greßz, !#—’ seld, Gera, Schleiz und Lo-
ein 2c.
verordnen hierdurch mit Zustimmung des Landtags, daß für die Sparkassen in Gera,
Schleiz und Lobensiein das nachfolgende Statut mit der Publikation in Krast treten soll.
Schloß Österstein, den 28. März 1863.
(L. S.) Heinrich LXVu.
v. Harbou. Dinger. Dr. E. v. Beulpi##.
Statut
für die Sparkassen Gera, Schleiz und Lobenstein.
8. 1.
Gerichtsstand.
Die Sparkasse ist eine juristische Person und hat ihren Gerichtsstand vor dem or-
dentlichen Gericht ihres Sipes.
8. 2.
Zweck.
Ihr Zwed ist:
1) zu sicherer verzinslicher Anlegung von Geld, namentlich ersparter kleinerer
Summen, Gelegenheit zu bieten;
4
290
2) durch bypolhekarisches Audleihen von Geld, ins Besondere die Landwirthschaft
zu unterstuͤhen.
8. 3.
Garantie.
Zur Sicherung der Einlagen sammt Zinsen dient der Reservefonds der Spar-
kasse (6. 20.)
In lepter Stelle haftet dafür die Hauptstaatskasse des Färstenthums.
8. 4.
Direktorlum.
Die Sparkasse wird von einem aus wenigstens drei Mitgliedern bestehenden Direk-
torium verwaltet. Die Mitglieder werden von dem Fürsten ernannt.
8. 5.
Aufsicht.
Sie steht unter der Aussicht des Ministeriums. — Der Voranschlag des Verwal-
tungsaufwandes derselben wird von dem Ministerium in jeder Finanzperiode dem Land-
tage zur Zustimmung vorgelegt.
8. 6.
Verwaltung.
Die Gelder und Werthpapiere der Sparkasse sind unter dreifachem Verschlusse zu
verwahren. ·
DasNähereüberdichrwaltungunddieObliegenheitenderMitgliedekdksDb
reetokiumswikdvondcmMinisteriumimJnsttuctionmvegebestünmr.
§.7.
Rechnungsablage.
Die Rechnung ist von dem Directorium alljährlich zu legen und an das Ministe-
rium zur Prüfung einzusenden.
8. 8.
Annahme von Einlagen.
Die Sparkasse ist verbunden, von jedem Angehörigen des Fürstenthums Einlagen
von fünf Silbergroschen an bis zu hundert Thalern anzunehmen. Mündel-, Concurs-
und Deposttalgelder, welche mit dieser Bezeichnung von einem Gericht des Fürstenthums
eingelegt werden, hat die Sparkasse auch dann anzunehmen, wenn sie die Summe von
hundert Thalern übersteigen.
291
In jedem andern Falle blelbt die Annahme von Kapitalien über hundert Thaler,
ingleichen die Annahme von Einlagen von Ausländern, dem Ermessen des Directorlums
überlassen.
8. 9.
Verschwiegenheit.
Ueber die gemachten Einlagen ist von den Verwaltungs- und Aufsichtobehoͤrden die
strengste Verschwiegenheit zu beobachten. Auskunst darüber ist nur dann zu erthellen,
wenn sie bei vorlicgenden Verbrechen von der zuständigen Untersuchungsbehörde amtlich
verlangt wird.
8. 10.
Verzinsung der Einlagen.
Die Einlagen werden mit drei und einem Dritttheil vom Hundert auf das Jahr
verzinst, setan dieselben die Summe von Einem Thaler erreicht haben.
Für den Fall einer andauernden Aenderung des gegenwärkig üblichen Zinsfußes
für Hpothekenkapitalien bleibt eine Aenderung des Zinssußes für die Sparkassengutha-
ben im Wege des Gesetzes vorbehalten.
Bei Einlagen über hundert Thaler kann die Sparkassenverwaltung einen niedrige-
ren, als den obengedachten Zinssuß bedingen; ist aber eine diehfallsige besondere Verab=
redung nicht getrossen worden, so gilt auch für dergleichen Einlagen der Zinsfuß von
3½ vom Hundert.
8. 11.
Anfang der Verzinsung.
Die Verzinsung der Einlagen beginnt je mit dem ersten Tage des auf die Ein-
zahlung selgenden Monats und geht bis zu dem Ende des dem Auszahlungstage vor-
ausgehenden Menats.
8. 12.
Erbebung der Zinsen.
Die Zinsen werden jährlich nur ein Mal berechnet und können erst nach Ablauf
des dafür bestimmen Termins erhoben werden.
Wenn jedoch ein Einleger sein Guthaben ganz zurückzieht, so sind ihm die, bio
zum Schlusse des der Erhebung vorausgehenden Monats erwachsenen Jinsen zugleich mit
dem Guthaben zu gewähren.
Die von einem Einleger im Lause des Rechnungsjahres auf sein Guthaben erho-
benen Summen sind sieto vom Kapital abzuschreiben und werden nur je bis Ende des
der Erhebung vorhergehenden Monaté verziust. u.
292
Die nicht erhobenen Zinsen werden vom Schlusse des Rechnungsjahres an dem In-
Haber des Kopitals gutgeschrieben und, sobald sie den Betrag von Einem Thaler errei-
chen, mit dem Kapltale ferneweit verzinst.
8. 13.
Jurückzahlung der Elnlagen.
Jeder Einleger erhält auf Verlangen sein Guthaben ganz oder bheilweise zurück-
gezahlt. Hierbei bedarf es rücksichtlich der Summen bis fünfzig Thaler einer vor-
berlgen Kündigung nicht.
Für gröhere Summen ist die Anstalt berechtigt, zu verlangen, daß bel Summen
bis hundert Thaler vierzehn Tage, bei Summen über hundert bis fünsf-
hundert Thaler vier Wochen und bei Beträgen über fünfhundert Thaler
sechs Wochen vor dem Auszahlungstage gekündigt werde.
8. 14.
Kündigungsrecht der Sparkasse.
Eine Zurückzahlung der Einlagen wider den Willen des Einlegers kann bel Sum-
men, welche den Betrag von Hundert Thalern überschreiten, jederzeit, bei Summen bis
Hundert Thalern aber, abgesehen von dem Falle der Auflösung des Instituts, nur dann
erfolgen, wenn solches die Verkehroverhältulsse erbeischen und aus diesem Grunde dle Ka-
pitalien über Einhundert Thaler bereits heimgezahlt bezüglich zur Heimzahlung bestimmt
worden find.
In jedem Falle hat die Sparkasse hierbei den Einlegern gegenüber eine Aufkündig-
ungssiist bei Summen unter hundert Thalern von vier Wochen, bet größeren. Bekrägen
von einem Vierteljahr, einzuhalten.
8. 15.
Cession.
Jedem Einleger ilt es unbenommen, sein Guthaben einem Andern dadurch eigen-
thümlich abzutreten, dah er das betreffende Sparkassenbuch auf dessen Namen überschrei-
ben läßt.
8. 16.
Sparkassenbücher.
Jeder Eluleger empfängt eln auf seinen Namen und Wohnort lantendes, mit dem
Ginwels auf das betreffende Folium des Hauptbuchs versehenes, gestempeltes Abrechnungs-
und Quinungsbuch (Sparkassenbuch).
293
In dleses Buch wird über die Einzahlungen agutktirt, der Zinsenbetrag elngetragen
und jede Rückzahlung notirt.
Obhne dasselbe wird weder eine Einlage angenommen, noch ein Rückzahlung geleistet.
Eine im Wege der Hilfsvollstreckung durch das zuständige Gericht erfolgende Juhtbltion
des Sparkassenguthabens ist nicht ausgeschlossen.
Das Eintragen geschieht von Seiten der Beamten der Anstalt. Einträge des In-
habers oder eines Dritten sind wirkungslos.
Jeder Eintrag einer Einzahlung sowohl als auch elner Rückzahlung muß von mindestens
zwei Mitgliedern des Directorlums unterzelchnet werden. — Dem Ermessen des Direk-
toriums wird es überlassen, die Quittung des Empfängers der Rückzahlung zu verlangen.
Jeder Einleger ist verbunden, ein Mal in jedem Jahre Behuss der Nachtragung
der angewachsenen Zinsen, Vergleichung mit den Hauptbüchern und etwa nöthig werden-
der Berlchtigungen sein Sparkassenbuch der Sparkassenverwaltung vorzulegen. Die Zeit,
wenn dieß zu geschehen hat, wird öffentlich bekannt gemacht.
Ein Sparkassenbuch kostet drel Silbergroschen. Dieser Betrag wird aber erst dann
erhoben, wenn das ganze Guthaben zurückgezogen oder an dle Stelle eines verloren ge-
gangenen oder vollgeschriebenen Buches ein neues ausgefertigt wird.
8. 17.
Legitimation.
An Jeden, welcher ein Sparkassenbuch zum Zwecke der Zuruͤcknahme von Geldern
zur Kasse bringt, erfolgt die Zurückzahlung mit derselben Wirkung, als wäre sie dem,
auf dessen Namen das Sparkassenbuch lautet, selbst geleistet.
Die Frage, ob der Inhaber eines Sparkassenbuchs dessen rechtmäßiger Eigenkhümer
sel oder nicht, (den Legitimationspunkl) zu erörtern, ist die Sparkassenverwaltung zwar
berechtigt, aber nicht veipflichtet.
8. 18.
Verfahren beim Verlust eines Sparkassenbuchs.
Wird bel der Sparkassenverwaltung von einem Gläubiger angezeigt, daß sein Spar-
kassenbuch abhanden gekommen sei, sb macht sie den Verlust öffentlich bekannt.
Wenn innerhalb sechs Wochen nach der Bekanntmmachung das Buch nicht bei der
Sparkassenverwaltung vorgezeigt wird, so gilt es für erloschen und wird öffentlich für
mortificirt erklärt. Der Eigenthümer erhält alsdann ohne Weiteres ein dem betreffenden
Folium des Hauptbuchs entsprechendes neues Buch gegen Bezahlung der erwachsenen
Kosten und Insertionsgebühren sowie gegen Erlegung von drei Silbergroschen für das
verloren gegangene.
294
8. 19.
Zinsbare Unterbringung der eingelegten Gelder.
Die in die Sparkasse eingelegten Gelder sind vorzugsweise an inländische Grund-
besiter gegen angemessenen Zins und Beslellung ausreichender Hypothek auszuleihen.
Liegende Grundsiücke dürfen bis zu zwel Drittheilen, Gebäude vorausgesetzt, daß
sie gegen Feuersgefahr hinreichend versichert sind, bis zur Hälfte des zu ermittelnden
Werthes beliehen werden.
Auf bloße Fabrikgebäude ist gar kein oder doch nur ein geringerer, nach Lage der
Verhältnisse zu beurtheilender Vorschuß zu leisten.
Daneben ist der Anstalt gestattet:
4) inländischen Gemeinden Darlehne zu machen, dieß jedoch nur mit Genehmigung
des Ministeriums;
vorhandene Gelder an die Geraer Bank zur Verzinsung abzugeben;
mit den anderen, unter Staatsgarantie stehenden Sparkassen im Fürstenkhum ein
Contocurrent zu unterhalten;
ausnahmsweise Gelder auf eine sichere Hypothek in benachbarten Staatsgebleten
anzulegen; «
Vorschuͤsse auf pfandweise zu hinterlegende. gute Staatopapiere, Eisenbahnactlen
und andere Werthpaplere mit Ausnahme von Wechseln und Anwelsungen zu lei-
sten, endlich auch
Iinländische Staatsschuldscheine und gute Eisenbahnprioritäten für elgene Rechnung
anzukaufen.
Was die unter 5 erwähnten Vorschüsse auf Staatspapiere, Eisenbahnactien und
andere Werthpopiere anlangt, so dürsen dieselben nur bis zu ½ des Tageskurses belie-
hen werden und sind die Darlehnsempfänger beim Sinken des Kurses verpflichtet, sofort soviel
anderweite Deckung zu schaffen, als zu Erfüllung der erforderlichen zwel Drittheile ns-
obig ist. Beim Ausbleiben dieser nachträglichen Deckung oder bet nicht pünktlich erfol-
gender Räckzahlung des Kapitals oder Berichtigung der Zlusen ist die Anstalt berechtigt,
die ihr pfandwelse übergebenen Papiere sefort und obne vorgängige Benachrichtigung
oder sonstige Betheiligung des Schuldnen#s auf Kosten und für hlechnung desselben zu
verkaufen.
Die Berechligungen der Sparkasse und die Verpflichtungen der Pfandschuldner be-
zuglich der verpfändeten Werthpapiere sind auf dem Pandscheine auszuführen.
Im Allgemeinen hat die Verwaltung bei Anlegung von Geldern und überhaupt sich
der größten Vorsicht zu befleihigen.
##n *
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295
S. 20.
Verwendung der Erträgnisse.
Der Ertrag der ausgeliehenen Gelder wird zunächst zu Verzinsung der Einlagen
und zu Bestreitung des Verwaltungsaufwandes verwendet.
Die nach Abzug dieser Ausgaben verbleibenden Ueberschuͤsse sind zu elnem Neserve -
sonds anzusammeln und anderwelt als werbendes Kapital auszuleihen.
Ueber den Reservesonds, sowelt er nicht zu Deckung etwaiger Verluste zu verwen-
den ist, wird von der Staatsreglerung unter Zustimmung der Landesvertretung nach
vorgängiger Prüfung der ihr vorzulegenden Rechnung in jeder Finanzperiode verfügt.
8. 21.
Die Auflösung einer Sparkasse kann von Seiten der Staatsregierung nur mit Zu-
stimmung der Landesvertretung verfügt werden.
Sobald die Auflösung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht ist, wird die An-
nahme von Elnlagen eingestellt und mit Einziehung der Außenstände, sowle mit allmäh-
liger Zurückzahlung der Einlagen verfahren.
Zu diesem Behufe sind die Bethelligten, mit Verschweigung ihres Namens, unter
Angabe der Nummer der Sparkassenbücher öffentlich zur Empfangnahme je ihres Gut-
habens vorzuladen.
Für Glänbiger, welche sich zu Empsangnahme ihres Guthabens nicht einfinden, wird
der Betrag auf deren Kosten gerichtlich deponirt.
296
2) Gesetz zum Schuß der Telegraphenlinien, vom 28. März 1863.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie reglerender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein 2c. 2.
verordnen hiermit zum Schuße der Telegraphenlinten unter Zustimmung der Landesver-
tung Folgendes:
8. 1.
Wer gegen eine Telegraphen-Anstalt vorsähliche Handlungen verübt, welche die Be-
nuhung dieser Anstalt zu ihren Zwecken verhindern oder stören, wird mit Gesängniß
von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft.
Handlungen dieser Art sind insbesondere: die Wegnahme, Zerstörung oder Beschä-
rigung der Drahtleitung, der Apparate und sonstigen Zubehörungen der Telegraphen-
Anlagen, die Verbindung fremdartiger Gegenskände mit der Drahlleitung, die Fälschung der
durch den Telegraphen gegebenen Zeichen, die Verhluderung der Wiederherstellung einer
3erstörten oder beschädigten Telegraphenanlage die Verhinderung der bel der Telegraphen=
anlage angestellten Versonen in ihrem Dienstberufe.
82.
Ist in Folge der vorsählich verhinderten oder gestörten Benuhung der Telegraphen=
Anstalten ein Mensch am Körper oder an der Gesundheit beschädigt worden, so trifft den
Schuldigen Zuchthaus bis zu zehn Jahren, und wenn ein Mensch das Leben verloren
bat, Zuchthaus von zehn bis zwanzig Jahren.
8. 3.
Wer gegen elne Telegraphenanstalt fahrlässiger Weise Handlungen verübt, welche
die Benutzung dieser Anstalt zu ihrem Iwecke verhindern oder slören, wird mit Gefäng-
niß bis zu sechs Monaten, und wenn darurch ein Meusch das Leben verloren hat, mit
Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft.
Eine gleiche Strafe haben die zur Beaussichtigung und Bedienung der Telegraphen-
Anstalten und ihrer Zubehörungen angestellten Personen (Telegraphenbeamten) verwirkt,
wenn sie durch Vemachlässigung der ihnen obliegenden Pflichten die Benupung der An-
stalt verhindern oder stören.
297
8. 4.
Eisenbahnbeamte und Telegraphenbeamte, welche wegen eines der in den vorstehenden
Daragraphen bezeichneten Verbrechen oder Vergehen verurlhellt werden, sollen zugleich zu
einer Beschäftigung im Eisenbahn= und Telegraphendienst für unfählg erklärt werden.
Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Landesherr-
lichen Instegel.
Schloß Osterstein, den 28. März 1863.
1□— Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. E. v. Beukwitz.
298
3) Geseß, das Verbot des Aehrenlesens betr. vom 30. März 1863.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün.
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Geras Schleiz und
Lobenstein rc. 2c.
verordnen hierdurch mit Zustimmung der Landesvertretung:
1.
Die wegen des Aehrenlesens in einzelnen Landestheilen ergangenen Bestimmungen
werden hiermit aufgehoben. 2
Alles -ehrenlesen und Kartoffelstoppeln auf fremdem Grund und Boden ohne Ge-
nehmigung des Feldeigenthümers, Pachters oder Nutniehers ist mit Gefängniß bis zu
acht Tagen oder verhalmmihmäßiger Geldstrafe zu belegen.
Urkumlich unter Unserer eigenhändigen Namensunterschrist und beigefügtem Lan-
deäberrlichen Insiegel.
Schloß Osterstein, den 30. März 1863.
(L. S.) Heinrich l-XVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. v. Beulwitz.
299
Gesetzsammlung
für die
Fürstlich Reußischen Lande jüngerer Linie.
No. 233.
1) Gewerbeordnung für das Fürstenthum Reuß 1. 2.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
benstein 2c. 14c.
haben zur Jörderung der Gewerbe unter Beirath und Zustimmung des Landtags die
nachstehende
Gewerbeordnung
zu erlassen beschlossen und verordnen deshalb, wie solgt:
8. 1.
Umfang des Gesetzes.
Dleses Geset leldet Anwendung auf alle gewerbemählg betrlebene Beschäftlgungen
mili folgenden Ansnahmen:
Ackerbau, Viehzucht, Forslwirthschaft, Gartenbau, Weinbau und die mit de-
ren Bektriebe verbundenen, im Wesentlichen auf Verarbeitung selbst er-
zeugten Noh. Materials beschränkten Nebengewerbe; die zu einzelnen sol-
chen Nebengewerben nach älteren Bestimmungen erforderliche Konzession
kommt in Wegfall:
Bergbau, sowohl der NRegal.Bergbau, sammt den bergrechklich damit verbun-
denen Anstalten, als der Bergbau auf dem Regal nicht unterworsene
Fossilien;
dle advokatorische und Notariats. Praxlo;
Ausgegeben den 22. Aprll 1863. 43
300
die Ausübung der Heilkunde (einschließlich Errichtung von Privat. Hellanstal-
ten) und der Thierheilkunde; das Apotheker. Gewerbe, die Erzeugung
tünstlicher Mineral. Wässer (einschließlich der Errichtung von Trinkan=
stalten für solche) und der Handel mit Arznel-Waaren und Gisten, die
Thätigkeit der Hebammen und des sonstigen ärztlichen Hilzspersonals
und der Leichenwäscher;
der Privat-Unterricht und die auf solchen und auf Erziehung sich bezlehenden
Anstalten;
die literarische Thätigkeit, die Ausübung der schönen Künste, die Thärigkeit
der Ingenieure und Geonieter;
Eisenbahnunternehmungen, Telegraphen, Posten;
die Fähranstalten an öffentlichen Flüssen;
dle Flößerei auf öffentlichen Flüssen;
die Ausübung des Münzregals;
die Fabrikation und der Verkauf der Spielkarten;
die Gewinnung von Salz und
der Handel mit den dem landesherrlichen Salzverkaufs-Mechte unterllegenden
salinischen Produkten;
der Vertrieb von Lotterie-Loosen.
Hinsichllich derjenigen gewerbemähigen Beschäftigungen, auf welche die Gewerbeord-
nung Anwendung nicht leidet, bewendet es bel den darüber bestehenden Bestimmungen.
Die im §F. 38 der Gewerbeordnung enthaltene Bestimmung jedoch leidet auch auf
die hier vorstehend ausgenommenen Gewerbe Anwendung-
8. 2.
Gewerbsunternehmungen des Staates oder der Hofhaltung, die zu denselben gehs-
rigen Anlagen und die bei denselben beschäftigten Arbeiter sind nur den Bestimmungen
der §§. 24 bis 36, des ganzen dritten Abschnittes, der §§. 77 bis 79 und des fünften
Abschnittes unterworsen.
Auf die in Militair. Etablissements als Arbeiter beschäftigten Soldaten, ingleichen
auf die Beschäftigung der in Straf= und Besserungo-Anstalten detinirten Personen lei-
den auch diese Bestimmungen keine Anwendung.
Erster Abschnitt.
Von der Befugniß zum Gewerbebetriebe und deren Erwerbung.
8. 3.
Freiheit des Gewerbebetriebes.
Der selbsiKändige Betritb eines jeden Gewerbes, welches im Felgenden (6K. 8 bis 40)
301
nicht ausdrücklich an die vorguͤngige Erfuͤllung gewisser Bedingungen geknuͤpft ist, stehl
unter Beobachtung der in diesem Gesehe enthaltenen Vorlschristen jedem dispositlonsfähl-
gen Inländer, welcher das vier und zwanzigste Lebensjahr vollendet hat, ohne Unterschied
des Geschlechtes und ohne Beschränkungen in der Wahl des Ortes freiy dafern er nur
bel der Niederlassung an elnem Orte in welchem er nicht heimathsberechtigt (#t, auf Ver-
langen einer der Gemeindebehörden einen Helmathschein und ein gutes Leumundszeug-
niß beibringt (§. 44.)
S. 4.
Auênahmen von der Alterobeschränkung.
Zum Eintrikt durch Erbgang in einen bereits bestehenden selbsiständigen Gewerbe-
betrieb genügt, in Beziehung auf das Lebensalter des Eintretenden der Nachweis des
vollendeten ein und zwanzigsten Jahres oder der erlangten Mündigkeitserklärung.
Den Landrathsämtern steht das Recht zu, von dem in §. 3 vorgeschriebenen Er-
sordernisse des vollendeten vler und zwanzigsten Lebensjahres für Beginn eines selbst-
ständigen Gewerbebetriebes in besonderen unbedenklichen Fällen bis auf das vollendete
ein und zwanzigste Lebensjahr zu diepensiren.
8. 5.
Anmeldungapflicht.
Wer an irgend einem Orte des Landes eln Gewerbe zu betreiben beabfichtiget, hat
davon in den Städten und in den Orten, welche 1000 und mehr Elnwohner haben,
dem Gemelndevorstande, in den dörigen Ortschasten dem Landrathsamt Anzelge zu machen.
Diese Anmeldungspflicht erstreckt sich auf jede wesentliche Veränderung des Gewer-
bes. Bestellte Geschästssührer (6. 22). Stellvertreter und Pachter (S. 43) sind ebenfalls
anzumelden.
An den Bestimmungen über die Handelsfirmen wird hlerdurch ulchts geändert.
8. 6.
Ausnahmen.
Nicht als selbsisändiger Gewerbebetrieb im Sinne dieses Gesehes anzusehen, daher
von der im § 3 ausgesprochenen Alterebeschränkung und von der Anmeldungepslicht
ausgenommen, sind
4) iede gemeine Kohn- und Handarbeit;
2) jede Arbeit, welche ohne Annahme von Gehilsen nur gegen Lohn für einen Un-
termehmer ausgekührt wird;
3) sogenannte welbliche Arbelken, wie Anfertigung und Verkauf von Frauenkleldern,
4
302
Puygegenständen, Stickerei, Wäscherei und dergleichen, insoweit nicht damit ein
offenes Verkaufslocal verbunden ist.
8. 7.
Verfahren der Behörden.
Bei Elngang der Anmeldung hat die Behörde (§. 5) sofort zu erwägen, ob der
beabsichtigte Gewerbebetrieb nach gegenwärtigem Geseße konzessionspflichtig oder an Er-
füllung besonderer Bedingungen geknüpft sei, nicht minder, ob dem Aufenthalte der An-
meldenden an dem gewählten Orte ein in den Gesehen begründetes Hiydernih entgegen-
stehe.
Int Beides nicht der Fall, so ist dem Anmeldenden sosort über die ersolgte An-
meldung Bescheinigung zu ertheilen. Entgegengesetzten Falls sind dem Anmeldenden
ebenfalls ohne Verzug die von ihm vor Eröffnung selnes Gewerbebekriebes zu erfüllen-
den Bedingungen unter Hinweis auf die gesehlichen Strafen mitzutheilen.
8. 8.
Konzessions-Gewerbe.
Eine Erlaubniß der zuständigen Behörde (Konzession) ist erforderlich:
1) zum Betriebe von Gasihöfen, Spelse= und Schankwirthschaften und zur gewerbe-
weisen Vermiethung von Schlasstellen;
2) zum Geschäftsbetriebe von Versicherungsgesellschaften aller Art, sowie als Feuer-
versicherungs= und Auswanderungs-Agent;
3) zum Geschäflsbelniebe als Pfandleiher, Pfandvermittler und Trödler;
4) für Theater= und Schauspieler-Gesellschaften;
5) zum Betriebe des Abdeckergewerbes.
Die Kenzession wird von dem Ministerium, Abtheilung für das Innere, für die
unter 2. und 5 genannten, von dem Landrakhsamt für die unter 1, 3 und 4 autge-
führten Gewerbe ertheilt.
8. 9.
Persöulichteit der Konzelsion.
Jede Konzession ist persönlich.
Nur für Gasihöfe können auch Real,Kenzessionen mit landesherrlicher Genehmigung
erthellt werden.
8 10.
Besondere Konzessions Bedingungen.
Die besonderen Bedingungen, an deren Beobachtung der Betrieb eines Konzessiens.
303
Gewerbes gebunden sein soll, sind von der Konzessiondbehoͤrde, sofern nicht fuͤr das be-
neffende Gewerbe allgemeine Bedingungen durch Verordnungen, Regulative oder Orts-
Statuten autgestellt sind, bei Ertheilung der Konzession, welche schristlich zu erfolgen hat,
festzustellen
Es dürfen jedoch keine anderen Bedingungen gestellt werden, als welche durch die
Rücksichten auf dle öffentliche Sicherung und Wohlfahrt und durch Interessen, deren
Wahrung in §. 45 vorgeschrieben ist, geboten werden.
Nur für die Konzessions-Eriheilung in den Fällen des F. 8 unter 1 und 4 können
auch Abgaben erhoben werden.
8. 11.
Jede Konzession kann zurückgezogen werden:
1) wenn der Konzessionar die für Ertheilung der Konzession vorausgesehte persär-
liche Qualifikation verliert,
2) wenn die Behörde bei Erthellung der Konzession über wesentliche thatsächliche
Mrhältnisse Jetäuscht worden ist,
3) wenn der Konzessionar einer Konzessions-Bedingung, deren Nichterfüllung bei
Ertheilung der Konzession mit deren Verluste ausdrücklich bedroht worden war,
nicht erfüllt.
8. 12.
Die · Entscheidung uͤber Zuruͤckziehung einer Konzession steht derjenigen Behoͤrde zu,
von welcher dieselbe ertheilt worden ist. Gegen ihren Ausspruch ist, wenn derselbe von
dem Landrathsamte erfolgte, Rekurs an das Ministerium, Abtheilung für das Innere,
wenn es von Lehterem ausging, Rekurs an das Gesommt-Ministerlum freigegeben.
Wird hiervon nicht binnen zehn Tagen von Zeit der Eröffnung an Gebrauch gemacht,
so nitt die Zurückziehung der Konzession in Krakt.
8. 13.
# bobetriebim U#b jeh Hausirb dei
V im 9 9 VWaul
Eine Erlaubniß der zustindigen Verwaltungsbehörde bedarf serner jeder Oewerbe-
betrieb im Umherziehen (einschließlich des Hausir-Handels). Als solcher wird im Sinne
dieses Gesehes nicht angrsehen:
1) dle Ausführung von Gewerbsarbeiten durch ständige Gewerbekreibende oder de-
ren Arbeiker bei ihren Kunden (§. 47), sowle das Austragen bestellter Waaren;
2) das Anbieten von Lelslungen; f
3) das Herumtragen von Erzeugnissen der Landwirthschaft, des Waldbaues, des
304
Gartenbaues, der Biehzucht, der Jagd und der Fischerel, von Biktuallen und
Brenn-Materlalien und gewissen im Verordnungswege zu bezeichnenden gemelnen
Verbrauchsgegenständen;
4) der Einkauf inländischer Erzeugnisse und das Sammeln von Bestellungen — mit
Ausnahme des Subskribenten Sammelus — durch Gewerbtreibende, deren Ange-
börige oder Handelsreisende. Es dürfen jedoch die eingekauften Waaren unter-
wegs nicht wieder verkauft und bel dem Sammelu von Bestellungen nur Muster,
keine Waaren mitgeführt werden.
Durch die unter Nr. 3 vorflehende Bestimmung wird an den Vorschristen über den
Handel mit Holzpflanzen, Obstbäumen und dergleichen in §. 16 des Gesehes vom 14.
April 1852 zum Schupe der Holzungen 2c. nichts geändert.
8. 14.
Fortsetzung.
Die Gewerbe, zu deren Betriebe im Umherzlehen überhaupt Erlaubniß ertheilt, und
die Waaren, mit denen der Hausirhandel gestattet werden darf, die perfönlichen Voraus-
sehungen für diese Erlaubnißertheilung und die Behörden, welche dazu befugt sind, wer-
den in der, von dem Mlnisterlum zur Ausführung des Gewerbegesetzes zu erlassenden
Verordnung bestimmt.
8. 15.
Oertlich regultte Gewerbr.
Der Regelung durch dle Gemeindebehörden unterliegen:
1) Das Musikmachen an öffentlichen Orten;
2) die Produktlon öffentlicher Schaustellungen aller Art;
3) die Unterhaltung der Kommunikatlon innerhalb der Orte durch Fiacres, Drosch-
ken, Omnibus, Gondeln, Sänsten u. s. w.;
4) die Versorgung der Gemeinden mit beucht-Gos und Wasser;
5) die Errichtung und der Betrieb von Turn-, Bade= und Schwinmanstalten.
Den Gemeindebehörden steht es hierbel namentlich frei, die Erlaubniß zum Betriebe
der vorstehenden Gewerbe auf bestimmte Personen und Anstalten zu beschränken.
8. 16.
Fortsetzung.
Die Ausstellung verpflichteter und mit Instruktlonen zu versehender Perlonen für
Dienste, welche besonderes Vertrauen Iin Anspruch nehmen, z. B. Lohndiener, Hochzeli-
und Deichen-Bliter, Fremdenführer, Boten, Aufläder, Packer und dergleichen, steht den
305
Gemeindevorständen frei, jedoch ohne Beschränkung des Gebrauches nlcht verpflichteter
Personen.
8. 17.
Schornsteinfeger.
NRücksichtlich der Annahme der Schornsteinfeger bewendet es bei den besiehenden
Bestimmungen.
8. 18.
Befähigungenchwels.
Von dem Beweise besonderer Besähigung abhängig sind:
die Ausübung des Hufbeschlages, sowie die selbstständige Ausführung und
Leitung von Bauten nach den deshalb erlassenen oder im Verordnungswege
noch zu erlassendenden Bestimmungen.
§S. 19.
Gewerbebetrieb von Ausländern.
Aualändern ist die Niederlassung lm Fürstenthume zum Zwecke des selbstständigen
Gewerbebetriebes, nach Maßgabe dieses Gesehes, gestattet, insoweit in deren Heimath eine
gleiche Vergünstigung den dießseitigen Staatsangehbrigen gewährt wird und der die Nie-
derlassung Suchende seine eventuelle Fähigkeit zum Genuß der bürgerlichen und slaats-
bürgerlichen Rechte nachweist (. 44).
Zur Zulassung solcher Ausländer, in deren Heimathslande die diehseitigen Staats-
angehörigen beschränktere Gewerbeberechtigungen haben, kann von dem Ministerium, Ab-
theilung für das Innerc, Erlaubniß erthellt werden.
8. 20.
Verkehr über die Grenze.
Im Auslande wohnende Gewerbtreibende sind berechtigt, im Inlande Gewerbear=
beiten, zu denen sie in ihrer Heimath befugt sind, auszuführen oder durch ihre Arbeiter
ausführen zu lassen, ohne deshalb zur Entrichtung dießseitiger Staats-- oder Kommu-
nal-Abgaben verpslichtet zu sein, dafern in ihrer Heimath eine gleiche Vergünstigung für
dießseiige Staatzangehörige gesetzich besteht und ihre Gewerbsberechtigung den Bestim-
mungen dieses Gesezes entspricht; außerdem entschelden die milt den Nachbarstaaten be-
siehenden oder abzuschließenden Vertäge in deren Ermangelung tritt das Ermessen des
Ministeriums, Abtbeilung für das Innere, ein.
Das Einbringen und Abliesern im Auslande Vefertigter Gewerbsarbeiten, sowie der
306
Gandel über die Landesgrenze unterllegt nur den durch die Zoll- und Abgaben-Verhält-
nisse und durch die sicherheitspollzellichen Vorschristen bedingten Beschränkungen.
Durch die vorslehenden Bestimmungen soll an den in den §§. 13 und 14 in Be-
treff des Hausirhandels gegebenen Vorschriften nichts geändert werden.
8. 21.
Gewerbebetrieb Minderjähriger.
Ein Gewerbe darf nach dem Tode des Gewerbetreibenden für Nechnung minder-
jähriger oder zum selbstständigen Gewerbebetriebe noch nicht berechtigter Erben sortbetrle-
ben werden.
Dasselbe gilt während der Dauer elner Kuratel, sowie elner Nachlaß= Regulirung.
8. 22.
Geschäfts führer.
Zur Leitung des Geschäftsbetriebes in den §. 21 erwähnten Füällen, sowie für
Rechnung juristischer Personen ist ein Geschäftsführer zu bestellen, welcher, dasern nicht
eine Real-Konzession ertheilt worden ist, in den S§. 8 bis 17 behandelten Fällen der
Genehmigung der zuständigen Behörde bedarf und in den Fällen des §. 18 für seine
Person die Befähigung nachzuweisen hat.
Der Geschäftoführer haftet persönlich für Beobachtung der gesehlichen Bestlmmungen;
die in dlesem Gesehe angedrohten Strafen werden gegen ihn verfügt. Für Geldstrafen
haftet der Gewerboinhaber subsidiarisch.
23.
Gewerbebetrieb durch Beamte #.
Inwiesern Geistliche, Schullehrer, Cluil. Beamte des Staates und der Gemeinden
und Militär-Versonen zu dem Gewerbebetriebe für sich und ihre Angehörigen der be-
sonderen Genchmigung ihrer Dienstbehörde, Ehefrauen der Zustimmung ihrer Chemän=
ner bedürfen, ist nach allgemeinen Nlcchtsgrundsäpxen, bezüglich nach den bestehenden
Dienstvorschriften zu beurtheilen.
8. 24.
Gesährliche und belästigende Anlagen.
Gewerbsanlagen, welche wegen ihrer besonderen Feuergefährlichkeit, oder wegen der
dabei vorhandenen Möglichkeit von Eloßonen, oder durch Entwickelung von Rauch,
Dämpfen und Gasen, oder durch ihre sich dem Wasser beimischenden Abflüsse ihrer Um-
gebung gefährlich, oder ouch nur durch den verbreiteten Geruch, Staub, oder die Der-
307
unreinigung des Wassers besonders lästig werden würden, bedürfen zu ihrer Errichtung
der ausdrücklichen Genehmigung des Landrathsamtes Solche Anlagen sind:
Fabriken und Niederlagen von Schießpulver Schiehbaumwolle, Zündhütchen,
Zündwaaren, Feuerwerksgegenständen, Phosphor, Salpeter, Schwefel, ferner
von Alkohol, Aekher, älherischen Oelen, Naphta, Photogen, Petroleum und
andern leicht brennenden oder explodirenden Stoffen, Koaks= und Theer-Oefen,
Gasbereitungs-Anstalten, Pech= und Terpentin= Siedereien, Firniß., Lack.,
Wachstuch- und Lackleder-Fabriken, metallurgische Hütten und Gifthütten, Ei-
sen- und Erzgiehereien, Glashütten, Thonwaaren-Fabriken, Ziegeleien, Gyps-
und Kalk. Oesen, Fabriken chemischer Produkte (namentlich Schwefel., Salz-
und Salpetersäure= und Salmiak-Fabriken), Zuckersiederelen, chemische (Schnell.)
Bleichen, Färbereien und Zeugdruckereien, Cichorien- und Rüben-Kaffee= Fa-
briken, Stärke-Fabriken, Papler-Fabriken, Gerbereien, Darmsatlten-Fabriken,
Blutlaugen,, Fluß-, Fleck- und Leim- Siedereien. Talgschmelzereten, Seifen-
siedereien und Kerzengleßereien, Knochen= und Rußbrennerelen, Knochensiede-
reien, Knochen= und Wachs--Bleichen, Flachs= und Hauf-Höstanstalten, Schlacht-
häuser, Abdeckereien, Poudretten- und Dünger-Fabriken, Braunkohlen= und
Torf-Streichplähe, leptere beide jedoch nur dann, wenn sie sich nicht auf den
Grundsiücken besinden, auf welchen das Rohmatertal gewonnen wird.
Das Ministerium ist ermächtigt, nach Mußgabe des sich durch Erfahrung ergeben-
den Bedürwmnisses durch Verordnung einzelne Gattungen von Gewerbsanlagen diesem
Vexzeichuisse binzuzufügen, oder demselben zu entnehmen, auch wo örtliche Verhältnisse
eine Auonahme rechlfertigen, in klelnem Maßstabe betriebene Gewerbe der in diesem
Paragraphen bezeichneten Arten für den betreffenden Ort von den Vorschriften dieses
Paragraphen zu enkbinden.
KS. 25.
Vorbehalt der allgemeinen Vorschriften.
Das Ministerium ist besugt, für einzelne Kategorieen der in §. 24 erwähnten An-
lagen allgemelne Vorschriften zu erlassen, über die örtlichen Verhältnisse, unter denen
sie unbedingt unzulässig, und über die Bedingungen, an welchen die Ausführung der
Anlage und der Betrieb im Allgemeinen zu knüpfen sind, dabel auch besondere Or-
gane jür die Prüfung und Beaussichtigung solcher Aulagen zu bezeichnen, in denen alle
oder einzelne der §. 24 erwähnten Anlagen gar nicht oder nur unter geeigneten Be-
schränkungen errichtet werden dörfen.
Die bereits bestehenden Vorschriften dieser Art bleiben in Krast.
308
8. 26.
Verfahren bei der Genehmigung.
Vor Ausführung einer der Iin §. 24 bezeichneten Anlagen ist die Genehmigung bei
dem Landrathsamt unter Einreichung der nöthigen Situationspläue, Bauzeichnungen
und Erläuterungen nachzusuchen.
S. 27.
Fortseßzung.
Die Behörde (§F. 26) hat ohne Zeilverlust unter Zuzlehung Sachverständiger zu
prüfen, ob die Anlage an dem angegebenen Orte und in der angegebenen Welse den etwa
vorhandenen besonderen Vorschriften (. 25) widerspreche, oder sonst mit Gefahren für
Gesundheit oder Leben, oder anderen aus sicherheits= oder wohlfahrkspollzeillchen Grün-
den nicht zu duldenden Nachtheilen für die Umgebung oder die zu beschästigenden Arbel-
ter verbunden ist. Ist dieses mit Bestimmtheit zu bejahen, so isi die Genehmigung un-
ler Angabe der Gründe zu versagen. Gegen diese Versagung steht dem Ansuchenden
Rekurs zu.
8. 26.
bortsehung.
M aus der Prüfung nach §. 27 die Unzulässigkelt der Anlage urcht sosort er-
kennbar, so hat dle Behörde in dem Amts= und Verordnungsblatt und einem Lokal-
blatt die Absicht des Gesuchstellers bekannt zu machen, und Jedermann auszufordern,
innerhalb einer für alle nicht auf Privat--Rechtstiteln beruhenden Einsprüche präklusiven
Frist von vler Wochen etwaige Einwendungen anzubringen.
8. 29.
Fortsetzung.
Die mit Ablauf der §. 28 gesetzten Frist zu fassende Entschliehung der Vchörde ist
deün Unternehmer und dem Widersprechenden bekannt zu machen. Beiden Thellen sleht
binnen zehntägiger ausschließlicher Frist hiergegen Rekurs an das Ministerium, Abthei-
lung für das Innere, zu.
g. 30.
Kosten.
Die baaren Auslagen, welche durch die Bekanntmachung und das weitere Verfah=
reu entstehen, sallen dem Unternehmer, diejenigen Kosten aber, welche durch unbegründete
Einwendungen erwachsen, dem Widersprechenden zur Last. Die Entschließung ist zugleich
auf den Kostenpunkt zu erstrecken.
309
8. 31.
Erlsichen der Genehmigung.
Die nach diesem Verfahren ertheilte Genehmigung erlischt, wenn nicht binnen einem
Jahre nach Ertheilung derselben die Ausführung der Anlage begonnen worden ist.
8. 32
Volgen der ertheilten Genebmigung für sptere Einwendungen.
Ist eine Anlage nach Beobachtung dieses Verfahrens von der zuständigen Verwalt=
ungebehörde genehmigt und unter Beachtung der dabei gestellten Bedingungen ausge-
führt worden, so kann von den Gerichten später wegen Belästigung oder beeinträchtigter
Nupbarkelt fremden Eigenthums nicht mehr auf Aenderung oder Beselllgung der Anla-
dge, sondern nur auf Entschädigung erkannt werden.
S. 33.
HFolgen der Zuwlderhandlung.
Wer ohne Genehmigung eine der im §. 24 gedachten Anlagen ausführt, ist gehal-
ten, wenn sich bei der nachher anzustellenden Erörterung und bezüglich Nachholung des
5. 26 ff. vorgeschriebenen Verkahrens erglebt, dab die Anlage unzulässig ist, die zu Be-
seitigung der Gefahren und Nachtheile (G. 27) nothwendigen Veränderungen auf seine
Kosten auszuführen, oder wenn dieses nicht möglich, oder die Anlage nach den §F. 25
vorbehaltenen besonderen Vorschristen an dem betrefsenden Orte überhaupt nicht statthafe
ist, auf Anordnung der Behörde oder auf Antrag des Verlepten die Anlage ohne Ent-
schädigung wieder zu beselligen.
Dasselbe tritt ein, wenn die Anlage zwar genehmigel, aber von dem Unternehmer
den bel der Genehmigung gestellten Bedingungen für Ausführung der Anlage ucht nach-
gekommen worden ist.
8. 34
Beurtheilung nach der Genehmigung lich zeigender Uebelstände.
Einrichtungen, welche zur Beseitigung von Uebelständen für die Umgebung, bezüg-
lich des Betrlebes von Gewerbsanlagen überhoupt, oder einzelner Gatkungen derselben
in Folge technischer Exfahrungen von dem Minisierium, Abtheilung für das Innere, an-
geordnet worden, hat der Besiper der Anlage auf seine Kosten auszuführen.
Zeigen sich dagegen nach Inbetrlebsenung elner nuter 8. 24 sallenden oder in Ge-
mähheit von §§. 26 bis 29 genehmigten und vorschriftsmäßlg ausgeführten Anlage Ge-
fahren und Nachtheile GE. 27) für die Umgebung, welche durch Einrichtungen vorgedach-
44
310
ter Art nicht zu beseitigen sind, so kann der Unternehmer auf Antrag der Gemetnde
oder des Staates, wenn sich die Nothwendigkeit dazu ergiebt, ebenfalls zu Veränderun=
gen und sogar zu gänzlicher Beseitigung der Anlage angehalten werden; er hat aber
dann Anspruch auf volle Entschädigung.
Elne solche fällt mur dann weg, wenn dem Unternehmer nachgewiesen wird, daß er
bei Vorlegung der Unterlagen, auf welche hin die Genehmigung zu der Anlage ertheilt
worden ist, wesentliche Umstände verschwiegen, oder die Behörde getäuscht hat
Die Entschädigung isi bei vorliegendem Antrage der Gemeinde aus der Gemeinde-
kasse, bel einem Antrage Seiten des Staates aus der Staatskasse zu gewähren.
Bei dringenden Gefahren für die Umgebung oder das Gemeinwohl kann die einst-
weilige Einstellung des Betriebes angeordnet werden. Solchen Falles steht unter den
vorgedachten Voraussehzungen dem Unternehmer ein gleicher Anspruch auf Entschädlgung
zu, dafern die einstweilige Einstellung nicht dadurch nothwendig geworden ist, daß der
Unternehmer die angeordneten Einrichtungen und bezüglich Veränderungen nicht ausge-
fübrt hat.
5. 35.
Ueber die Frage: ob nach 8. 34 der Besitzer zu Veränderungen oder gänzlicher Be-
seitigung einer Gewerbsanlage oder zu Einsiellung des Betriebes verpflichtet sei, eutschei-
det das Landrathsamt und auf eingewendete Berusung endgiltig das Ministerlum, Ab-
theilung für das Innere, milt Ausschluß des Rechtöweges. Die Einlegung der Berufung
ist an eine zehntägige ausschließliche Frist gebunden. Bei angeordneter Betriebseinstell-
ung hat die Berufung keine aufschiebende Wirkung.
Wenn zu Folge dieses Gesetes eine Entschädigung zu gewähren ist, soll dieselbe,
dafern nicht unter den Betheiligten eine andere Vereinigung zu Stande kommt, und so-
welt nicht etwas Anderes ausdrücklich verordnet ist, durch drei völlig unparkeiische und
zu vereidende Sachrerständige ermittelt werden. Die Leitung dieses Geschäfts sieht dem
Richter der gelegenen Sache zu. Unter den Sachverständigen soll der eine von dem
Entschädigungsberechtigten, der andere von dessen Gegner, der dritte von der leitenden
Justizbehörde ernaunt werden. Das Legtere kritt auch hinsichtlich der beiden ersen Sach-
verständigen ein, wenn die Betheiligten deren Ernennung verweigern oder nicht taner-
bhalb der ihnen bestimmten Frist bewirken. Keiner der Sachverständigen darf der Ge-
meinde angehören, in deren Flurbezirke das Grundstück des Entschädigungsberechtigten
gelegen ist.
Vereinigen sich die Schäßer nicht zu einer gemeinschaftlichen Taxe, so werden die
drel Würderungosummen zusammengezählt und bildet der dritte Theil der so gewonnenen
Gesammtsumme den Entschädigungsbetrag.
311
Es steht den Bethekligten frel, gegen die Würderung in dem gesehlichen Instanzen-
zuge Berufung elnzulegen, jedoch nur dann, wenn bei der Würderung vorgeschriebene
Formen verletzt oder sonst bestimmte Vorschristen dieses Gesetzes unbeachtet geblieben sind.
Die Berufung ist an eine zehntägige Notbfrist gebunden.
Wird indeß die Verpflichtung zur Gewährung einer Entschädigung überhaupt aus
den im F. 34 für deren Wegfall aufgestellten Gründen bestritten, so ist diese Frage in
den förmlichen Rechtsweg zu verweisen und zwar durch ein Decret, worin dem angeblich
Berechtigten aufgegeben wird, daß er bei Verlust seines Auspruchs das behauptete Recht
biunen vier Wochen von der Erosfnung des Decrets an mittelst rechtlicher Klage geltend
zu machen habe. Erst nach erfolgter nechtokrästiger Entscheidung über das Bestehen oder
den Umfang des Rechtes ist mit Feststellung des Entschädigungöanspruchs in der geord-
neten Weise welter zu verfahren.
8. 36.
Rückwirkende Kraft.
Die im §. 32 ausgesprochenen rechtlichen Wirkungen, sowie die Bestimmungen des
8. 34 gelten auch für alle unter §. 24 fallende, bei Erlaß dieses Gesetzes bereits beste-
hende Anlagen.
9 4 G 4
« »und« d g von bsanlag
Jede wesentliche Erweiterung einer unter § 24 fallenden Gewerbsanlage, sowie je-
de wesentliche Veränderung derselben in Anlage oder Betrieb, ist der ersten Errichtung
Neich zu achten und eben so zu behandeln.
38.
In denjenlgen Fällen, in denen zu dem Zwecke der Kontrolirung oder Erhebung
der Steuer von dem Betriebe oder Erzeugnisse eines Gewerbes gewisse Einrichtungen
oder Veransialtungen erforderlich find, müssen diese von dem betreffenden Gewerbetreiben-
den nach Vorschrift der Steuerbehörde Uoch vor Eröffnung des Betriebes hergestellt und
bis zur Eiustellung desselben unterhalten werden.
8. 39.
Windmühlen.
Vor Anlegung einer Wiudmühle ist mit genauer Bezeichnung des Standpunktes
und der Entfernung von vorüberführenden öffentlichen Wegen dem Landrathsamte An-
312
zeige zu machen. Dieses kann, wenn die Windmühle in eine, dem Verkehr gefährdende
Nähe des Weges kommen würde, die Anlegung untersagen.
Auf bereits bestehende oder nach Erlaß dieses Gesehes angelegte Windmühlen lel-
den die Vorschristen des §. 34 mit der welteren Bestimmung Anwendung, daß die Ent-
schädigung namentlich auch dann hinwegfällt, wenn die Anzelge von der beabsichtigten
Anlegung der Windmühle unterlassen wurde.
8. 40.
gärmende Gewerbe.
Solche Gewerbe, deren Ausübung mit ungewöhnlichem Lärm verknüpft ist, dürfen
in der Nähe von Kirchen, Schulen, Krankenhäusern oder anderen öffentlichen Gebäuden,
deren bestimmungsmäßige Benutung dadurch gestört werden würde, entweder gar nicht
oder nur unter den geeigneten Beschränkungen in Betrleb gesetzt werden.
Die in §. 25 ausgesprochene Zulässigkeit ortsstatutarischer Bestimmungen fundet auch
bier Statt.
§S. 41.
Strasen für unbesugten Gewerbebetrieb.
Wer ein freies Gewerbe vor Empfang der §. 7 gedachten Bescheinigung betreibt,
verfällt in eine Geldstrafe bis zu zehn Thalern.
Wer ein an Konzession oder örtliche Regulirung oder Nachweis der Befählgung ge-
bundenes Gewerbe betrelbt, ohne Konzession oder Erlaubniß der Ortsobrigkelt erlangt
oder die Befähigung nachgewiesen zu haben, inglelchen wer den wegen Anlage von Wind-
mühlen erlassenen Anordnungen der Obrigkeit zuwider handelt, ist — neben der zu ver-
fügenden Einstellung des Betriebes — mit Geld bis zu funfzig Thalern zu bestrafen.
Glelche Geldstrase bis zu funfzig Thalern trifft Denjenigen, welcher den wegen des
Betriebes lärmender Gewerbe erlassenen Anordnungen zuwider handelt. Ebense kann
auch solchen Falles die Einstellung des Betriebs von der Behörde angeordnet werden.
Wer ein Gewerbe im Umherziehen betreibt, ohne im Besitz der §. 13 vorgeschrie-
benen Erlaubniß zu sein, verfällt in eine Geldsirafe bis zu zwanzig Thalern.
Wer eine der in §. 24 bezeichneten Anlagen ausführt, oder wesentlich verändert,
ohne die Genehmigung der Behörde abzuwarten, verfällt in eine Strase von 25—300
Thalern.
313
Zweiter Abschnitt.
Umfang und Ausübung der Rechte selbstständiger Gewerbetrelbenden.
. 42.
Aufhebung der Verbietungsrechte.
Die aus dem bisherigen Innungsverbande abfliehenden Verbietungsrechte sind auf-
gehoben.
Verbietungs-, Zwangs= und Bann-Rechte können künftig weder verllehen, noch durch
Vertrag oder Verjährung erworben werden.
Ueber Aufhebung bestehender Rechte lehterer Art, soweit sie nicht aus dem Innungs-
verbande fließende Verbietungsrechte sind, bleibt der Erlaß besonderer gesehlicher Bestim-
mungen vorbehalten.
Die Rechte auf ausschließliche Vervielfältigung von Werken der Literalur und Kunft.
sowie auf ausschließliche Benutzung von Ersindungen, Mustern und Fabrikzeichen werden
hierdurch nicht berührt.
. 13.
Stellvertreter und Pächter.
Jeder zum selbsisändigen Gewerbebetriebe Berechligte kann sein Gewerbe auch durch
einen Stellvertreter oder Pachter ausüben lassen.
Auf die Pächter und Stellvertreter leiden die Vorschristen wegen der Geschästsfüh-
rer in 8. 22 Anwendung.
. 44.
Verhältuiß der Gewerbetreibenden zur Gemeinde.
Durch die gewerbliche Niederlassung an elnem Orte an sich wird die Verpflichtung
zu Gewinnung des Bürgerrechtes nicht begründet. Die Gemeinde kann jedoch von den
ihr nicht angehörigen Gewerbetreibenden, welche fünf Jahre hindurch ihr Gewerbe unun-
terbrochen selbstständig im Gemeindebezirke ausgeübt haben, verlangen, daß sie das Bür-
gerrecht erwerben, oder den Gewerbebetrieb im Gemeindebezirke aufgeben. Den so Aus-
geforderlen darf die Aufnahme von der Gemeinde nicht versagt werden, sobald sie das
nach statutarlscher Bestimmung etwa zu entrichtende Bürgergeld erlegen. Im Uebrigen
kommen hinsichtlich der hewinnung des Heimaths= und Bürger-Rechtes, der Theilnahme
an den Rechten der Gemeindeangehörigen, sowie der Verpflichtung, zu Gemeindcabgaben
und Leistungen beizutragen, die gesehlichen Bestimmungen zur Anwendung.
Soslten durch einen außerordentlichen Andrang zur Niederlassung von, dem Ge-
314
meindebezirke nicht angehöriger Personen besondere Ausgaben, namentlich für Schulzwecke,
erwachsen, so kaun die Gemeinde mit Genehmigung der Staatsregierung die betreffenden,
der Gemeinde nicht angehörigen Personen, zu elner, den Verhältnissen entsprechenden
außerordentlichen Gemeindeabgabe heranziehen.
Die Erlaubniß zum ferneren Aufenthalt in einer Gemeinde kann einem darin nicht
Heimatbsberechtigten entzogen werden, wenn derselbe mit Entrichtung der öffentlichen
Abgaben über eln Jahr im Rückstande blelbt oder der Gemeinde durch Unterstützungs-
bedürftigkeit lästig wird oder den guten Leumund verliert.
5S. 45.
Vorbehalt der allgemeinen Polizei= und Steuer-Vorschriften.
Jeder Gewerbetreibende unterliegt rücksichtlich der Wahl der Oertlichkeit, der Be-
schaffenbeit der Anlage, des Orts des Betriebes, der Steuern und Abgaben, den durch
die Landesgeseygebung und durch die allgemein oder örtlich geltenden polizeilichen oder
Verwaltungs-Vorschriften begründeten Beschränkungen.
Ebenso wird an den nach der Gesetzgebung über Zoll- und Steuer-Wesen besiehen-
den Befugnissen, zeitweilige Betriebseinstellung oder gänzliche Entziehung der Berechtig.
ung zu einem bestimmten Gewerbebetriebe zu erkennen, nichts geändert.
8. 46.
Mehrere Werkstätten und Verkaufs-Lokale, Zweihgeschäfte.
Die Ansübung eines freien Gewerbes kann durch denselben Unternehmer an ver-
schledenen Orten des Landes und an einem und demselben Orte in mehreren Werkslät-
ten, auch in mehreren Verkaufs-Lokalen erfolgen.
Es ist jedoch an denjenigen Orten, wo der Unternehmer nicht selbst wohnt, dem
Zweiggeschäfte ein Stellvertreter (6. 43) vorzusehen.
Zweiggeschäfte dieser Art sind bei der für die Anmeldung vorgeschriebenen Behörde
(6. 5) anzumelden.
S. 47.
Wegfall räumlicher Beschränkungen.
Jeder Gewerbetrelbende darf von seinem Wohnorte aus seine Erzeugnisse an jeden
anderen Ort des Landes abliesern und daselbst aufslellen, oder seine Gewerbsarbeiten
bei den Kunden selbst oder durch seine Arbeiter ausführen, auch Bestellungen selbst oder
rurch Beauftragte sammeln.
315
S. 48.
Gleichzeitiger Betrieb mehrerer Gewerbe. Freie Association.
Die Vereinigung verschiedener Gewerbe in der Person eines und desselben Unter-
nebmers unterliegt keiner Beschränkung. Ebensowenig die Vereinigung verschiedener Ge-
werbetreibender zu gemeinschaftlichem Gewerbebetriebe. Soweit hierbei nach §§. 8 und
18 persönliche Qualisikation in Frage kommt, ist erforderlich, daß wenigsiens einer der
Gesellschafter oder der nach §. 22 anzunehmende Geschäftsführer dieselbe besie.
Bei Konzessions. Gewerben muß die Zustimmung der Konzessibnsbehörde hinzutreten.
8. 49.
Wegfall der Taxen.
Taxen fuͤr Preise von Gewerbo-Produkten-Waaren oder Dienstleistungen, auch für
Loͤhne, sind, außer bei den in F. 8 unter 2 genannten Agenten und den in §. 8 un-
ter 3, §. 15 unter 3, §. 16 und 17 genannten Gewerben unzulässig.
Nücksichtlich der Regelung der Salz-Verkaufspreise bewendet es bei den deshalb be-
stehenden besonderen Bestimmungen.
Bicker, Fleischer, Gast. und SchankWirthe können durch polizeiliche Verfügung an-
gehalten werden, ihre Preise in ihren Gewerös-Lokalen auszuhängen.
8. 50.
Veschlüsse für Preise und Löhne.
Beschlüsse von Gewerbetreibenden, oder gewerblichen Korporatlonen über sestzuhal-
tende gleiche Preise und Löhne haben für die Theilnehmer derselben keine verbind-
liche Krast.
Sind zugleich Verabredungen über physische oder moralische Zwangsmittel ge-
gen Nichtbeitretende oder Zurücktretende getroffen, so verfällt, wenn nicht die Bestimmun-
gen ded Stcafgeseybuches Anwendungen leiden, jeder Theilnehmer in eine Strafe bis zu
300 Thalern oder 8 Wochen Gefängniß.
8. 51.
Marktverkehr.
Die Erlaubnih zur Abhallung von Messen und Märkten bleibt von der landesherr-
lichen Genehmigung abhängig.
Der Verkehr auf denselben ist durch Meß= oder Markt-Ordnungen zu regeln. Bei
dieser Regelung ist allen Marktbesuchern binsichtlich des Kaufes und Verkauses gleiche
Berechtigung zu gewähren.
45
316
Dritter Abschnitt.
Von dem gewerblichen Hilfs-Personal.
5. 52.
Beschäsftigung von Kindern.
Kinder unter zwölf Jahren dürfen auher dem Hause ihrer Eltern und Versorger
überhaupt uicht in solchen Werkstätten beschäftigt werden, für welche der Unternehmer
nach S. 64 zu Ausstellung einer Fabrik-Ordnung verpflichtet ist.
Oeffentliche Beschäftigungsanstalten für Kinder sind von dem Verbote ausgenommen.
Kinder von zwölf bis vierzehn Jahren dürfen nur in der Tageszeit von Morgens
5 bis Abends 8 Uhr und nicht länger als zehn Stunden beschäftigt werden. In diese
Arbelkszeit sind die Unterbrechungen durch eine Mittagszeit von einer Stunde und die
sonst angemessenen Ruhezeiten einzurechnen.
Im Verordnungswege können für einzelne Fabrikzweige, auf welche vorstehende Be-
siimmungen nicht ganz passen sollten, Ausnahmen und Abänderungen besilmmt werden.
Ausnahmen für kurze Zeit in dringenden Fällen kann der Gemeindevorstand gestatten.
Personen, welche sich gegen von ihnen beschästigte Kinder einer im Strafgesehbuche
mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verleitung zu einem Verbrechen oder Verge-
hen schuldig gemacht haben, kann die weitere Beschäftigung von Kindern in ihren Werk-
stätten durch Beschluß des Landrathsamts untersagt werden.
Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden mit Geldstrafen von zehn
Groschen bis fünf Thaler für jedes in vorschriftswidriger Weise verwendete Kind und je-
den Kontraventionsfall geahndet.
8. 53
Schulpflichtige Kinder.
Schulpflichtigen Kindern ist Zeit zum Genusse des nöthigen Schulunterrichts in den
öffentlichen Lehranstalten des Ortes nach Maßgabe der bestehenden Bestimmungen zu ge-
währen, oder es sind für dieselben, unter Genehmigung der hierfür zuständigen Behörde,
durch die Arbeitgeber besondere Fabrik, Schulen zu errichten.
Der Schulunterricht muß innerhalb der Zeit von früh 5 Uhr bis Abends 8 Uhr
ertheilt werden.
Die gegen zweimalige obrigkeitliche Aufforderung zur Nachachtung fortgesehte Nichl-
beachtung vorsiehender Vorschrist hat das Verbot fernerer Beschästigung schulpflichtiger
Kinder zur Folge.
Bei dennoch fortgesetzter Beschästigung schulpflichtlger Kinder tritt gleiche Strase,
wie im §. 52 geordnet ein.
317
S. 54.
Arbeitsverträge Unmündiger.
Unmündige bedürfen, dasern sie nicht elwa bereits mit ausdrücklicher oder stillschwei-
gender Einwilligung ihrer Eltern und Vormünder in der Lage lind, ihr Fortkommen
selbst suchen zu müssen, zu Abschliehung eines Arbeitsvertrages der Einwilllgung des Va-
ters oder Vormundes.
War die Einwilligung nicht auf elne besilmmte Zeit beschränkt, oder ausdrücklich nur
auf einen bestimmten Arbeitgeber gerichtet, so bedarf es zum Abschluß wellerer Arbelts-
verträge mit Unmündigen kelner erneuerten Elnwilllgung des Vaters oder Vormundes,
vielmehr haben die mit solchen Unmündigen später abgeschlossenen Arbeitsverträge sammt
allen daraus enkspringenden Ansprüchen und Forderungen volle rechtliche Giltigkelt.
In Streitigkeiten, welche über nach Vorsichendem durch unmündige Arbeiter giltlg
geschlossene Arbeitsverträge entstehen, können unmündige Arbeiter auch ohne Vater oder
Vormund vor Gericht handeln.
g. 55.
Kündigung.
Wenn über die Kündigungozelt nichto Anderes verabredet, oder in Fabriks-Ord-
nungen (§. 64) festgesept ist, gilt die in dem betreffenden Gewerbe an dem Orte übliche
Auelohnungsfrist auch als Kündigungsfrist dergestalt, daß beiderseits nur von Lohntag
äu Lohntag gekündigt werden kann.
56.
Entlassung der Arbeiter ohne Kündigung.
Ohne Rücksicht auf Kündigungofrist darf der Arbeller, sowelt nicht der Arbeitsver-
trag oder die Fabrik-Ordnung weiter gehende Bestlmmungen enthält, entlassen werden:
wenn er ein Verbrechen begeht oder sich ein Verhalten zu Schulden kommen
läßt, welches nach, der bestehenden Gesetgebung zur polizeillchen Ausweisung ei-
nes Auswärtigen berechtigt;
45l wenn er ohne Einwilligung des Arbeitsgebers ein Nebengeschäft treibt, welches
ihn in der Erfüllung seiner Verpflichtungen gegen den Arbeilgeber hindert;
wenn er an Verabredungen von Arbeltern zu Erzwingung höherer Löhne, kür-
zerer Arbeitszeit u. s. w. Theil nimmt;
wennh er den Arbeltsherrn oder eln Glled seiner Familie oder seines Hausstan-
des oder eine in der Werkstatt zur Aufsicht angestellte Person thätlich, oder sonst
schwer beleidigt;
wenn er Glleder der Familie des Arbelteherrn, Mitarbeiter oder Lehrlinge zu
unordentlichem Lebenswandel oder zu unerlaubten Handlungen zu vrleien sucht;
#
* S
*##
9
318
wenn er sich weigert, die ihm übertragene Gewerbgarbeit auszufuͤhren;
wenn er der Verwarnung zuwider unvotsichtig mit Feuer und Licht umgeht;
wenn er arbeitsunfähig wird, oder in eine ansleckende oder ekelhafte Krankheit
verfällt;
. wenn in Folge von Brand= oder Elementar-Ereignissen die Arbeit eingestellt
werden muß;
wenn auf Grund der Bestimmungen gegenwärtiger Gewerbeordnung durch Ent-
scheidung der zuständigen Behörde die zeitweilige oder bleibende Einstellung des
Gewerbetriebes gegen den Arbeitsgeber ohne dessen Verschulden verfügt wird.
8. 57.
Verlassen der Arbeit ohne Kündigung.
Der Arbeiter (Arbeitnehmer) ist berechtigt, die Arbeiten ohne Kündigung zu ver-
lassen:
SS —
5
*
a. wenn ihm von dem Arbeitgeber widerrechtliche oder unsittliche Handlungen zuge-
muthet werden;
wenn er vom Arbeitgeber thätlich gemißhandelt oder schwer beleidigt oder in ei-
ner nach diesem Gesetze unzulässigen Weise gestraft wird;
wenn er am Lohntage seinen Lohn nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Weise
(6. 59) erhält;
wenn bel Gedingearben oder Stücklohn der Arbeitöherr nicht für Beschäftigung
sorgt;
wenn er zur Fortsetung der Arbeit körperlich unfähig wird;
wenn bei Fonsehung der Arbeit sein Leben oder seine Gesundheit einer erweis-
lichen besonderen Gefahr ausgesetzt sein würden.
Arbeiter, welche die Arbeit ohne Kündigung verlassen, ohne dazu nach dem Ar-
beitsvertrage, der Fabrik-Ordnung, oder nach vorstehenden Bestimmungen berechtigt zu
sein, können auf Antrag des Arbeitsgebers mit Gefängniß bio zu acht Tagen oder mir
Geld bis zu drei Thalern bestraft werden.
8. 58.
Strafbefugniß der Arbeitsherren.
Gegen schulpflichilge Arbeiter hat der Arbeitsherr das Recht der väterlichen Züch-
tigung innerhalb. der zur Erhaltung von Zucht und Ordnung erforderlichen Grenzen.
Gegen anderes Hilfs= und Arbeits-Personal dürsen nur die Mittel der Entlassung
und in der Fabrik--Ordnung festgesehter oder sonst vertragsmäßig vereinbarter Lohnab-
züge als Strafe angewendet werden.
*-
—
319
An einem Lobntage darf als Strafe kelnesfalls mehr als ein Fünstheil des fäl-
ligen Lohnes abgezogen werden.
S. 59.
Lohnzablung.
Zu Zahlungen an Arbeiter für Lohn oder gelieferte Arbeit dürsen Waaren bei
Snafe bis zu dreihundert Thalern oder acht Wochen Gefängniß selbst dann nicht ver-
wendet werden, wenn der Arbeiter vorher oder nachher zugestimmt hat. Bei gleicher
Strafe ist die Auslohnung mit Anweisungen, sowie die Jahlung mit Wechseln über
Cours oder mit Geld über Cours an Arbeiter verboten.
Arbeiter, welche in einer vorstehend verbotenen Weise bezahlt worden sind, können
jederzeit die Bezahlung nachverlangen.
Fabrikanten, Fabrik-Kaufleuten, Verlegern, Faktoren und Fabrik-Beamten, welche
wegen Auslohnung ihrer Arbeiter mit Waaren bestrast worden sind, kann der gleichzei-
tige Detailhandel mit Waaren, welche nicht Materialien oder Produkte des betreffenden
Gewerbes sind, zeinveilig oder für immer untersagt werden.
8. 60.
Verbotene Verabredungen.
Verabredungen zwischen Arbeitgebern, deren Angehoͤrigen und Veauftragten einer-
seits und den Arbeitern (C. 62) andererseits, uͤber Eutnehmung von Beduͤrfnissen aus
gewissen Verkaufsstellen, sowie solche Verabredungen, welche dazu dienen sollen, das Ver-
bot der Auslohnung mit Waaren (F. 59) zu umgehen, sind nichtig. «
DicBestinmnmgcrsttccktsichjcdochnichtaufetwaigevonJnhabcmgeschlosscner
Etablissements mit Uebereinstimmung der Arbeiter, oder durch die Fabrik. Ordnung ge-
troffene Einrichtung zu Beschaffung von Wohnung, Feuerung, Lebenemitteln, Arzeneien
u. s. w. und auf Bestimmungen der Fabrik-Ordnung zu Beschaffung von Beleuchtungs-,
Schmier= und sonstigen Hilss-Materialien für die Arbeiter unter Anrechnung auf das Lohn.
Sollten sich aber aus derariigen Einrichtungen Mißbräuche ergeben, welche auf
andere Weise nicht abzustellen sind, so können sic nach vorgängiger Erörterung und Ge-
bör der Betheiligten durch Beschluß des Gemeindevorstands ausgehoben werden.
8. 61.
und Verabred der Arbeiter.
Nerofl
PI 6
chtung
Akbeiter oder in Fabriken Angestellte, Faciore und dergleichen, welche Muster (Kar-
ten, Modelle, Schablonen, Silck, oder Nähreste, Klöppelbriefe u. s. w.) oder Verfahrungs=
weisen, die ihnen von den Arbeitgebern unmittelbar oder mittelbar, auch ohne ausdrück.
320
liche Verpflichtung zur Geheimhaltung mitgetheilt sind, ohne Genehmigung der Leßleren
Anderen mittheilen, kopiren oder kopiren lassen, oder welche über die von den Arbeit-
gebern empfangenen Werkzeuge und Materialien oder die aus letzteren gesertigten Waaren
in anderer, als der vorgeschriebener Weise disponiren, versallen — sofern nicht im ein-
zelnen Falle die Voraussetzungen einer nach dem Strafgesetzbuch mit Strase bedrohten
Handlung vorhanden sind — in eine Strase bis zu funfzig Thalern oder vier Wochen
Gesängniß.
Den ebengedachten Strafen unterliegen auch Persenen, welche sich an den bezeich-
neten Vergehen durch Anstistung, Beihilfe oder auch blos durch Annahme der verbotenen
Mittheilung oder sonst betheiligt haben, nach Mahgabe ihrer Theilnahme oder der ge-
leisteten Hilfe.
Verabredungen von Arbeitern. (S. 62.) zur Erzwingung höherer Löhne, kürzerer
Arbeitszeil u f. w. sind für die Theilnehmer nicht verbindlich.
Anmaßung von Strasgewalt über die Genossen, Verrufserklärungen und jede An-
wendung physischer oder moralischer Zwangsmutel gegen Solche, welche Beschlüssen und
Verabredungen der obigen Art nicht beitreten wollen, oder von schon gefaßten und ge-
troffenen zurücktreten, werden an jedem Theilnebmer mit Gefängnih bis zu vier Wochen,
an den Anstiftern und Ausführern mit Gefängniß bis zu acht Wochen bestraft.
g. 62.
Vorstehende Bestimmungen (5§. 59—61) leiden nicht allein Anwendung auf das-
jenige gewerbliche Hilfs= und Arbeiter-Personal, welches in den Werkstätten und auf
den Werkplähen eines Unternehmers beschäfttgt ist, sondern auch auf Lehrlinge und auf
solche Personen, welche in ihren Behausungen für Fabrikanten, Verleger, Faktoren u. s. w.
arbeiten.
8. 63.
Schutßz der Arbeiter gegen Gefahren.
Jeder Gewerbsunternehmer ist verbunden, auf seine Kosten alle diejenigen Elnrich-
tungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die besondere Beschaffen-
heit des Gewerbebetriebes und der Lokalitäten zu thunlichster Sicherung der Arbeiter
gegen Gefahren für Gesundheit oder Leben von der zuständigen Behörde angeordnet
werden. Unterlassungen sind mit Strafen bis zu Dreihundert Thalern oder acht Wochen
Gefängniß zu belegen.
Bei dringender Gefahr ist der Gemeindevorstand der Stadt, bezüglich das Landraths.
amt für das platte Land ermächtigt, die einstweilige Einstellung des Gewerbebetriebes zu
321
verfuͤgen und es steht dem Gewerbdunternehmer gegen eine solche Verfugung das Rechts-
mittel des Rekurses, jedoch ohne ausschiebende Wirkung, zu.
8. 64.
Fabrik-Ordnungen.
Unternehmer, die mehr als zwanzig Arbeiter ohne Unterschied des Alters und Ge-
shlechtes in gemeinschaftlichen Werkstälten beschäftigen, sind gehalten, eine Fabrik.
Ordnung außzustellen; diese ist den Arbeitern durch Anschlag und in sonst geeigneter
Weise bekannt zu machen und muß das Nöthige enthalten:
über die Klassen des Arbeits. Personals und ihre Verrichtungen,
über die Kündigungsfristen und Entlassungsgründe,
über die Mkbeitszeit,
über die Abrechnungs= und Lohn-Zeiten,
über die Befugnisse des Aussichts-Personals,
über die Disciplin in den Werkstätten einschließlich des Verhaltens mit Feuer
und Elcht,
über die Behandlung im Falle der Erkrankung oder Verunglückung,
über die Strafen durch Lohnabzüge oder Entlassung,
über die Untersiüzungs= und Kranken-Kassen, soweit solche bereits bestehen oder
eingerichtet werden
Jede Fabrik-Ordnung ist dem Landrathsamt vorzulegen.
Dieses hat dieselbe zu prüfen und die Abänderung oder Beseitlgung etwa darin
enthaltener, den Gesehen und Verordnungen zuwiderlaufender Bestimmungen, insbeson-
dere auch eines etwaigen Uebermaßes in den Strafbestimmungen, anzuordnen.
Die Befolgung der vorstehenden Vorschriften kann bei Geldstrafe bis zu Einhundert
Thalern und bei fortgesetztem Ungehorsam bei Vermeidung der Einstellung des Fabrik.
Betriebes aufgegeben werden.
S. 65.
Lehrlinge.
Als Lehrling wird angesehen, wer bei einem selbststindlgem Gewerbekreibenden zur
Erlernung des Gewerbes eintritt, ohne Unterschied, ob die Erlernung gecen Lehrgeld
oder unentgeluiche Hilfelelstung Statt findet, oder ob für die Arbelt Lohn gezahlt wird.
5. 66.
Annahme von Lehrlingen.
Unler den im vorletzten Absahe des §. 52 ausgesprochenen Voraussehungen kann
einem Gewerbetreibenden die fernere Annahme unmündiger Lehrlinge untersagt werden.
322
. 67.
Gegenseitige Pflichten des Lehrlings und des Lehrherrn.
Lehrlinge sind ihrem Lehrherrn Achtung und Gehorsam schuldig. Solche Lehrlinge,
welche bei dem Lehrherrn in Kost und Wohnung stehen, sind auch der häuslichen Zucht
des Lehrherru unterworfen.
Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling nach Vermögen in allen Arbeiten desje-
nigen Gewerbes, zu dessen Erlernung er ihn angenommen hat, zu unterweisen oder durch
geeignete Gehilfen unterweisen zu lassen und deuselben zu häuslichen Verrichtungen, so-
wie zu anderen Dienstleistungen, nur soweit zu benugzen, als dieses ohne Beeinträchtig-
ung des Hauptzweckes geschehen kann. Er hat den Lehrling zu sittlichem und religiösem
Lebenswandel anzuhalten, demselben auch zum Besuche des Gottesdienstes, sowie, wenn
eine gewerbliche Fortbildungs= oder Sonntags-Schule am Orte sich befindet, zum Besuche
reiner derselben, Zeit zu lassen.
6. 68.
Probezeitl.
Ist in dem Lehrvertrage eine Probezeit bedungen, innerhalb deren beiden Theilen
der Rücktritt frei steht, so wird, wenn nach Ablauf derselben die Lehre forkgesetzt wird,
die Probezeit in die bedungene Lehrzeit eingerechnet.
8. 69.
Aufhebung des Lehrvertrags.
Vor Beendigung der bedungenen Lehrzeit kann, abgesehen von weiter gehenden kon-
traktlichen Verabredungen, der Lehrvertrag einseitig aufgehoben werden:
A. Von Seiten des Lehrherrn:
a. wenn der Lehrling sich ein Verhalten zu Schulden koinmen läßt, welches nach der
besiehenden Gesetzgebung zur polizeilichen Ausweisung eines Auswärtigen berech-
tiget, oder wenn er wegen Verlehung pflichtmäßiger Verschwiegenheit nach Art.
320 des Strasgesetzbuchs verurtheilt wird;
. wenn er an Verabredungen von Arbeitern zur Erzwingung höherer Löhne, kür-
zerer Arbeitszeit u. s. w. Theil nimmt;
.wenn er den Lehrherrn oder ein Glied seiner Familie oder seines Hausstandes,
oder eine in der Werkstatt zur Aufsicht angestellte Person thaͤtlich oder sonst schwer
beleidigt;
wenn er Glieder der Familie des Arbeitsherrn, Arbeiter oder Lehrlinge zu un-
ordentlichem Lebenswandel oder zu unerlaubten Handlungen zu verlelten sucht;
S
H
*i
323
wenn er länger als sechs Wochen von einer nicht durch die Arbeit selbst entstan-
denen Krankheit an der Arbeit vorhindert wird;
wenn er wiederholt emläuft, ohne daß ihm oder seinem rechtlichen Vertreter nach
den weiteren Bestimmungen des gegenwärtigen Paragraphen ein Recht auf ein-
seitige Aufhebung dee Lehrvertrages zusteht;
5l wenn er süch beharrlich ungeborsam oder zur Erlernung des Gewerbes unfä-
big zeigt.
BDl. Von Seiten des Lehrlings oder seiner rechtlichen Vertreter.
wenn dem Lehrlinge von dem Lehrherrn widerrechtliche oder unsittliche Handlun-
gen zugemuthet werden;
wenn er zur Fortsehung der Lebre körperlich unsähig wird;
. wenn bet Fortseyung der Lehre sein Leben oder seine Gesundheit einer erwelslichen
besonderen Gefahr ausgesetzt sein würde;
lwenn er von dem Lehrherrn täglich gemißhandelt oder in einer sonst nach den
Gesezen unzulässigen Weise bestrast wird;
wenn der Lehrherr selnen Wohnort verändert;
wenn der Lehrherr seinen Verpflichtungen nach F. 67 nicht nachkommt;
. wenn der Lehrherr des Rechtes zur Aufnahme unmündiger Lehrlinge verlustig er-
klärt wird;
. wenn · der Gewerbebetrieb des Lehrherrn eingesiellt wird.
In den Fällen unter A, sowie in den Fällen unter B. b, c und e, ingleichen in
dem Falle unter B. h, vorausgesetzt, dah dle Einstellung des Gewerbebetriebes ohne sein
Verschulden erfolgt, hat der Lehrherr Anspruch auf das nach der Vorschrifst im S. 71 bis
zum Tage der erklärten Aufhebung des Vertrages zu berechnende Lehrgeld.
In Fällen unter B. a, d, ' und g, sowle in dem Falle unter B. h, vorausgesetzt,
dah die Einstellung des Gewerbebetriebes durch die Verschuldung des Lehrherrn herbei-
geführt wird, verliert dieser jeden Anspruch auf das Lehrgeld und hat das eiwa bereite
degahlte zu erstatten
##: —
S 2 — *
S# 6
—
S
8. 70.
Unzulässigkeit des Jwangs zur Fortsotzung der Lehre.
Gegen den Willen seiner rechtlichen Vertreter (oder gegen seinen eigenen Willen.
wenn er bereits muͤndig war) kann ein Lehrling, welcher die Lehre vor Beendigung der
Lehrzeit verläßt, nicht zur Vollendung der Lehrzeit genöchiget werden.
Dem Lehrherrn bleibt die Ausführung seines ekwaigen Entschädigungsanspruches
vorbehalten.
46
324
Auf Lehrlinge, welche, ohne nach 8. 69 dazu berechtigt zu sein, eigenmächtig die
Lehre verlassen, leidet jedoch die Strafbestimmung am Schlusse des §. 57 ebenfalls An-
wendung.
8. 71.
Repartition des Lehrgeldes.
Wenn nicht Besonderes ausgemacht ist, so wird von dem für die ganze Lehrzeit be-
dungenen Lehrgelde für das erste Lehrjahr doppelt so viel gerechnet, als für jedes der
folgenden
§ 72.
Lehrzeugniß.
Bei Auflösung des Lehrverhältnisses kann der Lehrling über die Dauer der Lebrzeit
und die während derselben erworbenen Kenninisse und Fertigkeiten, sowie über sein Be-
tragen ein Zeugniß vom Lehrherrn fordern.
. 73.
Kausmännisches Hilfs-Personal.
Auf kaufmännisches Komtoir= und Hilfs-Personal und kaufmännische Lehrlinge lei-
den nur die Bestimmungen §§. 54 bis 57 (soweit hierin durch das Handelsrecht nicht
ehwas Anderes bestimmt wird) 65 bis 72 Anwendung,
Vierter Abschnitt.
Von den Vereinigungen und Genossenschaften der Gewerbetreibenden und von
gemeinnützigen Anstalten.
S. 74.
Sowohl selbstständige Gewerbekreibende als Gewerbegehilfen und Arbeiter haben das
Recht zur Förderung gemeinsamer Angelegenheiten, Genossenschaften zu bilden, auf welche
die gesehlichen Vorschriften über das Vereins= und Versammlungs-Recht Anwendung letden.
Derartigen Genossenschaften bleibt es überlassen, ob sie um Ertheilung der Rechte
einer juristischen Person nachsuchen wollen.
Die Genossenschaften verwalten ihre Angelegenheiten selbsiständig Ein Zwang zum
Beitritt zu elner Genossenschaft findet nicht Statt.
Andererseits darf keinem Gewerbegenossen, welcher die statutarischen Bedingungen
zu ersüllen bereit ist, die Aufnahme verweigert werden, falls solcher das Statut nicht
auodrücklich gestattet.
325
8. 75.
Die Statuten jeder mit den Rechten einer juristischen Person zu versehenden ge-
werblichen Genossenschaft müssen folgenden Bestimmungen genügen:
1) das Statut darf keine mit der gegenwärtigen Gewerbeorduug oder sonstigen ge-
sehlichen Vorschristen in Widerspruch stehende Besiimmung euthalten;
2) das Statut darf Nichts enthalten, wodurch die einzelnen Mitglieder in der be-
liebigen Ausübung der nach dem zweiten Abschnitte dieses Gesetzes jedem selbst-
ständigen Gewerbetreibenden zustehenden Rechte beschränkt und beeinträchtiget
würden;
das Statut darf den Austrikt der Mitglieder an keine anderen beschränkenden
Bestimmungen als an solche knüpfen, welche durch die pünktliche Erfüllung der
der Genossenschaft gegen dritle Personen obliegenden rechtlichen Verbindlichkeiten
bedingt sind;
das Statut muß für den Fall der Auflösung oder des Absterbens der Genossen-
schast genügende Vorschriften über die Ordnung der Vermögensverhältnisse und
insbesondere über Sicherung eiwa vorhandener Verbindlichkeiten enthalten.
g. 76.
Bortbestehen der bisherigen Innungen.
Die bei Publikation dieses Gesetzes vorhandenen Innungen bestehen als gewerbliche
Genossenschaften sort und behalten die Rechte juristischer Personen; sie sind zur Förderung.
der gemelnsamen Angelegenheiten und insbesondere folgender Zwecke berufen:
1) Regelung der Verhältnisse zwischen den Gewerbetreibenden und ihren Lehrlingen
und Gehilsen innerhalb der Grenzen der über den Lehr= und Arbeits-Vertrag
in diesem Gesetze enthaltenen Bestimmungen;
2) Beilegung der zwischen den Genossen unter einander oder zwischen ihnen und
ihren Lehrlingen und Gehilsen über die diesem Gesehe oder in den Genossen-
schaftsstatuten geordneten Verhältnissen entstehenden Streitigkeiten;
3) Gründung, Förderung und Verwaltung von Fachschulen und ähnlichen gemeln-
nühigen Anstalten;
4) Gründung von Anstalten (Kassen) zur Unterstühung der Mitglieder und ihrer
Angehörigen und Gewerbegehilsen.
Die den Innungen verllehenen Spezlal-Artikel bleiben, soweit sie mit den Bestim-
mungen dieses Gesetzes nicht in Widerspruch stehen, als Innungsstatut in Giltigkeit.
Die Mitglieder haben das Recht, durch Stimmenmehrhelt über Auflösung der In.
nung und das Innungsvermögen zu versügen. Zu Beschlüssen einer Innung über Auf-
lösung, sowie über Vertheilung des Vermögens unter die Mitglleder ist *r Mehrheit
—
4—
326
von zwei Dritteln der Stimmen in einer statutenmähig und unter Angabe des Gegen-
standes der Beschlußfassung berufenen General-Versammlung erforderlich.
Der Auflösung der Innung, sowie deren Vereinigung mit einer oder mehreren an-
deren Innungen hat die Ordnung ihrer Vermögensverhällnisse mit besonderer Berück-
sichtigung der vorhandenen Verbindlichkelten vorauszugehen.
Innungen, deren Mitgliederzahl bis unter drei herabgesunken ist, id als autgelöst.
zu betrachten. Das Vermögen fällt den letzten Mitgliedern zu gleichen Tbeilen anheim.
Der Austrin aus der gewerblichen Genossenschaft steht sedem einzelnen Mitgliede
frei; doch haftet der Ausgetretene noch ein Jahr lang für die zur Zeit seines Austrittes
vorhandenen, durch das Aktiv-Vermögen nicht gedeckten Schulden der gewerblichen Ge-
nossenschaft mit, und zwar zu seinem Kopfthrilc.
8. 77.
Verpflichtung zum Beitrage zu Arbeiter-Verpflegungskassen.
Gewerbegehilfen und Fabrik-Arbelter können verpflichtet werden, Beiträge zu Kassen
zu zahlen, deren Zweck die Unterstüyung in Erkrankungsfällen und Bestreitung von Be-
gräbnißkosten ist.
Es ist vorbehalten, über die Einrichtung solcher Kassen und über ihre Verwaltung
unter Theilnahme von Vertretern der Gehilfen u. s. w. allgemeine Vorschristen im Ver-
wallungswege zu erlassen.
8. 78
Aeltere Kassen.
Die dermalen berells bestehenden Kassen dieser Art bleiben in ihrer ztitherigen Ver-
fassung und Wirksamkeit auf so lange, als. von den Betheiligten mit Genehmigung des
Landrathsamtes hierüber nicht anders beschlossen wird.
Es ist zulässig, für olle solche Sn, Gehülen und Fabrik, Arbelle-, welche zu kei-
ner Kasse nach §S§. 77 und 78 steuern, die Pflege in Erkrankungsfällen durch Verpflich-
tung zu regelmäßigen Beitägen an ein für den Ort oder Bezirk bestehendes Kranken-
baus zu sichern.
Fünfter Abschnitt.
Bebörden und Verfabren in Gewerbesachen.
8. 80.
Ider V 1 hehx
Die Durchführung ver Besmmungen gegenwärigen Eesetet erfolgt durch die Ver-
327
waltungsbehörden, welchen auch hinsichtlich der nach Maßgabe der gegenwärtlgen Gewer-
beordnung verwirkten Geldstrafen die Besugniß, dieselben dem Schuldigen abzufordern,
zusteht.
81.
Komvetenz der Justiz-Behörden.
Wegen der mit Strafe bedrohten Ueberkretungen dieses Gesetzes haben die Justiz=
Vehörden, sofern nicht der Schuldige hinsichtlich einer angedrohten Geldstrafe auf die An-
forderung der Verwaltungsbehörde. C. 80) dieselbe erlegt hat, das Strafoerfahren nach
Maßgabe der gesehlichen Bestimmungeu ebiguleiten und zu erkennen.
Ueber die privatrechtlichen Forderungen und Ansprüche der Gewerbetreibenden unter
einander, ferner der Unternehmer (Fabrikanten, Meister, Prinzipale 2c.) gegen ihr Ar-
beits= und Hilfs-Personal (einschließlich der Lehrlinge) und umgekehrt, haben die Justiz=
Behörden zu entscheiden, auch wenn diese Forderungen und Ansprüche auf den durch
dieses Geseh geordneten Verhältnissen beruhen.
1
Handels- und Gewerbelammern.
In den. ales Mittelpunkte der Gewerbe und des Handels sich zeigenden Orten kön-
nen in Uebereinstimmung mit der Mehrzahl der Interessenten Handels= und Gewerbe-
kammern eingerlchtet werden, welche bestimint sind, die gemeinschaftlichen Interessen des
Handels und der Gewerbe zu vertreten und der Reglerung als sachverständige Organe
zu dienen.
In Bezug auf die Wahl der Mitglieder finden die, für die Wahlen der Gemeinde-
räthe bestehenden Vorschriften analoge Anwendung.
Schlußbestimmungen.
8. 83.
Anfhebung älterer Bestimmungen.
ben dem gegenwärtigen Gesetze bleiben die geselichen Bestimmungen über die
4 in Giltigkeit.
Dagegen find alle andere mit gegenwärtigem Gesetze im Widerspruche siehende ge-
sehliche, statutarische und sonstige Bestimmungen aufgehoben.
328
5§. 84.
Ausführung und Beginn der Wirksamkeitl.
Gegenwärtiges Gesehz tritt mit dem 1. Juli 1863 in Wirksamkeit.
Urkundlich haben Wir dieses Geseh höchsteigenhändig vollzogen und mit Unserem
landesherrlichen Insiegel bedrucken lassen.
Schloß Osterstein, am 11. April 1863.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. E. v. Beulwigp.
329
2) Geseh, die für den Wegsall innungsmäßzger Verbietungsrechie zu leistende Entschädigung beir.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-)
gerer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein 2#c. 2c.
verordnen im Auschlusse an die Bestimmung des §. 42 der Gewerbeordnung vom 11.
April 1863 über Aufhebung der Verbietungsrechte der Innungen unter Beirath und
Zustimmnng des Landtags, wie folgt:
S. 1.
Für den Wegfall der nach §. 42 der Gewerbeordnung aufgehobenen, aus dem
Innungsverbande herrührenden Verbietungsrechte wird eine Entschädigung dann geleistet,
wenn und in soweit das Verbietungsrecht nach den verfassungsmäßig bestätigten Innungs-
Artlkeln neben dem Zunftmeisterrechte den Besip einer dinglichen Gewerbeberechligung er-
forderte, mag nun lethztere mit einem Grundstücke verbunden, oder mit einem besonderen
Folium im Hypotbekenbuche versehen oder doch zur Eintragung in das Hypothekenbuch
gecigenschaftet sein.
Die Entschädigung erfolgt an die rechtlichen Inhaber der mit dem Verbietungs-
rechte verbundenen dinglichen Gerwerbeberechtigung und wird aud der Staatskasse gelesstet.
8. 2.
Die Inhaber solcher Verbietungsrechte haben dieselben bei Verlust des Auspruches
auf Entschädigung bis zum 1. Juli 1863 bei dem Landrathsamt anzumelden, innerhalb
dessen Bezirk die Innung, mit welcher jene Verbietungsrechte im Zusammenhange stehen,
tören Siß hat.
Zu dieser Anmeldung sind auch diejenigen befugt, welche ein hypothekarisches oder
sonstiges dingliches Recht an der Gewerbeberechligung haben.
8. 3.
Das Landrathsamt hat uͤber dad behaupiete Verbietungsrecht den Vertreler des
Staatsfiscus zu hören, auch die sonst erforderliche Erörterung anzustellen, alsdann aber
zu entscheiden, ob und in wie weit das angemeldete Verbietungsrecht sich zur Eutschä-
digung eigne. Gegen diese Entscheidung steht allen Theilen binnen zehntägiger Noth-
330
jrist Berufung an das Ministerium, Abtheilung für das Innerc, und gegen dessen Ent-
scheidung binnen gleicher Frist auf den endgiltigen Ausspruch des Gesammt-Ministeriums zu.
Dem Anmelder steht aber auch statt des erwähnten Rechtsmittels binnen gleicher
Frist die ebenfalls bel dem Landrathsamte anzumeldende Berufung auf Entscheidung
der Streitfrage im Rechtswege zu. Veßtereu Falles ist die Klage bei deren Verlust bin-
neu einer weiteren unerstreckbaren Frist von sechs Wochen von Ablouf der Berusungo-
Einwendungsfrist an gerechnet bei dem zuständigen Gerichte einzureichen und dann die
etwa von dem Vertreter des Staatsfiscus an das Ministerium, Abtheilung für das In-
nere, eingewendete Berufung im Rechtswege mit zu erledigen.
8. 4.
Gegenstand der Entschädigung ist lediglich das Verbickungerecht.
Als Maßslab für die Entschädigung dient der Kaufwerth der mit dem Verbietungs-
rechte verbundenen Gewerbeberechtigung zur Zeit des Wegfalles des Verbickungsrechtes
dergestallt, daß
u. bei Verbietungsrechten, welche den Mitgliedern einer geschlossenen, der Mehrung
oder Minderung nicht unterworfenen Innung zustanden, zwei Drittheile des Ver-
kaufswerthes der Gewerbeberechtigung,
b. bel Verbietungorechten, welche den Mitgliedern einer der Mehrung oder Minder-
ung unterltegenden Junung gebührten, dir Hälste des Verkaufswerkhes der Ge-
werbeberechtigung auf das zu entschädigende Verbietungsrecht gerechnet werden.
Bei dem Vorbehalt des Wiederaufhebens des Verbietungsrechtes finder eine Ent-
schädigung überhaupt nicht Stalt.
Insoweit ein Verbietungsrecht außer dem untker b. erwähnten Halle schon bisher
in Folge Gesetzes, besonderen Vorbehalté, gegennberstehenden Verbietungsrechtes eines
Dritten oder aus ähnlichen Gründen gewissen Beschränkungen unterworfen war oder
rechtlich unterworfen werden konnte, ist darauf bei der Entschädigungsfrage die erfor-
derliche Rücksicht zu nehmen.
8. 5.
Sobald über die angemeldeten Verbietungsrechte derselben Art und desselben Or-
tes im Verwaltungswege entschieden ist, ob und in wie weit sie zur Entschädigung sich
eignen und dieselben ganz oder theilweise als dazu geeignet anerkannt sind, hat das
Landrathsamt zur Ermistelung der Entschädigungssumme nach den Bestimmungen des
§S. 4 zu schreiten.
Im Falle über die Entschädigungsberechtigung einzelner Verbietungsrechte gerichl.
liche Prozesse schweben (. 3), ist deshalb diese Ermintelung binsichtlich der übrigen als
zur Entschädigung geeignet anerkannten nicht auszusehen.
331
Bel Ermittelung des Kaufwerthes der Gewerbeberechtigungen ist zunächst der Durch-
schnikt der Preise, welche während der letzten zwanzlg Jahre für Gewerbeberechtigungen
derselben Art und in demselben Orte bei Veräußerungen gezahlt, bei Erbthellungen oder
bei gerichtlichen Würderungen angenommen worden, als Anhalt zu benutzen, hlerbet
aber der Werth der darunter etva mit begriffen gewesenen Grundstücke, Geräthschaften
und sonstigen Gegenstände zu kürzen. Aus den für einzelne Gewerbeberechtigungen zu
ermitteln gewesenen Werthssummen ist die Durchschnittssumme als Grundlage für die
wegen sämmtlicher in Betracht kommender Verbiekungsrechte zu gewährende Entschädi-
cung anzunehmen, ohne Rücksicht darauf, daß für einzelne Gewerbeberechtigungen deren
Werth nicht hat festgestellt werden können. Ebenso ist, wenn der Werth nur Einer Ge-
werbeberechtigung zu ermitteln gewesen ist, dieser für die sämmklichen Verbietungorechte
maßgebend.
Fehlt es an den oben angegebenen Anhaltepunkten für die Werkhsermiktelung, so
ist der Verkaufswerth durch Würdexung von drei zu vereidenden Sachverständigen fest-
zustellen. Von diesen Sachverständigen benennen die anerkannten Entschädigungoberech-
tigten insgesammt nach Stimmenmehrheit Einen, der Vertreter des Staatssiskus den
Zweiten und das Landrathsamt den Dritten.
Auf das Landrathsamt geht das Recht zur Erwählung des betreffenden Sachver-
ständigen dann über, wenn die den Parteien zu sehende Frist zu Bezeichnung eines
Sachverständigen nicht eingehalten wird.
Als Würderungssumme gilt der aus den Taxen der drei Sachverständigen gezogene
Mlttelpreis, dafern dieselben über eine gemeinschaftliche Taxe sich nicht verständigen können.
K. ö.
Ueber das Ergebniß der nach §. 5 vorgenommenen Werthsermiltelung hat das
Landrathsamt die Berechtigten, sowie den Vertreter des Staatsfiskus zu hören. Gelingt
es demselben dabei nicht, unter den Betheiligten über die Höhe des zu gewährenden Ent-
schädlgungs-Kapitals eine Vereinigung herbeizuführen, zu welcher es der Zustimmung et-
waiger hypothekarischer Gläubiger oder anderer Realberechtigter nicht bedarf, so ist von
demselben hierüber geeigneten Falles nach elwaiger Vervollständigung der vorgenommenen
Werthsermittelungen zu entscheiden.
Gegen die Entscheidung sinden die in §. 3 geordneten Nechtömittel ebenfalls Statl.
C. 7.
Hinsichtlich derjeulgen Berechtigten, deren Verbietungsrechte als zur Enlschädigung
geeignet im Ilechtswege anerkannt werden (§. 3), sindet nach Beendigung des Prozesseo
das im §. 6 angeordnete Verfahren gleichfalls jedoch mit der Maßgabe Statt, daß im
47
332
Verwaltungswege die für nicht streitig gewesene Gewerbeberechtigungen festgestellten
Werthsbeträge auch für die nachträglich zur Enschädigung Gelangenden Bercchtigun-
gen gelten.
8. 8.
Vor der endlichen Feststellung der Entschädigungs= Kapitale überhaupt hat das Land-
tathsamt den Vertreter des Staatsfiskus zu benachrichtigen.
8. 9.
Das festgestellte Entschädigungs-Kapital tritt allenthalben an die Sielle des wegge-
sallenen Rechts.
8. 10.
Das Enlschädigungskapltal wird den Berechtigten vom 1. Juli 1863 an mit 3½
Prozent bei den unter §F. 4 sub a fallenden Verbietungsrechten, bel den unter §. 4 sub
b fallenden mit 4 Prozent jährlich verzinst.
8. 11.
Die Gewährung der Entschädigungs-Kopitale erfolgt auf Anzeige des Vertreters des
Staatofiskus durch das Minislerium, Abtheilung für das Innere, in drei= und ein halb
bezüglich vierprozentigen, von Seiten des Gläubigers unkündbaren Staatsschuldschelnen
nach dem' Rennwerthe. Legtere sind zu diesem Zwecke auf Antrag des Ministeriums,
Abtheilung für die Finanzen, von der Kommission für Verwallung der Stactsschulden
auszufertigen und auf den durch das Gesey vom 27. Dezember 1856 festgestellten Be-
trag der Staatsschuld in Anrechnung zu bringen.
8. 12.
Pachter von Gewerbeberechtigungen, mit denen zur Zeit des Pachteinganges ein der
Entschädigung unterliegendes Verbietungsrecht verbunden war, haben an den Verpachter
auf die Dauer der Pachtung nur einen Anspruch auf Gewährung der Zinsen von dem
gesammten Entschädigungskapital.
Dem Pachter ist jedoch auch gestattet, das ganze Pachtverhältniß aufzulösen; nur
muß dann die diesfallsige Erklärung längstens vier Wochen vor Einführung der Ge-
werbeordnung erfolgen.
8. 13.
Sind an dem Rechte oder an den Grundslücken, mit welchen das Verbietungerecht
verbunden ist, Hypotheken oder andere dingliche Rechte elngetragen, oder doch vorgemerkt,
so sind die Entschädigungskapitale (F. 11) der Unterpfandsbehörde zu überweisen, dle
333
das Interesse der Real- Gläubiger nach Mabßgabe der §5. 117 fl. des Gesehes über Ab-
lösungen und Gemeinheitstheilungen vom 23. März 1838 wahrzunehmen hat.
Hasten auf dem Rechte oder auf dem Grundslücke, mit welchem ein solches Recht
verbunden ist, Real-Lasten oder Ablösungs-Renten für frühere Rcal-Lasten oder andere
Abentrichtungen, so sind die diesfallsigen Berechtigten besugt, die Aufhebung jenes Ver-
hälmisses und die Befrledigung aus den für den Wegsall der Verbiekungsrechte ermittel-
ten Enkschädigungskapitalen zu verlangen. Kann jedoch der Verpflichtete nachweisen, daß
die gedachten Lasten dem Grundstücke schon vor der Verbindung der Gewerbeberechtig-
ung mit demselben anfgeruht haben, so kann der Berechtigte aus dem Wegfalle des Ver-
bictungorechts einen Anspruch auf Ablösung nicht ableiten.
Das Landrathsamt hat die gütliche Erledigung der ihm bekannten Ausprüche zu
versuchen, im Falle des Mißlingens aber die zu Beseitlgung der fraglichen Lasten muth-
maßlich erforderliche Summe zu bestimmen und deren vorläufige Zurückbehaltung bei der
im §. 8 geordneten Millheilung aufzugeben, auch den Betheiligten solches bekannt zu
machen. Diese zur Sicherstellung der erhobenen Ansprüche getroffene Verfügung ist je-
doch wieder aufzuheben, wenn die Forderungsberechtigten nicht innerhalb sechs Monaten,
von Zeit der ihnen geschehenen Bekanntmachung an gerechnet, die Aufbebung des frag-
lichen Verhälmisses im Wege der Ablösung beantragen und, daß dleses geschehen, dem
Landrathsamt durch eine amtliche Bescheinigung nachweisen. Die gesetzlichen Bestimmun-
gen über Ablösung grundherrlicher Rechte sollen, soweit es nicht schon jeyt der Fall, auf
derartige Lasten und Abentrichtungen für den vorliegenden Zweck Anwendung lelden.
S. 14. 4
Die Verhandlungen bei den Verwaltungsbehörden sind sportelfrei. Die nothwen-
digen Verläge werden aus der Verwaltungkasse dleser Behörden bestritten.
Urkundlich haben Wir dieses Gesetz böchstelgenhändig vollzogen und mit Unserem
landesherrlichen Jusiegel bedrucken lassen.
So geschehen Schloß Ostersteln, am 11. April 1863.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbou. Dinger. Dr. v. Beulwit
335
Gesetzsammlung
für die
Gesetz, einen Nachtrag zu der revidirten Gemeindevordnung vom 10. Dezbr. 1857.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jun.
gerer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein rc. ꝛc.
verordnen zu Herütellung der Uebereinstimmung zwischen den Bestimmungen der Gewerbe-
ordnung mit denen der Gemeindeordnung als Nachtrag zu Lehterer Folgendes:
1) Im Art. 21 tritt zu den unter Ziffer 1 bis 4 aufgeführten Befugnissen der Ge-
meindeangehörigen hinzu:
5) das Recht der selbstständigen Betreibung jeder Art von Nahrung, soweit das-
selbe nicht durch die hierfür bestehenden gesehlichen Bestimmungen ausdrück-
lich beschränkt sst.
2) Im Art. 24 kommt der Sag unter Ziffer 1 in Wegfall.
3) Im Art. 26 verliert die Bestimmung im ersten Absate ihre rechtliche Bedeutung.
4) Im Art. 29 Absatz 1 kreten die Worte:
und zur Begründung eines elgenen Nahrungsstandes
außer Wirksamkeit.
5) Im Art. 39 kommen die Bestimmungen unter Ziffer 1 und im Schlußsape in
Wegfall und wird der erste Saß des Artikels festgestellt, wie folgt:
Das Bürgerrecht muß erworben werden:
1) von denjenigen, welche im Gemeindebezirke Wohngebäude eigenthümlich
erwerben,
2) von den der Gemeinde nicht angehdrigen Gewerbetreibenden, welche fünf
Ausgegeden den 22. April 1803. ½
336
Jahie hindurch ihr Gewerbe ununterbrochen selbstständig im Gemeinde=
bezirke ausgeübt haben.
Diese Verbindlichkeit zur Erwerbung des Bürgerrechtes tritt jedoch
nur dann ein, wenn die Gemeinde die Bethetligten aucdrücklich dazu
auffordert, in welchem Falle sie denselben die Aufnahme nicht versagen
kann, sobald sie das nach statutarlscher Bestimmung etwa zu entrichtende
Bürgergeld erlegen.
Die Betheiligten können sich jedoch von dieser Pflicht zur Erwerbung
des Bürgerrechtes besrelen, wenn ste den Gewerbebetrieb im Gemeinde-
bezirke aufgeben.
6) Art. 44 (vergl. Geseh vom 10. Dezbr. 1857) erhält folgenden Zusatz:
Dasselbe gilt auch von den Angehörigen anderer deutscher und auherdeut-
scher Länder, wenn sie sich zu dem Zwecke des selbstsändigen Gewerbebetriebes
am Orte niederlassen wollen, vorausgesetzt, daß sie ihre Befähigung zu Er-
werbung des Bürgerrechts nachweisen (Art. 28).
7) Her Art. 47 wird aufgehoben. An seine Stelle kritt folgende Vorschrift:
In Bezug auf die Besugniß zu dem Gewerbebetriebe stehen die Schuß-
genossen den Gemeindeangehörigen gleich; diejenigen jedoch, welche nicht Staats-
angehörige des Fürstenthums sind, nur insoweit, als sie ihre Befähigung zu
Erwerbung des Bürgerrechts nachweisen und als in ihrem Heimatbslande den
dlesseltigen Staatsangehörigen eine gleiche Vergünstigung gewährt wird.
Vorstehendes Geseh kritt gleichzeltig mit der Gewerbeordnung in Kraft.
Urkundlich unter Unsrer eigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Landesherr-
lichem Insiegel.
So geschehen Schloß Osterstein, am 11. April 1863.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbou. Dinger. Dr. E. v. Beulwiß.
337
Gesetzsammlung
Fuͤrstlich Reußischen Lande juͤngerer Linie.
No. 235.
Ministerialbekanntmachung, den mit dem Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach, sowie den Fürsten-
tbümern Schwarzburg.##dol stadt und Schwarzburg-Sondershausen wegen Anschlusses des hiesigen Für-
stenthums an das Appellationsgericht in Eisenach aßgeschlossenen Vertrag berr.
Der nachstehende, mit höchster Genehmigung Sr. Durchlaucht des Fürsten und mit
Zustimmung des Landtags abgeschlossene Vertrag wird höchstem Befehle zu Folge zu all-
gemeiner Nachachtung hierdurch bekannt gemacht.
Gera, am 27. April 1863.
Fürstliches Ministerium.
v. Harbon.
Muͤnch.
Nachdem von den Staatsregierungen des Großherzogihums Sachsen-Weimar-Eise-
nach, des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt, des Fürstenthums Schwarzburg-Son-
dershausen und des Fürstenthums Reuh jüngerer Linie behufs des Beitritts der lehzteren
zu den Verträgen, welche zwischen den drei erstgenannten Staatsregierungen wegen Er-
rlichtung eines gemeinschaftlichen Appellationsgerichto vom 23. März bezüglich am 9. und
15. April 1850“) und wegen Erneuerung bezüglich Abänderung dieses Vertrags am 19.
November bezüglich am 12. und 22. Dezember 1859/) vereinbart worden sind, ein
Vertra
abgeschlossen worden ist, welcher folgendermahen lautet:
*) Die angezogenen Verträge von 1850 und 1859 siehe im Anhang.
Ausgegeben den 6. Mai 1863. 19
338
Zwischen dem Großherzoglich Sächsischen Staats-Ministerium in Weimar, den
Fürstlich Schwarzburgischen Ministerien in Rudolstadt und Sondershausen und
dem Fürstlich Reuß-Pl. jüngerer Linie Ministerium in Gera ist unter Vorbehalt
höchster Ratisikationen wegen Auschlusses des Fürstenthums Neuß jüngerer Linie
an das gemeinschaftliche Appellationsgericht in Eisenach nachstebender Vertrag
abgeschlossen worden.
Art. 1.
Die Staatsregierung des Fürstenthums Reuß j. L. tritt vom 1. Juli 1863
an den Verträgen bei, welche zwischen den Staatstegierungen des Großberzeg=
thums Sachsen-Weimar-Eisenach, des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt und
des Fürstenthums Schwarzburg, Sondershausen wegen Errichtung eines gemein-
schastlichen Appellationsgerichts am 23. März bez am 9. und 15. April 1850
und wegen Erneuerung und bezüglich Abänderung dieses Vertrags am 19. No-
vember bezüglich am 12. und 22. Dezember 1859 abgeschlossen worden sind.
Diese beiden Verträge behalten ihre Giltigkeit, insoweit nicht in den nachsee-
benden Artikeln etwas Anderes beflimmt ist.
Zu Art. 2 des Vertrags vom Jahre 1850, 6
Sollte durch den Anschluß des Fürstenthums Reuß j. L. an das Appellat##=
onsgericht in Elsenach elne Erwelterung der für das Geschäftslokal des letteren
bestimmten Räume oder eine Anschaffu#g weiterer Mobiliar-Juventa.ien-Stücke
alsbald erforderlich werden, so bestreitet die Großberzoglich Sächsische Staatsre-
gierung den aus einer solchen ersten Erweiterung der Geschäftsräume oder aus
einer solchen ersten Vermehrung des Inventars erwachsenden Aufwand ausschließ-
lich aus eigenen Milteln und wird hierfür so wenig, als für die fernere Mitbe-
nutzung dieser Aänme und Inventarienstücke den übrigen kontrahirenden Staats-
reglerungen ein Beilrag angesonnen.
Die in. Zukunft für das gemeinschaftliche Appellationsgericht etwa nöthig.
werdenden baulichen Ve ränderungen, die Anschaffung weiler erforderlicher Jnven-
tarienstücke, sowie die zukünstigen Unterhaltungskosten werden von sämmtlichen
kontrahirenden Staatöreglerungen gemeinschaftlich nach dem in Art 10 dieses
Vertrags bestimmten Verhältnisse bestritkten.
Art. 3.
Zu Art. 3 des Vertrags vom Jahre 1850.
Der regelmäßige Personalbestand des Appellationsgerichts wird vorläufig um
einen Rath vermehrt.
339
Art. 4.
Zu Art. 4 des Vertrags vom Jahre 1850.
Der zu dem derzeitigen Personale des Appellationsgerichts neu hinzutretende
NRath wird von der Fürstlich Reuß. Pl. j. L. Staatsregierung angestellt.
Er rangirt mit den übrigen bereits angestellten Näthen nach Maaßgabe sei-
ner Anciennität, welche nach der Zeit der Anstellung als stimmführendes Mit-
glied eines Landesjustigkollegiums berechnet wird.
Art. 5.
Zu Ark. 5 des Verlrags vom Jahre 1850.
Es bewendet dabei, daß der Großherzoglich Sächsischen Staatsregierung re-
gelmähig der Vorschlag für die Beseyzung der Präsidentenstelle zusteht.
Der Vorschlag für die Besetzung der Vicepräsidentenstelle steht in Zukunft
neben den Fürstlich Schwarzburg'schen Staatsregierungen auch der Fürstlich Reuß-
Pl. j. L. Staatsregierung zu, dergestalt, daß diese Stelle
nach deren ersten Erledigung Schwarzburg-Sondershausen,
äzzweiten Schwarzburg-Rudolstadt,
ddritten .Miepuß jüng. Linie,
- vierten Schwarzburg-Sondershausen,
u. s. f. zu beseen hat.
Art. 6.
Zu Artk. 9 des Vertrags vom Jahre 1850.
Die drei Sekretäre werden in Zukunft von sämmtlichen kontrahlrenden Staate,
regierungen in der Weise angestellt, daß bei
der ersien Erledizung einer Seeretarsele Schnarzburg Rudaisont
zweilt Sachsen-Welmar,
O„ diiuen " - Reuß juͤngere Linie,
vierten Sachsen-Weimar,
fünsten „ - Schwarzburg-Sonderhausen,
sechsten - - -. Sachsen-Weimar,
siebenten Schwarzburg-Rudolstadt,
u (. f. die erledigte Stelle zu “ hai.
49
340
Der neuernannte Sekretär tritt stets in die unterste (dritte) Stelle ein und
diejenigen Sekretäre, welche unter der erledigten Stelle ihren Platz hatten, ruk-
ken sonach je um einen Platz auf.
Dem Appellationsgerichte sieht hinsichtlich der erledigten Sekretärstellen ein
Vorschlagsrecht zu. Der betreffende Vorschlag ist immer auf einen Angehörigen
desjenigen Staats zu richten, dessen Regierung nach der vereinbarten Reihenfolge
die erledigte Stelle zu bejehzen hat.
Art. 7.
Zu Art. 2 des Vertrags vom Jahre 1859.
Dle acht Räthe des Appellatlonsgerichts erhalten in Zukunft folgende Ge-
halte:
der erste Rath 1400 Thaler,
1400
". zweite -
-dkitte- 1300
-vierte - 1300
fünste 1200 -
sechste 1200 -
-sicbmte- 1100 -
achte · 1000 «
Die Besoldung des Oberstaatsanwalts wird auf 1400 Thaler, die des Ge-
hülfen des Oberstaatsanwalts auf 1000 Thaler bestlmmt.
Im Uebrigen bleibt der Besoldungsetat, wie er in dem Art. 2 des Vertrags
vom 19. November bezüglich vom 12. und 22. December 1859 festgestellt ist,
unverändert.
Art. 8.
Zu Art. 11 des Verkrags vom Jahre 1850.
Der Präsident des Appellationsgerichts hat in Zukunst bei seinen Vorschlä-
gen zur Wiederbesehung der erledigten Stellen stets zu berücksichtigen, daß von
den in Art. 11 des Vertrags vom 23. März bez. 9. und 15. April 1850 be-
zelchneten Beamten mindestens drei dem Grohherzogthum Sachsen-Weimar-Elsenach
und mindestens je einer dem Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt, dem Fürsten-
thum Schwarzburg.Sondershausen und dem Fürstenthum Reuß jüngerer Linie
angehören.
341
Art. 9.
Zu Art. 12 des Vertrags vom Jahre 1850.
In Zukunst erfolgt der Vorschlag für die Besetzung der Stelle des Ober-
staatsanwalts und selnes Gehilfen in nachstehender Reihenfolge:
a) hinsichtlich des Oberstaatswalts:
für die erste Erledigung von Schwarzburg-Rudolstadt,
zweite - -Sachscu-Weimat,
dritte -
.- ·Neußjüng.Linle,
--victtc - Sachsen-Weimar,
.. fünfte. · «SchquzbukgsSondershausem
sofechste · -SachsensWelma1-,
--s1ebente « Schwarzburg-Rudolstadt,
u. s. f.
b) hinfichtlich des Gehilfen des Oberstaatsanwalts:
fuͤr die erste Erledigung von Reuß jüng. Linie,
wzweite - Saachsen-Weimar,
. Pritte - -SchwaczbukgsSondeksbansety
ssvictte - -Sachscn-Wclmak,
-«-fünfte - sSchwakzbukgsRudolstadb
sechste - -Sachseuchimak,
siflebente - -Reußjüng·Linie,
u.f.«f.
Art. 10.
Zu den Art. 13 und 14 des Vertrags vom Jahre 1850.
Die Beikragspflicht der contrahlrenden Staaten zu der Sustentations- und
Verwaltungscasse des gemelnschaftlichen Appellationsgerichts wird in der Welse
festgestellt, daß
Sachsen-Welmer 55,8 Procent,
Reuß jüng. Linrle 170
Schwarzburg-Rudolstadtt 4½ -
Schwatszkg-Sondctshausen.U«
zu entrichten hat. Nach demselben Perhältnisse werden huehlferigie Etat-Ueber-
schreitungen vergütet und etwalge Ersparntsse vertheilt.
342
Art. 11.
Zu Art. 18 des Vertrags vom Jahre 1850.
Die Ausscht über den Geschäftsgang bei dem Appellaklonsgerichte sieht den
vier contrahirenden Iegierungen gemeinsam zu und zwar wird dieses Recht in
den nächsten drei Jahren (1863, 1864 und 1865) von der Grohherzoglich Säch-
sischen Staatsregierung, in den darauf folgenden drel Jahren (1866, 1867 und
1866) von der Fürstlich Reuß-Pl. jüng. Linie Staaksreglerung, von der Fürstlich
Schwarzburg-Rudolstädtischen Staatsregierung und von der Fürsilich Schwarz-
burg-Sondershausen'schen Staatsregierung, von jeder in der angegebenen Reihen-
folge ein Jahr lang, hierauf wieder in drei folgenden Jahren (1869, 1870 und
1871) von der Großherzoglich Sächs. Staatsregierung, sodann je ein Jahr lang
von den übrigen betheiligten Staatsregierungen in der vorbestimmten Reihensolge
u. s. k. ausgeübt.
Uebrigens bewendet es bei der von der Greßherzoglich Sächs. Staatsregie-
rung übernommenen Verbindlichkeit in dem Falle, wenn eine der übrigen bethei-
ligten Regierungen das ihr zukommende Aussichtsrecht in dem betreffenden Jahre
nicht ausüben will, dasselbe im besonderen Auftrage dieser Regierung auszuüben
und es wird diese Verbindlichkeit auch der Fürstlich Reuß-Pl. Staatsregierung
gegenüber von der Grohherzoglich Sächsischen Staatsreglerung übernommen.
Art. 12.
Zu Arkl. 22 des Vertrags vom Jahre 1850.
Kassen= und Depositendefecte, sowie sonstige durch die Verschuldung des Ap-
pellatlonsgerichts oder einzelner Beamter desselben verursachte Schäden werden
insofern sie nach Eintritt des in Artikel 1 dieses Vertrags bezeichneten Zeilwunk-
tes verursacht worden sind, von den vier contrahirenden Staatsreglerungen nach
dem in Art. 10 dieses Verkrags bestimmten Verhältnisse ersetzt. In demselben
Verhältnisse gebührt den betreffenden Staatskassen dasjenlge, was etwa durch den
Regreß auf den Urheber des Schadens belgebracht wird.
Ob der Schaden durch einen von Großherzoglich Sächsischer oder von Fürst-
lich Schwarzburg'scher oder von Fürstlich Reuß- Pl. Seite angestellten Beamten
verschuldet wurde, macht dabei einen Unterschied überall ulcht.
Art. 13.
Zu Art. 24 des Vermags vom Jahre 1850.
Auch der Fürstlich Reuß-Pl. j. L. Staatsregierung wird überlassen, je zwei
343
Advocaten am Sihe des Appellationsgerichts anzustellen, welchen die in Art. 24
des Vertrags vom 23. März bez. 9. und 15. Aprll 1850 bezeichneten Befug-
nisse zustehen sollen.
Art. 14.
Zu Art. 25 des Vertrags vom Jahre 1850.
In Sachen, welche aus dem Fürstenthum Aeuß j. L. an das Appellations-
gericht gelangen, verfügt und erkennt dasselbe als „Fürstlich Reuß-Plautsches der
jüngeren Linie Appellationsgericht.“
Art. 15.
Zu Ark. 27 des Vertrags vom Jahre 1850.
Die Formel des Verpflichtungseids für das Personal des Appellationsgerichts
ist auf die Landesfürsten der vier bei dem Appellationsgericht betheiligten Staa-
ten zu richten.
Art. 16.
Für die Zeitdauer der Giltigkeit dieses Vertrags sind die Bestimmungen der
Art. 1 und 6 des Vertraga vom 19. November bez. 12. und 22. December 1859
dergestalt maßgebend, daß derselbe zunächst bis zum 1. Juli 1870 Giltigkeit ha-
ben und dann von zehn zu zehn Jahren als stillschweigend verlängert gelten soll,
wenn nicht vor Ablauf des zunächst vorhergegangenen Kalenderjahres (1869,
1879 u. s. w.) eine Aufkündigung von der einen oder andern Seite erfolgt ist.
Art. 17.
Für die Zeit vom 1 Juli bis 31. Dezember 1863 bildet das Fürstenthum
Reuß j. L. einen besonderen Geschwornengerichtsbezirk.
dieser Vertrag auch von Seiner Königlichen Hoheit, dem Großherzog zu Sachsen-Wei-
mar-Eisenach, sowie von Ihren Durchlauchten den Fürsten von Schwarzburg= Rudolstadt,
Schwarzburg-Sondershausen und Reuß jüngerer Linie genehmigt worden ist, so ist der.
selbe dessen zu Urkunde auf Höchsten Befehl Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs
von Sachsen-Weimar-Eisenach von dem Großherzoglich Sächsischen Staatsministerium
zu Weimar, auf Höchsten Befehl Seiner Durchlaucht des Fürsten von Schwarzburg-
Rudolstadt von dem Fürstlich Schwarzburgischen Ministerium zu Rudolstadt, auf Höchsten
Besehl Seiner Durchlaucht des Fürsten von Schwargburg-Sondershansen von dem Fürst-
lich Schwarzburg'schen Ministerium in Sondershausen und auf Höchsten Befehl Seiner
344
Durchlaucht des Fürsten Reuß jüngerer A#nie von dem Fürstlich Reuß-Plauischen Mini-
sterium in Gera unter Beidrückung der betreffenden Staatsinsiegel vollzogen worden.
So geschehen
Weimar, am 16. April 1863.
Großherzoglich Sächsisches Staatsministerium.
(L. S.) v. Watzdork.
Rudolstadt, den 20. April 1863.
Fürstlich Schwarzburgisches Ministerium.
(L. 8.) v. Bertrab.
Sondershausen, den 25. April 1863.
Fürstlich Schwarzburgisches Ministerium.
(L 8, G. Kayser 1. V.
Gera, am 27. April 1863
Fürstlich Neuß-Planil. Ministerium.
(L. 8) v. Harbon.
345
Anhang.
1) Vertrag vom 23. März bezügl. 9. und 15. April 1850.
„Zwischen dem Gioßherzoglich Sächs. Staats-Ministerium zu Weimar, dem Fürfstl.
Schwarzburg- Rudolstädlischen Mlnisterium zu Rudolstadt und dem Fürstl. Schwarzburg-
Sondershausenschen Geheimerakhs-Kollrgium zu Sondershausen ist, unter Vorbehalthöch-
ster Ratisicationen, nachstehender Vertrag wegen Errichtung eines gemeinschaftlichen Ap-
pellationsgerichtes und gemeinsamer Kreisgerichte abgeschlossen worden.
A. Im Betreff des gemeinschaftlichen Appellationsgerichts.
Art. 1.
Der Sißtz des Appellationsgerichts ist in der Stadt Eisenach. Mit Rücksicht auf
die Lage der Fürsienthümer Schwarzburg soll dem zu errichtenden Appellationsgericht im
Verwalingswege zur Pflicht gemacht werden, die Geschwornengerichts-Sipungen, soweit
tbunlich, am Sißc der Kreiogerichte abzuhalten und soll auf diese Lage bei Bildung der
Geschwornengerichtsbezirke möglichste Rücksicht genommen werden.
Art. 2.
Die für das Geschiftslokal des Appellationsgerichts erforderlichen Räume werden
nebst den nöthigen Moblliar-Inventarienstücken von der Großherzogl. Staatsregierung
gegeben, bezüglich hergerichtet und wird hierfür fo wentg als für die sernere Mitbenu#-
ung derselben den Fürstl. Schwarzburgischen Höfen ein Beitrag angesonnen. Die in
Zukunft für das gemeinichaftliche Appellgtionsgericht an dem nach Art 1 bestimnmten
Site desselben etwa nöthigen baulichen Veränderungen, die Anschaffung weiter erforder-
licher Inventarienstücke, sewie die zukünsilgen Unterhaltungskosten werden von Großber-
zoglich Sichs Seite zu /, von Fürstl. Schwarzburgischer Seite zu ½ bestritten. Zur
Vernabme baulicher Verändcaungen ist stets die Zustimmung sämmtlicher Negierungen
einzuholen.
Art 3.
Der regelmäßige Personalbestand des Appellationsgerichts wird vorläufig fesigesetzt
auf
Einen Präsidenten,
Einen Vice-Präsidenten,
Sieben Näthe.
346
Art. 1.
Ueber die erste Anstellung des Präsidenten und der #üäthe werden sich die contra-
hirenden Reglerungen unter einander verelnigen, doch wird schon jetzt bestimmt, daß. wenn
keine andere Vereinlgung erfolgt,
1) sechs Mitglieder und darunter der Präsident von Grobherzoglich Sächsischer Seite,
drei Mitglieder und unter ihnen der Vice-Präsident von Fürsil. Schwarzburgischer
Seite angestellt werden sollen, dergestalt, daß Schwarzburg-Sondershausen den
Vice-Präsidenten und einen Rath, Schwarzburg-Rudolstadt einen Rath zu ernennen
□ile
bat;
daß sonach hinsichtlich der sechs SachsenWeimarischen Stellen der Großberzogl.
Sächsischen, hinsichtlich der drei Schwarzburgischen Stellen den Fürstl. Schwarz-
burgischen Staatsregierungen das Vorschlagerecht zusteht, die Genehmigung des
geschehenen Vorschlags aber von den gegenüberstehenden Staatsregierungen nur
aus erheblichen, aus der Person des Vorgeschlagenen selbst hergeleiteten Gründen
versagt werden darf;
daß die angestellten Räthe mit einander nach ihrer Auciennität rangiren, welche
sich nach der Zeit der Anstellung als stimmführendes Mitglied eines Landesjustiz-
kollegiums bercchnet, dergestalt, daß wenn dem Appellatlonsgericht ein Rarh zu-
gewiesen wird, welcher nicht schon Mitglied eines zweitinstanzlichen oder drittin-
stanzlichen Juntizkollegiums gewesen ist, dieser denjenigen Mitgliedern des Gerichte
nachsiehen muß, welche eine solche Stellung gehabt habem
Art. 5.
Für die Zukunft steht der Großherzogl. Sächs. Staatsregierung regelmäßig der Vor-
schlag für die Beseyung der Präsidentenstelle und den Fürstl. Schwarzburgischen Staats-
regierungen der Vorschlag für die Besetzung der Vice-Präsidentenstelle zu. Nach deren
erster Erledigung hat letztere Schwarzburg- Rudolstadt zu beseyen, dann wieder Schwarzburg-
Sondershausen u f.
Die Genehmigung des von der einen Seite geschehenen Vorschlags kann von der
andern nur aus erheblichen, aus der Person des Vorgeschlagenen hergeleiteten Gründen
verweigert werden.
—
Art. 6.
Hinsichtlich der erledlgten Rathsstellen sieht dem Appellationsgericht für die Zukunft
selbst ein Vorschlogsrecht zu. Der betreffende Vorschlag ist immer wieder auf einen An-
gehörigen desjenigen Staates zu richten, welchem der abgegangene Rath angehört hat,
und sind die Vorschläge des Appellatlonsgerichts zunächst bei der Regierung desjenigen
Staates anzubringen, dessen Angehöriger der abgegangene Rarh war. Falls die bewmek.
347
fende Staatsregierung diesen Vorschlag genehmlgt, so theilt sie denselben den mitcontra-
birenden Staatsregierungen zu ihrer Erklärung darauf mit.
Einc Prüfung des Vorgeschlagenen findet nicht Statt.
Eine Ablehnung des auf dem Grunde dieses Vorschlages von der betreffenden
Staatsregierung bezeichneten Raths soll den mitcontrahlrenden Staatoreglerungen nur
aus erheblichen, aus der Person des Vorgeschlagenen selbst hergelelteten Gründen ge-
stattet sein. Genehmigt die Staatsregierung, an welchr nach dem Obigen der Vorschlag
des Appellationsgerichts zunächst zu richten ict, den von dem Appellationsge-icht genann-
ten Ratb nicht, so wird dieselbe ibrerselts den mitcontrahlrenden Staatsregierungen, auch
ohne das Appellationsgericht nochmals hören zu müssen, ein anderes Mitglied vorschlagen,
ressen Ernennung jedoch auch in diesem Jalle nur in Uebereinstimmung sämmtlicher con-
trahirender Staatsregierungen erfolgen kann.
Dem neu ernaunten Mitgliede wird sein Decret nur von der Staatsregierung,
welche das Vorschlagörecht hat, ausgesiellt, in demselben jedoch der Genehmigung der
übrigen mitcontrahirenden Staatsregierungen gedacht.,
Art. 7.
Das neu ernannte Mitglied erhält den untersten (9.) Platz und diejenigen Näthe,
welche unter der erledigten Sielle ihren Sih hatten, rücken sonach je um einen Plab auf.
Art. 8.
Macht sich eine Vermehrung der etatwähigen Mltglieder des Appellationsgerichts nö-
thig, so werden die betreffenden Szaatoregierungen über ihne gegenseitige Betheiligung
das Weltere vertragsmäßig feststellen.
Wenn jedoch schon bel der ersten Organtsation des Appellationgerichts oder später
die eine oder die andere Staatsregierung außer den von ihr vorzuschlagenden etatmäßi-
gen Mitgliedern noch ein auße rordentliches Mitglied in das Appellationsgericht ab-
urdnen wollte und lepteres dies im Interesse seiner Geschäftsführung für nothwendig oder
wünschenswerth crachten sollte, so soll derselben solches, jedoch lediglich auf eigene Koßen,
überlassen sein.
Art. 9.
Es werden drei Sekretäre angestellt, welche zugleich die Reglstratur= und Archiv-
Geschäfte zu besorgen haben. Auch haben dieselben ersorderlichen Falles auf Anordnung
des Präsidenten den für die Rechnungsführung, Kalkulatur und Votenmeisterei angestell-
en Beamten in seinen Geschäften zu unterstützen.
Zwei derselben werden von Grohhergogl. Sächsischer und einer und zwar der erste
Sekretär von Fürstl. Schwarzburgischer Seite in der Weise ernannt, daß Schwarzturg.
50
318
Nudolstadt diese Stesle bei der Constituirung des Gerichts und nach deren eisten Erle-
digung besetzt, dann aber in der Ernennung mit Schwarzburg-Sondersbausen wocheelt.
Bei künftigen Anstellungen werden diese Stellen nach dem Vorschlage des Appel-
lationsgerichts besetzt und zwar gelten bier bezüglich der Answahl der betreffenden Be-
amten aus den Angehörigen des einen oder anderen der verbundenen Staaten und be-
züglich der Ernennung. durch die respectiven contrahirenden Staatsregierungen ebenfalle.
dle Bestimmungen des Art. 6, mit der Modiftcation jedoch, daß bei der Auswahl unter
den Angehörigen der betreffenden Staaten hinsichtlich der ersten Sekretärslelle nicht dar-
auf, von welcher Staaköregierung der abgehende Sekretär ernannt war, sondern auf die
stipulirte Reihenfolge zwischen den beiden Schwarzburgischen Regierungen Rücksicht zu
nehmen ist.
Das Anstellungs-Dekret wird von der ernennenden Staatsregierung allein ausgestellt.
Art. 10.
Der Etat der Besoldung ist folgender:
der Präsident erhält. 2000 Thlr.
der Vice-Präsident erhält. 1500 „
der erste Rath „ 1300 „
der zweite Nath „ 1200 „
der dritte Nath „ 1200 „
der vierte „ „ . 1100 „
der fünfte „ „ . 1100 „
der sechste „ „ l1l000 „
der siebente „ „ 1000 „
der erste Sekretinr „ 800 „
der zweite „ „ 7v00 „
der dritte „ „„ 600 „
Art. 11.
Das uͤbrige Personal besebt aus:
4) einem Kalkulator fuͤh zugleich sur die Bolenmeistere mit 700 Thlr.
900
2) drei Kanzlisten mit zusemmen ..
(nämlich einer mit 400 Thlr., einer mit 300 rn und einer wit 200 i 0
3) einem Diener mit .
4) zwei Boten mit zusimmen . ...
Die Anstellung dieser Beamten ersolgi nach den Vorschlag des designirten ersten
und bezüglich für die Zukunft des jeweiligen Präsidenten des Appellationsgerichts. Bei
Konstliutrung des Gerichts soll ein Kanzlist und ein Bote aus den Fürstenthümern
349
Schwarzburg und zwar der Kanzlist aus dem Fuͤrstenthume Schwarzburg · Sondershansen,
der Bote aus dem Fürstenthume Schwarzburg-Rudolstadt, gewählt werden. Für die
Zukunft soll der Präsident bei seinen Vorschlägen stets berücksichtigen, daß immer minde-
siens zwei der in Art. 11 benannten Personen, etwa ein Kanzlist und ein Votc, den
Fürstenthümern Schwarzburg angehören, und zwar dergestalt, daß sowohl der Kanzlist
als der Bote abwechselnd einmal aus dem Fürsienthume Schwarzburg-Rudolstadt und
das andere Mal aus dem Fürstenthume Schwarzburg- Sondershausen gewählt werden soll.
Die Dekrete werden nach Maaßgabe des Art. 6 von der Regierung desjenigen
Staales ausgestellt, welchem der betreffende Beamte angehört.
Art. 12.
Gemeinschaftliche Beamte sind ferner: Der Oberstaaksanwalt und der Gehilse des-
selben. Ersterer ist mit 1200 Thlr., lehtzterer mit 800 Thlr. zu besolden. Die Ober-
staatanwaltschaft hat die Kanzlei und das Boten-Personal des Axpellattonsgerichts für
ihre Geschäfte zu benupzen.
Bei Konstituirung des Gerichts wählt Sachsen-Weimar den Oberstaatsanwalk, den
Gehilsen Schwarzburg-Rudolstadt oder Schwarzburg- Sondershausen (nach deofallsiger
weilerer Verelnbarung zwischen beiden Staatoregierungen). In Zukunft erfolgt der Vor-
schlag für dlese Stelle in folgender Reihenfolge:
a) hinsichtlich des Oberstaatswalts
für die erste Erledigung von Schwarzburg-Rudolstadt
„ „ zweite „ „ Weimar,
„ „ dritte „ „ Weimar,
„ „ viere „ „ Schwarzburg-Sondershausen,
„ „ fünfte „ „ü Weimar,
„ sechste « »Weimqk,
u. s. w
b) hinsichtlich des Gehilfen nach demselben Turnus, jedoch so, dah bei der ersten
und zweiten Erledigung Weimar die Wahl zusteht. Im Uebrigen gelten auch
hier die im Art. 6 enthaltenen Bestimmungen.
Art. 13.
Es wird für Zahlung dleser Besoldungen eine besondere Sustentalionskasse gebildet.
Hierzu haben Sachsen-Weimar zwei Drittheile, die beiden Schwarzburgischen Fürsten-
tbümer ein Drittheil beizutragen Zu diesem Drittheil zahlt Schwarzburg.Rudolstadt
*/15, Schwarzburg-Sondershausen 6/12. Die Beiträge sind in vierteljäbrigen Veraus-
zahlungen zu leisten.
350
Art. 14.
Die zu der Verwaltungskasse des Appellatlonsgerichts zu zahlende Summe soll nach
Ablauf eines Jahres von Errlchtung des Gerichts an festgestellt und hiernach ein Nor-
malsaz festgeseht werden. Wenn sich Etatsüberschreitungen herausstellen, welche von den
bethelligten Staatsreglerungen in Uebereinstimmung für gerechtfertigte anerkannt sind,
so werden dieselben zu 35 von dem Großherzogl. Sächsischen, zu 7/89 von dem Fürül.
Schwarzburg-Rudolstädtischen und zu /9 von dem Fürstl. Schwarzburg-SonderShausen-
schen Staatsfiskus vergütet. In demselben Verhältussse werden die envaigen Ersparnisse
vertheilt. Im ersten Jahre sind die vorkommenden Kosien nach dem sich herausstellenden
Bedürfnisse von den contrahirenden Staaten nach dem oben gedachten Verhältnisse auf.
zubringen und wird bei Konstituirung des Appellationsgerichts zunächst die Summe von
2000 Thlr. zur Verwaltungskasse gezahlt.
Aus dieser Verwaltungskasse sind zu besirelten die Aufwände für
Abbaltuug der Geschwornengerichte, ohne Unterschied, wo sie stattfinden, Hei-
zung und Erleuchtung,
Schreibmaterialien, Buchbinderlöhne, vorübergehende Aushilfe in der Schreiberei,
Blbliothek, Zeilungen,
Relsekosten und Diäten der Mitglieder in Ofstcialsachen,
Geringere Reparaturen, Anschaffungen und Instandhaltung des Inventari-
u
Remunerationen für besondere Fälle an die Subalternen u s. w.
Art. 15.
Die nach dem Obigen mittelst Dekrets der Fürstl. Schwarzburgischen Staatsregie-
rungen angestellten Mitglieder und Subalternen sind den Großherzogl. Sächs. Gesehen
und dem diesseitigen Gerichtsstande eben so wie die von Großherzogl. Sichs. Staats-
regierung Angestellten unterworfen. Sie entrichten die diesseitigen öffentlichen und Com-
munal-Abgaben und werden, sofern sie dies wünschen, in den hiesigen Staaksverband
aufgenommen, in welchem Falle sie auch für sich und ihre Familien das Heimathsrecht
in der Stadt (eisenach durch ihre Ansiellung erwerben.
» Art. 16.
Pensionsansprüche für sich selbst und ihre Hinterbliebenen haben jedoch die bet dem
Appellationsgericht angestellten Personen nur gegen denjenigen Staat, von dessen Regie-
rung ihnen das Ansiellungs-Dekret ausgestellt worden ist.
Art. 17.
Die Sporteln, bezüglich Stempelgebühren, sowic die von dem Apellationsgericht er-
351
kanmen Strafgelder werden bel dem Appellationsgericht nach den geseylichen Bestlmmun-
gen des betreffenden Staates liauidirt. Die Erhebung derselben erfolgt durch den ein-
zelnen Staat für seine eigene Rechnung.
Art. 18
Die Aussicht über den Geschäftsgang bei dem Appellationsgericht steht den drei con-
mahirenden Staatöregierungen gemeinsam zu und demgemäß den Fürül. Schwarzburgi-
schen Staatsregierungen je für das dritte Jahr, so daß in den beiden ersten Jahren der
Grohberzogl. Sächsischen, in dem dritten der Fürstl. Schwarzburg. Rudolstädlischen, im
vierken und fünften der Großherzogl. Sächlischen und im sechsten der Fürstl. Schwarz-
burg= Sondershausenschen Staatsregierung dieses Hlecht zustehi. Da es jedoch im Inte-
resse der Sache liegt, daß der hierdurch bedingte Wechsel in der Aufsicht möglichst ver-
mieden werde, so übernimmt die Großherzogl. Sichs. Staateregierung die Verbindlich-
keit, dann, wenn eintretenden Falles die Fürül. Schwarzburg-Rudolstädtische oder die
Fürstl. Schwarzburg-Sondershausensche Staatoregierung dieses Recht nicht ausüben will,
dasselbe im besondern Auftrage derselben auszuüben. Das Appellationsgericht sendet die
an den Inspektionshof über seine Geschäftsthätlgkelt erstatteten Berichte sowie die darauf
empfangenen Resolutionen in Abschrift an die übrigen contrahirenden Staatsregierungen
ein. Sofern letztere durch einen besonderen Bevollmächtigten eine außerordentliche Re-
vision des Appellationsgerichts vornehmen lassen wollen, soll ihnen dies unbenommen
kleiben.
Art. 19.
Ueber die Beschäftigung der Auditoren oder Rechts-Kandidaten aus den verschiede-
nen Ländern bezüglich über die von dem Personal des Appellatlonsgerichts vorzunehmen-
den Prsifungen ergeht nach vorgängiger gegenseitiger Verständlgung eine besondere Ver-
ordnung und soll hierüber, sofern dieselbe nicht schon vor Einsehung des Appellationege-
richto erfolgl, letzteres gehört werden.
Art 20.
Die Geschäftsordnung des Appellationsgerichts wird von demselben selbü berathen
und ousgearbeitet und nach gemeinsamer Prüfung von den betressenden Staatöregierun.
gen festgestelt. Im Uebrigen richtet sich das Verfahren vor dem Appellationsgericht in
den anhängigen Rechtssachen nach den Gesetzen der betreffenden Staaten.
Art. 21.
Für die Behandlung der bei dem Appellationsgericht vorkommenden Depositen und
Akte der ftelwilligen Gerichtsbarkeit sind die Gesehe des Großherzogihums maßgebend.
352
Art. 22.
Kassen= und Depositen-Desekte, sowie sonstige durch die Verschuldung des Appella-
tionsgerichts oder einzelner Beamten desselben verursachte Schäden werden von den con-
trahirenden Staatsregierungen nach den Art. 13 und 14 bestimmten Verhältnisse ersetßzt.
In demselben Verbällnisse gebührt den betreffenden Staatskassen dasjenige, was eiwa
durch den Regreß auf den Urheber der Schadens beigebracht wird.
Ob derselbe durch einen von Großherzogl. Sächüscher oder von Fürstl. Schwarzbur.
gischer Seite angestellten Beamten verschuldet wurde, macht dabei einen Unterschied über.
all nicht.
Ari. 23
Die Aussicht über die unteren Justizbehörden, sowie über die Anwälte, Rechtsbei-
stände und Notare übt das Appellationsgericht nach Maßgabe der für die respektiven
einzelnen Staaten geltenden Ges e und Einrichtungen, rücksichtlich der Anwälte und
Rechtsbeistände mit dem Vorhall, daß dann, wenn sch mit Zustimmung der betressenden
Staatsregierungen eine Anwaltskammer gebildet bat, das Aufüchtsrecht über dieselben
nach Mahgabe des einer solchen Anwaltskammer zu Grunde zu legenden Stalutes siatt-
findet, bezüglich auf leztere übergeht.
Ant. 21.
Den Fürsilich Schwarzburgischen Staatsregierungen wird überlassen, je zwei Advo-
katen am Sipe des Aprellationsgerichts anzusiellen. Diese sind befugt, in allen in der
Appellationsinsianz anhängigen Rechtssachen, also auch dann, wenn dieselben aus dem
Großherzogthume Sachsen an das Appellationsgericht gelangt sind, vor demselben zu
praltieiren, wogegen auch den von Seiten des Großherzogthums angestellten Advokaten
die gleiche Befugniß in Ansehnug der aus den Fürsienthümern Schwarzburg an das
Axpellationsgericht gelangenden Rechtssachen eingeräumt wird.
Art. 25.
In Sachen, welche aus dem Grohherzogthum Sachsen an das Appellationsgericht
gelangen, verfügt und erkennt dasselbe als „Grohherzogl. Sächs. Appellationsgericht", in
Sachen, welche aus dem Fürsienthume Schwarzburg-Rudolstadr an dasselbe gelangen, als
„Fürstlich Schwarzburg-Rudolstädtischeo Appellationsgerich““, in Sachen, welche aus dem
Fürstenthume Schwarzburg-Sondershausen an dasselbe gelangen, als „Fürstlich Schwarz=
burg-Sondershausensches Appellationsgericht.“
Art. 26.
Die Konsiituirung des Appellationsgerichts wird auf den 1. Juli 1850 festgesetzt
353
Art. 27.
Oie Formel des Verpflichtungseldes für das Personal des Appellallensgerschts it.
die zu dem Konferenz Entwurfe elnes Gesetzes über den Clvil-Staatsdilenst als Anlage
4 bezüglich als Anlage U angenommene, dergestalt jedoch, daß dieselbe auf dle Landes=
lürsten der drei verbundenen Staaten zu richten ist.
B. Im Betreff gemeinschaftlicher Krelsgerichte.
Art. 1.
Der Sih der zwel Fuͤrstl. Echwarzburgischen und Großhergl. Sächs. gemeinschastli-
chen Kreisgerichte wird nach Sondershausen und Arnstadt gelegt.
Den Bezirk des Kreisgerichts zu Sondershausen bilden die belden Fürstl. Schwarz-
burgischen Unterherrschasten mit Einschluß der Bezirke der Großherzogl. Sächs. Aemter
Allstcdt und Oldisleben
Der Bezirk des Kreisgerichts zu Arnstadt begrelst die Fürstlich Schwarzburg. Son-
dershäusische Oberherrschaft mit Einschluß des Bezirks des Großherzogl. Sächs. Amtes
Almenau und der Fürstl. Schwarzburg= Rudolstädtischen von Wlplebenschen Gerlchte zu
Angelroda.
Arrt. 2.
Die für die Geschäftslokale dieser zwei Kreisgerlchte erforderlichen Räume werden
nebst den nöthigen Mobiliar-Inventarienstücken von der Fürfll. Schwarzb. Sondershäusi-
schen Staatsregierung gegeben, bezüglich hergerichtet und hierfür so wenig als für die
lernere Mlibenupung derselben der Grohherzogl. Sichs. und der Fürstl. Schwarzburg-
Rudolstädtischen Staatsregierung ein Beitrag angesonnen.
Dasselbe gilt von den für die Kreisgerichte erforderlichen Gefängalssen.
Die in Zukunft für diese gemeinschastlichen Gerichte an ihrem Art. 1 gedachten Sipe
elwa nöthigen baulichen Veränderungen, die Auschaffung weiter erforderlicher Inventa-
rienstücke, sowie die zukünftigen Unterhaltungskesten werden
a) bezüglich des Kreisgerichts zu Sondershausen von Fürsll. Schwarzburg-Sonders-
häusischer Seite zu /11, von Fürül. Echwalgbucg-Nudolsͤr tiicher Selte zu Niꝛi
und von Großberzogl. Sächsischer Selle zu ¾/11.
5) bezüglich des Kreisgerichts zu Arnstadt von Fürsll. Schwarzburg= Sondershäuft-
scher Seite zu ½ und von Großherzogl. Sichsischer Seite zu ½ bestritten.
Art. 3.
Der regelmäßige Bestand der Mitglicder der Kretogerlchte wird vorläuftg kolgender-
mahen festgeseßzt: 1
354
a) der des Kreisgerichts zu Sondershausen auf
einen Direltor,
zwei Näthe,
einen Assessor;
b) der des Kreisgerichts zu Arnstadt auf
einen Direktor,
einen Nath,
einen Assessor.
Art. 4.
Ueber die erste Anstellung des Präsidenten, der Räthe und der Assessoren werden
sich die kontrahirenden Staateregierungen unter einander vereinigen, doch wird schon jeht
bestimmt, daß, wenn keine andere Vereinbarung erfolgt,
4) bezüglich des Kreisgerichts zu Sondershausen
#) Schwarzburg-Sondershäusischer Seits
die Direktorstelle,
eine Rathsstelle,
b) Schwargburg-Rudolstädtischer Seits
eine Nathsstelle,
T) Großherzogl. Sächsischer Seits
eine Assessorstelle,
2) bezüglich des Kreisgerichts zu Arustadt
a) Schwarzburg-Sondershäusischer Seits
die Direktorstelle,
eine Rathsstelle,
b) Großherzogl. Weimarischer Seits
eine Assessorstelle
besehzt werden sollen.
Den bezüglichen Staatsregierungen sieht das Vorschlagsrecht zu und darf die Ge-
nehmigung des geschehenen Vorschlag# von den gegenüberstehenden Staatsreglerungen
nur aus erheblichen, aus der Person des Vorgeschlagenen selbst hergeleiteten Gründen
versagt werden. Die Räthe rangiren unter sich nach der Anciennltät, d. i. nach der
Zeit ihrer Anstellung im Staatsdienst des betreffenden Landes, dergestalt, dah wenn dem
Kreisgerichte ein Mitglied zugewiesen wird, welches noch nicht im Staatsdienste stand,
dasselbe unter denjenigen, welche solche Anstellung schon hatten, zu sipen kommt.
Art. 5.
In Zukunft werden die vakant werdenden Stellen von derjenigen Staatsreglerung
355
in der oben angegebenen Weise wleder besetzt, welche das die vakant gewordene Stelle
bekleldende Mitglled das erste Mal ernannt resp. vorzuschlagen das Recht gehabt hat,
jedoch nimmt das neu eintretende Mitglied die unterste Rathostelle ein, waͤhtend das
ältere in die vakante obere Stelle einrückt.
Dem ernannten Mitgliede wird sein Dekret nur von der vorschlagenden Staatsre-
gierung ausgestellt, in demselben jedoch der Genehmigung der übrigen gedacht.
Art. 6.
Macht sich elne Vermehrung der etalmäßlgen Mitglieder der Kreisgerichte nöthig,
so werden die betreffenden Staateregierungen über ihre gegenseitige Betheiligung das
Weitere vertragsmäßig fesisiellen.
Wenn jedoch schon bei der ersten Organlsation der gemeinschaftlichen Krelsgerlchte
oder später die eine oder die andere Staatsregierung außer den von ihr vorzuschlagen-
den und bezüglich zu ernennenden etalmäßigen Mitgliedern noch ein außerordentliches
Mitglied in das eine oder das andere der zwei Kreisgerichte abordnen wollte, so soll
derselbe dies lediglich, jedoch auf ihre besonderen Kosten überlassen sein.
Art. 7-
Es werden bei jedem der zwei gemeinschaftlichen Kreisgerlchte ein Staatsanwalt,
dessen Function sich auf Strassachen erstreckt, welche vor den unter den betreffenden Kreis-
gerichten stehenden Untergerichten der contrahirenden Staaten zu verhandeln stud und
twei Sekretäre angestellt, welche zugleich die Reglstratur= und Achiv-Geschäfte, die Nech-
nungsführung, Kalkulatur und Botenmeisterei zu besorgen haben.
Das übrige Persoual besteht beim Kreisgericht Sondershausen aus zwel Kanzlisten,
zwei Beten, einem Gefangenwärter und dessen Gehilfen, belm Kreisgericht Arnstadt aus
einem Kanzlisten, zwei Beten, einem Gefangenwärter und dessen Gehilfen.
Beim Kreisgericht Arnstadt besetzt die Großberzogl. Staatsregierung ftändig die
Stelle eines Boten und die Stelle des Staatsanwalts abwechselnd mit der Fürsil. Son-
dershänsischen Staatsregierung in der Weise, daß Sondershausen zum ersten Male, Wel-
mar das folgende Mal, Sondershausen das dritte und vierte Mal, Weimar das sünfte
Mal diese Stelle besetzt und sofort dergestallt, daß Sondershausen diese Stelle immer
noch einmal so oft besezt alo Weimar. Eine weitere Mitwirkung bel Besehung der
übrigen Stellen der gemeinschastlichen Kreisgerichte nimmt die Grohherzogl. Stoatere=
Qierung nicht in Anspruch.
Oinsichtlich der bei dem Kreisgericht Sondershausen zu besehenden, in diesem Artikel
genannten Siellen ist bestimmt worden, daß
51“
356
4) von Sellen der Fürfll. Schwarzburg. Sondershausenschen Staatreglerung die
Stellen.
a. des Staatdanwaltes,
b. des zwellen Sekrelaͤrd,
c. des ersten Kanzlisten,
d. des zwelten Boten,
e. des Gefangenwärters nebst Gehllfen,
2) von Seiten der Fürstl. Schwarzburg-Rudolstädelschen Staatsreglerung die Seellen
a. bes ersten Sekretärs,
b. des zweiten Kanzlisten
. des ersten Boten
vom Anfang an und bleibend beseht werden foll.
Art. 8.
Der Etat der Besoldungen ist folgender:
der Direktor . 1000 Thlr.
der Staatsanwalt und seder kn 8800
der Assesssor . 600
der eiste Sekretiiterr 500
der zweile Sekretͤr.. .. ... .. 400 -
der erste Kanzlit 300 betm Krelsgericht
der zweite Kanzlist . 250. Sonderzhausen.
der Kanzlist beim Krelsgericht Arustadt .300 -1
dle beiden Boten zusammen (jeder 200 Thir.) 400=
der Gefangenwärter und sein Gehilse. 400
Art. 9.
Es wird für die Zahlung dieser Besoldungen bel elnem jeden der zwei gemein-
schastlichen Kreisgerichte eine besondere Sustentationskasse gebildet. Jeder der contrahl-
renden Staaten zahlt die ihn nach dem vereinbarten Maßstab (Art. 2) treffenden Bei-
träge in vierteljährigen Vorauszahlungen an diese Suslentationskasse ein.
Art. 10.
Dle zu der Verwaltungskasse der Kreisgerichte zu zahlende Summe soll nach Ab-
lauf elnes Jahres von Errichtung der Gerichte an festgestellt und hiernach ein Normal-
sabz festgesept werden.
Wenn sich Etatsüberschreitungen herausslellen, welche von den betbelligtrn Staals-
357
reglernngen in Uebereinstimmung als gerechtfertlgt anerkannt sind, so werden dieselben
nach dem im Art. 2 verelnbarten Maßstabe gedeckt. In demselben Verhältnisse werden
die etwalgen Ersparnisse verthellt. Im ersien Jahre sind die vorkommenden Kosten nach
dem sich herausstellenden Bedürfnisse von den contrahlrenden Staaten nach Vem oben
gedachten Verhältnisse aufzubringen und wird bei Konstltulrung der Kreisgerichte für
das zu Sondershausen zunächst die Summe von 1200 Thlr., für das zu Arnstadt die
Summe von 800 Thlr. zur Verwaltungskasse gezahlt.
Aus dieser Verwaltungskasse sind zu bestreiten die Aufwände für
Helzung und Erleuchtung,
Schreibmaterialien, Buchbinderlöhne,
Vorübergehende Aushülse in der Schrelberel,
Porto,
Retsekosten und Diäten der Mitglieder in Offziolsachen,
Reparaturen, Anschaffung und Instandhaltung des Inventarlum,
Apungskosten der Gefangenen,
Remuneratlon für besondere Fälle an die Subasternen u. s. w.
Art. 11.
Die nach dem Obigen angestellten Mitglieder und Subalternen der Krelsgerichte
flud den Gesexen, die an dem Siße jedes der zwei Kreisgerichte gelten, unterworfen.
gleichviel ob sie ursprünglich dem Staate angehörken, in welchem das beirefsende Kreie-
gericht selnen Sitzhat oder nicht. Sie entrichten die an dem Siße der Krelsgerichte
beslehenden öffenklichen und Communal-Abgaben und werden, so fern sie dies wünschen,
tu den Verband desjenigen Staates aufgenommen, in welchem das bezügliche Kreisgericht
seinen Siy hat.
Art. 12.
Tenstens, Ansrrüche für sich und ihre Hinterbliekenen haben dle bel den gemeln-
schastlichen Kreisgerichten ungestellten Personen nur gegen denjenigen Staat, von dessen
Regierung ihnen das Anstellungsdekret ausgestellt ist.
Art. 13.
Alle bei den gemeinschaftlichen Kreisgerichten nach Maßgabe der Sportel- und
Stempelgesetze der treffenden Staaten aufkommenden Sporteln= und Siempelgebübren,
ingleichen Strasgelder, werden an die Staatskasse desjenigen Landes abgeliefert, aus
welchem die Sache an das Kreiogericht gelangt.
Art. 14.
Die nächste Aussicht über die Kreisgerichte führt das Appellatlonsgertt im Auf-
358
trag der betreffenden Staatsreglerungen. Im Uebrigen wechselt die Inspecklon über die
Kreisgerichte in einem Turnus, der nach Maßgabe des Beltragsverhältnisses und in der
Weise festgestellt wird, daß derjenige Staat, welcher den größern Beitrag zahlt, vor dem,
welcher einen geringern Beitrag zahlt, an die Relhe kommt.
Da es jedoch im Interesse der Sache liegk, daß der hierdurch bedingte Wechsel in
der Aussicht möglichst vermieden werde, so übernlmmt die Fürüllch Schwarzburg-Sonders-
häusische Staalsregierung die Verbindlichkeit, dann, wenn eintretenden Falles die Fürstl.
Schwarzburg-Rudolstädtische oder die Großherzogl. Sächs. Stoatsregierung dieses Recht
nicht ausüben will, dasselbe im besondern Auftrag auszuüben. Auch versteht es sich, daß
die Aufsicht einer der contrahirenden Staatsregierungen über das Kreisgericht nicht auf
die demselben untergeordneten, einem der anderen Staaten angehörigen Einzelngerichte
erstreckt werden darf vielmehr steht die Ausicht über die Einzelngerichte zunächst dem
betreffenden Kreisgerichte, dann aber weiter lediglich der Regierung debjenigen Staates
zu, welchem dieselben angehören, soweit nicht etwa das Appellationsgericht in Diezipli-
narfragen als höhere Instanz concurrirt.
Art. 15.
Ueber eine gemeinsam für die Kreisgerichte einzuführende Geschäftsordnung wird
eine Vereinbarung staufinden.
Art. 16.
Für die Behandlung der bei den Kreisgerichten vorkommenden Depositen und der
Mke der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind die am Sihe des treffenden Kreiögerlchts gel-
tenden Gesetze maßgebend.
Art. 17.
Kassen= und Depositen-Defecte, sowie sonstige durch die Verschuldung der Kreisge-
richte oder einzelner Beamten deiselben verursachte Schäden werden nach dem sud lI.
festgestelten Mahstabe von den cöntrahirenden Staaten erseht. In demselben Verhaͤltnisse
gebührt den betreffeuden Staatskassen dasjenige, was etwa durch den Regreß auf den
Uheber des Schadens belgebracht wird.
Art. 18.
Was die Zahl der zur Praxis vor den gemeinschaftlichen Kreisgerichten zuzulassen-
den Advokaken anlangt, so ist Sachsen-Weimar überlassen, an den beiden Kreisgerichten
Sondershausen und Arnsiadt je zwei Advokaten enzustellen, welche jedoch nur vor dem
Kreisgericht, bei dem sie angestellt sind (nicht vor den Einzelgerichten) prakliciren dürfen,
und zwar in der Weise, daß den Weimarischen Anwälten auch in Rechtssachen, welche aus
den Fürsienthümern Schwarzburg herrühren, die Praxis gestatter ist und se umgekehrt.
35#
Hinsichtlich des bei dem Kreisgericht in Sondershausen noch besonders in Betkracht
kommenden Verhältnisses zwischen Schwarzburg-Rudolstadt und. Schwarzburg-Sonders-
hausen würd bestimmt, daß denjenigen Advokaten, welche bis zum JI. Dezember 1849
die Praxis in den beiden Fürltl. Schwarzburgischen Unterherrschaften gestattet ist, über-
lassen seln soll, sich an dem Sih des Kreisgerichts Sondershausen niederzulassen. Die
in Zukunft bei dem Kreisgericht in Sondershausen Schwarzburgischer Seits zu ernen-
nenden Anwilte soll Schwargburg= Sondershausen zu 3/, Schwarzburg-Rudolstadt zu 3/.
anstellen und über die Reihenfolge und die sonstigen Modalitäten wird eine besondere
Vereinbarung erfolgen.
Art. 19.
In Sachen, welche aus dem Fürstenthume Schwarzburg= Sondershausen an die Kreis-
gerlchte gelangen, erkennen und versügen dieselben als „Fürstlich Schwarzburg= Sonders-
hausensches Kreisgericht", in Sachen, welche aus dem Fürstenthume Schwargburg-Rudol-
stadt an dieselben gelangen, als „Fürstlich Schwarzburg-Rudolstädtisches Kreisgericht“, in
Sachen, welche aus dem Großherzogthum Sachsen an dieselben gelangen, als „Großher=
zoglich Sächsisches Kreisgerlcht.“
Art. 20.
Die Konsüituirung der gemeinschastlichen Kreisgerichte wird auf den 1. Juli 1850
lestpesept.
Art. 21.
Die Formel des Verpflichtungseides für das Personal der Krelsgerichte ist die zu
dem Konferenz-Entwurfe eines Gesetzes über den Civil-Staatsdienst als Anlage A. be-
lüglich als Anlage B. angenommene, dergestalt jedoch, daß dleselbe auf die Landesfürsten
der verbundenen Staaten zu richten sst.
Dieser die Bildung eines gemeinschaftlichen AMppellationsgerichts und gemeinschaft-
licher Kreisgerichte als ein Ganzes umfassende Vertrag ist zunächst bis zum 1. Juli 1860
gültig und gllt von 10 zu 10 Jahren als stillschweigend verlängert, wenn vor dem Ab-
lauf des zunächst vorhergegangenen Kalenderjahres (1959, 1869 u. s. f.) eine Aufkön-
digung von der einen oder der andern Seite nicht erfolgt ist.
So geschehen Weimar, den 23. März 1850. 1.
#cc. . 2c.
2) Vertrag vom 19. Nov. bezügl. 12. und 22. Dez. 1850.
Iwischen dem Grohherzoglich Sächsischen Staatsministerlum in Weimar und den
Fürstlich Schwarzburg'schen Ministerlen zu Rudolsladt und zu Sondershausen ist, unker
Vorbehalt höchster Ratisication Behufs der Erneuerung und bezüglich Abänderung des
von den Staatoregierungen des Grohherzogthumes Sachsen-Weimar, Eisenach, des Für-
stenlbumes Schwarzburg-Rudolstadt und des Fürstenthumes Schwarzburg-Sondershausen
über die Bildung eines gemeinschaftlichen Appellationsgerichtes und zweier gemeinschaft-
lichen Kreisgerichte abgeschlossenen Vertrages d. d. Weimar am 23. März 1850, Fu-
dolstadt am 9. April 1850 und Sondershausen am 15. April 1850, nachflehender Ver-
trag abgeschlossen worden.
Art. 1.
Der die Bildung eines gemeinschastlichen Appellatlous-- Gerichtes und zweter ge-
meinschaftlichen Kreisgerichte betressende Vertrag vom 23. März bezüglich vom 9. und
15. Ap#il 1850 behält zunächst auf die Dauer von weiteren 10 Jahren vom 1. Apr#
1860 an seine Gültigkeit, jedoch mit nachstehenden Abänderungen:
Art. 2.
An die Stelle der in den Art. 10, 11 und 12 A des Vertrages vom 23. März
bezüglich 9. und 15. April 1850 festgesehten Gehalte tritt folgender Besoldungs-Etat:
Es erhalten:
a. bel dem Appellatlons-Gerichte:
der Präsident.. 2200 Tohlr.
der Vice.Präsideentt 1700 „
der ersse Nattuth.. 1400 ,
der zweite Rauß.. 1300
der drilte Nath. .. 1300 „
der vierte dlalll. 1200
der fünfte Nath. ·.. ·l200«
dckskchotemalh........·1100«
dersiebcnleslth·..·....-1000
der erste Sekretär . ..-
derzweitcSkkkctäk........700
dekdkittcSkkkrkök.
*
«
T
O
O
T
·
G
O
O
X
361
der Calculator und e dnangesuhret (auch
Botenmeister) .... . . 700 Thlr.
der erste Canzlistst.. ... 400 „
der zweite Canzliiiiit 350 „
der dritte Canzliiiiit 300 „
der Dienrr 325 „
der ersie Bht 275 „
der zweite Bote . 250
b. bel der Ober. Staatsanwaltsat am v ttne
der Ober-Staatsanwallt 12300 Thrr.
der Gehülfe des Ober-Staatsanwaltees 800 „
Artl. 3.
Anlangend die Anstellung der Kimmführenden Mltglleder (Direktoren, Räthe und
Asfessoren) der gemelnschastlichen Kreisgerlchte, so bewendet es dabel, daß der Fürstlich
Schwarzburgschen Staatsregierung zu Sondershausen das Vorschlagsrecht zu den Di-
rektoren-Stellen bei den Kreisgerichten zu Sondershausen und Arnstadt ausschließlich zu-
steht. Der Fürstlich Schwarzburg-Rudolstädtschen Staatsregierung soll aber tn Zukunft
das Vorschlagsrecht zu der ersien Raths-Stelle an dem Kreisgerichte Sondershauseu bei
jeder rücksichtlich dieser Stelle eintretenden Vacanz zusiehen, während die Großherzoglich
Sächsische und die Fürstlich Schwarzburg= Sondershausensche Staatsregierung je eines
der beiden übrigen stlmmführenden Mltolleder des genannten Kreisgerichtes (des zwei-
ten Rathes und Assessors), inglelchen je eines der beiden stimmführenden Mitglieder,
welche neben dem Director bei dem Kreisgerichte Arnstadt angesteht sind, (dese Rathes
und Assessors) vorzuschlagen berechtigt sind. Rücksichtlich dieser Mitglieder steht das Vor-
schlagsrecht bei jeder neuen Anstellung derjenigen Staatsregierung zu, welche dasjenige
Mitglied, durch dessen Abgang die Vacanz entstanden isi, ernaunt bezüglich vorzuschla-
gen das Recht gehabt hatte; jedoch nimmt das neu eintretende Mitglied die unterste
Stelle in dem betreffenden Collegium ein, während das ältere Mitglied in die vacante
obere Stelle einrückt.
Die Artikel 4 und 5 B des Vertrages vom 23. März bezüglich vom 9. und 15. April
1850 sind, insoweit, als sie mit vorstehenden Bestimmungen in Widerspruch stehen, ausgehoben.
Art. 4.
An die Stelle der im Art. 8 B des Vertrags vom 23. März bezüglich vom 9.
und 15. April 1850 festgeseten Gehalte trin nachstehender Besoldungs-Eiat des Per-
sonals der beiden gemeinschaftlichen Krelsgerlchte:
362
Es erhalten:
die beiden Directoren
diestimmführenden Mitglieder (häge und atcwien
e 1200 Thlr.
je
ingleichen die beiden Staaksanwälte
die vier Sekretüuiiiiiitterr je
die drel Canzliteen iie
die belden Boten je
die beiden Gef- ärter ((ürsich und ihre Gehülfen) #ie
Art. 5.
800—1000 Tylr.
450— 600 „
300— 350 „
200 Thlr.
400 „
Die in den Artikeln 2, 3 und 4 vereinbarten Vertragsbestimmungen treten schon
vom 1. Januar 1860 an in Wirksamkeit.
Ar.. 6.
Gegenwärtiger Vertrag und der Vertrag vom 23. März bezüglich 9. und 15.|April
1850, sowest letzterer nicht durch ersteren abgeändert ist, gelten von zehen zu zehen Jah-
ren als stillschweigend verlängert, wenn nicht vor dem Ablaufe des zunächst vorherge-
gangenen Kalenderjahres (1869, 1879 u. f. w.) eine Aufkündlgung von der einen
oder andern Seite erfolgt ist.“ 2c.
So geschehen Weimar, am 19. November 1859.
Druckseblerderichtigung.
Stite 259 zweite muß es beihjen:
die Aussübrung stan zur Ausführung
und rierte Zeile
1563 stalt 1853.
363
Gesetzsammlung
für die
Fürstlich Reußischen Lande juͤngerer Linie.
No. 236.
1) GSeseh über die Orgauisation der Justiz, vom 28. April 1803.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
benstein 2c. 2c.
verordnen hierdurch in Uebereinbüimmung mit der Landesvertretung wegen künstiger Or-
hanisation der Gerichtsbehörden Folgendes:
1.
Für die Rechtspflege besiehen außer dem Geschwornengerichte fuͤr die durch die
Stasprozehordnung besttmmten Sachen und außer den Militärgerichten für die denselben
zugewiesenen Militärstrafsachen:
I. Justizämter,
II. Kreisgerichte,
III. ein Appellationsgericht,
IV. das Oberappellationsgericht.
2.
I. Justizämter.
Justizämter sollen bestehen zu Gera, s-7 Schleiz, Lobenstein und Hirschberg.
Das Justizamt zu Gera umfaßt den ur (Landrathsamtsbezirk) Gera.
4.
Das Justizamt Hohenleuben umfaßt die Ortschaften,
Hohenleuben, Göttendorf, Hirschbach, Langenwehendorf, Neuärgerniß, Nieder-
Unsgegeben den 20. Mai 1863. »
364
böhmersdorf, Pöllwitz, Triebes, Weißendorf, mit den Fluren dieser Ortschaf-
ten und den zu den Forstrevieren Neuärgeruih und Pöllwih gehörigen Grund=
stücken, insoweit sie nicht ohnehin bereits in eine Ortsflur einbezirkt sind.
5.
Das Justizamt zu Schleiz umfaht den Landestheil (Landrathsamtsbezirk) Schleiz
mit Ausnahme des dem Justizamt Hohenleuben zugewiesenen Theils.
6.
Das Justizamt zu Lobenstein umfaßt den Landestheil (Landrathsamtsbezirk) Loben-
stein-Ebersdorf (einschließlich Pöritzsch) mit Ausnahme des dem Justizamt Hirschberg zu.
gewiesenen Theils.
7.
Das Justizamt Hirschberg umfaßt:
die Stadt Hirschberg, Blintendorf, Dobareuth, Froͤssen, Gebersreuth, Goͤrih,
Göttengrün, Langgrün, Lerchenhügel, Mödlareuth, Pirk, Pottiga, Rothenacker,
Ullersreuth, Venzka, mit den Fluren dieser Ortschaften und den zu den Forst-
revieren Lerchenhügel und Hirschberg gehsrigen Grundstücken, lusoweit sie
ulSht bereits in eine Ortsflur einbezirkt sind.
8.
Die Justizämter zu Gera, Schleiz und Lobensteln zerfallen in Abtheilungen. Jeder
dieser Abtheilungen, ingleichen dem Justlzamt zu Hohenleuben und dem zu Hirschberg,
steht ein Einzelrichter vor, der zugleich die Stellung als Mitglied des Kreisgerichts, zu
dessen Sprengel der Amtsbezirk gehört, elnnimmt. Ueber die Geschäftsführung und die
gegenseitige Geschäftsbeziehung der Abtheilungen ergeht durch das Minisierium, Abthei-
lung für die Justiz, besondere Instruktion. Das nöthige Personal an Aktuaren, Kopl-
sten und Boten wird durch das Ministerlum bestimmt.
9.
II. Kreisgerichte.
Es werden zwel Kreisgerichte errichtet und zwar:
Eins in der Stadt Gera für die Bezirke der Justizämter zu Gera und zu
Hohenleuben;
Eins in der Stadt Schleiz für die Bezlrke der Justlzämter Schleiz, zu Lo-
bensiein und zu Hirschberg.
10.
Die Krelsgerichte bilden kollegialisch besetzte Gerichtsbehörden und bestehen aus
365
einem Kreisgerichtsdirector,
zwel siändigen Kreisgerichksräthen,
den Einzelrichtern des Bezirks,
und können durch Beiziehung von andern Hilfsrichtern verstärkt werden.
Für Civilsachen kann der Staalsanwalt ebenfalls zum Mitglied des Kreiogerichts
bestellt werden.
Die zeither bestandenen Kriminalgerichte zu Gera, Schleiz und Lobensteln werden
yleichwie die Justizämter in ihrem bisherigen Bestande aufgehoben.
Das erforderliche Subalternen= und Expeditionspersonal für die Kreisgerichte wird
duich die Staatsregierung bestimmt.
II. Das Appellationsgericht.
II.
Als oberes Justizcollegium bestehet künftig das Appellationsgericht zu Elsenach auf
Grund und nach Mahgabe des mit der Großherzoglich Sächsischen und den Fürstlich
Schwarzburgischen Staatsregierungen abgeschlossenen Staatsvertrags.
12.
Das Appellationsgericht zu Eisenach tritt in allen Beziehungen der Rechtspflege,
rücksichtlich deren nicht ehvas Anderes bestimmt ist, an die Stelle des Appellatlonsgerichts
zu Gera, welches Lehtere aufgehoben ist
Zu IIIl.
Allgemeine Bestimmungen über die Kompetenz der Justizämter, der Kreisgerichte
und des Appellationsgerichts.
13.
Die Zuständigkeit der Justizaͤmter, der Kreiogerichte und des Appellalionsgerichts
in Strafsachen wird durch die Strafprozeßordnung, die Kompetenz derselben und der
Instanzenzug in burgerlichen Rechtssachen wird bis zur Einführung einer Civilproceß=
ordnung durch ein besonderes Gesetz geordnet, welches zugleich über die Befugnisse und
Obliegenheit der Gerichte in Ausehung der Gegenstände der freiwilligen Gerichtsbarkeit
und des Vormundschaftowesens Bestimmung trifft.
IV. Das Oberappellationsgericht.
14.
Das Oberappellationsgerlcht zu Jena bestehet als gemeinsames oberstes Gericht sort.
53°
366
V. Die Staatsanwälte.
15
Bei jedem Kreiogerichte und zugleich für die in dessen Sprengel befindlichen Justiz-
ämter wird
ein Staatsanwalt,
bel dem Appellationsgericht
ein Oberstaatsanwalt,
und bei dem Oberappellakionsgericht da nöthig
ein Generalstaatsanwalt
angestellt, welchen nach dem Ermessen der Staatsregierung Gehilfen beigegeben werden können.
Die dienstliche Stellung der Staatsanwälte und die Funktionen derselben in Straf-
sachen ist durch die Strafprozeßordnung bestimmt.
VI. Die Anwaltschaft.
16.
Die Anwaͤlte werden vom Ministerium unter Anweisung des Wohnsihes nach Be-
dürfniß ernannt.
Dieselben können mit Genehmigung des Ministeriums zu elner Anwaltkammer zu-
sammentreten, deren Organisation und Befugnisse durch eine Advokatenordnung bestimmt
werden sollen.
VII. Das Notariat.
17
Die Ernennung der Notare, sowie die Besiimmung der Zahl und des Wohnortes
derselben bleibt dem Ministerium überlassen, es sollen aber nur Anwälte zu Notaren er-
nannt werden.
Deie Bestimmung ihrer Befugnisse bleibt der Notarlatsordnung vorbehalten. Bis
zu deren Erscheinen hat es bel den bisher darüber bestandenen Vorschriften seln Be-
wenden.
VIII. Das Ministerium.
18.
Zu dem Geschäftsbereiche des Ministeriums in Justizsachen gehören:
1) alle Gnadensachen im Geblete der Rechtspflege mit Einschluß der Volliährigkeits-
erklärungen und Ewetrennungen aus Landeherrlicher Machtvollkommenheit, sowie
Genehmigung der Annahme an Kindesstatt; 4
2) die Anordnung von Prüfungen uud die Stellenbesetzungen in diesem Gebiete,
die Ernennung der Anwälte und Notare;
367
3) die Oberaussicht uͤber alle Justizbeamte, Notare und Anwälte und zu diesem
Zwecke die Vornahme oder Anordnung von Revisionen;
4) die Anweisungen an die Staatsanwaltschaft;
5) die Landesjustizgesepgebung, sowie die Veranlassung gemelner Bescheide und Praͤ-
judizlen.
19.
Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Juli dieses Jahres in Krast. An dem-
selben Tage werden das Appellationsgerlcht in Gera, die Kriminalgerlchte zu Gera,
Schleiz und Lobenstein aufgehoben.
Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Fürstlichen
Infiegel.
Schloß Oster stein, den 28. April 1863.
(L. S.) Heinrich IXVII,
v. Harbou. Dinger. Dr. E. v. Beulwih.
2) Verordnung, die Publikation der Strafprozeß. Ordnung rcban Oebihien· Taz- und deren
Einsuͤhrnug betr. vom 28. April 1
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
herer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
enstein rt. ꝛc.
verordnen hierdurch Folgendes:
8. 1.
Die unter A. angehängte Strasprozeßordnung nebst Gehührentaxe tritt mit ertheil-
ter verfassungsmäßiger Zustimmung der Landesvertretung vom 1. Juli dieses Jahres an
in Kraft.
Ali bisherigen Bestimmungen über das Verfahren in Strassachen wegen Verbrechen
368
und Polizeivergeben sind aufgehoben, insofern nicht in dem Nachsiehenden eine Aus-
nahme gemacht lst.
8. 2.
Es bleiben neben der Strasprozeß. Ordnung in Kraft:
1) die Besiimmungen der Verfassung über die Einleitung der Untersuchung gegen
ein Mitglied des Landtags und die Verhastung eines solchen, sowie über das
Verfahren bei Anklagen wegen Verfassungsverlehung (6. 94. 8. 113 flg des
revidirten Staatsgrundgesetzes vom 14. April 1852);
alle Gesetze, Verordnungen und Instruktionen, welche in den verschiedenen Zwei-
gen der Staats-, Kirchen= und Gemeindeverwaltung, sowie des Forst-, Kamme-
ral= und Hoi#dienstes zur Aufrechthaltung der Ordnung und Disziplin, sowie
zum Besien öffentlicher Anstalten ein Strafverfahren vorschreiben;
3) die Besiimmungen über das Strafverfahren bei Verbrechen der Militärpersonen.
8. 3.
Sofern Defraudationen von Staats- oder Gemeindeabgaben, ingleichen Polizeiver-
gehen und Forst= und Feldfrevel eine Geldsirafe nach sich zlehen, soll den zuständigen
Administrativ., Polizei= und Gemeindebeamten nachyelassen sein, nach Besinden unter
vorgängiger Vernehmung des Schuldigen, dem lehtern die verfallene Strse anzufordern.
Entrichtet derselbe die Strase nicht, so ist ein Strasverfahren nur nach Mahgabe der
Strasprozeßordnung zulässig.
ei Kontraventionen gegen die Gesehe über Zölle und indirekte Steuern bewendet
es hinsichtlich der Untersuchungen und Strafrerfügungen im Verwaltungswege,
auch soviel die bei diesen Handlungen zu beobachtenden Formen anlangt, bei den bis-
bherigen Besiimmungen der Joll-= und Steuergesehe mit der Abänderung, daß auch in
den Fällen, wo es sich um bloße Ordnungsstrafen handelt, Berufung auff gerichtliches
Verfahren wie bei den Defrandations-Strafen Statt finden foll.
8. 1.
Die Strasprozepordnung tritt auch rücksichtlich der vor dem 1. Juli dieses Jahres
begangenen Verbrechen und Polizeivergehen dann in Wirksamkelt, wenn das Safver
sahren wegen eines solchen Verbrechens oder Polizeivergehens erst nach dem 30. Juni
dieses Jahres beginnt.
2
8. 5.
Die vor dem 1. Juli dieses Jahres begonnenen Untersuchungen sind nach dem äl-
jern Strafverfahren zu Ende zu bringen.
Ueber die Kompetenz der Behörden in derglelchen Untersuchungen gelten die nach-
stehenden Besiimmungen.
369
I.
Die Umersuchung wegen Uebertretungen (Strafprozeßordnung Art. 2. unter
III.) sind von den Einzelrichtern zu Ende zu führen und zu entscheiden.
Die Appellation gegen die Entscheidung des Einzelrichters geht an das be-
treffende Kreisgericht.
Gegen die Enischeidung des Kreisgerlchts ist eine weitere Appellation nicht
zulässig.
II.
Die Untersuchungen wegen Verbrechen im engeren Sinne und wegen Ver-
gehen (Strafprozeßordnung Art. 2. unter I. und II.) sind von den Krelsgerichten
durch eines ihrer Mitglieder zu Ende zu führen Das Straferkennimiß ist von
dem betreffenden Kreisgericht zu fällen.
Die Appellation gebt bei einer Verurtheilung zu einer höhern Strafe als zu
sechs Monaten. Arbeitshaus an das Oberappellakionsgericht, welches dann auch
rücksichtlich der geringern, in derselben Untersuchung ausgesprochenen Strafen, ge-
gen welche Berufung eingewendel worden, zu erkennen hat.
In allen andern Fällen geht die Appellation an das Appellatlonsgericht.
Gegen die Entscheidungen des Oberappellationsgerichts bezügl. des Appella-
tionsgerichts ist eine weitere Berufung nicht zulässig.
8. 6.
Die Wiederaufnahme einer nach dem ältern Recht durch. ein freisprechendes Er-
kenntniß erledigten oder durch gerichtlichen Beschluß zuruͤckgelegten Untersuchung kann
von dem 1. Juli dieses Jahred an nur nach den Vorscheiften der Strafprozeßordnung
Statt finden.
8. 7.
Far den Fall, daß in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember dieses Jahres die
Abhaltung eines Schwurgerichts nothwendig werden sollte, bleiben weitere Bestimmungen
über die Wahl der Geschwornen für die gedachle Zeit vorbehalten.
Urkundlich unter Unserer eigenhändigen Namensunterschrift und belgefügtem Lau-
desherrlichen Insiegel.
Schloß Osterstein, den 28. April 1867.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbou. Dinger. Dr. E. v. Beulwig#.
370
A.
1) Strafprozeßordnung.
Erstes Kapitel.
Allgemeine Bestimmungen.
Art. 1. Eine Bestrafung wegen Verbrechen und Polizel-Vergehen kann nur nach
vorgängigem Strafrerfahren in Gemähheit der gegenwärtigen Strafprozeßordnung eintreten.
Art. 2. Die Verbrechen werden in Rücksicht auf das Strafverfahren Iin Ver-
brechen im engeren Sinne, in Vergehen und in Uebertretungen eingetheilt.
I. Verbrechen im engeren Sinne lind:
1) Alle Verbrechen, welche der Todesstrafe oder einem Strassatze von Zuchthaus
unterliegen, gleichviel, ob Zuchthaus allein, oder in Verbindung mit anderen
Freiheitsstrafen angedroht ist, jedoch mit Ausnahme der in dem Artikel 221
des Strafgesetzbuches aufgeführten ausgezeichneten Diebstähle in einem Betrage
von Funfzig Thaler und weniger;
2) alle Verbrechen, welche nach einem Strafsate zu beurtheilen sind, der über
vierjährige Arbeitshausstrase hinausgeht, jedoch mit Ausnahme der in den
Artikeln 216 Nr. 4, 222, 223, 224 und 228 des Strafgesepbuches ange-
lührten Diebstähle;
3) die unter Artikel 197 Ziffer 1 und unter Artikel 199 des Strafgesehbuches
fallenden Verbrechen, das Lehtere indessen nur, soweit es sich auf Artikel 197
Ziffer 1 begzieht.
II. Alle nicht zu den Verbrechen im engeren Sinne gehörlge Verbrechen, insbeson-
dere auch alle mit Geldstrafen allein bedrohten, sind Vergehen, sofern sie nicht
zu den Uebertretungen zu rechnen sind.
III. Uebertretungen sind:
1) Alle Verbrechen, welche nach einem Strassatze von höchstens sechs Wochen Ge-
sängniß allein oder wahlweise mit verhältnihmähiger Geldstrafe zu bestrafen sind;
2) Ehrenkränkungen unter den in dem Artikel 370 dieses Gesehes bestimmten
Einschränkungen;
3) der Verwandtendiebstabl und die Entwendung von Lebensmitteln (Artikel 229
Absatz 1 und Artikel 230 des Strafgesehbuches), die Entwendung von Früch-
ten und andern Garten- und Felderzeugnissen verbunden mit dem un-
mittelbaren Genusse, sowie die in den Arlikeln 234 und 237 des Straf-
371
gesehbuches bezeichneten Veruntrauungen und betrügerischen Handlungen, inso-
fern alle diese Verbrechen nicht sonst nach den Artlkeln 218—226, 233, 240
und 211 ausgezeichnete sind und der Belrag ihres Gegenstandes fünf Thaler
nicht übersteigt;
4) die in dem Artikel 256 des Strasgesetzbuches erwähnten Fälschungen;
5) Defraudationen von Wege= und Gemeinde-Abgaben;
6) alle Polizei-Vergeben.
Die Zuständigkeit der Strafgerichte rücksichtlich der Beeinträchtigung der Regallen,
der Stener- und Zoll-Kontraventionen, sowice anderer Defraudationen öffentlicher Abga-
ben richtet sich, vorbehältlich der Besiimmung unter III. Zisser 5 nach den Kompetenz-
Vorschriften bei Verbrechen.
Sofern nach dem Vorsiehenden Strafsätze entscheidend sind, kommt es nicht auf die
für den vorliegenden Fall selbsi zu erkennende Strafe, sondern auf den gesehlichen Straf-
saß an, dem das einzelne in Frage stehende Verbrechen, oder auch mehrere ihrem Betrage
nach zusammen zu rechnende Verbrechen, unterliegen. Dabei soll die Möglichkeit, daß
wegen Rückfalles der höchste geseyliche Strassah überschritten werden oder wegen Milde-
rungsgründen unter den niedrigsten geseplichen Strassatz heruntergegangen werden kann,
nicht berücksichtigt werden; ausgenommen den Nückfall in denjenigen Fällen, wo in dem
besonderen Theile des Strafgesetztuches seinetwegen ein besonderer Strafsay aufgestellt ist.
Sind bei der gleichen Theilnahme an einem Verbrechen für die einzelnen Thell-
nehmer verschiedene gesetzliche Strassäye aufgestellt, so ist der höhere Strassah für die
Stellung des ganzen Verbrechens rücklichtlich aller glelchen Theilnehmer entscheldend,
auch wenn der nach dem höheren Strafsatze zu Bestrafende nicht mit in der Untersuchung
begriffen ist.
Der Versuch, ungleiche Theilnahme und die Vegünstigung richten sich nach dem
Hauptverbrechen, gleichviel ob der Haupwerbrecher mit in der Untersuchung begriffen ist
oder nicht.
Art. 3. Das Smafverfahren zerfällt in die Voruntersuchung und Hauptverhand-
ung.
Die Voruntersuchung hat die Existenz und Natur des Verbrechens, sowie die Per-
son des Thäters und die zu seiner Ueberführung dlenenden Beweiemittel soweit zu er-
forschen, daß ennveder elne Anklage begründet und die Hauptverhandlung vorbereltet,
oder der Ausspruch herbeigeführt wird, daß ein Grund zu welterer gerichtlicher Vorfol-
gung nicht vorliege.
Bei Vergehen genügen die von der Staatsanwaltschaft durch Einzelrichter oder durch
Polizel-Beamte veranlaßten Ermittelungen zur Vorbereitung der Haupwerhandlung, und
54
372
es kann auf dem Grunde solcher Ermittelungen die sofortige Erhebung der Anklage er-
folgen, ohne daß es einer vorgängigen Vorlegung der aufgenommenen Verhandlungen
an den Untersuchungorichter bedarf.
Ist der Angeschuldigte lu den Anklagestand verseyt, so wird zur Hauptverhandlung
vor dem erkennenden Richter geschritten, welche mit einem verurtheilenden oder freispre-
chenden Erkenntnisse schließt.
Bei Uebertretungen wird die Voruntersuchung und Hauptverhandlung vereinigt.
Art. 4. Die Voruntersuchung wird auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder
eines Privat-Anklägers, die Hauptverhandlung nur auf förmliche Anklage durch einen
Staatsanwalt oder einen Privat-Ankläger eingeleltet.
Regelmäßig werden alle Verbrechen durch die Staatsanwaltschaft von Amtswegen
verfolgt. Ausgenommen sind diejenigen Verbrechen, welche nach Vorschrift der Strafge-
setze nur auf Antrag eines Betbeiligten untersucht und bestraft werden sollen. Bei die-
sen Verbrechen tritt dle Staatsanwaltschaft nur, wenn der Betheiligte einen Antrag ge-
siellt hat, in Wirksamkeit, oder der Betheiligte selbst verfolgt das Verbrechen als Privat-
Ankläger.
Unter dem Betheiligten sind in dem gegenwärtigen Gesetze immer sowohl die un-
mittelbar, als die mittelbar Betheiligten und die Diensi= oder Aussichts-Behörden, welche
zu einem Antrage berechtigt sind, zu verstehen.
Art. 5. Das Strasverfahren ist mündlich und mit Niederschristen verbunden. Die
Voruntersuchung ist nicht öffentlich; die Hauptverhandlung ist regelmähig öffentlich. Bei
Verbrechen im engeren Sinne geschieht die Hauptverhandlung vor Geschwornen.
Art. 6. Alle in dem Strafverfahren thätige Behörden haben mit gleicher Sorg-
falt die zur Ueberführung und die zur Vertheidigung des Angeschuldigten dienenden Um-
stände zu berücksichtigen.
Art. 7. Privatrechtliche Ansprüche aus Verbrechen sind auf Antrag des Beschä-
digten im Strafverfahren mit zu erledigen, wenn nicht die Nothwendigkeit weiterer Aus-
führung eine Verweisung derselben vor die Civil-Gerichte angemessen erscheinen läßt.
Art. 8. Fristen, welche in dem gegenwärtigen Gesee geordnet sind und von ei-
nem bestimmten Tage an vorwärts oder rückwärts bestimmt sind, werden so berechnet,
daß jener Tag nicht mitgezählt wird; auch sind die für den Angeschuldigten oder An-
geklagten, für dessen Vertheidiger, für Betheiligte bei der Untersuchung und für den
Staatsanwalt gesetzten Fristen ausschließend und können nicht verlängert werden; vor-
behältlich jedoch der weiter unten folgenden abweichenden Bestimmungen in einzelnen
Fällen.
373
Zweites Kapitel.
Von den Gerichtsbehörden in Strafsachen.
I. Einzelrichter.
Art. 9. Die Untersuchung und Bestrafung der Uebertretungen gehört vor Ein-
zelrichter.
I. Kreisgerichte.
Art. 10. Kreisgerichte entscheiden bei Ueberiretungen in höherer Instanz über
den Einzelrichtern. Sie führen bei Vergehen und bei Verbrechen im engeren Sinne
die Voruntersuchung. Bei Vergehen wird die Hauptverhandlung vor ihnen vorgenom-
men und sie entscheiden über dieselben in erster Instanz.
Art. 11. Ein Krelsgericht besteht aus dem Kreisrichter, als Vorsigendem, und
aus Gerichtsräthen oder Assessoren. Die Einzelrichter in dem Sprengel des Kreisge-
richtes haben zugleich die Stellung als Mitglieder des Kreisgerichtes und können als
solche verwendet werden.
Als Gerichts-Assessoren können zur Vervollständigung des Gerlchtes in einzelnen
Fällen Ergänzungsrichter gebraucht werden, welche aus den zum Richteramte befähigten
Personen und den angestellten Sachwaltern zu nehmen sind. Die Justiz-Ministerien ha-
ben nach gutachtlichem Vorschlage der Appellations-Gerichte zu diesem Behufe geeignete
Personen auszuwählen, welche als Ergänzungsrichter mittelst des Richtereides zu ver-
pflichten sind. Der Kreiorichter zieht sodann erforderlichen Falles bei einzelnen Verhand-
lungen einen oder mehre Ergänzungsrichter, welche sich in dem Sprengel des Kreisge-
richtes aufhalten, zu. Er hat sich dabei zunächst an die Ergänzungsrichter am Orte,
wo das Gericht seinen Sip hat, zu halten.
Das Amt eines Ergänzungsrichters kann von einem Sachwalter ulcht ohne tristige
Abhallungsgründe ausgeschlagen werden.
Art. 12. Ein Mitglied des Kreisgerichtes wird als Untersuchungerichter bestellr
und führt in dieser Eigenschaft die vor das Kreisgericht gehörigen Voruntersuchungen
(Auikel 10), unter Theilnahme des Kreisgerichtes in der weiter unten geordneten Maße.
Nach Befinden können bei einem Kreiogerichte mehre Mitglieder zu Untersuchungs-
richtern bestellt werden. Auch können andere Mitglieder für einzelne Voruntersuchungen
als Untersuchungorichter verwendet werden; insbesondere köngen den zu dem Kreisgerichte
gehörigen Einzelrichtern Voruntersuchungen, welche in ihre besonderen Gerichksbezirke fal-
len, übertragen werden.
54
374
Als Untersuchungsrichter können auch andere zum Richteramte befähigte Personen
bestellt werden.
Art. 13 Das Kreisgericht beschließt und entscheidet als Kollegium durch drei Per-
sonen, bei allen öffentlichen Verhandlungen vor demselben mindestens durch drei Personen.
Vor dem in letzterer Weise beseyten Gerichte ist namentlich die Hauptverhandlung
bei Vergehen abzuhalten.
Einzelrichter und Untersuchungorichter können in den von ihnen gefübrten Unter-
luchungen nicht als Mitglieder des Kollegiums thätig sein; eben so wenig Ergänzungs-
richter in Sachen, worin sie als Sachwalter betheiligt gewesen sind.
Die Ausschließung der Einzelrichter und Untersuchungsrichter von der Thätigkeit als
Mltglieder des Kolleglums beschränkt sich auf die richterliche Mitwirkung in der Haupt-
verhandlung.
III. Appellations-Gerichte.
Art. 14. Appellations-Gerichte entscheiden in höherer Instanz über den Kreioge-
richten, in der Regel in einer Sihung, welche durch wenigsiens fünf Mitglieder gebildet
wird, und ausnahmsweise in der aus drei Mitgliedern bestehenden Anklagekaumer.
. Geschwornengerichte.
Art. 15. Die Hauptverhandlung bei Verbrechen im engeren Sinne wird vor den
Geschwornengerichten vorgenommen, welche aus einem Gerichtshofe und aus Geschwornen
bestehen. Die Urtheilungsfällung geschteht durch den Gerichtshof nach vorgängigem Aus-
spruche der Geschwornen in der unten näher geordneten Weise. #
Art. 16. Jeder Sprengel eines Appellations-Gerichtes enthält einen oder mehrere
Geschwornenbezirke und jeder solcher Bezirk regelmäßig mehrere kreisgerichtliche Sprengel.
Das Appellations-Gericht bestimmt nach Anhörung des Ober-Staatsanwaltes die
Zeit und den Ort des Zusammentrittes der Geschwornengerichte in den einzelnen Ge-
schwornenbezirken; es müssen jedoch in jedem Geschwornenbezirke jährlich mindesiens zwei
Geschwornengerichte abgehalten werden.
Art. 17. Die Geschwornengerichte werden an dem im Geschwornenbezirke dazu
bestimmten Orte, welcher der Sitz eines Kreisgerichtes sein soll, gehalten, vorbehältlich
der Bestimmung eines anderen Ortes in auherordentlichen Fällen durch den Präsidenten
des Appellations-Gerlchtes.
Der Lettere hat spätestens vierzehn Tage vor dem Beginne eines Geschwornenge-
tichtes den Zusammentritt desselben durch Anschlag an dem Gerichtsbrete sämmtlicher zu
dem Geschwornenbezirke gehöriger Kreisgerichte und in geeigneten öffentlichen Blättern
bekannt zu machen.
Art. 18. Ein Geschwornengericht soll in der Regel nicht länger als drei Wochen
beisammen bleiben und sich innerhalb dieser Zeit mit denjenigen Sachen beschaͤftigen,
welche aus selnem Geschwornenbezirke vierzehn Tage vor Eröffnung des Gerichtes an
den Präsidenten des Geschwornengerichtes abgegeben worden sind.
Ueber die Zulassung der später noch abgegebenen Sachen beftudet der Präsident des
Geschwornengerichtes im Einverständnisse mit dem Ober-Staatzanwalte; bei einer Mei-
nungsverschiedenheit entscheidet das Appellations-Gericht.
Art. 19. Können die an ein Geschwornengerlcht abgegebenen Sachen nicht sämmt,
lich bei demselben erledigt werden, oder sind Sachen zur Abgabe an das Geschwornen-
gericht reis, der Zusammenkritt des lehteren ist aber erst nach sechs Wochen zu gewärll.
gen, so kann das Appellations-Gericht diese Sachen zu schnellerer Beförderung vor ein
auherordentliches Geschwornengerlcht vder auch unter Zustimmung des Angeklagten vor
ein Geschwornengericht eines andern seiner Geschwornenbezirke verweisen.
Das Appellations-Gericht hat vor der Beschlußfassung den Ober-Staatsanwalt mit
seinen Anträgen zu hören.
1) Der Gerichtshof.
Art. 20. Der Gerichtshof des Geschwornengerlchtes besteht aus einem Präsidenten
und vier Beisitzern.
Der Präsident des Appellations-Gerichtes wählt den Präsidenten des Gerichtshofes
aus den Mitgliedern des Appellations-Gerichtes; er kann auch unter Genehmigung des
Justiz-Ministeriums einen anderen richterlichen Beamten zum Präsidenten wählen. Die
Wahl ist in der Art. 17 gedachten Bekanntmachung mit bekannt zu machen.
Zu Beisitern ernennt der Präsident des Appellations-Gerichtes Mitglieder dleses
Gerichtes oder eines Kreisgerichtes mit Einschluß der Ergänzungsrichter. Wer in einer
Sache Untersuchungsrichker gewesen ist, kann nicht für dieselbe Beisiter sein.
Der Präsident bestimmt auch den dem Gerichtshofe beizugebenden Gerichtsschreiber
oder Protokollführer.
Art. 21. Der Präsident des Gerlchtshofes erläßt die Ladungen an die Geschwor-
nen (Art. 33) und an die Betheiligten bei den Untersuchungen, welche vor dem Ge-
schwornengerichte verhandelt werden sollen (Artikel 216). Er ordnet die Herbeischaffung
der Beweisstücke und sonst alles für die Haltung des Gerichtes Erforderliche an. Er
bestimmt die Reihenfolge der einzelnen Hauptverhandlungen und macht sie vor dem Be-
ginne des Geschwornengerichtes durch Anschlag in dessen Sipungssaal bekannt.
Art. 22. Der Präsident des Gerichtshofes ist befugt, die Leltung der Hauptver-
bandlung in einzelnen Untersuchungen einem Beisizer an seiner Sielle zu übertragen.
376
Bei Verhinderungen einzelner Beisiper ist er berechtigt, an deren Sielle Ersatzrich-
ter beizuziehen, welche er aus den Mitgliedern eines Kreisgerichtes zu nehmen hat.
Bei Hauptverhandlungen, welche voraussichtlich längere Zeit dauern werden, kann
der Präsident vorsorglich zu den vier Beisiyern einen oder mehre Ersagzrichter binzuneh-
men, damit diese in Verhinderungsfällen sofort ergänzend eintreten.
Ist er selbst in der Lage, sein Amt nicht verwalten zu können, so tritt derjeuige
Beisiyer des Gerichtshofes welcher zugleich Mitglied des Axpellations-Gerichtes ist und,
wenn mehre Mitglieder dieses Gerichtes Beisiper sind, der älteste derselben an seine Stelle
und es ist im Uebrigen der Gerichtshof durch einen Ersatzrichter zu ergänzen. Ist kei-
ner der Beisiper zugleich Mitglied des Appellarionsgerichtes so hat der Kreisrichter des
Kreisgerichtes, an dessen Ort das Geschwornengericht gehalten wird, den Vorsiy im Ge-
richtshofe zu übernehmen.
2) Die Geschwornen.
Art. 23. Das Ehrenamt eines Geschwornen im Allgemeinen kann jeder Staats-
bürger männlichen Geschlechts bekleiden, welcher das dreißigste Jahr zurückgelegt und
wenigstens ein Jahr lang seinen Wohnsig in derjenigen Gemeinde gehabt hat, auf de-
ren Urliste (Art. 26) er kommen soll. Ausgenommen sind nur:
9 die verantwortlichen Mitglieder des Staats-Ministeriums und Volksvertreter, so-
lange sie dieses sind;
) Richter, Protokoll- Führer bei Gerichtsbehörden, Mitglieder der Staatsanwalt=
schaft, Gensdarmen und Polizel-Diener, so lange sie in dieser Stellung sind;
3) die Geistlichen aller Kirchen= und Religions-Gesellschaften;
4) die im aktiven Dienste stehenden Militär-Personen;
5) die Volksschullehrer;
6) die Dienstboten;
7) Personen, die unter einer Zustandsvormundschaft stehen;
8) diejenigen, welche wegen körperlicher oder geisliger Gebrechen zu Geschwornen
untauglich sind;
9) Personen, welche nicht schreiben oder lesen können;
10) diesenigen, welche mit Zuchthaus, oder wegen eines die öffentliche Achtung ent-
ziehenden Verbrechens, insbesondere wegen Diebstahls, Veruntreuung, betrügerischer
Handlungen, Verletzung der Sittlichkeit, Meineide, leichtsinnigen Eides, Be-
stechung oder Mißbrauches des öffentlichen Vertrauens bestraft sind, oder desbalb
unter Anklage stehen.
Ar#. 24. Für eine einzelne Sache sind zu dem Amte eines Geschwornen unfähig:
1) diejenigen, welche in der Sache als Richter unfähig sein würden (Arl. 65 f);
—
*□½R
377
2) diejenigen, welche aus der Handlung, welche Gegenstand der Untersuchung ini,
ein Privat-Interesse für sich herleiten können;
3) dicjenigen, welche in der Sache als Protokoll-Führer, Polizei-Beamte oder Ur-
kundspersonen thätig waren, oder als Anzeiger, Ankläger, sowie als Auwälte
aufgetreten sind, oder als Zeugen oder Sachverständige abgehört wurden oder
noch abgehört werden sollen.
Art. 25. Zur Ablehnung des Amtes eines Geschwornen sind berechtigt:
1) diejenigen, welche das sechszichste Lebensjahr zurückgelegt haben;
2) diesenigen, welche durch ein Zeuguiß ihres Gemeindevorstandes nachweisen, daß
sie den mit dem Amte eines Geschwornen verbundenen Aufwand aus eigenen
Mitteln zu tragen außer Stande sind;
diejenigen, welche Haupt= oder Ergänzungs-Geschworne (Artlkel 30 und 32) ge-
wesen sind; die ersteren für ein Jahr und die lehteren für drei Monate von dem
*& des Geschwornengerichtes an, bei welchem sie als Geschworne zugegen
—i
S
ware
4) ammibe und Aerzte;
5) Hof-, Staats= und Gemeinde-Beamte. welche durch ein Zeugniß ihrer vorgesen ·
ten Behoͤrde ihre Unentbehrlichkeit im Dienste bescheinigen.
Jede Ablehnung von Seiten aller dieser Personen muß wenigstens drei Tage vor
dem Beginne der Sipung eines Geschwornengerichies dem Präsidenten des Gerichtshofes
angezeigt werden.
Die Ablehnungsgründe unter 1, 2 und 4 können auch dem Einzelrichter vor Auf-
nahme der Jahresliste (Art. 28) angezeigt werden, worauf der die Jahreoliste anferti.
gende Ausschuß den Ablehnungsgrund zu prüfen und im Falle der Billigung desselben
den Ablehnenden nicht auf die Jahresliste zu bringen hat.
Art. 26. In, jeder einzelnen Gemeinde wird durch den Gemeindevorstand eine
Urliste aller nach Art. 23 zu dem Amte eines Geschwornen fähigen Personen der ein-
delnen Gemeindebezirke gefertigt und im Monat August eines jeden Jahres berlchtigt,
indem die inzwischen abgegangenen Personen gestrichen und die inzwischen hinzugekom-
menen Personen hinzugefügt werden. Die einzelnen Personen sind mit ihren Vornamen
und Zunamen unter Angabe tibres Standes und Gewerbes aufzuführen.
Diese Urlisten mit den alljährlichen Abgängen und Zugängen, sind an öfentlichem
Orte mit der Aufforderung acht Tage lang auszuhängen oder aufzulegen, daß jeder,
welcher Einwendungen dagegen machen und begründen zu können glaube, dieselben bin-
nen diesen acht Tagen vorbringe und begründe. Glelchzeitig mit der Aushängung ist
öffentlich bekannt zu machen, daß und wo diese Aushängung geschehen. Die achttägige
378
Frisi ist ausschließend. Die Einwendungen können schristlich oder mündlich bei dem
Vorsitenden des Gemeindevorstands, welcher im letzteren Falle eine Niederschrift deshalb
zu fertigen hat, vorgebracht werden.
Die Urlisten, sodann alljährlich die jährlichen Abgänge und Zugänge, nebst den et-
wa eingekommenen Einwendungen sind an den Einzelrichter abzugeben, welcher über die
Einwendungen zu entscheiden hat. Hiergegen ist binnen zehntägiger Nothfrist noch ein
Rekurs an das Kreisgericht zulässig, bei dessen weiterer Entscheidung es jeden Falleo
verbleibt. Das Verfahren über die Einwendungen ist kostenfrei.
Die Abgabe der jährlichen Abgänge und Zugänge und Einwendungen an den Ein-
zelrichter muß längsiens bis zum ersten September jeden Jahres erfolgen, und die Ent-
scheidungen über die Einwendungen sind dergestalt zu beschleunigen, daß die in dem fol-
genden Artikel geordnete Frist eingehalten werden kann.
Art. 27. Ans den bei ihm eingegangenen Urlisten der einzelnen Gemeinden sei-
nes Bezirkes hat der Einzelrichter eine Urlise seines ganzen Bezirkes in der Weise zu
fertigen, daß er die Listen der Gemeinden in alphaberischer Ordnung der Gemeinden au-
einander reiht und in jeder einzelnen Gemeindeliste die zum Geschwornenamte fähigen
Personen wieder in alphabetischer Ordnung aufföhrt.
Die Bezirksurliste ist von dem Einzelrichter so einzurichten, daß die alljährlichen
Zugänge in derselben nachgetragen werden können. Die alljährliche Berichtigung der
Liste muß bis zum ersten Oktober eines jeden Jahres bewirkt werden.
Art. 28. Aus den Bezirksurlisten wird alljährlich eine Jahresliste durch Auswahl
gebildet. Die Wahl wird von einem Ausschusse vorgenommen.
Der Ausschuß besteht aus dem Einzelrichter, welcher den Vorsih führt, und aus acht
Mitgliedern aus den Gemeindebehörden (Gemeindevorsiänden und Gemeinderäthe) der
zum Bezirke des Einzelrichters gehörigen Stadt, und Land-Gemeinden, wozu noch zwei
Ersatzmänner für Verhinderungssälle kommen.
Ist der Einzelrichter bloß über eine Stadtgemeinde gesetzt, so werden die acht Aus-
schußmitglieder und zwei Ersahmänner aus der Mitte des Gemeindevorstands und des
Gemeinderaths durch diese Kollegien zusammengenommen gewählt.
Ist er blos über Landgemeinden geseht, so wählen die Gemeindebehörden der acht
volkreichsten Gemelnden die acht Ausschußmitglieder und zwar die elnes jeden Oits elne
Person aus ihrer Mi#te. Die Gemelndebehörden der zwei nächst volkkelchsten Gemeinden
wählen die Ersaymänner aus ihrer Mitte.
Gehören Stadt= und Land-Gemeinden zu dem Bezirke des Einzelrichters, so sind
die acht Ausschußmitglieder nach Verhältniß der Seelenzahl zwischen beiden Galtungen
der Gemeinden zu vertheilen. Die Städte wählen die auf sie kommenden Ausschuhmit-
glieder und einen Ersahmann in der vorbemerkten Weise, und die auf die Landgemein-
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den kommenden, nebst einem Ersatzmanne, werden, soviel ihrer sind, von eben sovilel Land-
hemeinden, welche die volkreichsten ünd, gleichfalls in der vergeordneten Weise gewählt.
In den Ortschaften, in welchen ein Gemeinderath nicht besteht, ist von der Gemeinde-
versammlung zu dem Zweck der Wahlen eine Kommission von sechs Mitgliedern nach den
Vorschriften der Gemeindeordnung über die Wahl der Gemeinderäthe zu ernennen.
In dem Bezirk Hohenleuben haben die Gemeindebehörden der drei volkreichsten Ge-
meinden je zwei Mitglieder des Ausschusses, diejenigen der zwei volkreichsten die zwel Er-
sahmänner und die der übrigen Gemeinden zusammen zwei Mitglieder des Ausschusses
zu wählen.
Die Wahlen zu dem Ausschusse sind alljährlich im Monat August vorzunehmen und
bis zum 1. September dem Einzelrichter anzuzeigen.
Art. 29. Jeder Ausschuß bildet die Jahresliste aus der Bezirksurliste in der Weise,
daß er nach Stimmenmehrheit, und bei Stimmengleichbeit unter entscheidender Stlmme
des vorsipenden Einzelrichters, auf je 500 Seelen seines Bezirkes einen Geschwornen aus
den auf der Bezirkourliste stehenden Personen auswählt. Wenn nach Theilung der See-
lenzahl des Ausschußbezirkes mit 500 ein Ueberschuß von mehr als 250 Seelen bleibt,
so wird hierauf noch ein Geschworner mehr ernannt
Die Ausschüsse haben aus ihren Bezirkourlisten solche Personen zu Geschwornen
auszuwählen und auf ihre Jahresliste zu bringen, welche durch Unabhängigkeit, durch
Selbstständigkeit ihres Charakters, durch Ruhe und Besonnenheit und durch ehrenhaste
Gesinnung die Achtung und das Vertrauen ihrer Mitbürger erworben haben.
Art. 30. Der Ausschuß desjenigen Ortes, an welchem die Geschwornengerichte
regelmäßig gehalten werden (Art. 17), soll außer der Jahresliste noch alljährlich eine be-
sondere Ergänzungsliste bilden und auf dieselbe noch zwölf Ergänzungsgeschworne brin-
gen, die er auf dieselbe Weise, wie in dem vorigen Artikel geordnet, auswählt. Er hat
dabel vorzugsweise auf Personen, welche an dem angegebenen Orte selbst wohnhaft sind,
zu sehen.
Wird ausnahmsweise ein Geschworneng richt an elnem anderen Orte gehalten, so
hat der Präsident des Appellations. Gerichtes die Bildung einer Ergänzungsliste durch
den Ausschuß desjenigen Bezirkes, zu welchem der. Ort gehört, noch besonders unzuordnen.
Art. 31. Dile Jahrcslisten und Ergänzungsliste tind von fämmtlichen Ausschußmit-
gliedern zu unterschreiten und von den Ausschüssen bis zum 1. November jeden Jahres
an das zustäudige Appellations-Gericht einzusenden.
Das letztere hat hierauf in der ersten Hälfte des Novembers eine Jahresliste für
jeden ganzen Geschwornenbezirk dergestall aufzustellen, daß darin bie auf den Jahres-
listen der einzeinen Aueschußbezirke verzeichneten Pexspnen in alphabetischer Ordnung
55
380
unter forklaufenden Nummern verzeichnet werden. Beglaubigte Abschriften dieser Jahres-
liste sind den sämmtlichen Kreisgerichten des Geschwornenbezirkes zuzufertigen und von
diesen Gerichten noch vor Ablauf des Monats November auszuhändigen; daß dieses ge-
schehen, ist von diesen Gerichten gleichzeitig öffentlich bekannt zu machen.
Die auf der Ergänzungsliste verzeichneten Personen flud in die Jahreslisie nicht
aufzunehmen. Die Ergänzungslisie ist jedoch den Kreisgerichten, in derselben Weise wie
die Jahresliste, zuzufertigen und von den lehzteren auszuhändigen.
Art. 32. Die Hauptgeschwornen für das einzelne Geschwornengericht werden in
folgender Weise bestimmt:
Wenigstens vierzehn Tage vor dem Beginne eines Geschwornengerlchtes loof't das
Appellations-Gericht im Beisein des Ober-Staatsanwaltes zwei und siebenzig Namen
von den auf der Jahresliste des Geschwornenbezirkes verzeichneten Personen aus. Zu
diesem Zwecke werden so viele Nummern, als Personen auf der Jahresliste stehen, in eine
Urne gethan und davon zwei und siebenzlg durch den Präsidenten des Appellations-Ge-
richtes herausgezogen. Von den unter diesen Nummern auf der Jahresliste stehenden
Personen wählt der Präsident des Appellalions-Gerlchtes nach seinem Ermessen sechs und
dreißlg aus, welche die Hauptgeschwornen des einzelnen Geschwornengerichtes sind.
Art. 33. Die sechs und dreißig Hauptgeschwornen sind unter Angabe des Ortes,
des Tages und der Stunde des Begiunes der Sihung und unter Hinweisung auf die
gesehlichen Nachtheile des Außenbleibens (Art. 31) von dem Präsidenten des Gerichts-
bosed so vorzuloden, daß die Ladung acht Tage vor dem Beginne der Sigtzung in ihren
Händen ist.
Die zwölf Ergänzungsgeschwornen (Art. 30) sind in gleicher Weise von der auf
sie getrofsenen Wahl zu benachrichtigen und auszufordern, sich während der Sipung ein-
heimisch zu halten, so dabh sie leicht herbeigeholt werden können.
Die Lisie der Hauptgeschwornen und der Ergänzungsgeschwornen ist den Angeklag-
ten, welche vor dem Geschwornengerichte zu erscheinen haben, spitestens am dritten Tage
vor der sie betreffenden Haupwerhandlung auf Anordnung des Präsidenten des Gerichts-
hofes mitzutheilen.
Art. 34. Geschworne, welche nicht der an sie ergangenen Ladung gemäß erschei-
nen, oder sich vor Beendigung ihrer Amtsverrichtungen ohne Erlaubniß des Gerichts-
hofes, welche nur aus besondern Gründen zu ertheilen ist, entfernen, sind ohne weiteres
Verfahren von dem Gerichtshofe in eine Geldstrafe von funfzig Thalern, bei dem ersten
Rückfalle von hundert Thalern und bei dem zweiten Rückfalle von hundert und funfzig
Thalern, wobei zugleich auf Verlust des Rechtes, das Amt eines Geschwomen bekleiden
zu können, und auf öffentliche Bekanntmachung der Cutscheldung zu erkennen ist, zu
381
verurtheilen. Die Entscheldung ist dem Geschwornen abschristlich müzutheilen. Ein An-
trag auf Aufhebung der Bestrafung ist unter den im Art. 226 enthaltenen Vorausseh=
ungen in der daselbst geordneten Weise zulässig.
Ueber die Entschuldigungsgründe dersenigen Geschwornen, welche ausgeblieben sind,
oder welche Entlassungs= oder Beurlaubungs-Gesuche vorbringen, beschließt der Gerichts-
bof nach Anhörung der Staatsanwaltschast und macht die Entscheidung in öffentlicher
Sihung bekannt. «
Ueber solche Entlassungs- und Beurlaubungs-Gesuche, auf welche noch vor Eroͤff-
nung des Geschwornengerichtes Bescheid ertheilt werden kann, ist sogleich von dem Ap-
bellations-Gerichte nach Gehör des Ober--Staatsanwaltes zu entschelden; es sind jedoch
auch in diesem Falle die Gesuche und Entscheidungen mit ihren Gründen bei Eröffnung
des Geschwornengerichtes in öffentlicher Sitzung bekannt zu machen.
Art. 35. Die Geschwornen erhalten, außer elner Reiseentschädigung von einem
Thaler für die Melle der Hin= und Rück-Reise zusammengenommen, keine weltere Ver-
gütung. Entfernungen über eine halbe Meile werden als eine volle Meile, geringere
Entsernungen gar nicht gerechnet.
V. Ober-Appellations-Gericht.
Art. 36. Das Ober-Appellakions-Gerlcht enkscheidet in höchster Instanz, insbe-
sondere über Richtigkeitsbeschwerden. Bel öffentlichen Verhandlungen vor demselben
muß es wenigsiens mit sieben Mitgliedern besetzt sein. Außerdem entscheidet es in Sih-
ungen, welche wenigstens durch fünf anwesende Mitglieder geblldet werden.
VI. Justiz-Ministersen.
Art. 37. Die Justiz-Ministerien, ingleichen das Justiz-Ministerium des Inspek=
tions. Hoses des Ober-Appellations-Gerichtes enlscheiden nur in den ihnen besonders
vorbehaltenen Fillen. 6
IU. Nebenpersonen bei den Gerichtsbehörden in Strassachen.
Art. 38. Die Gerichtsbehörden in Strassachen müssen mit den erforderlichen Ne-
beupersonen versehen sein.
Gerichtsschreiber oder Protokoll-Führer müssen zur Führung der Protokolle beeldigt
Lins es ist jedoch nicht erforderlich, daß sie eine juristische Staatsprüsung bestanden
baben.
I. Verhältniß anderer Behörden.
Art. 39. Die Polizei-Behörden, mit Einschluß der Gensdarmerie, haben sowohl
den Polizei-Vergehen als den Verbrechen aller Ark, sofern sie nicht blos auf Antrag
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382
eines Belhelligten untersucht werden, nachzuforschen und die keinen Aufschub gestattenden
vorbereltenden Anordnungen zur Aufklärung der Sache, zu Verhütung der Flucht des
Thäters und der Verwischung der Spuren des Verbrechens zu treffen. Auch können sie
die in den Art. 111, 144, 145, 156 f. gedachten Handlungen, falls Gefahr auf dem
Verzuge ist, unaufgefordert vornehmen. Sie müssen jedoch ihre diesfallssgen Verhand-
lungen sofort dem zuständigen Staatsanwalte oder Strafrichter zu weiterer Entschlieung
mittheilen und deren weiteren Aufforderungen nachkommen
Art. 40. Die Gerichtsbehörden in Strafsachen haben die Befugniß, erforderlichen
Falles die bewaffnete Macht unmittelbar, ohne Dazwischenkunft einer anderen Behörde,
zum Belstande aufzufordern.
Drittes Kapitel.
Von der Staatsanwaltschaft und dem Privatankläger.
I. Personal der Staatsanwaltschaft.
Art. 41. Für jedes Kreisgericht und die in dessen Sprengel befindlichen Einzel-
richter, nach Befinden für mehre Kreisgerichte gemeinschaftlich, wird ein Staatsanwalt,
bei jedem Appellations-Gerichte ein Ober-Staatsanwalt und bei dem Ober-Appellations-
Gerlichte, da nöthig, ein General-Staatsanwalt angestellt Erforderlichen Falles sind
ständige oder zeilige Gehilfen zur Stellvertretung und zu Geschäftsbesorgungen nach An-
ordnung des Staatsanwaltes, dem sie zugeordnet sind, beizugeben.
Die Mitglieder der Staatsanwaltschaft müssen zum Richteramte befähigt sein.
Art. 42. Der Ober-Staatsanwalt kann Beamte der Staatsanwaltschaft mit einst-
weiliger Vertretung seiner selbst, sowie mit der Stellvertretung für andere Sichtsanwälte
beaustragen.
Ebenso kann das Justiz-Ministerium des einzelnen Staates für einzelne Fälle Staats-
anwälte dem Ober-Stagtsanwalte substimiren. Auch sonst zu dem Richteramte befähigte
oder wirklich schon in einem Richteramte stehende Personen können zur Stellvertretung
der Staatsanwälte und des Ober. Staatsanwaltes dürch das Justiz-Ministerium auge-
wiesen werden.
Zur Suellvertretung des General-Staatsanwaltes in einem einzelnen Falle kann
das Justiz. Ministerium des einzelnen Staats den Ober-Staatsanwalt oder eine in einem
Richteramte stehende Person bestimmen.
I. Unterordnung der Staatsanwälte.
Art 43. Zu dem Geschäffskreise der bel den Krelsgerichten angestellten Staats-
amwälte gehören die vor die Einzelrichter des kreisgerichtlichen Sprengels gehörigen Un-
383
tersuchungen (Art 343), alle Vorunkersuchungen bel dem Kreisgerichte und alle Haupt-
verhandlungen bei dem Krelsgerlchte, sofern nicht der Ober-Staatsanwalt sich bei den
lehteren zu betheiligen für angemessen erachtet. Sie sind innerhalb ihres Geschäftskreises
der Aufücht des Ober-Staatzanwaltes untergeordnet, haben die erforderlichen allgemet-
neren Geschäftsberichte an denselben zu erstatten, auch in einzelnen Strafsällen, wenn es
sich um den Anfang oder die Einstellung elner Untersuchung, auch um einzelne Unter-
suchungsschritte handelt und ihnen diesfalls Zweilfel beigehen, an denselben zu berichten
und dessen Weisungen zu befolgen. -
Der Ober. Staatsanwalt führt, sofern er nicht in Verhinderungssällen elnen Staats-
anwalt dazu auweist, die Hauptverhandlungen vor den Geschwornengerichten und sowohl
bei Verbrechen im engeren Sinne als bel Vergehen die vor dem Appellations-Gerichte
erforderlichen Verhandlungen.
Verhaudlungen vor dem Ober-Appellations-Gerichte gehören in den Geschästskreis
des General-Staatsanwaltes.
Art. 44. Die Ober-Staatsanwälte, und der General= Staatsanwalt in Angele-
Seuheiten, welche nur einen einzelnen Staat berühren, sind unmittelbar den Justiz-Mini-
sterien der einzelnen Staaten, der General-Staatsanwalt in allgemeineren geschäftlichen
Verhälluissen dem Justiz-Ministerlum des Juspektions--Hoses des Ober-Appellations-Ge-
richtes untergeordnet. Sie erstatten Vorträge an diese Ministerien und haben deren An-
ordnungen nachzugehen. «
lll.AmtsvcthältnißdchtaatsanwaltfchaftimAllgemeinen.
Art. 45. Die Beamten der Staalsanwalischaft vertreten, ein jeder in dem ihm
zugewiesenen Geschaͤftökreise, den durch das vorgekommene Verbrechen verlehlen Staat.
Sie haben bei allen zu ihrer Kenntniß kommenden Verbrechen, welche nicht bloß auf
Antrag eines Belheiligten untersucht werden, amtshalber dafür zu sorgen, daß dieselben
uncersucht und bestrast werden, zugleich aber auch zu wachen, daß Niemand schuldlos ver-
folgt werde. Sie haben darauf zu sehen, daß die Untersuchung den gesetzmäßigen Gang
einhalte und alle erforderliche Milel benußt werden. Sie haben das echt, auch im
Inzeresse des Angeklagten Rechtsmittel einzulegen.
Die Staatsanwaltschaft ist befugt, alle ihr erforderlich scheinenden Anträge zu stellen,
welche auf die Vorbereitung, Einleitung und Führung einer Untersuchung, auf die ge-
richllichen Verfügungen und Beschlüsse in derselben, Bezug haben. Amträge stellt sie
schriftlich oder mündlich. In gleicher Weise giebt sie Erklärungen über Anträge und
Beschwerden des Angeschuldigten oder anderer Personen und über Aufragen des Gerich-
tes ab. Den Beralhungen eines Gerichtes über Gegenstände, bei denen die amtliche
Thäligkeit der Staatganwaltschaft eintriit, mit Ausnahme der bei einer Hauptverhand-
384
lung und in der Richtsmittel-Instanz nach vorgängiger mündlicher Verhandlung vor-
kommenden Berathungen, kann der zuständige Beamte der Staatsanwallschaft belwohnen;
vor der Abstimmung hat er sich zu entfernen.
Nimmt die Staatsanwaltschaft Unregelmäßigkelten oder Verzögerungen wahr, so
hat sie auf geeignete Weise deren Abstellung zu veranlassen und erforderlichen Falles dem
Ober-Staatganwalte Anzelge zu machen, damit dieser weitere Schritte bei dem Appel-
lations-Gerichte thun könne.
Die Beamten der Staatswaltschaft können innerhalb ihres Geschäftskreises von den
Gerichten jeder Zeit Einsicht oder Mittheilung der Akten begehren, ohne daß jedoch das
Strafverfahren dadurch aufgchalten werden darf.
Art. 46. Die Staaksanwälte können bel einer Vorunkersuchung die Unterstütung
der Polizei, Beamten in der weiter unten geordneten Maße in Anspruch nehmen, und
dieselben sind deren Anordnungen Folge zu lelsten schuldig.
Ir. Privat-Ankläger.
Art. 47. Bei Verbrechen, welche nur auf Antrag elnes Betheiligten (Art. 4) un-
tersucht und bestrast werden, hat der Betheillgte diesen Antrag bei dem zuständigen
Staaksanwalte, oder bei dem zuständigen Gerichte, welches denselben dann an den Staats-
anwalt alzugeben hat, zu siellen.
Haben mehre Personen an dem Verbrechen Theil genommen, oder dasselbe begün-
siigt, so soll der gegen einen Theiluehmer oder Begünstiger gestellte Antrag auch gegen
die üUbrigen gelten.
6 Art. 48. Steht der Bétheiligte unter Vormundschaft oder väterlicher Gewalt, so
wird er durch seinen Vormund oder Hausvater, und wenn dieser selbst der Thäter sein
sollte, durch einen ihm besonders zu bestellenden Vormund vertreten.
Hat der Betheilegte das sechszehente Jahr zurückgelegt und ist sonst willensfähig,
so ist sein Vertreter nicht befugt, einen Antrag auf Untersuchung zu stellen, wenn der Be-
theiligte persönlich sich gegen die Stellung des Antrages erklärk.
Art. 49. Der an den Staatsanwalt gelangte Antrag ist von demselben zu prü-
fen, und, wenn er ihn für begründet erachtet, verfährt er weiter in derfelben Weise wie
bei Verbrechen, welche er von Amtswegen zu verfolgen hat.
Findet er den Antrag nicht begründet, so kann er die gertchtliche Verfolgung ver-
weigern; der Betheiligte kann aber hiergegen Rekurs an den Ober-Staatsanwalt er-
greifen.
Verweigert auch dieser die gerlchtliche Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft, so
stebt dem Betheiligten frei, als Privat-Ankläger aufzutreten und die Sache selbst oder
285
durch einen Anwalt vor Gerlcht zu verfolgen. Er hat dabei die Nechte und Befugnisse
des Staatdanwaltes, soweit nicht envas Anderes geordnet ist.
Art. 50. Bei mehren Theilnehmern an einem Verbrechen, wobel nur rücksichtlich
eines oder mehrer Theilnehmer, nicht aber rücksichtlich aller ein Antrag des Bethelligten
auf Untersuchung erforderlich ist, findet das strafgerichtliche Versahren von Amtswegen
gecen diesenigen, bel welchen kein Antrag erforderlich ist, in gewöhnlicher Weise Statt,
auch wenn gegen die anderen Theilnehmer kein Antrag gestellt wurde.
Viertes Kapitel.
Von der Gerichtszuständigkeit in Strafsachen.
I. Einzelne Gerichtsstände.
Art. 51. Die Untersuchung eines Verbrecheus ist in der Regel bei demjenigen
Gerichte zu führen, in dessen Bezirke dasselbe begangen worden ist.
Gehört ein bestimmter Erfolg zu den Erfordernissen des Verbrechens und tritt die-
ser in einem anderen Bezirke ein, als wo die verbrecherische Handlung begangen wurde,
so entscheidet der Bezirk, in welchem die Handlung vorgenommen wurde.
Gehören mehre Handlungen zu dem Thatbestande eines Verbrechens und sie fallen
in verschiedene Bezirke, so trilt das Gericht desjenlgen Bezirkes ein, in welchem die
lehte Handlung des Verbrechers fällt.
Art. 52. Bei Verbrechen, welche nur auf Antrag eines Betheillgten untersucht
werden, wird das Gerlcht des Wohnortes des Angeschuldigten oder, wenn er im In-
lande keinen Wohnort hat, dad Gericht des Bezirkes, worin er seinen Aufenthalt hat,
an der Stelle des Gerichtes des begangenen Verbrechens ausnahmsweise dann zustän-
dig, wenn der Betheiligte bei dem Gerichte des Wohnorkes oder Aufenthaltsortes die
Untersuchung beantragt. "
Art. 53. Das Gericht am Wohnorte des Angeschuldigten, und in Ermangelung
eines solchen des Aufenthaltsortes, ist zuständig, wenn ein Verbrechen im Auslande be-
gangen wurde.
Dasselbe Gerlcht ist zuständig, wenn der Ort des begangenen Verbrechens ungewiß
ist. Wird dieser vor der Versehung in den Aunklagestand noch ermittelt, so ist die
Untersuchung an das Gericht des begangenen Verbrechens zur Fortsehung abzugeben.
Art 54. Wo keiner der bisher enwähnten Gerichtsstände Platz greist, ist das Ge-
richt desjenigen Orkes zuständig, wo der Verbrecher bel dem Beginne der Voruntersu-
chung betroffen wird.
386
I. Jusammentreffen mehrer Gerichtsstände.
Art. 55. In die Gerichtsbarkeit am Orte des begangenen Verbrechens streitig,
oder ist das Verbrechen auf der Grenze zweier Gerichtsbezirke begangen worden, oder
bat jemand mehre Wohnorte oder Aufenthalisorte, so wird unter den mehren bei dem-
selben Verbrechen in Frage kommenden Gerichten dasjenige zuständig, welches dem an-
dern zuvorgekommen ist.
Art. 56. Hat jemand mehre Verbrechen begangen, wegen welcher verschiedene
gleichstehende Gerichte zuständig und, so ist dasjenige Gericht, welches den anderen zu-
vorgekommen ist, auch in Ansehung der vor die anderen Gerichte gehörlgen Verbrechen,
mit Ausschluß dieser Gerichte zuständig. Dieses gilt auch dann, wenn der Angeschul-
digte wührend des Ganges einer Untersuchung noch Verbrechen begangen hat, wegen
welcher andere Gerichte zuständig wären. Nur wenn der Angeschuldigte bereits in An-
klagestand verseht ist, kann die Zusiändigkeit des Gerichtes nicht auf andere Verbrechen,
welche erst nach der Versetzung in Anklagestand begangen wurden und vor andere Ge-
richte gehören, erstreckt werden.
Sind von dem Angeschuldigten mehre Verbrechen begangen worden, deren Unter-
suchung theils vor ein Kreisgericht, theils vor einen Einzelrichter gehörig wäre, so soll
sich die Zuständigkeit des Kreisgerichtes auch auf die sonst vor den Einzelrichter gehö-
rigen Untersuchungen ersirecken; ausgenommen sind jedoch Untersuchungen wegen Defrau-
datien von Wegeabgaben und Gemeindcabgaben, wegen aller Pollzel-Vergehen und we-
gen derjenigen Ehrenkiänkungen, bel welchen das Art. 370 f geordnete WVerfahren ein-
krikt.
Bei allen Untersuchungen, welche durch einen Betheiligten alo Privat-Ankläger
(Ar. 49) verfolgt werden, soll keine Art der in dem gegenwärtigen Arkikel gedachten
Erstreckungen des Gerichtsstandes Anwendung sinden.
Art. 57. Haben mehre Personen an der Verübung eines Verbrechens Theil ge-
nommen, so begründet die Zusiändigkeit eines Gerichtes über den Hauptverbrecher auch
die Zuständigkeit über die ungleichen Theilnehmer und Begünstiger, selbst wenu die Hand-
lungen der lepteren Iin anderen Gerichtsbezirken verübt worden sind.
Sind bel mehren gleichen Theilnebmern verschiedene Gerichte zuständig, so wird das
zuvorkommende Gericht über alle gleichen Theilnehmer zuständig.
Art. 58. Unter mehren Gerichken ist das zuvorkommende dasjenige, welches der
Zeit nach zuerst von seiner Zuständigkeit gegen den Angeschuldigten durch Porladung
oder Vernehmung desselben in seiner Eigenschaft als Angeschuldigter, oder durch Verhas-
tung, oder Verfolgung desselben mittelst der Nachelle oder durch Steckbriefe Gebrauch
gemacht hat.
387
Art. 59. In allen Fällen, wo das Zuvorkommen den Ausschlag gibt, kann, wenn
die Gertchtsbarkeit von Einzelrichtern unter demselben Krelsgerichte zusammentrifft, das
lehtere, wenn die Gerichtsbarkeit von Einzelrichtern verschtedener Kreisgerichte, oder die
Gerichtsbarkeit verschiedener Kreisgerichte selbst zusammentrifft, das vorgesetzte Appella=
tions-Gericht sämmtliche oder einzelne Untersuchungen auch elnem anderen der mehreren
zusammentreffenden Gerichte als dem zuvorkommenden Gerichte dann zuweisen, wenn die-
ses wegen der Wichtigkeit eines oder mehrerer Verbrechen, wegen der Zahl der in einen
Bezirk fallenden Verbrechen, oder der darin zu vernehmenden Zeugen, oder überhaupt
zur Erleichterung des Verfahrens angemessen erscheint.
I. Befreite Gerichtsstände und Kommissionen.
Art. 60. Befreite Gerichlostände finden nicht Stalt, ausgenommen bei Milltär-
Personen, sofern für dieselben ein solcher Gerichtsstand geseblich besonders begründet sst.
Art. 61. Wegen zu besorgender Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder we-
gen Mangels hinreichender Gefängnisse können die Appellations-Gerichte ausnahmswelse
Untersuchungen den zuständigen Richtern entnehmen und anderen mit der Strasgerichts-
barkeit versehenen Gerichten zuweisen.
Art. 62. Außerordentliche Kommissionen in Untersuchungssachen, welche nicht be-
sonders gesetzlich geordnet sind, finden nicht Statt.
I. Streitigkeiten über die Gerichkszuständigkeit.
Art. 63. Streitigkeiten über die Zuständigkeit in Strafsachen zwischen Einzel-
richtern unter demselben Krelsgerlchte entscheidet das letztere. Streltigkelten über die Zu-
ständigkeit zwischen Einzelrichtern unter verschledenen Kreisgerichten, sowie zwischen ver-
schiedenen Kreisgerichten desselben Appellations-Gerichtsbezerkes, entscheidet das vorgesehte
Appellatlons-Gericht. Streitigkeiten über die Zuständigkelt zwischen Gerichten verschlede-
ner Appellations-Gerichtssprengel entscheidet das Ober-Appellatlons-Gericht.
Es gilt nur einmallge Entscheidung bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit und
Rekurse dagegen sind unzulässig.
In der Zwischenzeit hat jedes der streitenden Gerichte die zur Einleltung der Un-
tersuchung und Herstellung des Thatbestandes nöthigen, und insbesondere alle dlejenigen
Handlungen vorzunehmen, wobel Gefahr auf dem Verzuge haftet.
V. Verhalten nichtzuständiger Gerichte.
Art. 64. Alle auch nicht zuständige Strafgerichte haben die Berechtigung und
Rflicht, alle diejenigen Handlungen vorzunehmen, welche zur Herstellung des Thatbestan-
des oder Fesihaltung eines Verbrechers gehören, infofern Gefahr auf dem Verzuge schwebt.
56
388
Sle muͤssen jedoch den zustaͤndigen Gerichten oder Staatsanwaälten aldbald Mittheilung
machen und die von ihnen aufgenommenen Verhandlungen uͤbersenden.
Fünftes Kapitel.
Von der Unfähigkeit und Ablehnung der Gerichtspersonen und
der Staatsanwälte.
I. Unfähigkeit der Gerichtspersonen.
Art. 65 Richter und Protokoll-Führer sind zu gerichtlichen Handlungen in einer
Untersuchung unfähig, wenn der Angeschuldigte oder der durch das Verbrechen Verlepte
mit ihnen durch das Band der Ehe oder durch Verlöbniß, durch Blutsverwandtschaft in
absteigender oder aussteigender Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grade, oder
durch Schwägerschaft in absteigender oder aufsteigender Linie oder in der Seitenllnie bie
zum zweiten Grade, verbunden ist. Auch das Verhältniß zwischen Adoptiv-Aeltern oder
Pflege-Aeltern und deren Kindern macht unfähig.
Die Unfähigkeit tritt in allen diesen Fällen selbst dann ein, wenn das sie begrün-
dende Verhältniß jett nicht mehr vorhanden oder auiffgelöst ist.
Art. 66. Unfähig ist ferner derjenige Richter oder Protokoll-Führer, welcher als
Zeuge des in Frage stehenden Verbrechens vernommen worden ist.
Art. 67. Der Unfähige ist verpflichtet, seine Unfählgkeit sofort anzuzeigen; wenn
er Protokoll-Führer ist, dem Rlchter, bei welchem er das Protokoll zu führen hat; wenn
er Einzelrichter oder Untersuchungsrichter bei einem Kreisgerichte ist, seinem etwaigen
Stellvertreter, dem Kreisgerichte und dem Staatsanwalte; wenn er Mitglied des Kreis-
gerichtes, des Appellations-Gerichtes oder des Ober-Appellations-Gerichtes ist, dem Ge-
richte, zu welchem er gehört.
Der Unfähige hat sich gerichtlicher Handlungen bei Strafe der Nichtigkeit zu ent-
halten; ausgenommen diejenigen, bei welchen Gefahr auf dem Verzuge ist.
II. Ablehnung der Gerichtspersonen.
Art. 68. Der Angeschuldigte und der Staatsanwalt, auch bei Verbrechen, welche
nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht werden, der lehtere, können Mitglieder des
Gerichtes und Protokoll-Führer ablehnen, wenn sie Gründe anzugeben und zu bescheini-
gen vermögen, welche geeignet sind, gegen den Abzulehnenden den Verdacht zu erregen,
daß er bei der in Frage stehenden Untersuchung parteiisch, unglaubwürdig oder befangen sei.
Ein Bestärkungseid ist zur Bescheinigung der Ablehnungsgründe unzulässig. Be-
stätigt aber der Abzulehnende die Wahrheit des Ablehnungsgrundes selbst auf seinen
Diensteid, so bedarf es keiner welteren Bescheinigung.
389
Gerichtspersonen, welche an einer Hauptverhandlung oder an einer Verhandlung in
der Instanz der Rechtsmitkiel Theil nehmen sollen, müssen spätestens vor dem Beginne
der Verhandlung abgelehnt werden
Art. 69. Ueber die Zulässigkeit einer Ablehnung entscheidet bei Protokollführern
das Gericht, zu welchem sie gehören, bei Einzelrichtern das Krelsgerlcht, bei Mitgliedern
eines Kreisgerichts, des Appellatiensgerichts und des Gerichtshofes eines Geschwornen=
gerichts dasjenige Kollegium, dessen Mitglieder abgelehnt werden, mit Ausschluß der Ab-
gelehnten selbst, sofern nur drei stimmfähige Mitglieder zur Beschlußfassung übrig bleiben.
Il Lehteres nicht der Fall, so entscheidet bei Ablehnung von Mitgliedern eines Kreisge-
richts und des Gerichtsbofs eines Geschwornengerichts das Appellationsgericht und bei Ab-
lehnung von Mitgliedern des Letteren das Oberappellationsgericht. Das Appellations-
gericht hat auch dann die Entscheidung zu geben, wenn vor Zusammentritt des Geschwor-
nengerichts gegen Mitglieder des Geschwornengerichtshofs Ablehnungen vorgebracht werden.
Bei einer Ablehnung von Mitgliedern des Oberappellationsgerichts entscheidet über
deren Zulässigkeit dieses selbst, ohne Theilnahme der Abgelehnten, und wenn so viele Mit-
olieder dieses Gerichts abgelehnt werden, daß nicht noch fünf stimmfähige Mitglieder vorhan-
den wären, das Justiz-Ministerium des Inspektionshofes.
Nur einmalige Entscheidung über die Ablebnung sindet Statt; Rechtomittel dagegen
sind unzulässig.
Art. 70. Diejenigen Mitglieder eines Kreisgerichtes oder Appellations-Gerichtes,
welche an der Fällung eines Verweisungsbeschlusses, wodurch der Angeschuldigte in An-
klagestand verseht wurde, Theil genommen haben, können von dem Angeklagten bloß
aus diesem Grunde für die Hauptverhandlung nicht abgelehnt werden.
II. Ergänzung des Gerichtspersonals.
Art. 71. Bei Unsähigkeit, Ablehnung, ingleichen bei sonstigen Verhinderungen
richterlicher Versonen ist, sofern nicht durch das übrige Personal des Gerichtes der Per-
sonenmangel erseht werden kann, dadurch Abhülfe zu gewähren, daß bei Einzelrichtern
das vorgesehte Kreisgericht durch eins seiner Mitglieder für Siellvertretung sorgt, daß
bei Kreisgerichten die Belziehung von Mitgliedern anderer Kreisgerichte oder die Ver-
weisung der Untersuchung vor ein anderes Kreisgericht durch das vorgesehte Appellations-
Gericht, bel Appellations-Gerichten die Beiziehung von Mitglledern unbetheiliter Kreis-
gerichte oder anderer richterlicher Personen durch das vorgesehte Justiz-Mlnisterium und
bei dem Ober-Appellations. Gerichte die Beiziehung von Mitgliedern unbetheiligter Ap-
pellations-Gerichte der zu dem Ober-Appellationg-Gerichte verelnigten Staaten durch das
Justiz-Ministerium des Inspektions-Hofes verfügt wird. 64
390
IV. Unfähigkeit des Staatsanwaltes.
Art. 72. Ein Staatsanwalt wird aus denselben Gründen unfähig, welche einen
Richter unfähig machen (Art. 65 und 66). Der unfähige Staatsamvalt ist verpflichtet,
sich der Behandlung der Untersuchung, wobei seine Unfähigkeit eintritt, zu enthalten und
dieselbe selnem Stellvertreter zu überlassen, auch dem Ober-Staatsanwalte davon Anzeige
zu machen und erforderlichen Falles, wenn ein Stellvertreter ermangelt, die Anordnung
einer Stellvertretung zu veranlassen. Ist der Ober-Staatsanwalt oder der General-
Staatsanwalt unfähig, so ist dem Jusiig-Ministerlum des Staates, in dessen Gebieke die
in Frage stehende Untersuchung fällt, Anzeige zu machen und von diesem eine Stell-
vertretung anzuordnen.
Eine Ablehnung eines Staatsanwaltes findet nicht Statt.
Sechstes Kapitel.
Von der Voruntersuchung im Allgemeinen.
I. Stellung des Untersuchungsrichters und des Kreisgerichtes im Allgemeinen.
Art. 73. Die Voruntersuchung (Artikel 3) wird von dem Untersuchungsrichter
persönlich und unmiktelbar geführt. Doch kann er einzelne Handlungen durch Einzel-
richter vornehmen lassen. Sind Untersuchungshandlungen in einem fremden Gerichtsbe-
zirke vorzunehmen, oder dient deren Vornahme daselbst zur Eckeichteung, so hat er den
Richter des fremden Gerichtsbezirkes um die Vornahme zu ersuch
Art. 74 In der Regel hat dei Untersuchungsrichter die Voriniesichung nicht
eher zu beginnen, als bis der Staatsanwalt einen dahin zielenden Antrag gestellt hat.
Gelangen Anzeigen eines Verbrechens an ihn, bevor der Staaksanwalt einen An-
trag gestellt hat, so muh er dieselben annehmen und dem Staatsanwalte unverweilt da-
von Nachricht geben, was er auch zu thun hat, wenn er auf irgend eine andere Weise
Kenntuiß von einem Verbrechen vor der Antragsiellung des Staatsanwaltes erhält. Haf-
tet Gesahr auf dem Verzuge, so muß er auch sosort die zur Feststellung des Thatbe-
standes und zur Versolgung oder Fesinehmung des Thäters erforderlichen Handlungen
vornehmen
Art. 75. Hat der Staatsanwalt Untersuchung beantragt, so hat der Untersu-
chungsrichter von nun an überhaupt auch von Amtswegen einzuschreiten und das Ge-
elgnete zu versügen.
Art. 7 6. Auf alle Anträge des Staatsanwaltes in der Voruntersuchung hat der
Untersuchungörichter regelmäßig alsbald Entschließung zu fassen. Er kann Anträge ab-
lehnen und muß dann den Staatsanwalt sofort davon in Kenntiß sepen.
391
Art. 77. In zweifelhaften Fällen steht dem Untersuchungsrichter frei, über einen
Antrag des Siaatsanwaltes die Entschliehung des Kreisgerichtes einzuholen.
Auch außerdem kann er, so oft er es wegen Wichtigkeit einer Untersuchungöhand-
lung nöthig findet, eine Beralhung und Beschlußfassöng des Kreisgerichtes veranlassen.
Er nimmt dann an der Verakhung, aber nicht an der Beschlußfassung Theil.
Art. 78. Von den Versammlungen des Kreisgerichtes, welche die Voruntersuchung
betreffen, und von den Gegenständen, welche darin zur Besprechung kommen sollen, 1#
der Staatsanwalt, soviel khunlich, vorher zu benachrichtigen, damit er seine Ansichten
darüber schristlich oder mündlich vortragen kann (Art. 15).
Art. 79. Alle eine Voruntersuchung betreffenren Beschlüsse des Kreisgerlchtes
sind dem Untersuchungsrichter und von diesem dem Staatsanwalte oder den sonst be-
theiligten Personen alsbald zu eröfsnen.
II. Stellung des. Staatsanwaltes in der Voruntersuchung.
Art. 80. Der Staatsanwalt hat, sofern er es für erheblich erachtet, ihm zuge-
kommene Anzeigen von Verbrechen und zu seiner Kenntniß kommende Beweismittel dem
Untersuchungsrichter mitzutheilen und zugleich die geelgneten Ankräge zu stellen, auch
zur Entdeckung unbekannter Thäter durch Aufsuchung dahin führender Anzeigen mitzu-
wirken.
Art. 81. Untersuchungshandlungen nimmt der Staatsanwalt selbst nicht vor. Er
ist jedoch berechtigt, Personen durch welche er Aufklärung über begangene Verbrechen zu
erhalten glaubt, vorläufig und unbeeidigt durch Einzelrichter oder Polizei= Beamte ver-
nehmen zu lassen, und kann der Verhandlung selbst beiwohnen.
Auch sonst, wenn durch Verzögerung Beweismittel verloren gehen könnten, und der
Untersuchungsrichter oder ein Stellvertreter desselben ermangelt, kann der Staatsanwalt
durch Einzelrichter oder Polizei Beamte Augenschein, Haussuchung und andere Unterfu-
chungshandlungen nach Maßgabe der über dieselben bestehenden besonderen Vorschriften
vornehmen lassen, auch denselben beiwohnen.
In allen diesen Fällen sind dann, wenn der Staatsanwalt Einleitung der Vornn-
tersuchung bei dem Untersuchungsrichter beantragt, dle aufgenommenen Verhandlungen
dem Leßteren unverwellt mitzutheilen, welcher deren Form und Vollständigkeit zu prü-
sen und nöthigen Falles Wiederholung oder Ergänzung der Verhandlung zu bewirken hat.
Art. 82. Der Staatsanwalt darf der Vernehmung des Aungeschuldigten oder der
Zeugen durch den Untersuchungsrichter nicht beiwohnen. Er ist aber berechtigt, dem
Augenscheine, einer Haussuchung und der Durchsuchung von Papieren beizuwohnen und
kann die Gegenstände bezeichnen, worauf sich diese Untersuchungshandlungen erstrecken
392
sollen. Der Untersuchungsrichter ist verpflichtet, den Staatsanwalt von der Vornahme
dieser Handlungen im Voraus zu benachrichtigen, kaun sie aber auch ohne Benachrich-
tigung vornehmen, wenn diese bei vorhandener Gefahr auf dem Verzuge unmöglich ist.
III. Verfahren bei Denunciationen.
Art. 83. Beruht die Veranlassung eines Strafverfahrens auf einer Anzeige, so
ist die Voruntersuchung zunächst auf die Prüfung der Anzeige zu richten. Der Anßzei-
gende ist über alle Umstände zu vernehmen, von welchen die Beurtheilung seiner per-
sönlichen Glaubwürdigkeit und der Wahsscheinlichkeit seiner Anzeige abhängt, über die
etwa vorhandenen Beweismittel, auch nach Befinden über die Beweggründe seiner Anzeige.
Der Anzeigende hat seine Anzeige nicht eidlich zu bestärken und überhaupt keine
Beweislast zu übernehmen, vorbehältlich jedoch seiner Vereidung alo Zeuge. Er hat
auch keine Sicherheit wegen der Untersuchungskosten oder wegen Schäden zu leisten.
Erscheint die Anzeige nicht so begründet, daß weltere Schritte geschehen könnten,
so hat dieses der Untersuchungsrichter dem Staatsanwalte und dem Anzeigenden kosten-
frei zu eröffnen.
Art. 84. Namenlose Anzeigen, ebenso Anzeigen, die von einem völlig Unbekann=
ten herrühren, berechtigen zunächst nur zu solchen den Grund oder Ungrund der An-
zeige möglicher Weise aufklärenden Untersuchungshandlungen, welche für die Ehre oder
andere Rechte der beschuldigten Person ohne Nachtheil sind.
Auf gleiche Weise soll es in dem Falle gehalten werden, wenn der Anzeigende Ver-
schweigung seines Namens verlangt.
V. Verfahren bei vorhandenen Spuren und Gegenständen eines Verbrechens.
Art. 85. Sind Spuren eines begangenen Verbrechens die Veranlassung eines
Strafverfahrens, so ist die Voruntersuchung zunächst durch Augenschein und in sonst
geeigneter Weise auf Verfolgung der Spuren zu richten, um zu ermitteln, ob ein Ver-
brechen wirklich begangen worden.
Art. 86. Gegenstände, an welchen oder mit welchen ein Verbrechen begangen
sein soll, oder welche der Angeschuldigte am Orte der That zurückgelassen hat, überhaupt
Gegenstände, welche von dem Angeschuldigten oder von Zeugen anzuerkennen sind, oder
in anderer Weise zur Herstellung des-Beweises dienen, sind, soweit es möglich, in ge-
richtliche Verwahrung zu nehmen.
Die zur gerichtlichen Verwahrung genommenen Gegenstände sind in der Weise zu
bezeichnen, daß Verwechselungen nicht Stalt finden können.
Bel Gegenständen, welche nicht in gerichtliche Verwahrung genommen werden kön-
393
nen, ist, soweit es erforderlich, Sorge zu tragen, dah sie in unverändertem Zustande
erhalten werden.
V. Privatrechtliche Vorfragen.
Art 87. Hängt die Behandlung oder Entscheidung einer Strassache von privat-
rechtlichen Vorfragen oder Zwischenpunkten ab, so muß die Voruntersuchung auch hierauf
erstreckt werden. Ist ein Rechtsstreit darüber anhängig, so ist die Untersuchung deshalb
nicht auszusepen.
VI. Anschluß eines Privat-Betheiligten an die Untersuchung.
Art. 88. Will sich jemand wegen privatrechtlicher Ansprüche einer Untersuchung
anschließen, so kann dieses nur so lange geschehen, als die Voruntersuchung noch nicht
geschlossen ist.
Er bat selne Ansprüche genügend anzuführen und zu bescheinlgen, und der Ange-
schuldigte ist dagegen zu hören, ohne daß jedoch dadurch der Fortgang des Strasoer=
sahrens aufgehalten werden darf.
Die Einsicht der Untersuchungs-Akten ist dem Betheiligten oder dessen Anwalt in
der Regel, und wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen, nicht zu verweigern.
Die Verfolgung seiner Ausprüche kann der Betheiligte zu jeder Zeit, selbst während
der Hauptverhandlung wieder aufgeben. 6
Dem Betheiligten oder dessen Anwalte wird die Einsicht der Untersuchungs-Akten
nur an Gerlchtsstelle gestattet.
VII. Protokoll-Führung und Urkundspersonen.
Art. 89. Zu jeder Verhandlung hat der Untersuchungsrichter, ebenso der an sei-
ner Stelle handelude Einzelrichter einen verpflichteten Protokollführer zuzuziehen, vorbe-
hältlich einer Ausnahme in dringenden Fällen, welche zu den Akten zu bemerken ist.
Pollzei. Beamte müssen über die von ihnen vorgenommenen Untersuchungshandlun-
den Niederschriften fertigen.
Art. 90. Sind nach den weiter unten folgenden Bestimmungen bei einer Unter-
suchungshandlung Urkundspersonen (Gerichtsschöppen) zuzuziehen, so mössen diese voll-
jährig, unbescholten, bei der Sache unbetheiligt und als Urkundspersonen entweder allge-
mein oder für den einzelnen Fall verpflichtet sein. Die Verpflichtung geschieht mirtelst
Handschlages zur Aufmerksamkeit auf alles, was vor ihnen vorgenommen, besichtigt und
ausgesagt werden wird, mit der Eröffnung, dah sie darüber möglicher Weise Zeugniß
vor Gericht abzulegen, bis dahin aber Stillschweigen zu beobachten haben.
394
Art. 91. Die Protokolle werden gleich bei Vornahme der Verhandlung und, wo
dieses nicht thunlich ist, unmittelbar nachher aufgenommen.
Der Protokoll-Führer führt sie selbüsiändig; sie können aber auch laut, so daß die
Anwesenden es hören, von dem Richter diktirt werden.
Art. 92. Sie enthalten die Bezeichnung des Ortes, Jahres und Tages der Auf-
nahme und die Benennung der gegenwärtigen Personen; sodann die Verhandlung selöst,
die gerichtlichen Wahrnehmungen und die Aussagen der etwa vernemmenen Personen,
welche, soweit möglich, in denselben Ausdrücken, womit sie geschehen sind, niederzuschrei-
ben sind. ·
Art. 9 3. Jedes Protokoll ist den gegenwärtig gewesenen Personen vorzulesen, auch
auf Verlangen zum Durchlesen vorzulegen, damit sie dessen Inhalt genehmigen. Vor-
lesung oder Vorlegung und Genehmigung sind lm Protokolle zu bemerken, und dieses
sodann von allen Anwesenden, dem Beamten, Protokoll, Führer, den etwa zugezogenen
Urkundspersonen und den vernommenen Personen zu unterschreiben.
Verweigert Jemand die Genehmigung oder Unterschrift, so ist dieses nebst dem
Grunde der Weigerung im Prolokolle zu bemerken, auch diese Bemerkung vorzulesen und
von dem Beamten und Protokoll-Führer zu unterzeichnen.
Die Unterschrift der vernommenen Personen ist dann nicht nothwendig, wenn der
Beamte und zugleich ein Protokoll-Führer das Protokoll unterzeichnen.
Art. 94. In der Niederschrift des Protokolles darf nichts Erhebliches ausgeloscht,
zugesetzt oder verändert werden; was durchstrichen wird, muß noch lesbar sein.
Erhebliche Aenderungen, Berichtigungen, welche ein Vernommener seiner Aussage
beifügt, ingleichen verschiedene Ansichten des Richters, Protokoll-Führers und der Ur-
kundspersonen über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Fassung des Protokolles, sind
in das Prokokoll ausdrücklich aufzunehmen, oder am Rande des Protokolles oder in ei-
nem Nachtrage zu bemerken, vorzulesen, zu genehmigen und zu unterschreiben, wie im
Artikel 93 geordnet sst.
VIII. Einstellung der Untersuchung.
Art. 95. Bei Verbrechen, welche von Amtswegen, ohne Antrag eines Bethellig-
ten, zu untersuchen und zu bestrafen sind, ist die Voruntersuchung von dem Untersuch-
ungsrichter einzustellen, wenn der Staatsanwalt darauf anträgt und das Kreisgericht da-
mit einverstanden ist. Im entgegengesehten Falle hat der Staatsanwalt das Recht des
Rekurses im Artikel 100.
Hatte sich Jemand wegen privakrechtlicher Ansprüche dem Strafverfahren angeschlos-
sen, so ist ihm die etwaige Einstellung der Untersuchung durch den Untersuchungsrichter
bekannt zu machen. Er hat dagegen keinen Rekurs, kann aber nunmehr selne Auspruͤche
noch vor den Civil· Gerlchlen verfolgen.
Art. 96. Der berelts vernommene Angeschuldigte kann ungeachtet der Einstellung
der Voruntersuchung seine eiwalgen Entschuldigungsbeweise anzeigen und deren Erhebung
durch den Untersuchungsrichter verlangen. Wenn jedoch dat Kreisgericht ihm eine schrift-
liche Erklärung zustellt, dah alle Verdachtsgründe gegen ihn beselllgt selen, so kann er
dlese Erhebung nur auf seine Kosten sordern.
Ari. 97. Bei Verbrechen, welche nur auf Antrag eines Vethetligten untersüch!
werden, ist die Veruntersuchung stels einzustellen, wenn der Betheillgte dieses verlangt
oder auch seinen Antrag ganz zurückuimmt, gleichviel ob der Staaksanwalt an der Stelle
des Betheiligten oder dieser letztere selbst bei der Untersuchung bisher thätig gewesen ist.
Ueber die Vertretung unter Vormundschaft oder väterlicher Gewalt stehender Bethei-
ligter gelren auch hier die Vorschriffen im Artikel 48.
Hat der Slaatbanwalt für den Bekheiligten die Betrelbung der Untersuchung über-
nommen, so kaun er nicht ohne Zuslimmung des Betheiligten die Untersuchung ausgeben;
auagenommen, wenn das Kreisgericht mit der Einstellung der Untersuchung einverstan-
den ist, welchen Falles jedoch dem Betheiligten die eigene weitere Verfolgung der Sache
als Privat-Ankläger (Art. 49) unbenommen seln soll.
Haben Mehrere an einem Verbrechen Theil genommen oder dasselbe begünstigt, und
ist rücksichtlich eines derselben die Einstellung der Untersuchung beantragt, oder der An-
trag auf Untersuchung ganz zurückgenommen, so soll dieses auch zu Gunsten der anderen
Tbeilnchmer und Begönstiger wirken
Im Uebrigen sleht dem Angeschullgten auch in dem Falle des gegenwärtigen Ar-
tlkels die in dem vorigen Artlkel gedachte Befugniß zu.
IX. Strafgewalt des Untersuchungsrichters.
Art. 98. Gegen diejenigen, welche sich bel irgend einer Verhandlung der Vor-
unlersuchung ein ungebührliches Betragen zu Schulden kommen lassen, kann der Unter-
suchungsrichter eine Strase bls zu 8 Tagen Gesängnih und gegen den Schuldigen, wenn
er in Haft ist, Schärfung derselben durch Dunkel- Arresi, hartes Lager, oder Entziehung
warmer Kost bis auf acht Tage, unter Beobachtung der im Ark. 12 des Strasgesehbuches
geordneten Beschränkungen, verfügen.
X. Rechtemittel in der Voruntersuchung.
Art. 99. Der Siaatsanwalt, der Angeschuldigte, der Verlepte, Jeugen, Sachver-
Keinrige, Personen, welche Sicherheit geleistet haben, überhaupt jeder Betheiligte, haben
in der Voruntersuchung, wenn sie sich kurch irgend eine Versügung, Euischtdung oder
auch Perzögerung des Untersuchungsrichters verlehzt halten, das Recht, eine anderweite
Verfügung oder Entscheidung des Kreisgerichtes zu verlangen.
Sie haben dann mündlich oder schriftlich, so lange der in Frage stehende Gegen-
stand noch offen und unerledigt ist, einen kürglichen Antrag auf Abgabe der Sache an
das Kreisgericht zu slellen, worauf der Unkersuchungorichter auf gleiche Weise, wie Art.
77 vorgesehen, eine Berathung und Beschlußfassung des Kreisgerichtes zu veranlassen hat.
Art. 100. Verfügungen und Entscheidungen des Kreisgerichtes in der Vorunter-
suchung können von dem Staatsanwalte, dem Angeschuldigten oder einem sonst dabel
Beheiligten mittelst Rekurses an die Anklagekammer des Appellalions-Gerichtes ange-
sochten werden.
Der Rekurs ist, binnen drel Tagen vom Tage der Eröffnung der kreksgerichtlichen
Entscheidung an, bei dem Untersuchungörichter schriftlich oder mündlich einzulegen und
hat, sofern nicht Gefahr auf dem Verzuge haftet, ausschiebende Wirkung, vorbehältlich
der besonderen Bestimmung im Art. 133.
Der Untersuchungsrichter hat nach Besinden den Staatsanwalt, den Angeschuldig-
ten, oder die sonst Betheiligten, über den Rekurs zu hören und darauf die Akten an
das Kreisgericht zur Beförderung an die Anklagekammer des Appellations-Gerichtes ab-
zugeben, welche letere, nach vorgängiger Benachrichtigung des Ober-Staatsanwaltes,
wobei die Analogie des Art. 78 eintritt, entscheidet, ohne daß ein weiteres Rechtomittel
zulässig ist.
Art. 101. Gegen Entscheidungen des Kreisgerichtes, welche die in den Art 98
und 110 gedachten Sirafen betreffen, findet kein Nekurs an die Anklagekammer des
Appellations-Gerichtes Statt.
Siebentes Kapitel.
Von der Vorladung, Ve#nebmng und Verhaftung des Angeschuldigten
der Voruntersuchung.
Art. 102. Als Angeschuldigter kann nur derjeuige behandelt werden, gegen den
bestimmte Beweismiltel oder Verdachtsgründe vorliegen, daß er ein bestimmtes Verbrechen
begangen habe, vorausgesept, daß ein Antrag des Staatsanwaltes auf Untersuchung,
und bei Verbrechen, welche nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht und bestraft
werden, ein Antrag des Betheiligten hinzutritt.
I. Vorladung des Angeschuldigten.
Art. 103. Die erste Vorladung des Angeschuldigten geschieht entweder mündlich,
in Folge eines vom Untersuchungsiichter bierzu ertheilten schriftlichen Besehles, welcher
397
dem Vorzuladenden zur Einsicht vorzuzeigen ist, oder schriftlich durch elne vom Unter-
suchungsrichter unterzeichnete, an den Vorzuladenden unmiltelbar gerlchtete Ladung, welche
dem lehteren einzuhändigen ##t.
Sewohl der Vorladungsbefehl, als die schristliche Ladung, müssen das Gerlcht, zu
welchem der vorladende Untersuchungsrichter gehört, bezeichnen und den Namen des Vor-
Kladenen, den Gegenstand der Untersuchung wenigstens im Allgemeinen, Tag und
Stunde, auch den Ort des Erscheinens und die Bedenkung enthalten, daß der Vorgela-
dene bei jeder Vorladung in der vorliegenden Untersuchung im Falle des Nichterschel-
nens persönlich werde vor Gericht geführt werden können.
Art. 104. Spilere Vorladungen des Angeschuldigten geschehen nach Ermessen
des Untersuchungsrichters schriftlich oder mündlich, ohne daß es der in dem vorigen
Artikel vorgeschriebenen Form bedarf.
Art 105. Der Untersuchungerichter bedient sich zu Besorgung der Ladungen
der Gerichtsdiener oder der Ortsbehörden. Hält sich der Vorzuladende in einem an-
deren inländischen Gerichtsbezirke auf, so kann der Untersuchungsrichter nach seinem Er-
messen das andtre Gericht ersuchen, oder auch, unter Benachrichtigung desselben, die La-
dung unmintelbar bewirken lassen.
Ueber die geschehene Ladung ist Nachricht zu den Aklen zu bringen.
Art. 106. Ist der Angeschuldigte nicht auwesend, so erfolgt die Vorzeigung oder
Behändigung von Vorladungsbesehlen oder schriftlichen Ladungen an seinen Ehegaiten,
oder an einen bei ihm wohnenden Angehörigen, oder an einen seiner Dienstleute, und
dleses steht der Vorladung des Angeschuldigten in Person gleich; ausgenommen wenn
die gedachten Personen die Annahme der Vorladung ablehnen, wogu sie verpflichtet find,
wenn sie außer Stand sind, dem Angeschuldigten selbst Nachricht zu geben, oder ihm die
Ladung zukommen zu lassen.
Auch hierüber ist Nachricht zu den Akten zu bringen.
II. Vorführung des Angeschuldigten.
Art. 107. Erscheint der Vorgeladene nicht, ohne elne ausrelchende Entschuldl-
cungsursache angezeigt zu haben, so ist ein schriftlicher Vorführungsbefehl zu erlassen,
dem Vorgeladenen vorzuzelgen und derselbe vor Gericht zu führen.
Die Unverlehlichkeit der Wohnung ist kein Hinderniß der Vorführung.
Art. 108. Selbst ohne vorgängige Vorladung kann der Untersuchungerschter
die Führung eines Verdächtigen vor Gericht zum Behufe seiner Vernehmung anordnen,
soll aber auch in dlesem Falle, sofern es möglich, einen Vorführungsbefehl erlassen:
1) wenn der Verdächtige Anstalten zur Flucht gemacht, oder als ein Unbekannter,
57“
398
els Ausländer, als heimathlos, als einen herumziehenden Lebenswandel füh-=
rend, wegen der Schwere des Verbrechens oder aus sonstigen Gründen der
Flucht verdächtig ist.
2) wenn er auf frischer That betreten, oder unmiktelbar nach der That als des
Verbrechens verdächtig durch Nacheile oder Nachruf bezeichnet wird, oder als-
bald nach der That im Besige von Wasfen, Gerälhschaften, Schriften oder an-
deren Gegenständen betroffen wird, welche auf seine Theilnahme an dem Ver-
brechen hinweisen, oder
3) wenn zu beforgen steht, daß er die Zeit zwischen der Vorladung und selner
Vernehmung zur Behinderung der Zwecke der Untersuchung mißbrauchen werde.
Art. 109. Bei einem Aufruhr, Landfriedensbruch, oder einer mit Verübung elnes
schweren Verbrechens verbundenen Schlägerei, ist der Untersuchungsrichter besugt, wenn
die Schuldigen nicht alsbald ausgemittelt werden können, gegen alle diejenigen einen
Vorführungsbefehl ohne vorgängige Vorladung zu erlassen, welche dem Vorgange beige-
wohnt haben und von dem Verdachte der Theilnahme nicht völlig srel sind.
Art. 110. Begiebt sich der Untersuchungsrichter gleich nach Verübung eines schwe-
ren Verbrechens an Ort und Stelle, um erkundigungsweise eine unbestimmte Zahl von
Personen abzuhören, so kann er jedem, bei dem er es angemessen findet, befehlen, daß er
während desselben Tages oder auch des folgenden Tages seine Wohnung nicht verlasse.
oder sich wenigstens nicht auherhalb des Ortes begebe. Wer diesem Befehl zuwider ban-
delt, wird auf Beireten zum Zwecke seiner Vernehmung festgenommen und kann von dem
Untersuchungorichter mit einer Gefängnihstrafe bis zu acht Tagen oder entsprechender
Geldbuße verurtheilt werden.
III. Vorläusige Verwahrung zum Behufe der Vorführung.
Art. 111. Wenn einer der im Art. 108 aufgeführten Fälle vonliegk, kann eins
vorläufige Verwahrung eines Verdächtigen zum Behufe der Vorführung vor den Unter-
suchungsrichter von Einzelrichtern und Polizei, Beamten, ohne dah es einer schriftlichen
Anordnung bedarf, verfügt und vorgenommen werden, auch vom Staatsanwalte in Ab-
wesenheit oder bei sonstiger Verhinderung des Unlersuchungorichiers dem Einzelrichter
oder Polizei-Beamten, welche dem zu entsprechen haben, aufgetragen werden.
Zum Behufe der vorläufigen Verwahrung kann auch von dem Elnzelrichter oder
Polizei-Beamten eine Haussuchung vorgenommen werden, wie im Art. 113 verordntt ist.
Der in Verwahrung Genommene ist im Laufe des folgenden Tages entweder frei=
zulassen, wenn sich die Gründe der Verwahrung erledigt haben, oder dem zuständigen
Alchter zu übergeben.
398
IV. Verfahren gegen Angeschuldigte, deren Ansstbalt, unbekannt ist oder die
abwesend sind, und sicheres Geleit.
Art. 112. Ist der Ausenthalt eines Angeschuldigten unbekannt, ohne daß derselbe
als flüchtig erscheink, so kann der Untersuchungorichter eine öffentliche Vorladung dessel-
ben erlassen. Dieselbe ist am Gerichtsorte öffentlich anzuschlagen, in drei inländische
oder ausländische öfsentliche Blälter einzurücken und muß eine den Umständen angemes-
sene Frist enthalten.
Sie ist, wie in dem Art. 103 vorgeschrieben ist, elnzurichten, braucht jedoch das
Verbrechen nicht nothwendig zu bezeichnen, sondern kann auch nur die Angabe enthal-
len, daß der Angeschuldigte sich wegen einer gegen ihn erstatteten Anzeige verantworten
solle, und ist mit der Verwarnung zu versehen, daß der Angeschuldigte im Falle des
Außenbleibens zu gewärtigen habe, daß die gegen einen Flüchtigen geordneten Mahregeln
gegen ihn angewendet werden. -
Art. 113. Sind die Bedingungen zu einem Vorführungsbefeble, oder zur Führung
vor Gericht zu sofortiger Vernehmung vorhanden (Art. 107 bis 109), und ist des An-
geichuldigten Aufenthalt unbekannt oder ist er abwesend, so kann der Untersuchungsrichter
nach Ermessen Haussuchung nach der Person des Angeschuldigten oder Nacheile an Orte,
wo der Angeschuldigte sich muthmaßlich aufbält, versügen, oder das Ersuchen, um vor-
läusige Fesinehmung des Angeschuldigten zum Behufe der Vorführung vor Gericht an
die Behörden solcher Orte richten. · «
Haussuchung in anderen Wohnungen als der des Angeschuldigten darf jedoch nur
dann vorgenommen werden, wenn es wahrscheinlich ist, daß der Angeschuldigte sich Farin
aufhalte Unter dieser Voraussetzung kann auch eine allgemeine Haussuchung in einem
ganzen Orte oder in einer besiimmten Abtbeilung desselben gehalten werden.
In allen Fällen der Haussuchung ist das im Artikel 115 geordnete Verfahren zu.
beobachten.
Art. 114. Wenn die Bedlingungen zu einer Vorführung auch ohne vorzängige
Vorladung vorhanden sind (Art. 108), kann der Untersuchungsrichler den Angeschuldig-
ten, welcher abwesend oder flüchtig ist, durch ein offenes, in inländische und nach Befln-
den ausländische öffenkliche Blälter einzurückendes, allgemeines Ersuchen der Behörden
um vorläufige Festnehmung des Angeschuldigten (Steckbrief) verfolgen.
Art. 115. Einem abwesenden oder slüchtigen Angeschuldigten, der sich gegen siche-
re# Geleit vor dem Gericht stellen zu wollen bereit erklärt, kaun dleses Geleit von dem
Zustlz Ministerium nach eingeholtem Gutachten des Ober- Staatsanwaltes, nach Befinden
gegen Sicherheitsleistung, dergestalt ertheilt werden, daß er bis zur Verkündung eines
Ekenntnisses auf Versehung in den Anklageand von Festnehmung selner Person befreit
400
seln soll. Auch bis zur Verkündung des Enderkenntnisses in der Untersuchung kann das
Gelei#t, jedoch dann nur gegen Sicherheltsleistung gegeben werden.
Die Sicherheitsleistung ist nach den Vorschriften in den Art. 140 f. zu beurthellen.
Art. 11 6. Das sichere Gelelt wirkt nur rücksichtlich desjenigen Verbrechens, in
Ansehung dessen es ertheilt ist. Es verliert seine Wirkung, wenn der Angeschuldigte auf
elne an ihn ergangene Vorladung ungehorsam ausbleibt, wenn er Anstalten zur Flucht
macht, wenn er sich der Fonsetzung der Untersuchung durch die Flucht oder Verbergen
seines Aufenthaltes entzieht und wenn er Bedingungen, unter welchen lhm das sichere
Geleit ertheilt worden ist, nicht erfüllt.
V. Vernehmung des Angeschuldigten.
Art. 117. Der Angeschuldigte ist fessellos vor den Untersuchungsrichter zu stellen
und mündlich zu vernehmen. Der Richter kann dem Angeschuldigten gestalten, dancben
noch schriftliche Auskunft zu erlheilen.
Die Vernehmung des Angeschuldigten ist nothwendig:
4) wenn der Angeschuldigte sich in Untersuchungshaft befindet, oder
2) wenn die Voruntersuchung ein Verbrechen im engeren Sinne zum Gegenstande
hat, und der Angeschuldigte nicht etwa slüchiig ist oder aus einem anderen Grunde
nicht erlangt werden kann.
Art. 118. Ist der Angeschuldigte der deutschen Sprache nicht kundig, so ist die
Vernehmung mit Zuziehung eines beeldigten Sachverständigen (Dolmetschere) vorzu-
nehmen.
Fragen und Ankworten sind in der deutschen Uebersehung zu Protokoll zu brin-
gen; der Dolmetscher hat daneben noch eine Aufzeichnung in der Ursprache zu machen
und dem Angeschuldigten vorzulesen, welche dem Protokolle belzufügen ist. Dem An-
geschuldigten ist auch gestattet, seine Antworten selbst nlederzuschreiben.
Art. 119. Ist der Angeschuldigte taub, so werden ihm schriftliche Fragen vorge-
legt, und ist er stumm, so wird er aufgefordert schristlich zu antworten.
Jü eins oder das andere nicht möglich und die Vernehmung kann noch durch
Zeichen bewirkt werden, so ist der Angeschuldigte mit Hülfe einer oder mehrer Personen,
welche der Zeichensprache des Angeschuldigten am besien kundig sind, oder sonst die Ge-
schicklichkeit besinen, sich mit Taubstummen zu verständigen, und zuvor eidlich zu verpflich-
ten sind, zu vernehmen.
· Art. 120. Die Vernehmung eines Angeschuldigten, welcher auf ergangene Vor-
ladung erschienen ist, hat der Untersuchungsrichter sofort vorzunehmen.
Ein vorgeführter Angeschuldigter (Art. 107, 108) und ein von dem Einzelrichter
401
odek einem Polizel-Beamten in Verwahrung genommener und an den Untersuchungs-
richter abgegebener Angeschuldigter (Art. 111), ist längstens binnen vler und zwanztg
Stunden und in dem Falle des Art. 109 längstens blnnen drel Tagen, von dem Au-
genblicke selner Vorführung oder seiner Abgabe au den Untersuchungsrichler an gerech-
net, während welcher Zeit er vorläufig in Verwahrung gehalten werden kann, von dem
Grunde seiner Vorsuͤhrung in Kenntniß zu sehen und zu vernehmeun.
Art. 121. Der Untersuchungorichter hat den Angeschuldigten bel seiner ersten Verneh-
mung zuerst zu ermahnen, daß er die ihm vorzulegenden Fragen bestimmt, deutlich und
der Wahrheit gemäß beantworte. Nach Besinden kann diese Ermahnung bei späteren
Vernehmungen wiederholt werden.
Art. 122. Sodamn ist der Angeschuldigte über seinen Vornamen und Zunamen,
Alter, Geburtsort und Wohnort. Stand und Gewerbe, ingleichen soweit es zum Zwecke
der Untersuchung erforderlich erscheint, auch über seine Familien= und Vermögens-Ver-
hältnisse, seinen Lebenslauf und darüber, ob und weohalb er schon in Untersuchung ge-
wesen, welche Erkenntnisse über ihn ergangen und welche Strafen er verbüßt habe, zu
befragen.
Art. 123. In der Hauptsache hat der Untersuchungsrichter dem Angeschuldigten
das Verbrechen, dessen er sich verdächtig gemacht hat, zu bezeichnen und ihn zu veran-
lassen, sich über die, den Gegenstand der Anschuldigung bildenden Thatsachen in einer
zusammenhängenden, umständlichen Erzählung zu erklären.
Die weitere Besragung ist auf die Ergänzung der Erzählung, auf die Entsernung
etwaiger Dunkelhelten und Widersprüche und insbesondere darauf zu richten, daß der
Angeschuldigte alle gegen ihn vorllegenden Verdachtsgründe erfahre und vollständige Ge-
legenhelt zu deren Beseiligung und seiner Rechtfertigung erhalte.
Gibt er Thatsachen oder Beweismitlel zu seiner Entlastung an, so find dieselben
zu erheben, sofern er sie nicht offenbar zur bloßen Verzögerung angegeben hat.
Art. 124. Die an den Angeschuldigten zu stellenden Fragen dürsen nicht unbe-
stlmmt, dunkel, vieldeutig oder auf verschiedene Umstände zugleich gerichtet sein.
Insbesondere ist auch die Stellung solcher Fragen zu vermeiden, in welchen eine
von dem Angeschuldigten geläugnete, oder doch wenigstens noch ulcht eingestandene That.
sache als bereits zugestanden angenommen wird.
Fragen, mit welchen dem Angeschuldigten Thatumstände vorgehalten werden, die
durch seine Antwort erst festgestellt werden sollen, dürken erst dann gestellt werden, wenn
der Angeschuldigte nicht in anderer Weise auf jene Thatumstände geführt werden konnte.
Bei der Frage nach Mitschuldigen ist die. Bezeichnuug bestimmter Personen soviel
thunlich zu vermeiden.
Art. 125. Gegenstände, welche sich auf das Verbrechen bezlehen, Insbesondere
zur Ueberweisung des Angeschuldigten dienen, sind ihm zur Anerkennung vorzulegen,
und derselbe ist, sofern elne Vorlegung nicht möglich ist, zu diesen Gegenständen zum
Behufe ihrer Anerkennung zu führen.
Art. 126. Der Angeschuldigte darf nicht durch Versprechungen, Vorsplegelungen,
Drohungen oder Zwang zu Geständnissen oder irgend anderen Angaben bewogen werden.
Art. 127. Verweigert er überhaupt oder auf einzelne Fragen zu antworten, oder
stellt er sich taub, stumm, wahnsinnig, blörfnnig, sallsüchtig, und der Untersuchungorlch-
ter ist nach seinen eigenen Wahrnehmungen, oder nach dem Gutachten Sachverständiger,
oder nach Aussagen von Zeugen, von der Verstellung überzeugt: so ist der Angeschul-
digte aufmerksam zu machen, daß sein Verhalten die Untersuchung verlängere, einen
nochtbeiligen Einfluß auf die Beurtheilung der Sache ausüben könne, auch möglicher
Weise ekwaige Vertheidigungsgründe für ihn verloren gehen könnten.
Art. 128. Weichen frühere und spätere Angaben des Angeschuldigten von ei-
nander ab, widerruft er insbesondere frühere Gesiändnisse, so ist er über die Veranlas-
sung zu den Abweichungen und über die Gründe seines Widerrufes zu befragen.
Art. 129. Weichen die Angaben des Angeschuldigten in erheblichen Umständen
von den Aussagen Mitschuldiger oder den Angaben eines Zeugen ab, so muß der Rich-
ter die Mitschuldigen oder Zeugen dem Angeschuldigten dann gegenüberstellen, wenn die
Erlangung einer Aufklärung dadurch wahrscheinlich it.
Art. 1 30. Geständnisse des Angeschuldigten entbinden den Untersuchungörichter
nicht von der Pflicht, den Thatbestand, soweit es möglich, zu ermitteln. Ist das Ge-
ständuiß der Thäterschaft umfassend und sonst unterstützt, so hängt die weiterc Vervoll-
ständigung der Voruntersuchung rücküchtlich des Beweises der Thäterschaft von den be-
sonderen Anträgen des Staatsanwaltes ab.
VI. Von der Untersuchungshaft.
Art. 131. Die Untersuchungsbaft des Angeschuldigten ist nur satthaft, muß dann
aber auch einteten, wenn den Angeschuldigte nach seiner Vernebmung des ihm schuld gegebenen
Verbrechens noch feiner verdächtig bleidt, kein sicheres Geleit erlangt hat und entweder
4) zu besorgen sieht, daß der Angeschuldigte durch Verabredung mit Mirschuldigen,
oder mit Zeugen, oder durch Vernichtung der Spuren des Verbrechens oder sonst
die Untersuchung vereiteln oder eischweren werde, oder
2) der Angeschuldigte Anstalten zur Flucht gemacht hat, oder als ein Unbekannter,
als Ausländer, als heimathslos, wegen herumziehenden Lebenswandela, wegen der
403
Schwere des Verbrechens oder aus sonstigen Gründen der Flucht verdächtig er-
schelnt ««
Wenn im Falle der Verurtheilung des Angeschuldigten voraussichtlich Todes-
strase oder Zuchthausstrafe oder die Dauer von vier Jahren übersteigende Arbelts-
hausstrafe zu erkennen sein wird, muß Untersuchungshaft jedenfallo eintreten.
Art. 132. Nach Vernehmung eines vorgeführten oder vorläufig festgenommenen
Angeschuldigten (Art 107, 108, 109, 111) hat der Untersuchungsrichter sofort zu be-
schließen, oh derselle wieder auf frelen Zuß Vestellt oder in die Untersuchungshaft genom-
men werden soll. In diesem Falle, sowie überhauvt, wenn die Untersuchungshaft unmit.
telbar nach der Vernehmung eines Angeschuldigten vom Untersuchungörichter beschlossen
wird, ist der Beschluß mit dem Grunde der Haft dem Angeschuldigten mündlich zu er-
öffnen und dieses zu den Akten zu bemerken.
Beschlieht der Untersuchungsrichter die Haft später, so ist, wenn nicht Gefahr auf
dem Verzuge ist, ein Verhaftsbefebl mit Gründen auszufertigen und dem Angeschuldigten
bei seiner Verhaftung oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stunden zugustellen.
Auch kann, wenn der Angeschuldigte abwesend oder flüchtig ist, mit einem offenen Ersuchen
nach Art. 114 verfahren werden.
Art. 133. Wird die Hast von dem Kreiygerichte (Art. 99) aufgehoben, so ist der
Angeschuldigte sofort zu entlassen; es sei denn, daß der Staatsanwalt gegen die Ent-
scheidung des Kreisgerichtes sofort bei deren Eröffnung Rekurs an die Anklagekammer
deo Appellatious-Gerichtes einwendel, oder wenigstens sofort den Rekurs vorläufig an-
3eigt und längstens binnen drei Tagen ausführt. Geschieht dieses nicht, so bewendet cs
bei der Entscheidung des Krelogerichtes.
Art. 134. Die Untersuchungshaft ist mit möglichster Schonung der Person und
der Ehre des Angeschuldigten zu vollziehen, und es soll derselbe keine gröheren Beschrän-
kungen erleiden, als der Zweck erfordert, sich seiner Person zu versichern oder für die
Umersuchung nachtbeilige Verabredungen zu hindern.
In der Regel ist der Angeschuldigte zwar in einem öffentlichen Gefängnisse zu ver-
wahren, auf sein Verlangen und seine Kosien kann aber auch die Bewachung in seiner
oder einer anderen PrivalWohnung angeordnet werden, wenn der Zweck der Haft da-
durch ebenfalls mit Sicherheit zu erreichen ist.
Art. 135. Gewohnte Bedürfnisse, Bequemlichkeiten und Beschäftlgungen darf der
Gefangene sich auf seine Kosten verschaffen, insofern sie mit dem Zweck der Haft verein-
bar sind, die Ordnung des Hauses nicht stören und keine Gefahr damit verbunden ist.
Auch Besuche eines Axztes, Geistlichen, der Verwandten und dritter mit dem An-
geschuldigten in Geschäftsverhältnissen stehender Personen, mit denen er sich zu berathen
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404
wünscht, sind nicht zu verweigern, solange nicht Nachtheile für die Untersuchung zu be-
fürchten sind, welchen Falles sie untersagt oder nur in Gegenwart einer Gertchtsperson
gestattet werden können.
Art. 136. Der verhaftete Angeschuldigte ist nur mit Vorwissen des Untersuch-
ungerichters besugt, Briefe abzusenden und zu empfangen und, wenn Nachtheile für die
Untersuchung zu besorgen sind, nur nachdem der Richter sie gelesen und ihre Absendung
oder ihren Empfang unbedenklich gesunden hat. Schreiben an höhere Justiz-Behörden
darf der Angeschuldigte ohne diese Beschränkung absenden.
Art. 137. Fesseln können dem Verhafteten angelegt werden, wenn er eines der
im Art. 131 Nr. 1 gedachten Verbrechen angeschuldigt, oder der Flucht verdächtig und
nicht anders mit Sicherheit verwahrt werden kann, oder wenn dieses wegen besonderer
Gefährlichkeit seiner Person zur Sicherheit Anderer, insbesondere der Aufseher und Ge-
fangenwärter erforderlich erscheint.
Im Uebrigen rechtet sich die Ordnung und Disziplin in den Untersuchungsgefäng-
nissen nach den für diese bestehenden Hausordnungen.
VII. Aufhebung der Haft und Sicherheitsleistung.
Art. 138. Die Untersuchungshaft fällt wieder weg, wenn sich während des Laufes
der Voruntersuchung darlegt, daß die Gründe, wegen welcher sie verhängt wurde, ulcht
mehr bestehen. Sind der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt hierüber einver-
standen, so ist der Verhaftete sofort zu entlassen und ein etwa erlassenes öffenkliches Er-
’suchen wleder zurück zu nehmen. Sind belde verschiedener Ansicht, so entscheldet das
Kreisgerict.
Art. 139. Wird ein Angeschuldigter, der vorgeführt oder vorläufig in Verwah=
rung genommen war, ohne Untersuchungshaft entlassen, oder wird er aus der Untersuch-
ungshaft entlassen, so kann er bedeutet werden, daß er sich der Untersuchung nicht durch
die Flucht entziehe und von seinem Aufenthaltsorte nicht ohne Genehmigung des Unter-
suchungsrichters entferne, worauf er Handgelöbniß zu leisten hat. Der Buuch dieses Ge-
löbnisses ist nach Art. 179 des Strafgesehbuches zu ahnden.
Art. 140. Die Untersuchungshaft eines Angeschuldlgten, welche auf Grund des
Art. 131 Zisfer 2 dieses Gesetes zu verhängen ist, soll auf Antrag des Angeschuldigten,
wenn der Staatsanwalt zuvor darüber gehört worden, abgewendet oder beseitigt werden,
wenn von dem Angeschuldigten oder für deuselben von einem Dritten eine von dem Un-
tersuchungsrichter zu bestimmende Sicherheitsleistung durch gerichtliche Hinterlegung, Pfand-
bestellung oder Bürgschaft bewirkt wird.
Leistet ein Dritter die Sicherhelt, so kann er die Rechtswohlthat der Vorausklagung
nicht in Anspruch nehmen.
405
Wenn die Voraussehung des Schlußsaßes des Art. 131 vorhanden ist, kann in
dem Falle des Arl. 131 Ziffer 2 die Freilassung des Angeschuldigten, auch wenn Sl-
cherheitsleislung dargeboten wird, versagt werden.
Art. 141. Wenn der Angeschuldigte sich auf elne Vorladung des Untersuchungsrichters
nicht stellt, oder neue Umstände eintreten, welche die Verhaftung desselben erfordern, so
ist ungeachtet der Sicherheitsleistung mit der Verhaftung wieder vorzuschreiten. Ist er
blerauf verhaftet, so wird die Sicherheitssumme frei, sie ist zurückzugeben und dle Bür-
gen sind ihrer Verbindlichkeit enthoben.
Auf gleiche Weise wird dieselbe frei, sobald der Angeschuldigte entweder sreigespro-
chen ist, oder die Vollstreckung der ihm zuerkannten Strafe begonnen hat
Bürgen können ihre Befreiung von der Bürgschaft noch herbeiführen, wenn sie die
Verhaftung des Angeschuldigten beantragen Sie werden jedoch erst frei, wenn die Ver-
baftung erfolgt ist.
Art 142. Eine noch nicht wieder frei gewordene Sicherheitssumme kann auf
Antrag des Staatsanwaltes von dem Kreisgerichte für verfallen erkannt werden, wenn
der Angeschuldigte sich durch die Flucht der Fortseyung der Untersuchung entzogen hat
und sich nicht binnen dreißig Tagen von der Zeit an, wo er vor dem Untersuchungs-
richter erscheinen sollte, kreiwillig stellt, oder nicht binnen eben dieser Zelt don dem Bür-
gen zurückgebracht wird.
Die verfallene Sicherheit fällt an die Staatskasse, doch hat der durch das Ver-
brechen beschädigte das Recht zu verlangen, daß seine Entschädigungsansprüche daraus
befrledigt werden.
VIII. Entschädigung bei nicht gerechtfertigter Haft.
Ar#. 14 3. Im Falle einer widerrechtlich verfügten oder verlängerten Untersuchungohast
ist dem Angeschuldigten, soweit nicht Ark. 60 des Strafgesehbbuches zur Anwendung gekommen
ist, auf seinen Antrag eine Entschädigung aus der Staatskasse von funfzehen Groschen
für jeden Tag und Nacht zuzusprechen. Der Staatskasse bleibt der Rückgriff gegen den
Beamten, welcher die Haft verfügt hatte, vorbehalten.
Etwaige Ausprüche auf höhere Entschädigung oder sonstige Genugthuung hat der
Angeschuldigte gegen den schuldigen Beamten und nöthigenfalls gegen den Staat be-
sonders zu verfolgen.
Achtes Kapitel.
Von der Haussuchung und von Urkunden und deren Beschlagnahme
in der Voruntersuchung.
I. Haussuchung.
Art. 144. Eine Durchsuchung der Wohnung des Angeschuldigten ist gestattet,
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406
wenn zu vermuthen ist, dabß sich darin Gegenstände finden werden, welche für die Un-
tersuchung von Bedeutung sind.
Wohnungen dritter Personen können ohne Zustimmung des Dritten nur dann
durchsucht werden, wenn außer der Wahrscheinlichkeit, daß sich daselbst Gegenstände der
bezeichneten Art vorfinden werden, der Dritte zuvor nach solchen Gegenständen befragt
worden ist, und im Falle verneinender Antwort ihn noch der Verdacht der Verbeimlich-
ung trifft, oder im Falle bejahender Antwort er die Herausgabe der Gegenstände verweigerk.
Eine allgemeine Haussuchung in einem ganzen Orte, oder in einer bestimmten Ab-
theilung desselben, ingleichen in öffentlichen Lokalitären mit Einschluß der Gasthäuser aus-
genommen die darin vermietheten oder zum ausschließlichen Gebrauche des Wirthes die-
nenden Näumlichkeiten, ist jedoch schon erlaubt, wenn nur aus den Umständen wahrschein-
lich ist, daß Gegenstände der fraglichen Art sich daselbst auffinden werden.
Art. 145. Der Untersuchungsrichter soll die Haussuchung durch einen mit Grün-
den versehenen Befehl anordnen, welcher sofort oder innerhulb der nächsten vier und
zwanzig Stunden den Betheiligten zuzustellen ist
Er kann die Haussuchung nach Besinden durch einen Prctokoll. Führer oder auch
durch einen Gerichtsdiener ausführen lassen, welchen Falles dann zwei Urkundspersonen
zuzuzlehen sind. «
Auch ohne einen Befehl des Untersuchungsrichters kann die Haussuchung von Ein-
zelrichtern oder Pollzel-Beamten, auf Erfordern des Staatsanwaltes (Art. 80) oder auch
unaufgefordert, bei Verfolgung eines Verdächtigen auf frischer That, oder wenn Gefahr
auf dem Verzuge hastet, ingleichen bei Personen, welche nach Art. 19 des Strafgesetz-
buches unter polizeiliche Aussicht gestellt sind, vorgenommen werden.
Nicht minder kann Haussuchung ohne einen richterlichen Befehl gethan werden
von verpflichteten Forst= oder Jagd-Beamten, unter Zuziehung eines Mitgliedes des Orts-
vorstandes zur Verfolgung der Spuren oder zur Erlangung der Gegenstände von Forst-
und Jagd-Verbrechen, und von den Ortsvorständen bei Feld- und Baum--Freveln.
Die Haussuchung ist stets mit möglichster Schonung und möglich geringster Belé-
stigung, auch zur Nachtzeit nur in dringenden Fällen, vorzunehmen. Der Bewohner oder
der Inhaber der zu durchsuchenden Räume, sei dieses der Angeschuldigte oder ein Drit-
ter, oder in dessen Ermangelung ein erwachsenes Mitglied seiner Familie, und in dessen
Ermangelung ein Nachbar, sind auszufordern, der Haussuchung beizuwohnen und, wenn
sie dieses wollen, bei derselben zuzulassen.
Bei der Haussuchuig vorgefundene verdächtige Gegenstände sind in Verwahrung
zu nehmen
407
II. Durchsuchung und Herausgabe von Papieren und Urkunden überhaupt.
Art. 146. Eine Durchsuchung der Papiere des Angeschuldigten, gleichviel ob er
oder ein Dritter dieselben in Verwahrung hat, ist nur dann gestattet, wenn zu vermuthen
ist, daß sic für die Untersuchung erheblich seln werden.
Papiere dritter Personen können nur dann durchsucht werden, wenn besondere Ver-
dachtsgründe auf eine Enheblichkeit der Pariere für die Untersuchung binweisen und nach
einer Befragung der dritten Person die Verdachtögründe ulcht für beseitigt anzunehmen
sind. Papiere solcher dritter Persenen, welche kein Zeugnih abzulegen brauchen, können
gegen ihren Willen nur daun durchsucht werden, wenn Verdacht vorliegt, daß Paplere
des Angeschuldigten darunter befindlich sind.
Will der Inhaber von. Papieren deren Durchsuchung nicht gestatten, so Und diesel-
ben, wie Art 86 verordnet, in einen Umschlag zu bringen, zu versiegeln, in Verwahrung
zu nehmen, und das Kreisgericht hat zu entscheiden, ob sie durchsucht oder zurückgegeben
werden sollen.
Art. 147. Die Durchsuchung von Papleren, außer bei einer Verhaftung oder
Haussuchung, kann nur in Krast eines richterlichen mit Gründen versehenen Befehles
vorgenommen werden, welcher sosort oder innerhalb der nächsten vier und zwanzig Stun-
den dem Betheiligten zugestellt werden soll.
Sie ist mit möglichster Schonnung der Privat= Gehelmnisse vorzunehmen und auf
diejenigen Papiere zu beschränken, welche für die Untersuchung wichtig werden kännen.
Aufforderung des Angeschuldigten oder des Drltten, oder eines Familienmitglledes
oder Nachbarn, ist in gleicher Weise, wie in Art. 145 vorgeschrieben ist, erforderllch.
Art. 148. Papierc, welche sich bel der Durchsuchung für die Untersuchung als
erheblich ausweisen, sind in gerichtliche Verwahrung zu nehmen, und eo ist, sofern es
wegen ihrer Zahl angemessen erscheink, ein Verzeichniß derselben zu den Akten zu bringen.
Sie sind in einen mit dem Gerichtssiegel zu verschließenden Umschlag (Art. 86)
zu bringen; auch ist dem bei der Durchsuchung etwa anwesenden Betheiligten die Bei-
drückung eines Siegels zu gestatten.
Bei einer Entsiegelung sind der Angeschuldigte, oder diejenige Person, deren Siegel
beigedruckt ist, auszusordern, derselben beizuwohnen.
Art. 149. Die Herausgabe von Urkunden, welche für die Untersuchung von
Einfluß seln können, darf zum Behufe der Untersuchung nicht verwelgert werden.
Verweigert der Angeschuldigte die Herausgabe, so ist mit Haussuchung zu verfahren.
Gegen dritte Personen ist, im Falle sie den Besitz der Urkunde zugestehen oder die-
ser sonst erwiesen ist, sie aber die Herausgabe verweigern, nach rlchterlichem Ermessen
entweder mit Haussuchung zu verfahren, oder es sind die im Art. 178 geordneten Mit-
408
tel anzuwenden. Ist der Besiß geläugnet, aber doch wahrscheinllch, und diese Wahr-
scheinlichkeit kann auf Befragen der Person nicht für beseitigt angenommen werden: so
ist die eidliche Bestärkung des Nichtbesitzes zu verlangen und bei deren Verweigerung
Haussuchung vorzunehmen.
Art. 150. Zur Herstellung des Beweises der Aechtheit von Urkunden, insbeson-
dere wenn der Angeschuldigte deren Anerkennung verweigert, kann eine Vergleichung
mit anderen unzweifelhaft ächten Urkunden durch Sachverständlge vorgenommen werden.
Fehlt es an zu vergleichenden Handschriften des Angeschuldigten selbst, so kann derselbe
zur Fertigung einer Niederschrift vor Gericht aufgefordert werden, ohne daß jedoch
Zwangsmittel anzuwenden sind.
Art. 151. Zu Urkunden in sremder Sprache hat der Untersuchungsrichter eine
Uebersetzung durch einen beeidigten Sachverständigen (Dolmetscher) zu den Akten bringen
zu lassen.
II. Beschlagnahme und Eröffnung von Briefen.
Art. 152. Briese, welche ein Angeschuldigter empfängt oder absendet, nachdeim
bereits eln Vorführungsbefehl oder ein Verhaftsbefehl gegen ihn erlassen, oder er vor-
läufig in Verwahrung genommen oder verhaftet ist, kann der Untersuchungsrichter in
Beschlag nehmen, auch deren Auslieferung von den Postbehörden verlangen.
Nicht minder kann der Staatsanwalt solche Briese durch Polizei-Beamte wegneh-
men und durch diese sofort uneröffnet an den Untersuchungsrichter abgeben lassen. Auch
kann er die Postbehörde zur Zurückbehaltung solcher Briefe bis auf weitere Verfügung
des Untersuchungsrichters auffordern, erfolgt jedoch eine solche Verfügung nicht innerhalb
drei Tagen, so hat die Postbehörde die Beförderung der Briefe nicht weiter zu bean-
standen "
Art. 153. Die Eröffnung der in Beschlag genommenen Briefe kann nur durch
den Untersuchungsrichter geschehen, und zwar wenn der Angeschuldigte zustlmmt, ohne
Weiteres Im enkgegengesetzten Falle muß der Untersuchungsrichter zuvor die Zustim-
mung des Krelsgerichtes einholen, welche nur dann ertheilt werden kann, wenn entwe-
der schon ein Verhaftsbefehl degen den Angeschuldigten erlassen ist, oder wenn besondere
Gründe zu der Annahme berechtigen, daß die Briese die Vereitelung der Zwecke der
Untersuchung zur Folge haben können.
Art. 154. Die Beschlagnahme von Brlefen ist dem Angeschuldigten und, wenn
er abwesend ist, einem seiner Angehörigen bekannt zu machen.
Iü die Eröffnnng der Briefe erfolgt, so sind dieselben, sofern von der Mltthellung
ihres Inhaltes kein nachtbeiliger Einstuß für die Untersuchung zu beforgen ist, in Ur-
409
schrift, oder in Abschrift, oder im Auszuge, dem Angeschuldigten oder denjenigen, an
welche sie gerichtet sind, mitzutheilen. Ist der Angeschuldigte abwesend, so geschleht die
Mlttheilung an einen seiner Angehörigen. Sind Angehörige nicht da, oder weigern fie
sich die Mittheilung anzunehmen, so ist, wenn dieses nach Ermessen des Richters im In-
teresse des Absenders des Briefes liegt, der Brief dem Absender zurückzuschicken oder,
wenn derselbe bei den Akten bleiben muß, dem Absender geeignete Nachricht zu erthellen.
Art. 15 5. Briefse, welche in Beschlag genommen, deren Eröffnung aber nicht
für nöthig erachtet wurde, sind ohne Verzug demjenigen, an den sie gerichtet sind, aus-
zuantworten oder der Vost zurückzugeben.
Neuntes Kapitel.
Von dem Augenscheine und von Sachverständigen in der Vorunter-
suchung.
I. Augenschein überhaupt. #
Art. 156. Augenschein ist vorzunehmen, so oft ein für die Untersuchung erhebli-
cher Umstand dadurch aufgeklärt werden kann. Seht die Erforschung des zu untersu-
chenden Gegenstandes besondere Kenntntsse oder Fertigkelten voraus, so werden Sachver-
ständige beigezogen.
Art. 157. Das über die Arkder Vornahme unddie Ergebnisse des Augenscheins aufzu-
nehmende Protokoll (Art.89) ist dergestalt mit Bestimmtheit und Ausführlichkeit abzufassen,
daß es elne vollständige und treue Anschaunng der besichtigten Gegenstände gewährt.
Es sind zu dlesem Zwecke erforderlichen Falles Zelchnungen, Pläne oder Risse bei-
zufügen und Maße, Gewichte, Größe und Ortoverhältnisse nach bekannten und unzwei-
felhasten Bestimmungen zu bezeichnen.
Art. 158. Fehlt es bel einem Augenscheine an den erforderlichen Personen, oder
wurde keln oder ein ungenügendes Protokoll aufgenommen, so sind die Wahrnehmungen
der dabei anwesend gewesenen Personen nöthigenfalls nach den Regeln über die Abhs-
rung der Zeugen zu erheben.
l. Sachverständige.
Art. 159. Sind Sachverständige bei einem Augenscheine oder zu einer sonstigen
Ermittelung erforderlich, se soll der Richter nach Besinden einen oder mehrere zuziehen,
vorbehältlich der besonderen Verordnung in den Art. 169 und 173.
Art. 160. Der Untersuchungsrichter wählt die Sachverständigen. Sind dergleichen
ständig bestellt, so sol er Andere nur dann beizlehen, wenn Gefahr auf dem Verzuge
hastet, oder jene durch besondere Verhältnisse abgehalten sind.
410
Personen, welche in den Art 65 und 66 erwähnten Verhaͤltnissen stehen, darf der
Untersuchungörlchter nicht als Sachverständige gebrauchen. Dem Angeschuldigten steht
das Recht der Ablehnung in der im Art. 68 geordneten Weise zu Erachtet der Unter-
suchungsrichter die Ablehnung für begründet, so hat er andere Sachversländige zuzuziehen,
Alee dieses gilt auch bei den Ar. 118, 119 und 151 gedachten Sachverständigen.
Art. 161. Sachverständige, welche nicht ständig angesiellt und nicht bereits als
solche im Allgemeinen verpflichtet sind, sollen noch vor der Einnahme des Augenscheins
von dem Untersuchungsrichter darauf eidlich verpflichtet werden, daß sie die gemachten
Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und ihr Gutachten nach besiem Wissen
und Gewessen und nach den Regeln ihrer Wissenschaft oder Kunst abgeben wollen.
Art. 162. Die körperliche Besichtigung einer Frauensperson soll, wenn Rücksichten
des sittlichen Anstandes es erfordern, in Abwesenheit aller anderen Personen, allein durch
einen Arzt unter Zuziehung einer ehrbaren Frau, nach Befinden einer verpflichteten
Hebamme, oder auch durch die letztere allein, gescheben.
Art. 163. Der Untersuchungörichter leitet den Augenschein der Sachverständigen.
Er bezeichnet die Gegenstände, auf welche sie ihre Beobachtung zu richten haben, und
siellt die Fragen, deren gutachrliche Beantworkung er für erforderlich hält.
Die Sachverständigen können darauf antragen, daß ihnen aus den Akten oder durch
Vernehmung von Zeugen über von ihnen bestimmt zu bezeichnende Punkte, welche für
das abzugebende Gutachten erheblich zu sein scheinen, weitere Aufklärungen gegeben werden.
Art. 164. Ist der Augenschein von den Sachverständigen in Gegenwart des Ge-
richts vorgenommen worden, so wird das Gutachten derselben mit Gründen von ihnen
sofort zu Protokoll gegeben, es wäre denn, daß fie sich die Abgabe eines schriftlichen Gut-
habens vorbehalten; auch kann der Untersuchungörlchter in wichtigeren Fällen die Nach-
bringung eines solchen Gutachtens erfordern, wozu eine angemessene Frist zu bestimmen ist.
Haben die Sachverständigen ihre Beobachtungen und Untersuchungen ohne Gegen-
wart und Mitwirkung des Gerichtes angesiellt, so geben sie ihr Gutachten mit den Grün-
den mündlich zu Protokoll oder schriftlich zu den Akten.
Art. 165. Im Falle thatsächliche Vehauptungen in dem Gurachten der Sachver-
üändigen mit dem Inhalte des über den Augenschein aufgenommenen gerichtlichen Pro-
tokolles in Widerspruch stehen, oder wenn die Sachverständigen sich rücksichtlich thatsäch-
licher Verhältnisse widersprechen, oder wenn Dunkelheiten, Unvollständigkeiten oder Unbe-
stimmtheiten in thatsächlicher Hinsicht vorliegen, hat der Untersuchungsrichter die Sach-
versändigen noch elnmal zu befragen, und wenn dadurch keine Aufklärung zu erlangen
ist, sofern es möglich ist, den Augenschein durch die nämlichen oder durch andere Sach-
verständige wiederholen zu lassen
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Art. 166. Ist das Gutachten der Sachverständigen mangelhaft, dunkel, unvoll-
ständig, unbestimmt, sich widersprechend oder unschlüssig, so sind die Sachverständigen von
dem Untersuchungsrichter noch einmal zu vernehmen, und wenn sich hierdurch der An-
stand nicht hebt, andere Sachverständige beiznziehen.
Sind Sachverständige nur verschiedener gutachtlicher Meinung, so hat der Unter-
suchungsrichter einen weiteren Sachverständigen beizuziehen, und wenn die Sachversiän-
digen Aerzte oder Chemiker sind, das Gutachten einei höheren Medizinal- Behörde oder
einem sonstigen Kollegium von Sachverständigen, nach Befinden auch einzeluen in beson-
derem Rufe stehenden Sachverständigen vorzulegen und deren weitere Begutachtung zu
veranlassen.
I. Verfahren bei Tödtungen und Körperverletzungen insbesondere.
Art. 167. Liegt bei einem Todesfalle Verdacht vor, daß er durch ein Verbrichen
verursacht worden sei, so ist vor der Beerdigung eine Leichenschau und Leichenöffnung
vorzunehmen. War die Lelche bereits beerdigl so ist sie zu diesem Behufe wieder aus-
zugraben, sofern nach den Umständen noch ein erhebliches Ergebniß davon erwartet wer-
den kann und nicht die Rücksicht auf die Gesundheit der dabei Theil nehmenden Perse-
nen die Vornahme der fraglichen Handlungen widerräth.
Art. 168. Ebe zur Oeffnung der Leiche geschritten wird, ist dieselbe solchen Per-
sonen, welche den Verstorbenen gekannt haben, und wenn ein Verdächtiger bereits in
Untersuchung gezogen ist, auch diesem zur Anerkennung vorzuzeigen.
ßennt. Nlemand den Verstorbenen, so ist eine genaue Beschreibung desselben zu den
Akten zu bringen und in öffentlichen Blättern bekannt zu machen.
Art. 169. Die Leichenschau und die Leichenöffnung wird von dem Untersuchungs-
richter und dem Prokokoll- Führer, auch dem Staatoanwalte, wenn dieser zugegen sein
will, durch den gerichtlichen Arzt und Wundarzt vorgenommen, so daß dem Arzie vor-
zugsweise die Leitung der dem Wundarzte zukommenden Ausführung zusteht.
Ist der Verstorbene in der seinem Tode vorhergegangenen Krankheit von einem
anderen Arzte oder Wundarzle behandelt worden, so ist auch dieser, sofern es ohne Ver-
zögerung geschehen kann, zur Gegenwart bei der Leichenschau und Ceichenöffnung auf-
zufordern.
Art. 170. Bei der Leichenschau hat der Untersuchungsrichter darauf zu sehen,
daß die Lage und Veschaffenheit des Leichnams und alles, was nach den Umständen
auf die Untersuchung von Einsluß sein kann, sorofälllg beachtet werde. Insbesondere
sind die vorgesundenen Wunden und andere äuhere Spuren erlittener Gewalsthäligkeiten
nach ihrer Zahl und Beschaffenheit, mit Bemerkung der Mitel und Werkzeuge, durch
« 59
412
welche sie wahrscheinllch verursacht wurden, genau zu verzeichnen und die etwa vorge-
fundenen, möglicher Weise gebrauchten Werkzeuge mit den vorhandenen Verletzungen zu
vergleichen.
Art. 171. Die Leichenöffnung kann unterbleiben, wenn schon bei der Leichenschau
aus der Beschaffenheit der vorhandenen Verletungen in Verbindung mit der Zeit des
erfolgten Todes und den sonst vorliegenden Umständen die Todesursache sich nach dem
Urtheile der zugezogenen Sachverständigen mit unzweiselhafter Gewißbeit ergibt.
Außerdem ist die Lelchenöffnung in der Weise vorzunehmen, daß die Kopf= Bruü#=
und Unterleibs- Höhle eröffnet werden; selbst in dem Falle, wenn die Ursache des Todes
bereits in einem Theile des Körpers aufgefunden worden is.
Art. 172. Bei dem Kindermorde ist, wenn das Leben des Kindes uicht schon
ohnedies außer Zweifel beruht, noch insbesondere die Lungen= und Athem-Probe vorzu-
nehmen und darauf zu achten, ob das Kind sein Leben außerhalb der Mutter fortzusepen
geeignet gewesen.
Art. 173. Bei Vergiftungen ist die erforderliche Untersuchung giftiger oder sonsi
verdächtiger Gegenstände durch zwei Chemiker unter Beaussichtigung des Gerichtsarztes
vornehmen zu lassen. Das Beisein des Gerichtes ist hierbei nicht erforderlich.
Begutachtungen sind in Vergistungsfällen von den Aerzten und Chemlkern zu geben.
Art. 174. Bei Körperverleyungen und Verwundungen ist bei dem etwa erfor-
derlichen Augenscheine und der Begutachtung beiondere Rücksicht auf die gebrauchten
Werkzeuge und auf die elngerretenen oder noch zu besorgenden nachtheillgen Folgen zu
nehmen.
Bei den nach Art. 131, Nr. 4 und 5 des Strafgesetzbuches zu bestrafenden Kör-
perverlepungen kann nach richterlichem Ermessen statt des gerichtlichen Arztes oder Wund-
arztes der Hausarzt oder Hauswundarzt als Sachverständiger gebraucht werden.
Zehntes Kapitel.
Von den Zeugen und dem Beschädigten in der Voruntersuchung.
I. Pflicht zum Zeugniß.
Art. 175. In der Regel ist jeder verpflichtet, über dasjenige, was ihm von dem
Gegenstande der Untersuchung bekannt ist öder damit in Verbindung sieht, vor Gericht
Zeuguiß abzulegen.
Er erhält dafür auf Verlangen eine taxmäßige Zeugengebühr.
Art. 176. Die Ablegung eines Zeugnisses können jedoch ablehnen:
1) Ehegakten, Verlobte, Werwandte und Verschwägerte in aufsteigender und abstei-
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gender Linic, Verwandte in der Seitenlinie bis zum dittten Grade und Ver-
schwägerte in der Seilenlinie bis zum zweiten Grade, Adoptiv= und Bflege-
Aeltern und Kinder des Angeschuldigten;
2) Geistliche in Ansetung dessen, was ihnen in der Beichte oder sonst als Seel-
sorger anvertraut worden ist;
3) Staatsbeamte und andere in öffentlichem Dienste siehende Personen in Ansehung
solcher Gegenstände, welche sie nach ihrem Amte oder Dienste zu verschweigen
verpflichter sind; es sei denn, daß sie von dieser Pflicht durch die ihnen vorge-
setzte Dienstbehörde entbunden werden;
4) Sächwalter und Vertheidiger in Ansehung desjenigen, was ihnen in dieser Ei-
Venschaft von dem Angeschuldigten anvertraut worden ist.
Art. I77 Jeder Zeuge kann die Beantwortung von Fragen ablehnen, auf
welche er zu seiner eigenen Schande, oder zur Schande einer noch nicht in Untersuchung
befangenen Person aussagen müßte, zu welcher er in einem der im Art. 176, Nr. 1
bezeichneten Verhältnisse steht.
Die Beantwortung von Fragen, welche auf gegen eine Person verhängt gewesene
Untersuchungen, auf ergangene Straferkenntnisse oder verbüßte Strafen gerichtet sind,
kann nicht abgelehnt werden.
Art. 178. Verweigert ein Zeuge die Ablegung eines Zeugnisses, wo er dazu
verpflichtet ist, so kaun ihn der Untersuchungsrichter durch eine Geldstrafe bis zu zwan-
zig Thalern, im Falle der Armuth durch Gefängniß bis zu vierzehn Tagen, und bei
fernerer Verweigerung durch Gefängniß bis zu sechs Wochen, zur Erfüllung seiner Ver-
bindlichkelt anhalten.
II. Vorladung der Zeugen.
Art. 179. Form, Inhalt und Vehändigung der Vorladungen von Jeugen rich-
ten sich nach den Vorschriften in den Art. 103 f.
Es ist aber einer solchen Ladung die Verwarnung beizusügen, daß der Zeuge bei
einer namhaft zu machenden Geldstrafe bis zu fünf Thalern der Ladung Folge zu lel-
üen und außerdem noch zu gewärtigen habe, daß er auf seine Kosien, anderweit werde
vorgeladen, nach Besinden auch zum Behufe der Abhörung vor Gericht werde vorge-
führt werden
Bei der Abhörung einer im Voraus ungewissen Jahl von Zeugen am Orte eines
Verbrechens gilt, was im Art. 110 geordnct is.
Die Mitglieder der landesherrlichen Familie werden in ihren Wohnungen vernommen.
Die Eidesformel wird ihnen ron dem mit der Vernehmung beauftragten Alchter
vorgelesen und zur eigenhändigen Unterschrist vorgelegt. 5.
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Zur Hauptverhandlung werden sie nicht vorgeladen, sondern es soll stets nur die
von ihnen zu Protokoll gegebene Aussage verlesen werden.
Art. 180. Zeugen, welche durch Krankheit oder Gebrechlichkeit vor Gericht zu er-
scheinen verhindert sind, werden in ihrer Wohnung vernommen, und es ist hiernach ihre
Vorladung entsprechend cinzurichten.
lll. Abhörung der Zeugen.
Art. 181. Die Zeugen werden ohne Beisein des Angeschuldigten oder anderer
Zeugen vernommen.
Art. 182. Bei Jeugen, welche taub, siumm oder der deutschen Sprache nicht
mächtig sind, ist das in den Art. 118 und 119 georducte Verfahren einzuschlagen.
Art. 183. Der Zeuge wird zuerst ermahnt, über alle Umstände, über welche er
werde befragt werden, nach der ihm beiwohnenden Wissenschaft die reine und unver-
fälschte Wahrheit anzugeben, nichts, was ihm von der Sache bekannt ist. zu verschwei-
gen und seine Aussage so einzurichten, daß er sie auf Erfordern mit unverletzem Ge-
wissen werde eidlich bestärken können.
Art. 184. Sodann ist der Zeuge über seinen Vornamen und Familiennamen,
Geburtsort, Wohnort, Alter, über seine etwaige Verwandtschaft, Bekauntschaft oder son-
stige Verbindung mit einem bei der Untersuchung Betheiligten, auch darüber, ob er
von seiner Aussage Nußen zu hoffen oder Schaden zu befürchten, ob ihm wegen seines
Zeugnisses etwas angeboten, versprochen oder gegeben, oder er über das, was er aus-
sagen soll, im Voraus unterrichtet worden, zu befragen.
Art. 185. Bel Abhörung über die Sache selbst ist der Zeuge zuvörderst zu ei-
ner zusammenhängenden Erzählung der den Gegenstand des Zeugnisses bildenden That-
sachen, sodann aber durch weiteres Befragen zur Ergänzung derselben und zur Hebung
von etwaigen Dunkelheiten und Widersprüchen zu veranlassen.
Ueberall ist der Grund seines Wissens zu erforschen; Fragen aber, durch welche ihm
Thatumstände vorgehalten werden, die durch seine Ankwort erst fesigestellt werden sollen,
sind möglichst zu vermeiden.
Art. 186. Sollen dem Zeugen zum Behufe der Anerkennung Personen vorge-
stellt oder Sachen vorgelegt werden, so ist er vorher zur genauen Beschreibung und An-
habe unterscheidender Kennzeichen derselben aufzufordern.
Art. 187. Ueber Gegenüberstellung der Zeugen mit dem Angeschuldigten entschei-
det die Vorschrist des Art. 129. Die im Art. I76 genanuten Personen dürfen jedoch,
wenn sie sich als Zeugen haben abhören lassen, dem Angeschuldigten überhaupt nur dann
115
gegenuͤber gestellt werden, wenn der Angeschuldigte oder der Zeuge dieses besonders ver-
langt.
Auch eine Gegenüberstellung mehrer Zeugen unter sich soll nur dann vorgenommen
werden, wenn die Aufklärung von Widersprüchen über erhebliche Umstände zu erwarten
steht, und dieser Maßregel haben sich auch die im Art. 176 gedachten Personen zu un-
terwerfen.
IV. Vereidung der Jeugen.
Art. 188. In der Voruntersuchung findet eine Vereidung der Zeugen nicht
Statt, ausgenommen wenn bei einem Zeugen wegen Krankheit, längerer Abwesenheit
oder aus sonst einem Grunde zu erwarten steht, daß er bei der Hauplverhandlung nicht
werde gegenwärtig sein können, oder wenn der Staatsanwalt oder der Angeschuldigke
die Vereidung besonders beantragen.
Art. 189. Die Vereidung der Zeugen unterbleibt nicht bloh, wenn dieselben ei-
desunmündig oder eidesunfähig sind, sondern auch, wenn der Richter wegen der beson-
deren Bezlehungen des Zeugen zu den in der Untersuchung befangenen Versonen, oder
zu den in dieser verhandelten Verhälmissen die Vereidung für bedenklich hält.
Die Vereidung der Zeugen erfolgt vor oder nach Abhörung derselben, nachdem sie
lur Aussage der Wahrhelt ermahnt und vor Begehung eineo Meineides oder leichtsin-
nigen Eides verwarnt worden sind.
Dle Eidesformel richtet sich nach den sonst darüber bestehenden gesetlichen Vor-
schriften, nach denen auch zu beurtheilen ist, inwiefern nach besonderen Neligions-Grund-
lätpen andere Versicherungen einem Eide gleichstehen.
Der Zeuge schwört: „auf dle an ihn gerichteten Fragen ohne Gunst, ohne Haß und
ohne Furcht die ganze und lautere Wahrhelt und Rlchts als die Wahrheit zu sagen",
oder — wenn die Eidesleisung nach der Abhörung erfolgt — „gesagt zu haben“.
Die Schlußbestimmungen des Art. 179, die Vernehmung der Mitglieder der lan-
desherrlichen Familie betreffend, gelten auch hier.
Art 190. Die in dem Artikel 176 gedachten Personen können, wenn sie sich
sreiwillig als Zeugen abhören lassen wollen, den Zeugeneid verweigern.
Gegen andere Personen tritt im Falle der Verweigerung das im Art. 178 vorge-
schriebene Verfahren ein. Sind sie dadurch nicht zum Eide zu bewegen, so werden sie
unbeeldigt abgehört nach vorgängiger Leistung eines Handgelöbnisses, oder ohne dieses,
wenn sie auch dieses verweigern.
V. Der Beschädigte und die sonstigen Privat-Bethekligken.
Art. 191. Der Verlehte bei einem Verbrechen, welches von Amtswegen vom
416
Eiaatsanwalte verfolgt wird, ingleichen der Vetheiligte bei Verbrechen, welche nur auf
seinen Antrag verfolgt werden, üind rücksichtlich ihrer Aussagen über das Verbrechen
und über dabei in Frage kommende Umstände wie Zeugen zu behandeln.
Sie baben das Recht, eine Gebühr nach der Taxe für die Zeugengebühren zu ver-
langen; der Betheiligte bei Verbrechen, welche nur auf seinen Antrag verfolgt werden,
jedoch bloß in dem Falle, wenn der Angeschuldigte verurtheilt wird.
Art. 1.92. Auch die Vereidung der in dem vorigen Artikel genannten Personen
bei Verbrechen gegen den Besitz oder das Eigenthum richtet sich nach den Regeln bei
Zeugen.
Besitz und Eigenthum brauchen von diesen Personen nicht eidlich bekräftigt zu wer-
den, wenn der Angeschuldigte sie nicht bestreitet.
Ueber Werthsermittelungen bei den gedachten Verbrechen durch den Beschädigten
entscheidet Art. 43 des Strafgesetbuches.
Elftes Kapitel.
Von dem Schlusse der Voruntersuchung, der Versetzung in den
Anklagestand und der Vorladung zur Hauptverhandlung.
I. Schluß der Voruntersuchung.
Art. 193. Die Voruntersuchung wird geschlossen, fobald der Zweck derselben
(Artlkel 3) errelcht ist.
II. Anträge der Staatsanwaltschaft und Anklageschrift.
Art. 194. Nach dem Schlusse der Voruntersuchung hat der Staatsanwalt, inso-
fern nicht Anträge auf Vervollständigung der Untersuchung zu stellen sind, bei Perbre-
chen, welche vor das Kreisgericht gehören, die Anklageschrift zu jerligen und nebst den
Akten dem Kreisgerichte zur Beschlußfassung über die Versetzung in den Aaklagestand
und die Anberaumung einer Hauptverhandlung mitzutheilen.
Hält der Staatsanwalt dafür, daß die Hauptwerhandlung vor ein Geschwornenge-
richt gehörig sei, so hat er die Akten dem Ober-Staatsanwalte einzusenden, welcher die-
selben der Anklagekammer des Appellationsgerichtes mit dem durch eine Darsiellung der-
jenigen Thatsachen, welche den Gegenstand der Anklage bilden sollen, zu begründenden
Antrage überreicht: bestimmte Angeschuldigte wegen bestimmter Verbrechen auf dem Grunde
der zu bezeichnenden Strafgesehe in den Anklagestand zu versetzen und vor das Ge-
schwornengericht zu verweisen.
Hat die Anklagekammer die Versehung in den Anklagestand ausgesprochen (Art.
117
199, 200), so hat der Ober. Staatsanwalt die Anklageschrift zu fertigen und diese nebst
den Akten dem Präsidenten des Gerichtshofes mitzutheilen.
Hält die Staatsanwaltschaft dafür, daß die Einstellung der Untersuchung zu bean-
wragen sei, so kommen die Vorschriften des Artikel 95 zur Anwendung.
Art. 195. Eine Anklageschrift ist bei Strafe der Nichtigkeit erforder-
lich. Die Anklageschrift wegen eines vor das Geschwornengericht verwiesenen Verbrechens
soll enthalten:
1) den Namen des Angeschuldigten und dessen persönliche Verhältnisse;
2) eine Darstellung derjenigen Thatsachen, welche das, den Gegenstand der Anklage
bildende Verbrechen begründen sollen, mit den etwaigen erschwerenden oder mil-
dernden Umständen;
die Anklage in der Weise, daß der Angeschuidigte wegen des fraglichen, nach sei-
nen thatsächlichen Bestandtheilen anzugebenden Verbrechens angeklagt werde, das
gleichfalls hier anzugebende Strafgesetz, oder eventnell ein anderes zu benennen-
des Strafgesetz verletzt zu haben;
zum Schlusse sind die Beweismittel anzugeren, welche bei der künstigen Haupt-
verhandlung gebraucht werden sollen. Insbesondere find dle Namen und der
Aufenthaltbort der Belastungs= und Vertheidigungs= Zeugen und der Sachverstän-
digen, deren Abhörung die Staatsanwaltschaft bei der Hauptverhandlung verlangt,
oder bei denen sie sich mit Vorlesung ihrer bereits in der Voruntersuchung ent-
haltenen Aussagen begnügen will, anzugeben.
Die Anklageschrist wegen eines Verbrechens, welches vor das Kreisgericht zu ver-
weisen ist, soll die vorsiehend unter 1, 2 und 4 angegebeuen Bestandtheile enthalten, statt
der förmlichen Anklage unter 3 jedoch nur das Verbrechen und das verletzte Strafgesetz
bezeichnen.
III. Entscheidungen des Kreisgerichtes und der Anklagekammer des
Appellations-Gerichtes.
Art. 196. Die Berathung der Anklagekammer über die Versetzung in den An-
klagestand erfolgt in Anwesenheit des Ober- Staatsanwaltes, welcher nur bei der Abstim-
mung nicht gegenwärtig ist.
In gleicher Weise kaun der Staatsanwalt den Verathungen des Kreisgerichtes über
Verweisung einer Sache zur Hauptverhandlung beiwohnen.
Findet die Anklagekammer oder das Kieisgericht bei diesen Berathungen, daß die
Voruntersuchung noch einer Vervyllständigung bedarf, so wird dieselbe durch die Staats-
anwaltschaft veranlaßt.
Art. 197. Hält die Anklagekammer dafür, daß die Sache, weil sie kein Verbre-
—
—
418
chen im engeren Sinne betrifft, nicht vor das Geschwornengericht, sondern, weil ein Der-
gehen in Frage sieht, vor das Kreisgericht, oder wegen dessen Unzuständigkeit vor ein
anderes Kreisgericht, oder weil eine Uebertretung vorliegt, vor einen Einzelrichter gehs-
rig sei, oder hält das Kreisgericht dafür, daß die Sache vor das Geschwornengericht,
oder vor ein anderes Kreisgericht, oder vor einen Einzelrichter gehöre, so ist dieses aus-
zusprechen und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen.
Verweisungen durch die Anklagekammer an die dem Appellations-Gerichte unterge-
ordneten Kreisgerichte oder Einzelrichter binden diese, und Verweisungen der Krelsge-
richte an die ihnen untergeordneten Einzelrichter binden ebenfalls diese lepteren. Bei
anderen Verweisungen ist erforderlichen Falles der Streit über die Zuständigkelt nach
Artikel 63 zu erledigen.
Die Verweisung wegen Nichtzuständigkeit hat kelne Nichtigkeit der bisherigen Vor-
untersuchung zur Folge, vielmehr hat das Gericht, an welches verwiesen worden ist, auf
dem Grunde derselben weiter zu verfahren.
Sind mehrere Verbrechen Gegenstand der Voruntersuchung, und ist das Geschwor-
nengericht rücksichtlich eines oder mehrerer, rücküchtlich anderer das Kreisgericht oder ein
Einzelrichter zuständig, ingleichen, wenn das Kreisgericht rücksichtlich einzelner, und rück-
sichtlich anderer ein Einzelrichter zuständig ist, soll die Juständigkeit des höheren Gerich-
tes auch auf diejenigen Verbrechen erstreckt werden, welche eigentlich vor den nlederen
Richter gehörig sind, und es soll daher eine theilweise Verweisung der Sache vor einen
nlederen Alchter ulcht elntreten. Ausgenommen sind jedoch hiervon diejenigen Fälle, in
welchen schon nach dem zweiten und dritten Absatze des Artikel 56 eine Erstreckung des
Gerichtsstandes ausgeschlossen ist.
Art. 198. Findet die Anklagekammer oder das Kreisgericht, daß die in dem An-
trage oder der Anklageschrist angeführte That durch kein Strafgesetz verboten ist, oder
daß der Staatsanwalt ohne den erforderlich gewesenen Antrag eines Betheiligten, oder
umgekehrt ein Privat-Ankläger an der Sielle des Staatsanwaltes aufgetreten ist, wo nur
lehterer hälte austreten können, oder daß es an Beweismitteln fehlt, um den Angtschul-
digten für dringend verdächtig halten zu können, oder daß dieser in Folge unzwelfelhaf-
ter Thatsachen als straflos erscheint, so ist die Entscheidung zu geben: daß der Angeschul-
digte nicht in den Anklagestand zu versepen sei.
Die Emscheidung kann von der Bedingung abhängig gemacht werden, daß zuvor
Zeugen, welche zu Gunsien des Angeschuldigten ausgesagt haben, ihre Aussagen eidlich
bekräftigen. Dann hat der Untersuchungsrichter die Entscheldung erst nach erfolgker Ver-
eidung dem Angeschuldigten bekannt zu machen. Kann die Vereidung nicht erfolgen,
oder ändern die Zeugen ibre früheren Aussagen: so ist eine anderweite Entscheldung
einzubolen.
419
Ist bei einem abwesenden Angeschuldigten zu vermuthen, daß im Falle seiner Wle-
dererlangung der gegen ihn streitende Verdacht sich erhöhen werde, so kann statt der Ent-
scheidung, daß der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, beschlessen
werden, dah die Sache bis zur Wiedererlangung des Angeschuldigten auf sich beruhen solle.
Art. 199. Treten die in dem vorigen Artikel gerachten Fälle nicht ein und er-
scheint der Angeschuldigte insbesondere dringend verdächtig, so ist eir Verweisungs-
beschluß auf Versehung des Angeschuldigten in den Anklagestand zu ertheilen. Der
Verweisungsbeschluß hat den Namen des Angeschuldigten, das ihm zur Last. gelegte Ver-
brechen und das Strafgeseh, nach welchem es zu bestrafen ist. zu bezeichnen.
In der Bezeichunng des Verbrechens und des Strafgesehes ist das Gericht nicht
an die Anträge der Staatsanwaltschoft gebunden. Auch ist eine eventuelle Bezeichnung
des Verbrechens und der anzuwendenden Strasgesetze zulässig-
Die Ankräge der Staatsanwaltschaft auf Benuhung von Beweiomitteln in der Haupt-
verhandlung dürfen nicht abgelehnt werden.
Das Gericht kann jedoch von Amtswegen die Benußung von Beweismitteln in der
Hauptverhandlung, welche die Staatsanwaltschaft nicht beantragt hat, und die es für er-
forderlich erachtet, namentlich die Vorladung von Zeugen und Sachverständigen, oder
auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstatteten Aussagen von Zeugen oder
Sachverständigen anordnen.
Art. 200. Die in den Arl. 197—199 gedachten Entscheidungen sind bei Strake
der Nichtigkeit mit den Unterschriften der Gerichtsmitglieder, welche an der Beschlußfas-
sung Theil genommen haben, zu versehen.
Weicht die Entscheldung des Gerichtes von den Anträgen der Staatsanwalsschaft
ab: so ist dieselbe der letzteren sofort mitzutheilen.
Die Anklagekammer theilt den Verweisungsbeschluß nebst den Akten dem Ober-
Staatsanwalte mit, welcher sodann die Anklageschrift zu entwerfen hat.
Art. 201. Die Anklageschrift und der Verwessungsbeschluß ist dem Angeklagten,
bei Strafe der Nichtigkeit — vorbehältlich des Verfahrens bel abwesenden Angeklagten
(Art. 2186) — mit der mündlichen oder schriftlichen Aufforderung mitzutheilen, diesenigen
Beweismittel, welche er zur Hauptverhandlung herbeigeschafft, inobesondere die Zeugen,
welche er vorgeladen zu sehen verlangt, binnen einer zu bestimmenden Frist anzugeben,
damit dieselben zur Hauptverhandlung herangezogen werden können. Dem Angeklagten
ist dabei zu bemerken, daß, wenn er die Benennung der Beweismittel in der gestellten
Frist versäumt, ihm überlassen bleibe, dieselben zur Haupwerhandlung selbst mitzubringen.
Der Verweisungsbeschluß kann auch durch Vorlesen bekannt gemacht werden.
Die Ladung zur Hauptverhandlung wird entweder mit Zusertigung der Anklage-
schrift verbunden, oder sie erfolgt später. 6%
420
Die dem Angeklagten gesehte Frist kann nach Besluden einmal verlängert werden.
Die Mittheilung der Anklageschrift und des Verweisungsbeschlusses geschieht durch
den Untersuchungorichter, wenn nicht gleichzeitig die Ladung zur Haupwerhandlung erfolgt.
IV. Vertheidigung des Angeschuldigten.
Art. 202. Zur Führung von Vertheidigungen befugt sind die angestellten An-
wälke, und die sonst von Staatswegen zu Vertheidigungen befähigten Personen. Staats-
diener, welche die juristische Staatsprüfung bestanden, oder den furistischen Doktor-Grad
erlangt haben, sind den zu Vertheidigungen befähigten Personen gleich zu stellen. Sie
können jedoch, wenn sie nicht in einem der im Art. 65 gedachten Verhältnisse zu dem
Angeschuldigten stehen, sich nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Diensibehörde mit
einer Vertheidigung befassen.
Art. 203. Der Angeschuldigte kann nach geschlossener Voruntersuchung sich mit
seinem Vertheidiger ohne Beisein einer Gerichtsperson besprechen.
Von derselben Zeit ist die Einsicht der Akten dem Vertheidiger, auch, sofern nicht
besondere Gründe entgegenstehen, dem Angeschuldigten, diesem jedoch nur unter Ausscht,
und Beiden nur an Gerichtsstelle zu gestatten.
Der Vertheidiger oder der Angeschuldigte kann von den ihm nothwendig schelnenden
Aktenstücken Abschristen nehmen, oder nehmen lassen. Von Gutachten der Sachverstäu-
digen sind auf Verlangen unentgeltliche Abschriften zu erthellen.
Art. 204. Anträge des Angeklagten oder seines Vertheidigers auf Heranziehung
von Beweismitteln zur Hauptverbandlung sind der Staatsanwalischaft bei Strafe der
Nichtigkeit mitzutheilen.
Ueber diese Anträge entscheidet das Kreisgericht in Fällen, die vor dasselbe verwie-
sen sind, in den Fällen dagegen, die vor dem Geschwornengerichte verhandelt werden,
die Anklagekammer, oder, wenn der Gerichtshof bereits zusammengetreten ist, dieser.
Die Thatsachen, worüber ein Beweismiktel erhoben werden soll, müssen bestimmt be-
zeichnet sein. Werden dieselben nicht für erheblich erachtet und wird deshalb der An-
trag des Angeklagten abgelehnt: so ist dieses demselben zu eröffnen, und es bleibt ihm
unbenommen, die Bewelsmitkel selbst zur Hauptverhandlung herbeizuschaffen, in welcher
dann das Gericht entscheidet, ob es die herbeigeschafften Beweismilkel erheben will.
Wenn über einen und denselben Umstand von dem Angeklagten mehrere Zeugen
vorgeschlagen sind, so bestimmt das Gericht auch die Zahl der vorzuladenden Zeugen.
Dasselbe kann auch die Vorlesung der in der Voruntersuchung erstalteten Aussagen von
Jeugen oder Sachverständigen anordnen.
421
V. Freilassung und Verhaftung des Angeschuldigten.
Art. 205 Bei der Entscheidung, daß der Angeschuldigte nicht in den Anklage-
stand zu versehzen sei (Art 198), ist derselbe, wenn er in Untersuchungshaft ist, sofort
bei Bekanntmachung der Entscheidung der Haft zu entlassen; es sel denn, daß die Staats-
anwaltschaft ein Rechtsmittel eingewendet hat (Art. 200), oder ein anderer Grund zur
Verhaftung vorhanden ist.
Ist dagegen ein Verweisungsbeschluß erkheilt worden, und der Angeschuldigte ist noch
nicht verhastet, so ist er sofort bei dessen Eröffming in Haft zu nehmen, wenn er vor
das Geschwornengericht verwiesen ist.
Eo kann jedoch, auch wenn der Aageschuldigte vor das Geschwornengericht verwiesen
ist, von dessen Verhafmng Abstand genommen, bezüglich eine in der Voruntersuchung
verhängte Hast wieder aufgehoben werden, wenn nach der Beschaffenheit des Verbrechens
oder aus sonstigen Gründen anzunehmen isi, daß im Falle der Verurtheilung nur auf
Gefängniß oder eine die Dauer von vier Jahren nicht übersleigende Arbeitshausstrafe
zu erkennen sein wird und die Abwendung oder Beseitigung der Haft auch sonst unbe-
denklich erscheint.
Die Freilassung des Angeschuldigten kann auch in dlesem Falle von einer nach Maß-
gabe des Art 140 zu bestellenden Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.
Die Verschristen über die Abwendung der Haft durch Sicherheitsstellung (Art. 140 fl.)
und über das sichere Geleit (Art. 115 ff.) bleiben hier vorbehalten.
Auch gegen einen freigelassenen Angeschuldigten kann jedoch die Verhaftung später
noch verhängt werden, wenn die Un Art. 131 Ziffer 1 und 2 angeführten Gründe neu
hervortreten.
Die Versügung wegen Verbaftung oder Freilassung des Angeschuldigten wird nach
Gehör des Staatanwalté von dem Untersuchungsrichter getrossen, sowohl wenn die Haupt=
verhandlung vor das Kreisgerlcht, alg wenn sie vor das Geschwornengericht verwiesen ist.
Gegen die Verfügung des Untersuchungsrichtets sleht dem Staatsanwalt und dem An-
heschuldigten ein #lekurs an das Kreisgericht und beiden von des Lehteren Enlscheidung.
ein Rekurs an die Anklagekammer des Appellationsgerichts zu.
Verhaftete, welche ver das Geschwornengericht verwiesen sind, sollen an den Ort,
wo das Geschwornengericht gehalten wird, zeitig abgeführt werden, jedoch nicht vor Ab-
lauf der im Art 206 gedachten Nothfrist und, wenn sie gegen den Verweisungsbeschluß-
ein Rechtsmittel eingelegt haben, nicht vor dessen Erledigung.
Uebrigens ist auch der Präsident des Gerichtshofs ermächtigt, bel oder nach Insinu-
alion der Ladung zur Hauptverhandlung den bisher von der Haft besreiten Angeschul-
60
422
digten verhaften zu lassen, wenn er dieses, um die persönliche Anwesenheit des Ange-
schuldiglen in der Hauptverhandlung zu sichern, für nothwendig erachtet.
VI. Nechtsmiktel gegen die Entscheidungen des Kreisgerichtes und der Anklage-
kammer des Appellations-Gerichtes.
Art. 206. Gegen die in den Art. 197—199 erwähnten Entscheidungen der An-
klagekammer und gegen die gleichen Enkscheidungen des Kreisgerichtes steht der Staats-
anwaltschaft und dem Angeklagten das Nlechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde an das
Ober-Appellations-Gericht zu
Diese ist von dem Tage der Eröffnung der Entscheidung an innerhalb fünftägiger
Nothfrist bel dem Kreisgerichte eder, gegen Entscheidungen der Anklagekammer, auch bei
dieser schriftlich oder mündlich mit Angabe der einzelnen Nichtigkeitsgründe einzuwenden
und hat aufschiebende Wirkung.
Außer den Fällen der Nichtigkeitsbeschwerde sieht der Staatsanwaltschst gegen die
erwähnten Entscheidungen des Kreisgerichtes und der Anklagekammer, wenn dieselben von
den Anträgen der ersiern abweichen, eine Berufung an das Appellations-Gericht zu,
welche ebenfalls innerhalb fünftägiger Nothfrist von Mittheilung der Entscheidung an bei
dem Kreisgerichte, bezüglich der Anklagekaumer, eingewendet werden muß. Der Be-
rathung über diese Verufung, welche in nicht öffentlicher Sihung statt findet, wohnt der
Ober-Staatsanwalt bel. Das Appellations-Gericht entscheidet an der Stelle und mit
den W des Kreisgerichtes und bezüglich der Anklagekammer.
nach dem pweilen Absate des Art. 200 elntrelende Verhastung des Angeklag-
ten a nct aufgeschoben, wenn gegen den Verweisungsbeschluß Nichtigkeitsbeschwerde
ergriffen worden ist. Die nach dem ersien Absatze des Art. 205 eintretende Freilassung
soll dagegen nur dann aufgeschoben werden, wenn die Staatsauwalschaft dieses wegen
eines einzuwendenden. Rechtsmittels sofort bei Mittheilung der Entscheidung beantragt.
Art. 207. Die Nichtigkeltsbeschwerde kann von dem Angeklagten und von der
Staatsanwaltschaft, von jedem Theile, soweit die vorige Entscheidung ihn berührt, nur
aus folgenden Gründen erhoben werden:
wenn ein nichtzuständiges Gericht für zuständig, ober ein zuständiges Gericht für
nichtzuständig angenommen wurde (Art. 197);
wenn der Staatsanwalt bei einem Verbrechen, welches nur auf Antrag eines Be-
theiligten verfolgt werden konnte, unberechtigter Weise ohne einen solchen Antrag
aufgetreten ist, oder umgekehrt ein Privat-Ankläger an der Stelle des Staalban-
waltes aufgetreten ist, wo letzterer hätte auftreten müssen;
wenn gegen gesehliche Vorschristen gefehlt wurde, bei denen die Strafe der Nich-
tigkeit ausdrücklich angedroht ist;
—
—
8
##
123
4) wenn das Gericht, welches die vorige Entscheidung ertheilt hat, nicht gehörig be-
eßt war;
5) wenn die in Frage siehende That aus dem Grunde, weil kein einschlagendes
Strafgesetz vorhanden sei, für kein Verbrechen gehalten wurde, obgleich ein sol-
ches Geset vorhanden ist; oder wenn sie umgekehrt für ein Verbrechen gehalten
wurde, während kein einschlagendes Strafgeseh vorhanden isi; ingleichen wenn
die That durch unrichtige Gesehesauslegung einem falschen Strasgesetze unterzo-
gen worden ist.
Art. 20 8. Zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde kann auf Antrag eine wei-
tere zehentägige Frist von Ablauf der-Einwendungsfrist an verstattet werden.
Art. 209. Das Ober- Appellations-Gericht entscheidet über die Nichligkeitsbe-
schwerde in nicht öffentlicher Situng, ohue dah eine weitere Verhandlung vor demselben
Statt findet. Es ist jedoch der General-Staatsanwalt vorher davon zu benachrichtigen,
damit er der Berathung beiwohnen, oder seine Ansicht schriftlich mittheilen kann.
Bevor eine Entscheidung ertheilt ist, steht es dem Beschwerdeführer siets frei, sein
Rechtsmittel fallen zu lassen. Auch hat der General-Staatsanwalt die Befugniß, die
von dem Staatsamwalte oder Ober-Staalsanwalte eingewendeten Nichtigkeitsbeschwerden
wieder aufzugeben.
Art. 210. Findet das Ober-Appellationsgericht die Nichtigkeit begründet, so hat
es zu den im Art. 207 ausgezählten Nichtigkeitsgründen
zu " 4 nur auf die Zusiändigkeit oder Nichtzuständigkeit des Gerichtes zu er-
ennen;
zu Nr. 2 auszusprechen, daß der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu ver-
sehen sei;
zu Nr. 3 die Nichtigkeit der einzelnen fraglichen Handlungen auszusprechen, dle
Verbesserung des Mangels zu verfügen und die Sache zu nochmaltger Entschei-
dung zu verweisen;
zu Nr. 4 die vorige Entscheidung aufzuheben und auf nochmalige Entscheidung zu
erkennen;
zu Nr. 5 nach Verschledenheit der Fälle entweder zu erkennen, daß der Angeklagte
nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, oder die Sache zu nochmaliger Ent-
scheidung an das vorige Gericht zu verweisen, oder nach Befinden die vorige
Entscheidung Sleich selbst abzuändern.
Art. 211. Die Entscheidung des Ober-Appellations-Gerichtes. ist nicht nur für
den vorigen Richter, sondern auch für die nach abgehaltener Hauptverhandlung endlich
424
entscheidende richterliche Behörde, das Kreisgrricht, Appellations-Gericht oder den Ge-
richtshof bei dem Geschwornengerichte, maßgebend.
Aberkannte Nichtigkeiten können nicht auf dem Wege einer, gegen das erthellte
Endurtheil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nochmals zur Entscheidung des Ober-Appel-
lations-Gerichtes gebracht werden.
Art. 212. Nichiigkeiten aus den unter Nr. 1, 3 und 4 des Art. 207 aufge-
führten Gründen, wegen welcher keine Nichigkeilobeschwerde erhoben wurde, sollen als
durch Verzicht beseiligt angesehen werden und können daher überall nicht auf dem Wege einer,
gegen das später ertheilte Endurtheil gerichteten, Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht
werden.
Nichtigkeiten aus den in dem Art 207 unter 2 und 5 erwähnten Gründen werden
nicht als durch Verzicht beseitigt annenommen und können nach den unten gegebenen
näheren Vorschristen noch durch eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Endurthell in
Wirksamkeit gesetzt werden.
VII. Nachtrag zur Anklageschrift und Nachbringung von Beweismitteln.
Art. 213. Weicht ein Verweisungsbeschluh in der Bezeichnung des Verbrechens
und des Strafgesehes von der Anklageschrift ub (Art. 199), se steht dem Staatsanwalte
frei, eine entsprechende Abänderung der Anklageschrift vorzunehmen. .
Akt-Zu·WennauseklangcndckStaaloatnvaltfchaskZcugcamstnchvek-
ständige, außer den in der Anklageschrift benannten, zur Haupwerhandlung vorgeladen
werden, so ist der Angeklagte wenigstens drei Tage vor Beginn der Haupwerhandlung
zu benachrichtigen.
VIII. Bestellung eines Verkheidigers zur Hauptverhandlung.
Art. 215 Hat der vor ein Geschwornengericht verwiesene Angeklagte nicht selbst
einen Vertheidiger gewählt, so muß demselben ein Vertheidiger von Amtswegen zugeord-
net werden
In anderen Füllen kann das Gericht einem Antrage des Angeklagten auf Zuord-
nung eines Vertheidigers Statt geben, oder auch, ohne einen solchen Antrag, dann,
wenn es die einzelne Sache zu erfordern scheint, von Amtswegen einen Vertheidiger
bestellen
IX. Vorladung zur Hauptverhandlung.
Art. 216. Die Vorladung zur Hauptverhandlung geschieht, wenn die Sache vor
das Krelsgericht verwiesen ist, durch dieses Gericht, und wenn sie vor das Geschwornen-
gericht verwlesen ist, durch den Präsidenten des Gerichtshofes (Art. 24).
425
Es sind alle Betheiligten, der Angeklagte, dessen Vertheldiger, ferner der Staats-
anwalt, oder Ober-Staatsanwalt, oder der Privat-Ankläger (Art. 49), und die Privat-
Betheiligten, welche sich dem Strafverfahren angeschlossen haben, sodann die Zeugen und
Sachverständigen vorzuladen.
Die Behändigung der Ladung geschieht nach den Vorschriften in Art. 103 f. Bei
den vor dem Geschwornengericht zu verhandelnden Straffällen soll zwischen der Behän-
digung der Ladung und dem Tage, an welchem die Hauptverhandlung vorgenommen
wird, ein Zeitraum von mindestens acht Tagen in der Mltte liegen, jedoch mit Aus-
nahme des Falls, wenn die Hauptverhandlung blos auf einen srätern Zeitraum verlegt
wird. Eine Verzichtsleistung auf die Frist von Seiten der Staalsanwaltschaft und des
Angeklagten ist statthaft.
Die Ladung soll eine allgemeine Androhung der für den Fall des Außenbleibens
gesehlich bestimmten Nachtheile enthalten.
in dim 1., 5 und 6. Absan des Art. 179 enthaltenen Bestimmungen gelten
auch hier.
Art. 217. Weist der Angeklagte nach, daß er wegen Krankhelt oder einer sonsti-
gen. unabwendbaren Ursache nicht erscheinen kann, so ist die Hauptverhandlung zu ver-
tagen
Art. 2·18. Kann dem Angeklagten kie Ladung wegen Abwesenheit nicht behän.
digt werden, so ist derselbe, wie im Art 112 geordnet ist, öffentlich vorzuladen. Dabei
muß zwischen der Einrückung in die öffentlichen Blätter und dem Tage, an welchem
die Hauptverhandlung gehalten werden soll, ein Zeltraum von mindestens drei Monaten
in der Mitte liegen. Auch muß die Ladung die Verwarnung, daß im Falle des Au-
Henbleibens die im Art. 219 geordneten Nachtheile eintreten, ausdrücklich enthalten.
Außerdem muß in der öffentlichen Vorladung erwähnt werden, daß der Vorgeladene
in Anklagestand versetzt worden sel, unter allgemelner Bezelchnung des ihm zur Last ge-
legten Verbrechens, sowie unter Angabe der Bewelemittel, welche in der Haupwerhand=
lung gebraucht werden sollen.
Zugleich ist die Ladung dem etwaigen Stellvertreter oder Bevollmächtigten, oder
einem Angehörigen des Angeklagten (Art. 37 des Strafgesepbuches), sofern dergleichen
Personen dem Gerichte bekannt sind, mitzutheilen, welche für den Fall, daß sse das An-
beubleiben-des Angeklagten geuugsam zu entschuldigen vermögen, elne Vertagung der
Hauptverhandlung beantragen können. Auch steht ihnen frei, für den Angeklagten einen
Vertheidiger zu bestellen, wenn ein solcher nicht schon bestellt ist (Art. 215).
Art. 219. Erscheint eln gehörlg vorgeladener Angeklagker bel der Hauptverhand-
lung nicht und kann er auch nicht noch sofort durch einen Vorführungsbefehl erlangt
426
werden, so ist die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit zu führen und eine endliche
Entscheidung zu erlheilen; es sei denn, daß das Gericht die persönliche Gegenwart des
Angeklagten zur Ermittelung der Wahlheit für erforderlich erachtet, welchen Falles dle
Verkagung der Hauptverhandlung und wegen der etwaigen Verhaftung des Angeklagten
das Geeignete zu beschließen ist.
Art. 220. Erscheint ein vorgeladener Vertheidiger des Angeklagten nicht, so geht
die Hauptverhandlung dennoch vor sich, jedoch bei Geschwornengerichts-Fällen nur dann,
wenn der Vertheidiger einen Stellvertreter besiellt hat und dieser erscheint, oder sonst ein
anderer Vertheidiger noch sofort erlangt werden kann; außerdem wird die Hauptwer=
handlung vertagk.
Der ausgebliebene Verthetdiger ist, sofern er von richterlichen Amtswegen, oder auf
Antrag bestellt war, oder sonst die Vertheidigung übernommen hatte, in eine Geldstrafe
von 1 bis 20 Thalern und in die Kosten der vergeblich angesetzten Verhandlung zu
verurtheilen.
Art. 221. Wenn bei der Hauptverhandlung kein Mitglied der Staatsanwalt=
schaft erscheint, so ist die Verhandlung stets zu vertagen. Erscheint dagegen der vorge-
ladene Privat-Ankläger nicht, so wird dieses als eln Verzicht auf die Anklage angesehen.
Art. 222. Wenn Zeugen und Sachverständige bei der Hauptverhandlung nicht
erscheinen, auch nicht mittelst Vorführungsbefehles sofort herbeigeschafft werden können, so
entscheidet das Gericht nach Gehör des Staatsanwaltes und des Angeklagten und seines
Vertheidigers, ob die Hauptverhandlung zu vertagen, oder mit derselben vorzuschreiten,
und statt mündlicher Abhörung die in der Voruntersuchung enthaltenen Aussagen und
Angaben der Zeugen und Sachverständigen vorzulesen seien.
Art. 223. Die nach Art. 216 gehörig vorgeladenen, aber ausgebliebenen Zeugen
und Sachverständigen sind in eine Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern oder in eine Ge-
fängnißstrafe bis zu dreißig Tagen zu verurtheilen; auch haben sie, wenn die Haupt-
verhandlung verkagt worden ist, die Kosten der vergeblich angesept gewesenen Verhand-
lung zu übernehmen.
Art. 224. Ist dle Haupwerhandlung vertagt worden und ütchen den Zeugen und
Sachverständigen nicht die in dem Art. 226 gedachten Entschuldigungen zur Seite, so
hat das Gericht dafür zu sorgen, daß sic zu der anderweit angesetzten Hauptverhandlung
vor Gericht geführt werden.
Haben sie sich dieser Vorführung durch Verhein#lichung oder Entfernung absichtlich
entzogen, so treten die im vorigen Artikel geordneten Nachtheile ein, und es ist außer-
dem noch ein Verhaftsbefehl gegen sie zu erlassen, erst nach ihrer Verhaftung eine wei-
427
tere Hauptverhandlung anzuberaumen, auch deren Hast bis zur Vornahme der Haupt-
verhandlung zu erstrecken.
Art. 225. Die in den vorstehenden Artikeln geordneten Folgen des Ungehorsamo
sind in den öffentlichen Sipungen des Kreisgerichtes und des Geschwornengerichtes sofort
durch das Kreisgericht oder den Gerichtshof des Geschwornengerichtes auszusprechen, und
es ist dem ungehorsam Ausgebliebenen die Entscheidung abschristlich mitzutheilen.
Art. 226. Innerhalb dreißig Tagen von der Mittheilung an, und wenn der Un-
gehorsame zugleich binnen dieser Frist bescheinigen kann, daß ihm die Ladung nicht ge-
börig behändigt worden, oder daß er durch ein unabwendbares Hinderniß vom Er.
scheinen abgehalten worden ist, kann der Ungehorsame Aufhebung der gegen ihn ausge-
sprochenen Nachtheile, äuch etwaige Minderung der Strafe beantragen
Bei Emscheidungen des Kreisgerichtes ist der Antrag bel demselben Gerichte zu
stellen und noch ein weiterer binnen zehn Tagen einzulegender Rekurs an die Anklage-
kammer des Appellations-Gerichtes zuzulassen.
Bei Entscheidungen des Gerichtshofes des Geschwornengerichtes muß der Antrag
bei der Anklagekammer des Appellations-Gerichts gesiellt werden, und ein Rekurs ist
dann noch an das Ober-Appellations-Gericht zulässig.
Zwöolftes Kapitel.
Von der Hauptverhandlung vor den Kreisgerichten und deren Urtheil.
I. Oeffentlichkeit der Hauptverhandlung.
Art. 227. Die Hauptverhandlung vor den Kreisgerichten ist öffentlich, bei Strafe
der Nichtigkeit.
Art. 228. Die Oeffentlichkeit isi für die ganze Hauptverhandlung, oder einen
Theil derselben, auszuschliehen, wenn eine Gesährdung der Ordnung oder der Sittlichkeit
zu befürchten steht. Bei Münzverbrechen wird die Oeffentlichkelt stets, und für die ganze
Hauptverhandlung, ausgeschlossen.
Das Gericht spricht auf Antrag der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten oder des
Verlehten, oder auch von Amtswegen, die Ausschliehung der Oeffentlichkeit durch einen
schrifrlich abzufassenden, den Grund der Ausschliehung enthaltenden, Beschluß aus. Die-
ser Beschluß wird vor Beginn der Haupwerhandlung, oder auch im Laufe derselben, ge-
fahl, und von dem Gerichtsschreiber, im ersteren Falle bei dem Aufrufe der betreffenden
Sache, vorgelesen, worauf die Zuhörer sich sosort zu entfernen haben. Rechtomittel ge-
gen solchen Beschluß sind unzulässig und nicht zu beachten.
Bei Verkündigung des Endurtbeils trilt jedenfalls die Oefsentlichkeit wieder ein.
61
48
Art. 229. Der Ausschlitöung der Oeffentlichkeit ungeachtet üind der durch das
Verbrechen Verlette und Personen, welche dem Richterstande oder dem Stande der An-
wälte angebören, bei der Hauptverhandlung zuzulassen.
Der Präsident kann auf Antrag des Angeklagten oder Verletzten, oder von Amts-
wegen, auch einzelnen anderen bei der Hauptverhandlung unbetheiligten Personen den
JZutritt verstatten.
II. Amtsverrichtungen des Vorsstzenden und des Gerichtes während der
Hauptverhandlung im Allgemeinen.
Art. 230. Das Geseh macht es dem Vorsitzenden des Gerlchtes zur Ehren= und
Gewissenspflicht, alle seine Kräfte anzuwenden, damit das Hervertreten der Wahrheit
befördert werde.
Er ist berechtigt, den Angeklagten schon vor der Hauptverhandlung zu vernehmen.
Er muß alles beseitigen, was die Hauptverhandlung in die Länge ziehen könnte,
ohne eine größere Sicherheit in den Ergebnissen zu gewähren.
Liegen gegen denselben Angeklagten mehre Verbrechen vor, oder sind bei demselben
Verbrechen mehre Angeklagte betheiligt, so hat er von Amtswegen oder auch auf Antrag
des Staatr anwaltes oder der Betheiligten zu bestimmen, ob und in welcher Weise die
Hauptverhandlungen zu trennen oder zu verbinden sind.
Art. 231. Dem Vorsitenden liegt die Erhaltung der Ordnung und Ruhe in
dem Gerlchtssaale ob. Zeichen des Beifalls und der Mißbilligung sind untersagt. Der
Vorützende hat bei eintretenden Störungen das Recht, zu ermahnen und einzelne
oder auch sämmtliche Zuhörer aus dem Gerichlösaale entfernen zu lassen, ohne daß
bieraus eine Nichtigkelt (Art. 227) abgeleitet werden kann.
Es hängt von seinem Ermessen ab, wenn er den Wiedereintritt der Zuhörer ge-
statten will.
Der Vorsiyende kann überhaupt gegen Jeden, welcher sich im Gerlchtssaale unge-
bührlich beträgt, oder den getroffenen Anordnungen nicht Folge leistet, eine Gefängniß-
strase bis zu acht Tagen, oder eine Geldsirase bis zu fünf Thalern aussprechen. Hier-
gegen sindet kein Rechtsmittel Statt.
Art. 2 32. Zwischenfragen über das Versahren im Lause einer Hauplverhandlung
entscheidet das Gericht sofort, ohne daß ein Rekurs dagegen zulässig ist.
Bei dem Ungehorsam der zur Hauptverhandlung vorgeladenen Personen gilt das
in den Art. 225 und 226 vorgeschriebene Verfahren.
III. Beginn der Hauptverhandlung und Vernehmung des Angeklagten.
Art. 233. Die Hauplverhandlung beginnt mit dem Aufeufe der Sache durch
den Gerichtsschreiber.
429
Der Angeklagte erscheint ungefesselt; wenn er verhaftet ist, in Begleltung einer
e.
Die zur Beweisführung elwa erforderlichen Gegenstände müssen zuvor in den Ge-
richtssaal gebracht worden sein.
Art. 234. Der Vorsipende fragt den Angeklagten nach seinem Namen, Vorna-
men, Alter, Gewerbe oder Beschästigung, Wohnungs= und Geburts-Ort und ermahnt
iön dann zur Aufmerksamkeit. Hierauf trägt der Staatsanwalt, oder in Fällen, wo
ein Privatankläger aufgetreten ist, dieser, oder ein Anwalt desselben, den Gegenstand
der Anklage kürzlich vor. Auch kann die Anklage auf Verlangen des Staatsanwaltes
durch den Gerichtsschreiber verlesen werden.
Sedann läßt der Vorützende die vorgeladenen Zeugen und Sachverständigen auf-
rufen. Die Zeugen begeben sich dann in das für sic bestimmte Zimmer und der Vor-
sipende hat nach Besinden Maßregeln anzuordnen, um das Besprechen und Verabre-
dungen der Zeugen zu verhlndern.
Im Falle des Nichterscheinens der zur Haupwerhandlung vorgeladenen Personen
wird zunon Bocschrist der Artikel 217 flg verfahren.
235. Der Vorsipende vernimmt bierauf den Angeklagten über alle für die
Ueenn erbebliche Thatumstände, unter Beobachkung der in den Art. 117 f. ge-
gebenen Vorschristen.
Eine Befragung des Angeklagten kann auch im Laufe der Hauptverhandlung nach
Vorführung der einzelnen Beweismittel Stalt finden.
Widerrust der Augeklagte ein in der Vornntersuchung abgelegtes Geständulh, so
ist derselbe nach den Gründen seines Widerrufes zu befragen. Der Vorüßgende kann
das früher abgelegte Geständniß aus den Akten der Voruntersuchung vorlesen lassen.
Der Angeklagte kann sich zwar während der Haupwerhandlung mit seinem Ver-
theldiger benehmen; es ist dieses jedoch nicht zulässig, wenn er auf an ihn gesiellte Fra-
gen zu antworten hat.
IV. Beweisverfahren.
Art 236. Auf die Vemehmung des Angeklagten folgt die Vorführung der von
dem Staatganwalte und dann die Vorführung der von dem Angeklagten zu gebrauchen-
den Beweismittel. Die Reihenfolge der einzelnen Veweismitkel bestimmt der Vorsipende.
Der Staatsanwalt und der Angeklagte können im Laufe der Hauplverhandlung
Beweismineel sallen lassen, wenn das Gericht zustimmt und der Gegner nicht in Bezug
auf speziell anzugebende erhebliche Thatsachen die Benutzung derselben verlangt.
Art. 237. Die Zeugen und Sochverständigen werden in Anwesenheit des An-
geklagten abgehört. uu-
430
Sie werden nach dem Ermessen des Vorsihenden vor oder nach ihrer Abhoͤrung
einzeln oder zusammen, in der Artikel 161 und Artikel 189 dieses Gesehes angegebenen
Weise verwarnt und vereidet, mit Ausnahme der im Allgemeinen verpflichteten Sach-
verständigen, sowie der bereits in der Voruntersuchung vereideten Sachverständigen und
Zeugen, bei welchen allen eine Erinnerung an ihren im Allgemeinen oder in der ein-
zelnen Untersuchung schon geleisteten Eid genügen soll.
Die Abhörung geschieht durch den Vorsitenden nach den Vorschriften, welche der
Untersuchungsrichter in der Voruntersuchung zu befolgen hat.
Zeugen, welche in ihren Angaben abweichen, kann der Vorsihende in ein Gegen-
verhör ziehen.
Im Falke einer unzulässigen Verweigerung eines Zeugnisses oder Eides ist gegen
den Ungehorsamen eine Strase bis zu zwanzig Thalern oder sechs Wochen Gefängniß zu
erkennen. Es findet dagegen kein Rechtsmiltel Statt.
Zeugen und Sachverständige bleiben nach ihrer Abhörung im Sihungssaale anwe-
send, bis der Vorsitende sie entläßt.
Art. 238. Zeugen und Sachverständige, welche über die Person des Angeklag-
ten ausgesagt haben, sind am Schlusse ihres Verhöres ausdrücklich zu befragen, ob der
anwesende Angeklagte derjenige ist, von dem sie ausgesagt haben.
. 239. Der Angeklagte ist nach jeder Abhörung eines Zeugen oder Sachver-
ständigen zu befragen, ob er etwas und was er auf die eben vernommene Aussage des
Zeugen oder Sachverständigen zu entgegnen habe.
Art. 240. Der Vorsitzende ist beiugt, den Angeklagten während der Abhörung
eines Zeugen oder Mitangeklagten aus dem Sißtungssaale entfernen zu lassen; er muß
ihn aber bel seiner Wiedereinführung bei Strafe der Nichtigkeit von dem in seiner Ab-
wesenheit Ausgesagten in Kenntniß seten Auch hat er die in dem vorigen Aniikel
geordnete Befragung vorzunehmen.
Art. 241. Außer dem Vorsihenden können auch die Mltglieder des Gerichtes und
der Stantsanwalt an den Angeklagten oder an Zeugen und Sachverständige unmtttel-
bar Fragen stellen, nachdem sie zuvor von dem Vorsigenden die Erlaubniß hierzu erhal-
ten haben. Auf dieselbe Weise kann auch der Vertheldiger Fragen an Zeugen und Sach-
verständige stellen.
Dem Angeklagten, dem Privat-Betheiligten, welcher sich dem Strasverfahren ange-
schlossen hat, sowie dem Privat-Ankläger und dessen Anwalte, kann der Vorsipende ge-
statten, unmittelbare Fragen an Zeugen und Sachverständige, bezüglich an den Ange-
klagien zu siellen.
Der Vorsitzende hat darauf zu sehen, daß nur zur Sache gehörige Fragen gestellt
431
werden und ist befugt, die Fragestellung in jedem Augenblicke selbst wieder zu überneh-
men, oder auch das Verhör zu schließen. Wird gegen Zurückwelsung einer Frage Ein-
spruch erhoben, so hat das Gericht darüber zu emtscheiden. #
Eintretenden Falles hat der Vorsitzende dle Zeugen über die ihnen nach Arlikel 177
zustehende Befugniß zu belehren.
Art. 242. Der Angeklagte, ebenso der Staatsanwalt, kann verlangen, nicht min-
der der Vorsitende von Amtswegen anordnen, daß Zeugen nach ihrer Abhörung sich aus
dem Gerichtssaale entsernen und wieder hereingeführt und allein oder in Gegenwart an-
derer Zeugen nochmals vernommen werden.
Art. 24 3. Weichen Zeugen oder Sachverständige von ihren Angaben in der Vor-
untersuchung ab, so kann der Vorsitzende deren frühere Angaben aus den Akten der Ver-
untersuchung vorlesen lassen.
Art. 244. In der Regel ist die mündliche Vernehmung der Zeugen und Sach-
verständigen erforderlich; jedoch genigt eine Vorlesung ihrer in der Voruntersuchung ab-
gegebenen Aussagen und Gutachten, außer den in den Art. 179, 199, 204 und 222
dieses Gesetzes erwähnten Fällen, dann, wenn die Zeugen oder Sachperständigen in der
Zwischenzeit verstorben sind, ibr Aufenthaltsort unbekannt ist, oder ihrem Erscheinen nach
dem Ermessen des Gerlchtes für längere Zeit erhebliche Hindernisse im Wege stehen.
Besichtigungs-Protokolle, frühere Straferkennmiisse, überhaupt Urkunden, welche für
die Sache von Bedeutung sind, werden gleichfalls vorgelesen.
Auch hier gelten die in dem 4., 5. und 6. Absatz des Art. 179 enthaltenen Be-
stimmungen.
Art. 245. Im Laufe oder am Schlusse der Hauptverhandlung läßt der Vor-
sipende die zur Bewelsführung dienenden Gegenstände dem Angeklagten vorlegen und
sordert ihn auf, sich zu erklären, ob er sie anerkenne.
In gleicher Weise sind diese Gegenstände den Zeugen und Sachverständigen vor-
zulegen.
Art. 246. Der Vorsiyende hat zur Beförderung der Wahrheit die Befugniß.
Beweihmittel zu erheben. Er kann neue Zeugen und Sachverständige in die Gerichts-
sitzung einführen lassen und abhören, neue Gutachten herbelschaffen lassen, auch mit dem
Gerichte Augenschein einnehmen, oder hierzu ein Mitglied des Gerichtes abordnen, wel-
ches sodann Bericht zu erstatten hat.
Diese Beweiserhebungen sollen nur zur Aufklärung dienen und die neuen Zeugen
und Sachverständigen nicht beeidlgt werden; ausgenommen wenn der Staatbanwalt und
der Angeklagte gemeinschaftlich deren Beeidung verlangen, oder wenn wegen Erhebung
dleser neuen Beweismittel eine Vertaguug (Artlkel 270) eingetreten war.
432
V. Ausführungen der Parteien.
Art. 247. Nach Beendigung des Beweisverfahrens erhält zuerst der Staatsan-
walt das Wort, um die Ergebnisse der Beweisführung zusammenzufassen und seine An-
träge sowohl rücksichtlich der Schuld des Angeklagten berhaupt, als rücksichtlich der ge-
gen denselben zu erkennenden Strafe ihrer Art und Gröhe nach zu stellen.
Hat sich ein Privat-Betheillgter dem Strafverfahren angeschlossen, so erbält diesen
zunächst nach dem Staatsanwalte das Wort, um seine Ansprüche auszuführen und die-
jenigen Anträge zu stellen, über welche er im Haupterkenninisse mlt entschieden haben will.
Art. 248. Sodann wird dem Vertheidiger des Angeklagten, wenn derselbe einen
solchen hat, außerdem dem Angeklagten selbst das Wort gegeben, um auf die Ausführun-
dgen und Anträge des Staatsanwaltes und des Privat--Betheiligten zu entgegnen.
Hat der Vertheidiger seine Entgegnung beendigt, so ist der Angeklagte selbst nock
zu befragen, ob er noch etwas beizufügen habe.
Art. 249. Der Staatsanwalt und der Privat-Betheiligte können hlerauf noch
erwidern; dem Angeklagten und seinem Vertbeiriger gebührt jedoch jedenfalls das letzte Work.
Art. 250. Sowohl während des Beweisverfahrens als während der beiderselligen
Ausführungen sicht dem Staatsamwalte, dem Angeklagten, seinem Vertheidiger, ebenso
auch den Mitgliedern des Gerichtes frei, Aufzeichnungen zu machen; es darf jedoch das
Verfahren dadurch in keiner Welse aufgehalten werden.
VI. Urtheil des Gerichtes.
Art. 251. Nach den Ausführungen der Parteien wird die Hauptverhandlung
durch den Vorsigenden geschlossen. Das Gericht zieht sich in das Berathungozimmer zu-
trück, um das Urkheil zu beschließen.
Der Angeklagte wird, wenn er verhaftet war, nach Befinden einstweilen aus dem
Sißungssaale wieder abgeführt.
Art. 252. Das Gericht hat die in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweis-
mittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit, sowohl einzeln als in ihrem Zusammenwirken,
sorgfältig und gewissenhaft zu prüsen. Es entscheiden aber über die Frage, ob eine That-
sache alo erwiesen anzunehmen sei oder nicht, keine gesehlichen Beweisregeln, sondern dle
freie, aus der gewissenhaften Prüfung gewonnene Ueberzeugung der abstimmenden Mlt-
glieder des Gerichtes.
Art. 253. Das Gericht beschließt mit Stlmmenmehrhelt. Bei Stimmengleichheit
geht die dem Angeklagten günstigere Meinung vor.
Bel mehr als zwei verschiedenen Meluungen über dieselbe Frage, von denen kelne
die Mehrheit für sich hat, werden die dem Angeklagten nachthelligsten Silmuen den zu-
433
nächst minder nachthelligen solange zugezählt, bis sich eine Mehrhelt erglbt. Ist es zwel-
felbaft, welche Meinung nachtheiliger sei, so ist darüber besonders abzustimmen, wobel die
Stimmenmehrheit und bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsipenden den Ausschlag gibt.
Alles bel Strafe der Nichtigkeit.
Art. 251. Findet das Gericht, daß ein unbercchtigter Ankläger aufgetreten (An.
207 Nr. 2) oder daß die in dem Verweisungserkenntnisse aufgeführte That durch kein
Strafgesetz verboten ist, so spricht es, ungeachtet des vorliegenden Verweisungserkennt-
nisses den Angeklagten jeht noch von der Anklage frei, wenn nicht bereits, eine entgegen-
stehende Entscheidung des Ober-Appellations-Gerichtes ergangen ist (Art. 211).
Das Gericht spricht ferner den Angeklagken frei, wenn es dafür hält, daß der That-
bestand des Verbrechens nicht hergeslellt, oder die Thäterschaft nicht erwiesen sei, oder daß
Umstände vorliegen, welche die Strafbarkeit aufheben.
Privatrechtliche Ansprüche, welche dem Strafoerfahren angeschlossen waren, sind in
dlesell Fällen zu etwaiger weiterer Verfolgung vor dem Civil-Richter vorzubehalten.
Der durch das Urtheil Freigespxochene ist, wenn er verhaftet war, sofort in Frelheit
zu setzen, sofern nicht noch ein anderer Grund zu seiner Verhaftung vorliegt, oder die
ausschiebende Wirkung eines Rechtsmitkels in den Weg tritt (Art 321).
Der Frelgesprochene kann wegen desselben Verbrechens ulcht noch einmal in Anklage
genommen und vor Gericht gezogen werden; vorbehältlich der Fälle, wo elne Wiederauf-
nahme der Untersuchung zuläsig ist (Art. 335, 336).
Art. 255. Ergibt die Hauplverhandlung, daß der Angeklagte einer anderen That
oder eines anderen Verbrechens schuldig ist, als in dem Verweisungserkenntnisse enkhalten
ist, so wird derselbe, vorbehältlich der in dem folgenden Artkkel geordneten Ausnahmen,
zwar von der erhobenen Anklage freigesprochen, es bleibt jedoch dem Staatsanwalte die
weltere Verfolgung der anderen That oder des anderen Verbrechens vorbehalten und es
ist auf seine diesfallsigen Anträge das Geeignete zu verfügen.
Das Gericht kann jedoch, nachdem es die Staatsanwaltschaft deßhalb gehort hat,
auch zur sofortigen Urtheilsfällung über die audere That oder das andeie Verbrechen
schrelten, wenn es nicht dafür hält, daß die Sache vor ein Geschwornengericht gehöre,
welchen Falles dieselbe an die Anklagekammer des Appellations-Gerichts zur Erthellung
eines neuen Verweisungsbeschlusses abzugeben ist.
Art. 256. Ergibt die Hauptverhandlung, daß zu dem in dem Verweisungser=
kennlnisse bezelchneten Verbrechen erschwerende Umstände hinzutreten, welche dasselbe zu
elnem ausgezeichneten Verbrechen derselben Art machen, oder die Anwendung eines höhe-
ren gesehlichen Strafsapes bei demselben Verbrechen rechtserligen, so hat das Gerlcht über
das Verbrechen in dieser Beschaffenheit abzuurlheilen; es sei denn, daß wegen der neu
434
bervorgetretenen erschwerenden Beschaffenheit die Zurückwelsung der Sache in die Vor-
untersuchung für angemessen erachtet wird, oder dieselbe, als vor ein Geschwornengerscht
gehörig, vor die Anklagekammer des Appellations. Gerichtes zu verweisen ist.
Das Gericht hat ferner in folgenden Fällen über den Inhalt des Verweisungser-
kenntnisses hinaus auf ein geringeres Verbrechen zu erkennen.
1) wenn die Hauptverhandlung darlegt, daß einzelne Merkmalc des in dem Verwei-
d
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sungserkenntnisse bezeichneten Verbrechens wegfallen, die fragliche That aber im
übrigen unter den Begriff eines geringeren Verbrechens fällt;
wenn das Verweisungserkenntniß auf ein ausgezelchnetes Verbrechen oder auf ein
Verbrechen mit erschwerenden Umständen, welche einen besonderen gesehllchen Straf-
sah begründen, gerichtet war, die Hauptverhandlung aber nur eln einfaches oder
mit dem erschwerenden Umstande nicht versehenes Verbrechen derselben Art er-
geben hat;
wenn die Hauptverhandlung strafmindernde, nach dem Gesetze einen geringeren
Strassatz zur Folge habende Umstände ausweist, welche in dem Verweisungser-
kennmisse nicht berücksichtigt waren;
wenn der Angeklagte in dem Verweisungserkenntnisse als Urheber bezeichnet war,
die Hauptverhandlung dagegen nur ergibt, daß er ungleicher Theilnehmer oder
Begünsülger gewesen ist;
wenn der Angeklagte eines vollendeten Verbrechens beschuldigt war und nur eines
Versuches, oder vorbereltender Handlungen, falls diese überhaupt sirafbar sind,
für schuldig erachtet werden kann;
6) wenn dem Angeklagten Vorsaß zur Last gelegt wurde, aber nur eine Fahrlässig=
kelt vorliegt.
In allen diesen Fällen hat das Gericht zu erkennen, auch wenn das Verbrechen sich
als zu der Klasse der Uebertretungen gehörig darstellt.
Art. 2 57. Ist eine Hauptverhandlung in Abwesenhett des Angeklagten abgehal-
#ren worden und das Gericht hält die Sache zu einer endlichen Entscheidung nicht ge-
eignet (Art. 219), so erkennt es, daß die Sache bis zur Wiedererlangung des Ange-
klagten auf sich beruhen soll.
Art. 258. Ein gegen den Angeklagten auszusprechendes Strafurtheil muß angeben:
1) welches Verbrechen der Angeklagte als Urheber, Theilnehmer oder Begünstiger
begangen hat.
2) ob und mit welchen erschwerenden Umstländen dieses geschehen ist,
3) die auf den Angeklagten anzuwendenden geletlichen Bestimmungen,
435
4) die Strafe, zu welcher der Angeklagte verurtheilt wird,
Alles dieses bei Strafe der Nichtigkelt.
5) Sodann ist noch die Entscheidung über etwa geltend gemachte Privatansprüche
und über die Kosten anzufügen.
Art. 259. Jedem Urtheile des Gerichtes sind Gründe beizugeben, welche kürzlich
entbalten sollen: «
1) die Hauptpunkte der Anklage,
2) das Ergebniß der in der Hauptverhandlung gegen und für den Angeklagten vor-
geführten Beweise,
3) die hieraus für die Verurtheilung oder Freisprechung des Angeklagten gezogenen
Schlußfolgerungen.
Das Gericht ist rücksichtlich der Strafart und Strafgröße nicht an die Anträge des
Stacktsanwaltes (Art. 247) gebunden.
Art. 260. Hat das Gericht das Urtheil beschlossen, so erfolgt dessen Verkündig-
ung in öffentlicher Situng.
Das Gericht begibt sich zu diesem Behufe aus dem Berathungszimmer in den Ge-
Gchtssaal zurück, der etwa abgeführt gewesene Angeklagte wird wieder vorgeführt und der
Vorlipende spricht das Urtheil mit den Gründen desselben nach Befinden unter Vorlesung
der angewendeten Strafgesehe aus.
Ausnahmsweise kann bei umfänglichen Sachen die Verkündigung des Urtheils auf
längstens acht Tage, unter sofortiger Ansetzung des Eröffnungstages, verschoben werden,
muß aber dann ebenfalls in öffentlicher Sipung erfolgen.
Die Belehrung des Angeklagten über die ihm zustehenden Rechtsmlttel ist nicht er-
forderlich; die zur Einwendung der lehteren geordneten Fristen laufen ohne Rücksicht auf
erfolgte Belehrung von der Bekanntmachung des Urtheiles an.
Art. 261. Jedes Urhheil ist spätesiens binnen acht Tagen nach seiner Verkündig-
ung in eine besondere Urkunde zu bringen und von allen bei der Fällung desselben an-
wesend gewesenen Mitgliedern des Gerichtes zu unterzeichnen und den Akten einzuverlelben.
VII. Protokoll-Führung.
Art. 262. Das über die Hauptverhandlung durch den Gerichtsschreiber ausftu-
nehmende Protokoll soll enthalten: die Namen der anwesenden Mitglieder des Gerlschtes,
des Beamten der Staatsanwaltschaft oder des Privatanklägers, des Angeklatzten und sei-
nes Vertheidigers, des Privatbetheiligten, der sich eiwa dem Strafverfahren angeschlossen
hat, der erschlenenen Zeugen und Sachverständigen.
Es soll den Verlauf der Hauptverhandlung küczlich erzählen und insbesondere der
62
436
Vereidung der Zeugen und Sachverständigen, der Vorlesung von Stücken aus der Vor-
untersuchung und von sonstigen Urkunden Erwähnung tun.
Von dem Inhalte der Erklärungen der Staaksanwaltschaft, des Angeklagten oder
Vertheidigers, der Zeugen und Sachverständigen, sowie der eiwaigen Privat-Betheilig=
ten oder eines Privat-Anklägers wird nur das Wesentliche kürzlich in das Protokoll
aufgenommen. Im Falle der Angeklagte, die Zeugen und Sachverständigen bereits in
der Voruntersuchung vernommen worden waren, is in dem Protokolle nur zu bemerken,
ob und inwlefern ihre Aussagen von den früheren Angaben in erheblichen Punkten ab-
weichen.
Die zur Enischeidung gestellten Anträge, namentlich der Staatsanwaltschaft und
des Angeklagten oder Vertheidigers, werden mit den darauf erfolgten besonderen Ent-
scheidungen im Protokolle aufgenommen oder demselben als Beilage einverleibt, und
ferner wird der endliche Urthellsspruch, auch im Falle besonderer Abfassung, rücksichtlich
seines entscheidenden Theiles, sowie dle Verkündigung des Urtheiles in dem Protokolle
vermerkt.
Ein Protokoll über die Hauptverhandlung ist bel Strafe der Nichtigkelt erforder-
lich; es genügt jedoch, daß überhaupt ein Protokell aufgenommen worden ist, und der
Umstand, ob etwas im Protolle vermerkt oder nicht vermerkt ist, hat an sich keine Nich-
tigkelt zur Folge.
Art. 263. Einer Vorlesung und Genehmigung des Prokokolles in der öfsenrli-
chen Sitzung bedarf es nicht; doch kann der Vorsigende die Vorlesung einzelner Theile
des Protokolles, sofern er es zu genauer Feststellung des wörtlichen Inhaltes für ange-
messen erachtet, anordnen.
Nach dem Schlusse der öffentlichen Sihyung ist aber das Prokoll möglichst bald dem
Gerichte vorzulesen, oder den Mitgliedern des Gerichtes zur Durchsicht vorzulegen, und
zum Zeichen der Genehmigung von dem Vorsipenden und dem Protokoll-Führer zu un-
terzeichnen. 4
Art. 264. Ueber die Berathung des Gerichtes bei der Urtheilsfällung ist bei
Strafe der Nichtigkeit ein besonderes kurzes Protokoll zu fertlgen; welches das Resultat
der Abstimmungen mit Angabe der Stimmenzahl enthält.
Das Unterbleiben der Aufnahme eines besondern Protokolles über die Verathung
des Gerlchtes bel der Urtheilsfällung soll jedoch dann Nichtigkeit nicht zur Folge haben,
wenn das Ergebniß der Abstimmungen des Gerichtes unter Angabe der Stimmenzohl
in das Protokoll über die Hauptverhandlung mit aufgenommen worden ist.
VIII. Zwischenvorfälle, Vertagung und Einstellung der Hauptverhandlung.
Art. 265. Die Hauptverhandlung darf durch keine fremdartigen Geschäfte un-
177
terbrochen werden und kann nach Ermessen des Gerichtes auch an einem Sonntage oder
Felertage fortgesetzt werden. Zu nöthlger Erholung kann nach Besilmmung des Vor-
sivenden elne kurze Unteibrechung Statt sinden.
Art. 266. Störungen der Verhandlung durch den Angeklagten sucht der Vor-
slpende durch Ermahnung desselben zu beseitigen. Im AMliederholungsfalle kann das
Gericht erkennen, daß der Angeklagte aus der Sihung ganz oder zeilweilig zu entfernen
und die Verhandlung in seiner Abwesenheit fortzusepen sel. Das gefällte Endurtheil
wird ihm dann durch ein Mitglled des Gerlchtes verkündlgt.
Hat der Angeklagte aber keinen Vertheldiger, so ist ihm bei seiner Entfernung so-
fort ein solcher zu bestellen, und wenn ein Vertheidiger nicht erlangt werden kann, dle
Hauptverhandlung zu vertagen.
Art. 267. Eine Vertagung der Hauptverhandlung tritt auch ein, wenn der An-
geklagte dergestalt erkrankt, daß er derselben nicht mehr beiwohnen kann und nicht selbst
In deren Foriseung während seiner Abwesenheit einwilligt. Willigt er ein, so ist ihm,
falls er noch keinen Vertheidiger hat, ein solcher zu bestellen, der jedoch noch immer im
Interesse des Angeklagten die Vertagung verlangen kann.
Bel einer Hauptverhandlung vor dem Kreisgerlchte hängt dle Bestellung eines Ver-
theidigers ln den Fällen der Artikel 266 und 267 und die Vertagung der Verhandlung
im Falle ein Vertheidiger nicht zu erlangen ist, von dem Ermessen des Gerichtes ab.
Art. 268. Ergibt die Hauptverhandlung mit Wahrscheinlichkeit, daß ein Zeuge
wissentlich falsch ausgesagt habe, so kann der Vorsitende auf Antirag des Staatsanwal.
tes den Zeugen sofort verhaften lassen und die Untersuchung wegen des falschen Zeug-
nisses vor den zuständigen Untersuchungsrichter verweisen.
Art. 269. Vergehen und Uebertretungen, welche von irgend jemand während
der Gerichtssitung begangen werden, nicht aber Verbrechen im engeren Sinne, können
mit Unterbrechung der Hauptverhandlung oder am Schlusse derselben, nach Anhörung
des Staatsanwaltes, Vernehmung des Thäters und nach Besinden Abhörung von Zeu-
gen oder Sachverständigen, von dem versammelten Gertchte sogleich abgeurtheilt werden.
50 sind dagegen zwar die gewöhnlichen Rechtomittel zulässig, jedoch ohne aufschtebende
irkung.
Ueber einen solchen Vorgang ist eln besonderes Protokoll aufzunehmen.
Art. 270. Außer den in den Art. 217 bis 224, 257, 260, 266, 267 ange-
führten Fällen der Vertagung elner Hauptverhandlung kann nach Ermessen des Ge-
richtes noch eine Verkagung angeordnet werden, wenn die Erhebung neuer Beweismit-
bel erforderlich erscheint (Art. 246) und diese nicht sofort beigeschafft werden können,
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wenn ferner wegen bereits vorgeführter Beweismittel, wegen eines Zeugnisses, einer Ur-
kunde, Verdacht der Fälschung während der Hauptverhandlung hervorgetreten ist und
weilere nicht sofort zu beschaffende Ermittelungen für angemessen erachtet werden, inglei-
chen wegen Hindernissen bei dem Personal des Gerichtes und wegen sonstiger äußerer
Hindernisse, die nicht sofort beseitigt werden können und eine zeitweilige Aufschiebung
der Verhandlungen nothwendig oder zweckmäßig erscheinen lassen.
Art. 271. Die Einstellung einer Hauptverhandlung kann bei Verbrechen, welche
nur auf Antrag eines Betheiligten untersucht und besrraft werden, von dem Betheilig-
ten in gleicher Weise, wie rücksichtlich der Voruntersuchung im Art 97 geordnet isi, so-
lange beantragt werden, als noch kein endliches Erkenntniß ertheilt ist. Diese Einstel-
lung soll siets als gänzliche Zurücknahme des Antrages auf Untersuchung gelten.
Bei Verbrechen, welche der Staaksanwalt von Amtswegen zu verfolgen hat, siudet
keine Einstellung der Hauptverhandlung auf Antrag des Staatsanwaltes Statt. Nur
wenn derselbe im Laufe der Hauptverhandlung die Ueberzeugung gewonnen hat, daß
ein schwereres Verbrechen vorliegt als dasjenige, welches Gegenstand seiner Anklage und
des Verweisurgserkenntnisses ist, kann er, falls das Gericht hierzu seine Genehmigung ertheilt,
seine Anklage fallen lassen, Einstellung des Verfahrens verlangen und weitere geeignete
Anträge wegen Untersuchung des schwereren Verbrechens stellen.
Dreizehntes Kapitel.
Von der Hauptverhandlung vor den Geschwornengerichten und
deren Urtheil.
I. Allgemeine Bestimmungen.
Art 272. Die Hauptverhandlung vor den Geschwornengerichten ist öffentlich, bei
Strafe der Richtigkeit. Es findet jedoch die in den Art 228 und 229 geordnete Aus-
nahme auch hier Statt.
Art. 273. Der Präsident des Gerichtshofes des Geschwornengerichtes hat die in
den Art. 230, 231 und 246 aufgezählten Rechte und Pflichten.
Der Präsident kann, wenn er es für angemessen erachtet, eine Hauptverhandlung
so lange sie noch ulcht begonnen hat, auf Antrag der Staatsanwaltschaft, oder des An-
geklagten, oder auch von Amtswegen vertagen, oder einem später zusammentretenden Ge-
schwornengerichte zuweisen.
Art. 274. Der Gerichtöhof entscheidet, wie im Artk. 232 angegeben ist, und bei
dem Ungehorsam der Geschwornen nach der Vorschrist des Art. 34.
439
II. Bildung der Geschwornenbank.
Art. 275. Die Hauptrerhandlung begiunt, nachdem der Angeklagte, wie im
Art. 233 vorgeschrieben, eingeführt und die ekwaigen Beweisstücke in den Gerichtssaal
hebracht worden sind, mit dem Aufrufe der Sache, ingleichen der sechs und dreißig Haupt-
geschwornen (Art. 32) durch den Gerichtsschreiber.
Sind weniger als dreißig Hauptgeschworne erschienen, so sind aus den zwölf Er-
gänzungsgeschwornen (Art. 30) soviel durch den Präsidenten des Gerichtshofes auszu-
loosen, als zur Ergänzung der Zahl von dreißig Hauptgeschwornen erforderlich sind,
und zum soforligen Erscheinen zu veranlassen.
Neichen die Ergänzungsgeschwornen zu dieser Ergänzung nicht zu, so hat der Prä-
sident andere, an dem Orte des Geschwornengerichtes oder in dessen Nähe befindliche
Versonen, welche auf der Jahresliste der Geschwornen stehen (Art. 29), sofort belzuziehen,
bis die Zahl von dreißig Hauptgeschwornen erfüllt ist. Die Strafen des Ungehorsams
in dem Art. 34 finden auf diese Personen keine Anwendung.
Art. 276. Der Präsident richtet hierauf an den Staatsanwalt, den Angeklagten
und an die Geschwornen die Frage, ob bei einem der Geschwornen ein Grund vorliege,
der ihn nach Art. 24 für die vorliegende Sache unfählg mache.
Ueber die vorgebrachten Gründe der Unfähigkeit entscheidet der Gerlchtshof, und
eine etwa erforderliche Ergänzung der Geschwornen wird, wie im Art. 275 bestimmt
ist, bewirkt.
Art. 277. Die Namen der hiernach schliehlich kestgestellten wenigstens dreißig Ge-
schwornen werden auf einzelne Papierstreifen geschrleben, in eine Urne gethan und da-
von soviel Namen einzeln von dem Präsidenten des Gerichtshofes herausgezogen und
von ihm verlesen, bis die Geschwornenbank (Art. 279) gebildet ist. Alles bei Stralse
der Nichtigkeit.
Art. 278. Bei dieser Ausloosung haben der Staatsanwalt und der Angeklagte
das Recht, eine bestimmte Zahl von Geschwornen ohne Angabe von Gründen abzuleh-
nen. Je nachdem sechs und dreißig, vier und dreißig, zwei und dreißig oder dreißig
Geschworne vorhanden sind, hat jeder Theil das Recht, zwölf, elf, zehen oder neun Ge-
schworne abzulehnen. Bei fünf und dreißig, drei und dreißig oder ein und dreißlg Ge-
schwornen hat der Angeklagte das Recht, einen Geschwornen mehr abzulehnen, als der
Staatsanwalt.
Das Recht der Ablehnung muß nach Verlesung des Namens des Ausgeloosten, be-
vor ein sernerer Name aus der Urne gezogen ist, durch die Bemerkung „abgelehn!“ aus-
geübt werden.
440
Wird ein Geschworner von beiden Theilen abgelehnt, so gilt er als blos von dem
Staatsanwalte abgelehnt.
Privat-Vethciligte, welche sich dem Strafverfahren angeschlossen haben, lehnen ge-
meinschaftlich mit dem Staatsanwalte, Mitangeklagte gemeinschafflich mit elnander ab,
ohne daß die Zahl der Ablehnungen vermehrt werden darf.
Die gemeinschaftliche Ablehnung geschicht nach Uebereinkommen, außerdem entschei-
det das Loos, in welcher Reihenfolge die gemeinschaftlich Betheiligten abwechseln. Der
von einem derselben Abgelehnte gilt auch rücküchtlich der anderen Betheiligten für ab-
gelehnt.
Wird eine Haupkverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten geführt, (Art. 219),
so hat an dessen Stielle sein Vertheidiger das Necht der Ablehnung.
Art. 219. Sobald die Namen von zwölf nicht abgelehnten Geschwornen ausge-
zogen und perlesen sind, ist die Geschwornenbank durch diese zwölf gebildet, vor welcher
die Hauptverhandlung der einzelnen vorliegenden Sache vorzunehmen ist.
Die zwölf Geschwornen nehmen in der Reihenfolge, in der ihre Namen aus der
Urne gezogen wurden, ihre Pläße ein.
Alle andere, unfähige, abglehnte und nicht ausgelooste Geschworne werden von
dem Präsidenten entlassen, nach Vefinden mit der Bemerkung, daß und zu welcher Zeit
sie sich zum Zwecke der Bildung der Geschwornenbank in einer anderen Sache wieder
elnzusinden haben.
Art. 280. Nimmt elne Hauptverhandlung voraussichtlich einen längeren Zeit-
raum in Anspruch, so sind stakt zwölf Geschwornen, deren vierzehen auszuloosen, von
welchen dle ersten zwölf Hauptgeschworne und die lepten zwei Ersapgeschworne sind. Das
Recht der Ablehnung vermindert sich in diesem Falle verhältnißmäßtg.
Die beiden Ersatzgeschwornen ktreien nach der Reihe ihrer Ausloosung an die Stelle
von Hauptgeschwornen, welche etwa verhindert werden, der Hauptverhandlung fortwährend
beizuwohnen. Für diesen Fall müssen sie selbst aber, bei Strafe der Nichtigkelt, der öu-
zen Hauptverhandlung ohne Unterbrechung beigewohnt haben,
Wenn mehrere Hauptverhandlungen auf einen Tag anberaumt worden sind, so
kann al#bald bel dem Beginne der ersten die Geschwornenbank auch für jede folgende
üfbildet werden.
Die für die erste Hauptverhandlung gebildete Geschwornenbank bleibt, wenn dle
Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sich damit einverstanden erklären, auch für dle
folgenden, an demselben Tage anstehenden Haupwerhandlungen.
Wird auf Verlangen der Staatoanwaltschaft oder des Angeklagten für eine der
solgenden Haupwerhandlungen eine neue Geschwornenbank gebildet, so bleibt nun diese,
wenn die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte damit einverstanden sind, fuͤr die noch
folgenden Hauptverhandlungen bestehen.
Verzögert sich wegen der Dauer der vorhergehenden Hauptverhandlungen oder aus
sonstigen Gründen der feitgesette Anfang einer Hauptverhandlung dergestalt, dah sie erst
am vierten oder an einem noch spitern Tage nach demjenigen begiunt, an welchem die
Geschwornenbank gebildet worden war, so muß zur Bildung einer neuen Geschwornen-
bank geschritten werden.
In allen Fällen, wo die für elne frühere Haupwerhandlung gebildete Geschwornen-
bank für elne solgende bestehen bleibt, unterbleibt für letztere die Vereldung der Geschwor-
nen, und es genügt die Verwelsung auf den in der früheren Sache geleisteten Eld.
II. Vereldung der Geschwornen, Beweisverfahren und Ausführungen der Parteien.
Art. 281. Nach der Bildung der Geschwornenbank erfolgt die Befragung und
Ermahnung des Angeklagten und seines Vertheidigers in der im Art. 234 vorgeschrie-
benen Weise.
Sodann werden die Geschwornen bei Strafe der Nichtigkelt von dem Präsidenden
des Gerichtshofes vereidet
Zu diesem Behufe hält der Präsident an die Geschwornen, welche sich von ihren
St##n erheben, folgende Aurede:
Sie schwören und geloben vor Gott und den Menschen, die Belastungs- und Ent-
lasiungs-Gründe, welche gegen und für den Angeklagten N. N. vorgebracht
werden, mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit zu prüfen, weder das Interesse
des Angeklagten noch das der bürgerlichen Gesellschaft, welche ihn anklagt, zu
verrathen, mit Nlemand auher mit Ihren. Mitgeschwornen Über den zu erthei-
lenden Ausspruch Rücksprache zu nehmen, nicht zu hören auf die Stimme des
Hasses oder der Bosheil, noch auf die der Furcht oder der Zuneigung, und
sich zu entschelden nach den Belastungsgründen und den Verthetdigungsmilteln,
und nach Ihrer vollen inneren Ueberzeugung, wie Sie es vor Gott und Ihrem
Gewissen verantworten können.
Jeder Geschworne wird einzeln von dem Präsidenden aufgerufen, hebt die rechte Hand
empor und antwortet: Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!
Inwiesern nach besonderen Religions-Grundsäßen andere Versicherungen einem Eide
gleich stehen, ist nach den darüber bestehenden gesehlichen Vorschriften zu beurtheilen.
Art. 282. Hierauf werden die Anklageschrift, das Verweisungserkenntniß und die
ehwaigen Nachträge der Anklageschrist verlesen; der Präsident wiederholt nach Befinden
deren wesentlichen Inhalt.
442
Die Zeugen und Sachverständigen werden aufgerufen und vorläufig wieder entlassen.
Gegen Ungehorsame kann Strase erkannt werden (Art. 223).
Der Angeklagte wird vernommen und die Beweismittel werden vorgeführt.
Alles nach den in den Art. 234 bis 246 gegebenen Vorschriften.
Hinsichtlich des weiteren Verfahrens vor dem Geschwornengerichte finden, sowelt et-
was Anderes nicht bestimmt isi, die Vorschriften für die Hauptverhandlungen bei den
Kreisgerichten Anwendung.
Art. 283. Das in dem Art. 241 den Mitgliedern des Gerichts eingeräumte Recht
der unmittelbaren Fragestellung steht auch den Geschwornen mit Einschluß der Ersazge-
schwornen zu.
Bei Abhörung von Sachverständigen hat der Präsident, sofern wissenschaftliche oder
technische Folgerungen in Frage sind, die Geschwornen zur Vorbringung aller Zwelsel
zu veranlassen, welche die Angaben der Sachverständigen in ihnen erregt oder nicht ge-
löst haben, damit eine Aufklärung durch die Sachverständigen noch erlangt werden könne.
Die Geschwornen können den Präsidenten zur Vornahme von Handlungen auffor-
dern, welche geeignet erscheinen, Aufklärung über Punkte herbeizuführen, die für die Be-
urtheilung der Sache von Erheblichkeit sind.
Art. 284. Nach beendigtem Beweisverfahren werden der Staatsanwalt, der Ver-
theldiger und der Angeklagte in der Art. 247 bis 249 angegebenen Reihenfolge gehört.
Ihre Ausführungen haben sich hier nur auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung,
soweit sie dem Ausspruche der Geschwornen zu unterstellen sind, zu erstrecken. Ausfüh-
rungen über die Ergebnisse der Haupwerhandlung, soweit sie zur Entscheidung des Ge.
richtshofes ausstehen, snd einem späteren Zeitpunkte vorbehalten (Art. 298).
IV. Vortrag des Präsidenten und Fragestellung an die Geschwornen.
Arl. 285. Nachdem der Präsident die Verhandlungen geschlossen, gibt er eine
Darstellung der wesentlichen Ergebnisse der Hauptverhandlung. Er führt in möglichst
einfacher und gedrüngter Zusammensiellung die für und wider den Angeklagten streiten-
den Veweise auf und macht auf gesepliche Vorschriften aufnerksam, welche bei Beurthei-
lung der Thalfrage etwa in Betracht kommen; ohne Entwickelung von Ansichten über den
vorliegenden Fall.
Von diesem Zeilpunkte an bis zur Eröffnung des Ausspruches der Geschwornen
(Art. 296) soll die Sihung nicht unterbrochen werden.
Der Vortrag des Präsidenten darf von Niemand, namentlich auch nicht von dem
Angeklagten, oder von der Staatsanwaltschaft, unterbrochen oder zum Gegenstand irgend
einer Aeußerung oder eines Antrages in der Sihung gemacht werden.
443
Art. 286. Sodann werden die an die Geschwornen zu richtenden Fragen durch
den Präsidenten bestimmt. Sie müssen schriftlich vorgelegt werden, sind von dem Präsi-
denten zu unlerschreiben und von demselben zu verlesen, bei Strafe der Nichtigkeit.
Der Staatsanwalt und der Angeklagte können Einwendungen gegen die Frage-
stellung vorbringen, und der Gerichtshof entscheidet darüber. Wird die Fragestellung ab-
geändert, so sind die geänderten Fragen nochmals, bei Strafe der Nichtigkeit, vorzulesen.
Art. 287. Die an die Geschwornen zu richtenden Fragen sind so zu stellen, daß
sie sich mit Ja oder Nein beantworten lassen.
Die Hauptfrage beginnt mit den Worten: Ist der Angeklagte schuldig, und muß
die thatsächlichen Bestandtheile des Verbrechens, welches Gegenstand der Anklage ist,
enthalten.
Ist eventuell ein geringeres Verbrechen Gegenstand der Anklage, oder liegt einer
der Art. 256 gedachten Fälle vor, so sind entsprechende weitere Fragen zu stellen. Eben
dieses gllt in dem Artikel 255 erwähnten Falle dann, wenn der Gerichtshof nach An-
börung der Staatsanwaltschaft es unbedenklich findet, daß eine andere That, oder ein
anderes Verbrechen, als in der Anklageschrift enthalten ist, der Aburthellung mit unter-
stellt werde.
Es ist verstattet, wenn mehrere Umstände bet einem Verbrechen zusammentreffen,
auf einzelne Umstände Fragen zu stellen. Auch kann die Frage über die That an sich
und darüber, ob die That von der Eigeuschaft sei, welche das Geseh zum Begriff des
Verbrechens erfordert, getrenut werden.
Auf Thatsachen, welche die Verhängung einer Strafe auoschliehen, oder elne Mllde=
rung der Srafe unter den gesetzlichen Strafsah herab begründen, sind geelgneten Falles
besondere Fragen zu siellen.
Ueber thatsächliche Verhältnisse, wilche für die Strafzumessung innerhalb des ge-
sehlichen Strafsates von Vedeutung sind, iugleichen über die Voraussehungen des Rück-
falles, werden keine Fragen an die Geschwornen gerichtet; sie stehen zur ausschließlichen
Erwägung des Gerichtshofes.
Art. 2 88. Die niedergeschriebenen Fragen werden von dem Präsidenten den Ge-
schwornen übergeben, und derselbe erinnert die Geschwornen an die ihnen und insbeson-
dere deren Obmanne (Ark. 289) obliegenden Pflichten.
Die Geschwornen ziehen sich hierauf mit den Fragen in ihr Berathungszlmmer zu-
rück. Es werden ihnen die in der Sache vorgebrachten Bewelsstücke, iugleichen die An-
klageschrift und das Verweisungserkenntulh mitgegeben.
Der Angeklagte wird einstwellen abgeführt oder, wenn er nicht verhaftet war, in
das Zeugenzimmer entlassen.
63
444
V. Berathung und Abstimmung der Geschwornen.
Art. 289. Die Berathung der Geschwornen leitet ein von ihnen aus ihrer Mitte
zu wahlender Obmann. Bei dieser Wahl entscheidet einfache Stimmenmehrheit und bei
Stimmengleichheit das Loos.
Der Obmann hat vor der Berathung den Geschwornen folgende Insiruktion vor-
zulesen:
Das Geseh fordert von den Geschwornen keine Rechenschaft über die Gründe,
durch welche sie sich überzeugt haben. Es schreibt ihnen keine Regeln vor, von
welchen sie die Vollständigkeit eines Beweises abhänglg machen sollen. Es
schreibt ihnen aber vor, mit Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt zu prüfen, welchen
Eindruck die wider den Angeklagten vorgebrachten Beweise und die Gründe
seiner Vertheidigung auf ihre Urtheilskraft gemacht haben.
Das Gesetz sagt ihnen nicht: ihr müsset jede Thatsache für wahr halten, die von
dieser oder jener Zahl von Zeugen bekundet wird. Es sagt ihnen eben so
wenig: ihr dürft nicht einen Beweis als hinreichend geführt ansehen, der nicht
auf diesen oder jenen Urkunden, auf so und so viel Zeugen oder Anzeigen
beruht. Es richtet an sie die einzige Frage: seid ihr durch die vorgelegten
Beweise vollkommen überzeugt, daß der Angeklagte des Verbrechens, welches
man ihm zur Last legt, schuldig sei oder nicht.
Die Berathung und der Ausspruch der Geschwornen muß sich auf die thnen vom
Präsidenten vorgelegten Fragen beschränken.
Ihre Ansicht über die Zweckmäßigkeit oder Rechtmäßigkeit des Strafgesetzes darf
auf ihren Ausspruch keinen Einfluß haben. Nicht sie, sondern die Richter sind
berusen, die gesehlichen Folgen auszusprechen, welche den Angeklagten wegen
der ihm zur Last fallenden That treffen. Die Geschwornen haben daher ihren
Ausspruch ohne Rücksicht auf die gesehlichen Folgen desselben zu fällen
Der Obmann hat ferner den Geschwornen noch die folgenden Art. 291, 292, 293
vorzulesen.
Die Instruktion und die letztgedachten Artikel sollen in dem Verathungszimmer der
Geschwornen in mehreren Exemplaren angeschlagen sein.
Art. 290. Das Berathungszlmmer wird nach Anordnung des Präsidenten bewacht.
Kein Geschworner darf dasselbe ohne schriftliche Erlaubniß des Präsidenten verlassen.
Im Uebertrekungsfalle erkennt der Gerichtshof auf eine Geldbuße bis zu fünfzig Thalern,
ohne daß ein Rechtsmittel dagegen zulässig ist. Kann ein Geschworner der Berathung
nicht bis zu Ende beiwohnen, so läßt ihn der Präsident auf erhaltene Anzeige durch
einen Ersatzgeschwornen (Art. 280) ersehen.
445
Niemand außer den Geschwornen darf das Berathungszlmmer bekreten bei vier und
zwanzigstünditzer Gefängnißsiruse, welche der Gerichtshof erkennt, mit Auoschluß aller
Rechtsmittel. Nur dem Präsidenten ist auf schriftliches Erfordern des Obmannes der
Zutritt gestattet, um den Geschwornen über den Sinn und die Bedentung der ihnen ge-
stellten Fragen Aufklärung zu geben. Zur Abstimmung der Geschwornen darf aber bei
Strafe der Nichtigkeit nicht eher geschritten werden, als bis der Präsident das Zlmmer
wieder verlassen hat.
Art 291. Die Geschwornen stimmen nach gehaltener Berathung über jede Frage
mündlich mit Ja oder Nein ab.
Der Obmann hat bei jeder Frage jeden Geschwornen einzeln nach seiner Abstim-
mung zu fragen. Er zählt unter Mitwirkung eines zweiten Geschwornen die Stimmen
und schreibt neben jede Frage, je nachdem sie durch die Mehrheit der Geschwornen be-
antwortet ist, Ja oder nein, mit Angabe des Stimmenverhältnisses.
Den Geschwornen ist gestattet, eine Frage theilweise zu bejahen oder zu verneinen;
der Obmann hat dieses gleichfalls niederzuschreiben.
Auch können die Geschwotnen, wenn sie glauben, daß einzelne in der Frage enthal-
tene Umstände sich ganz anders verhalten, statt bloher Verneinung der Frage, dieselbe
unter Beifügung der sich anders verhaltenden Umstände bejahen. Ihre Antwort ist
dann: Ja, aber mit diesen oder jenen Umständen.
Art. 292. Zur Schuldigerklärung oder Bejahung erschwerender Umstände wird
eine Mehrheit ven zwei Drittheilen der zwölf Geschwornen erfordert. Ist aber die Frage,
ob ein strafmildernder oder strafmindernder Umstand, oder ein die Strafbarkeit ausschlle-
bender Umstand vorhanden sei, so soll die elnfache Stimmenmehrheit und bei Stimmen-
Fleichheit die dem Angeklagten günstlgere Melnung den Ausschlag geben.
Die Geschwornen können bei einer ihnen vorgelegten Frage, die Frage über die
That an sich und darüber, ob diese That von der Eigenschaft sei, welche das in Frage
stehende Gesetz zu dem Begriffe des Verbrechens erfordert, trennen und, wenn ste die
Frage über die That-an sich bejahen, die andere Frage durch einfache Stimmenmehrheit
dem Gerichtshofe zur Entscheidung überlassen. Die Geschwornen haben in diesem Falle
das, was sie bejahen, bestimmt anzugeben und das, was sie dem Gerichtshofe zur Ent-
scheldung überlassen, mit der Bemerkung zu bezeichnen, daß ihnen unbekannt fel, ob
der Angeklagte rücksichtlich desselben schuldig sei oder ulcht.
VI. Ausspruch der Geschwornen.
Art. 293. Nach beendigter Abstimmung nehmen die Geschwornen ihre Plaͤhe in
dem Gerichtssaale wieder ein.
Der Präsident fragt nach dem Ergebuisse ihrer Berathung.
Der Obmann der Geschwornen erhebt sich, legt die Hand auf das Herz und spricht:
446
Auf meine Ebre und mein Gewissen, vor Gott und vor den Menschen, der Aus-
spruch der Geschwornen ist u. s. w.
Er verliest hierbei die den Geschwornen gestellten Fragen nach der Reihe und fügt
unmittelbar nach jeder die den Fragen beigeschriebenen Aussprüche der Geschwornen bet;
unter Strafe der Nichtlgkeit.
Nach dieser Verlesung kann keiner der Geschwornen eine neue Beralhung verlangen.
Die Aussprüche der Geschwornen werden von dem Obmanne unterzeichnet, dem Prä-
sidenten übergeben und auch von diesem und dem Gerichtsschreiber unterzeichnet.
Art. 294. Findet der Gerichtshof einen Ausspruch der Geschwornen undentlich,
unvollständig oder sich widersprechend, so hat er die Geschwornen zu einer anderweiten
Berathung zu veranlassen.
Hat sich der Gerichtshof, um hlerüber zu beschließen, in sein Berathungszlmmer
begeben, so sind gleichzeitig die Geschwornen in ihr Berathungszlmmer zu verwelsen, bis
der Gerichtshof wieder Iin den Gerichtssaal eingetreten ist.
Das Ergebuiß der anderweiten Berathung der Geschwornen ist, wie im Art. 293
geordnet ist, vorzulesen und zu unterzeichnen.
Art. 295. Haben die Geschwornen den Angeklagten der That für schuldig er-
klärt, der Gerichtshof ist aber einstimmig der Melnung, daß sich dieselben, abgesehen von
blos erschwerenden Umständen, rücksichtlich der That überhaupt bei ihrem Ausspruche ge-
irrt haben: so erkennt er, dah die Entscheidung auszusetzen und die Sache vor eln an-
deres Geschwornengericht zu verweisen sei Ein solches Erkenntulh erfolgt von Amtswe--
gen und kann von den Partelen nicht beantragt werden.
Die ausgesprochene Verweisung soll sich nicht auf ekwaige Mitangeklagte erstrecken,
bei welchen der Gerichtshof keinen Irrthum der Geschwornen annimmt.
Die AMkien sind #im Falle der Verweisung dem Appellationsgerichte zur Einleitung
des Weiteren mitzutheilen. Das andere Geschwornengericht darf nur mit Geschwornen
beseßt sein, welche an dem ersten Geschwornengerichte nicht Theil genommen haben. Bei
dem Ausspruche des zweiten Geschwornengerichtes hat es sein Bewenden und eine wei-
tere Verweisung findet nicht Statt.
Art. 296. Demnächst wird der nach Art. 288 einstweilen abgeführte Angeklagte
wieder vorgeführt und ihm der Ausspruch der Geschwornen (Ark. 293, 294), oder das
nach Art. 295 gesällte Erkenntniß des Gerichtshofes durch Vorlesen bekannt gemacht; bei
Strafe der Nichtigkeit.
Art 297. Haben die Geschwornen ausgesprochen, daß der Angeklagte nicht schul-
dig sel, so verkündigt der Präsident sofork, daß der Angeklagte von der Anklage freige-
sprochen werde.
447
Wegen des Vorbehaltes privatrechllicher Ansprüche, der Enllassung des Angeklag-
ten aus der Haft und der Beseltigung einer nochmaligen Anklage gilt, was im Art.
254 verordnet ist
VII. Weiteres Verfahren und Urtheil des Gerichtshofes.
Art. 298. Ist der Angeklagte durch die Geschwornen für schuldlg befunden wor-
den, so erhält zunächst der Staatsanwalt, sodann der Privat-Betheiligte, der Vertheidi-
Ver und der Angeklagte das Wort, alles wie in den Art. 247—249 bestimmt ist.
Der Staatsanwalt hat seine weiteren Anträge an den Gerichtshof insbesondere we-
Ven der zu erkennenden Strafe und ihres Maßes zu Kellen.
Die Ausführungen allerseits haben hier von demjenigen abzusehen, was bereits
durch die Aussprüche der Geschwornen fesigestellt ist, und sich nur mit demjenigen zu
beschäftigen, was noch zur Entscheidung des Gerichtshofes aussteht (Art. 264).
Art. 299. Hierauf zieht sich der Gerichtshof zur Fällung seines Urtheiles in
sein Beralbungszimmer zurück.
Der Angeklagte wird nach Ermessen des Präsidenten abgeführt.
Der Gerichtshof faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit, wobei die weiteren
Regeln im Art. 253 zur Anwendung zu bringen sind.
Art 300. Der Gerichtshof spricht den Angeklagten von der Anklage frei in den
gällen, welche in dem ersten Sate des Art. 254 und in dem Att. 255 gedacht sind,
unter den daselbsi bemerkten Einschränkungen; serner geeigneten Falles, wenn die Ge-
schwornen eine ihnen vorgelegte Frage, wie im Art. 292 erwähnt, getrennt haben, oder
wenn in Folge von Umständen, über welche kelin Ausspruch der Geschwornen erkfordert
wurde und welche aktenmäßig sind, die Strafbarkeit des Verbrechens sich als gänzlich
beseltigt annehmen läßt.
Wegen Vorbehaltes privatrechtlicher Ansprüche, der Entlassung des Angeklagten
aus der Hast und der Beseitigung nochmaliger Anklage gilt die Verordnung im Art. 254.
Art. 301. In anderen Fällen spricht der Gerichtshof auf dem Grunde der Aus-
sprüche der Geschwornen, tnnerhalb der Grenzen und mit den Befugnissen, welche die
Art. 255 und 256 ausstellen, ohne an die Anträge des Staatsanwaltes wegen der
Strafart und Strafgröße gebunden zu sein, ein Strafurtheil gegen den Angeklagten
nach freier, gewissenhafter Prüfung der für oder gegen den Angeklagten streitenden Mo-
mente, in Gemäßhelt der Strafgesehe.
Das uUrtheil muß enthalten eine Bezugnahme auf die das Erkenntniß begründenden
Fragen und Aussprüche der Geschwornen, die Bezeichnung der angewendeten strafgesetz
lichen Bestimmungen und die zuerkannte Strase, bei Strafe der Nichtigkeit.
448
Außerdem hat das Urtheil noch über die etwa dem Strafversahren angeschlossenen
Privatansprüche und über die Kosten zu entscheiden.
Art. 302. Die Verkündigung des Urtheiles geschieht durch den Prästdenten,
nachdem sich der Gerichtshof wieder in den Gerichtssaal zurück verfügt hat und der An-
geklagte wieder vorgeführt worden ist.
Art. 303. Jedes Urtheil muß binnen acht Tagen in einer besonderen Auofer=
bigung zu den Akten gebracht und von sämmtlichen Mitgliedern des Gerichtshofes un-
terzeichnet werden.
VIII. Protokoll-Führung, Iwischenvorfälle, Vertagung und Einstellung
des Verfahrens.
Art. 304. Ueber die Protokoll-Führung bei der Hauptverhandlung vor den Ge-
schwornengerichten gelten die Vorschriften in den Art. 262 und 263 mit dem Zusage,
daß das Protokoll auch die Namen der Geschwornen, die Vorgänge bei Bildung der
Geschwornenbank und die Vereidung der Geschwornen erwähnen soll, und mit der Ein-
schränkung, daß der Inhalt der Vernehmungen des Angeksagten, der Zeugen und Sach-
verständigen nicht aufgenommen zu werden braucht. Der Inhalt neuer, in der Vornn-
tersuchung noch nicht vorgekommener Beweise, ingleichen Abweichungen des Angeklagten,
der Zeugen und Sachverständigen von ihren in der Voruntersuchung erstatteten Aussa-
gen sind auf Anordnung des Präsidenten von Amtswegen oder auf Antrag eines Be-
tbeiligten in das Protokoll aufzunehmen.
Einer Aufnahme der an die Geschwornen gestellten Fragen und der dazu abgege-
beuen Aussprüche in das Protokoll bedarf es nicht; es genügt, daß jene Fragen mit
den dazu ertheilten Aussprüchen in Urschrift dem Protokolle beigelegt werden.
Auch über die Berathung des Gerichtshofes ist ein kurzes Protokoll, wie Art. 264
bestimmt, aufzunehmen.
Art. 305. Die Verordnungen in den Art. 265—271 über Zwischenvorfälle, Ver-
tagung und Einsiellung der Hauptverhandlung vor den Kreisgerichten finden auch beie
den Geschwornengerichten Anwendung.
Im Falle des Art. 269 entscheidet der Gerichtshof obne die Geschwornen.
Vierzehntes Kapitel.
Von den Rechtsmitteln gegen Endurtheile.
I. Nichtigkeitsgründe bei Endurtheilen der Kreisgerichte und Geschwornengerichte.
Art. 306. Endurtheile, welche von einem Kreisgerichte oder dem Gerlchtshofe ei-
449
nes Geschwornengerlchtes gefaͤllt sind, sollen nur dann wegen Nichtigkeit angefochten
werden können: «
,1)wcmtdasukthcilcndcKreisgckichhoderbcldcmGeschwonthsgekichlechGe-
richtshof oder die Geschwornenbank nicht gehörig besetzt war;
wenn der im Art. 207, Nr. 2 gedachte Fall vorliegt und nicht schon durch eine
frühere Entscheidung des Ober-Appellations-Gerichtes beseitigt ist (Art. 211);
wenn in der Hauptverhandlung vor dem Kreisgerichte oder vor dem Geschwor-
neugerichte, ingleichen bei der Fällung des Endurtheiles gegen gesepliche Vor-
schriften gefehlt wurde, bei welchen die Strase der Nichtigkeit ausdrücklich durch
das Geset angedroht ist. Diese Nichtigkelt soll jedoch nicht geltend gemacht wer-
den können, wenn der Angeklagte bei dem Geschwornengerichte nach Art. 297
freigesprochen wurde;
wenn dem Angeklagten oder dem Staatdanwalte bei der Hauptverhandlung, un-
geachtet eines an das Gericht geslellten ausdrücklichen Antrages, Befugulsse oder
Prozeß-Handlungen gesehwidrig beschränkt oder versagt wurden, welche als Mit-
tel der Vertheidigung oder der erlaubten Strafoerfolgung anzusehen sind;
wenn die in Frage stehende That aus dem Grunde, weil kein einschlagendes
Strafgeseh vorhanden sei, für kein Verbrechen gehalten wurde, obgleich ein solches
Gesetz vorhanden ist, oder wenn sie umgekehrt für ein Verbrechen gehalten wurde,
während kein einschlagendes Strafgesetz vorhanden ist; vorausgesetzt, daß das
Ober-Appellations-Gericht nicht schon hierüber früher entschieden hat (Art. 211).
Diese Nichtigkeit kann nicht geltend gemacht werden, weil wegen unrichtiger Be:
urtheilung thatsächlicher Verhälinisse Straflosigkeit oder Strafbarkelt angenommen
worden sei; insbesondere nicht in dem Falle einer Freisprechung des Angeklagten
bei dem Geschwornengerichte nach Art. 297;
wenn die That durch unrichtige Gesehesauslegung einem falschen Strasgesetze
unterzogen worden ist, ebenfalls vorausgesept, dab das Ober-Appellations-Gericht
bierüber nicht schon früher erkannt hat. Diese Nichtigkeit soll aber dann nicht be-
rücksichtigt werden, wenn das Strafgesetz, dem die That nach richtiger Auslegung
zu unterstellen ist, zu keiner andern Strafe führen würde, als erkannt worden ist;
wenn auf eine andere Strafart, als das anzuwendende Strafgeseh bestimmt, oder
auf ein Strafmaß unter oder über dem gesehlichen Maße erkannt worden ist;
wenn wieder eine von dem Ober-Appellations-Gerichte früher gegebene Entschei-
dung (Art. 211) erkannt worden ist;
bei dem Geschwornengerichte, wenn das Urkheil des Gerichtshofes von den Aus-
sprüchen der Geschwornen abweicht, ausgenommen den im Art. 295 erwähnten Fall.
#-
4—
#
E.
2 —
4#
—
450
II. Nichtigkeitsbeschwerde gegen Endurtheile der Geschwornengerlchte.
Art. 307. Endurtheile bei einem Geschwornengerichte können blos wegen Nichtig-
keiten (Art. 306) durch eine an das Ober-Appellations-Gericht gehende Nichligkeitsbe-
schwerde angefochten werden.
Dieses Rechtsmittel kann nur der Angeklagte oder der Ober-Staatsanwalt, ein je-
der, soweit ihn die vorige Entscheidung berührt, ergreisen. Es ist bel dem Appellations-
Gerichte einzuwenden, innerhalb zehntägiger Nothfrist vom Tage der Eröffnung des vorl-
gen Urtheiles an, und mit bestimmter Anführung der einzelnen Nichtigkeitsgründe. Die
Einwendung geschieht mündlich zu Protokoll oder schriftlich; im letzteren Falle ist ein
Duplikat beizufügen. "
JstdadvokigeuktheilgegeneinenabwesendenAngeklagtengefülltwokdethsollt
demselben das Urtheil bei seiner Rückkehr oder Wiedererlangung zu eröffnen, und die
Nothfrist läuft ihm erst vom Tage dieser Eröffnung an.
Bei Verbrechen, wo ein Privat-Ankläger aufgetreten ist, hat dieser in Beziehung
auf die Nichtigkeitsbeschwerde alle Rechte des Ober-Staatsanwaltes.
Die Schlußbestimmung in Art. 260 gilt auch hier.
Art. 30 8. Gegen Versäumnisse an der Nothfrist kann aus erheblichen Entschul-
digungsgründen Wiedereinsezung in den vorigen Stand gesucht werden innerhalb dreißig
Tage vom Ablaufe der Nothfrist an. Der Nachsuchende muß innerhalb dieser Frist zu-
gleich den Entschuldigungsgrund bescheinigen, oder doch Beschelnlgungemittel anzeigen.
Das Nachsuchen und das Erbeben der Beschelulgungsmittel geschieht bei dem Appella-
tions-Gerichte, bei welchem die Nichtigkeitsbeschwerde einzuwenden ist, und die letztere
selbst muß gleich bel dem Nachsuchen um Wiedereinsepung in den vorigen Stand mit
angebracht werden. Die Erhebung von Bescheinigungsmilteln kann das Appellations=
Gericht durch Untergerichte vornehmen lassen.
Die Entscheidung über die gesuchte Resiitution ist dem über die Richtigkeitsbeschwerde
erkennenden Ober-Appellations-Gerichte zu überlassen.
Art 309. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.
War jedoch der Angeklagte verhaftet und ist er durch das angesochtene Urtheil frei-
gesprochen, so soll seine Entlassung aus der Haft in Folge einer von dem Ober-Staaks-
anwalte eingewendeten Nichtigkeitsbeschwerde nur dann aufgeschoben sein, wenn der letz-
tere sofort bei Bekanntmachung des Urtheiles die Fortsetzung der Haft beantragt und
zugleich die Nichtigkeitsbeschwerde wenigstens vorläusig angezeigt und sodann noch inner-
halb der Nothfrist ordnungsmäßig eingewendet hat.
Art. 310. Die eingewendete Nichtigkeitsbeschwerde ist von dem Appellations-Ge-
richte, wenn sie von dem Ober-Staatsanwalte eingelegt wurde, dem Angeklagten und
451
wenn sie von dem lehteren ergriffen wurde, dem Ober-Staalsanwalt sofort schriftlich
mitzutheilen.
Der Beschwerdeführer kann noch innerhalb zehen Tagen, vom Ablaufe der ersten
Nothfrist an, eine Ausführung übergeben, von welcher er ein Duplisat beifügen muß,
Die Frist kann auf Antrag den Umständen nach von dem Gerlchte einmal verlänger!
werden Diese Ausführung ist gleichfalls dem Gegner mitzutheilen, welcher dabei zu be-
deuten ist, daß ihm die Beibringung einer Gegenausführung biunen zehen Tagen freistehe.
Der Ober-Staatsanwalt hat sodann an den General-Staalsanwalt zu berichten,
damit dieser die wellere Verhandlung übernimmt, und das Appellations-Gericht sendet die
Akten an das Ober= Appellations-Gericht zur Erledigung des Rechtömilttels ein.
Art. 311. Das Ober-Appellatlons-Gericht kann die Nichtigkeitsbeschwerde, wenn
Üie versäumt, oder nicht gehörig oder ohne einen geseßlichen Nichtigkeitsgrund (Art 306)
eingewendet, oder der Richtigkeitsgrund berells durch eine frühere Entscheldung beseitigt
in (Art. 306—308), sofort verwerfen. Außerdem beraumt es einen Gerichtstag zur Ver-
handlung der Sache an und ladet hierzu den Beschwerdeführer und seinen Gegner der-
gestalt, daß die Ladung wenigstens acht Tage vor dem Gerichtstage behändigt wird.
Der Angeklagte wird nie persönlich geladen, sondern an dessen Stelle seln Verthei-
diger, und falls er keinen haben sollte, wird er zum Erscheinen durch elneu Vertheldiger
geladen, der ihm nöthigen Falles durch das Appellatlons-Gerlcht von Amtswegen zu be-
stellen ist.
Für die Staatsanwaltschaft wird der General= Staatsanwalt geladen.
Die Ladung an den Beschwerdeführer und an dessen Gegner ist mit dem Präjudiz
zu versehen, daß im Falle ihres Rlchterscheinens ulchts destowenlger in der Sache ent-
schieden werde.
Beiden Theilen ist bis zum achten Tage vor dem anberaumten Gerlchtstage die
Einsicht der Akten auf Anmelden zu verstallen.
Art. 312. Die Verhandlung der Sache in dem angesehten Gerichtstage vor dem
Ober-Appellations-Gerichte ist öffentlich nach den Bestimmungen in den Art. 227—229.
Ein von dem Präsidenten des Gertchtes dazu bestimmtes Mitglied desselben hält
einen Vortrag aus den Akten, welcher den bisherigen Verlauf der Sache, soweit er nach
Mahgabe der ausgestellten Nichtigkeitsbeschwerden erheblich ist, die Förmlichkeiten des
Rechtsmittels, die Beschwerden und die sich hieraus ergebenden Gäirriunfte umfassen soll,
ohne eine Ansicht über die zu ertheilende Enscheidung zu äußem
Darauf erhält der Beschwerdejührer und sodann dessen Gyur, sofern sie erschle-
nen sind, das Wort.
Das Gericht zleht sich demnächst in das Berathungszimmer zurück. Bis zu die-
64
452
sem Zeitpunkte ist jeder Partel die Zurücknahme ihres Rechtemittels verstattet, welchen
Falles sie die dadurch veranlaßten Kosten zu übernehmen hat.
Art. 313. Das Ober--Appellations-Gericht fällt die Entscheidung nach Stimmen-
mehrheit mit Beobachtung der näheren Verordnungen im Art 253.
Findet es die Nichtigkeitsbeschwerde begründet, so hebt es das vorige Urtheil auf
und erkennt rücksichtlich der im Art. 306 aufgezählten Nichtigkeitsgründe:
zu Nr. 1, auf nochmalige Hauptverhandlung und Entscheldung durch das Ge-
schwornengericht desselben oder eines anderen Geschwornenbezirkes;
zu Nr. 2, dah der Angeklagte von der erhobenen Anklage frelgusprechen sei;
zu Nr. 3 und 4, wie zu Nr. 1;
zu Nr. 5, wenn die That für ein Verbrechen gehalten wurde, während sie kei-
nes ist, wie zu Nr. 2; und wenn die That für kein Verbrechen gehalten
wurde, während sie nach den Strasgesehen ein solches ist, wie zu Nr. 1;
zu Nr. 6, 7, 8 und 9, wie zu Nr. 1.
Die von dem Ober-Appellations-Gerichte gegebene Entscheidung ist für die in der
Sache anderwelt entscheidenden Gerichte, Kreisgerichte, das Appellations-Gericht, oder
Gerichtshöfe bei dem Geschwornengerichte, maßgebend.
Art. 314. Das Urtheil des Ober-Appellations-Gerichtes ist, nachdem sich lette-
res in den Gerichtssaal zurückverfügt hat, mit den Enischeidungsgründen mündlich zu
verkündigen.
Eine schristliche Abfassung des Urtheiles ist, wie Ark. 303 verordnet, zu den Akten
zu bringen.
Art. 315. Führung eines Protokolles über die öffentliche Verhandlung vor dem
Ober-Appellations.Gerichte und über dessen Beschlußfassung ist, wie die Art. 262—264
bestimmen, erforderlich.
Art. 316. Offenbar grundlose Nichtigkektsbeschwerden soll das Ober-Appellations=
Gericht an den Parkeien und den Vertheidigern mit Geldstrafen, welche bis zu funfzig
Thalern ansteigen könncn, unnachsichklich ahnden und dieses auch bei den in den Art.
206 f. und in den Art. 332 f. gedachten Nichtigkeitsbeschwerden zur Anwendung kommen.
IIl. Appellation gegen Endurtheile der Kreisgerichte.
Art. 317. Gegen Endurtheile eines Kreisgerlchtes ist Appellation an das Ap-
pellations-Gericht zulässig. Sie kann gegen verurtheilende und freisprechende Urthelle
nach allen Richtungen, wegen vorliegender Nichtigkeiten (Art. 306), wegen angenomme-
nen oder ulcht angenommenen Beweises, wegen der erkannten Strafart und Strasgröße,
wegen der Entscheidung über etwaige privatrechtliche Ansprüche und wegen der Koften
ergrisfen werden.
453
Art. 318. Die Appellation steht dem Angeklagten und dem Staatsanwalte oder
dem Privat-Ankläger, einem jeden, sowelt das Endurtheil des Kreisgerichtes ihn barührt
oder dem Gegner zum Vortbeile gereichk, zu.
Die Erben eines verslorbenen Angeklagten können an dessen Stelle nur bet er-
kannten Geldstrafen und wegen etwa mitentschiedener Civil-Punkie oder wegen der Kosten
appelliren oder die von ihrem Erblasser bereils ergriffene Appellation fortsetzen.
Ist der Angeklagte nach Eröffnung des vorigen Urtheiles gestorben, so kann der
Staatsanwalt nur, sofern Geldstrafe oder der Kostenpunkt in Frage steht, gegen die Er-
ben des Angeklagten appelliren oder eine schon eingelegte Appellation fortsetzen.
Art. 319. Ein Privat-Bethelligter, welcher sich wegen privatrechtlicher Ansprüche
dem Strafpverfahren angeschlossen hat, und dessen Ausprüche alo unstanthaft oder wegen
ermangelnder Bescheinigung ganz oder theilweise aberkannt worden sind, kann nur dann
appelliren, wenn von dem Angeklagten oder von dem Staatsanwalte in irgend elner,
die privatrechtlichen Ansprüche vielleicht auch nicht berührenden Beziehung, appellirt wor-
den ist. Die Einwendung einer solchen Neben-Appellatlon schließt jede weitere Betre-
tung des Civil-Weges aus
Wendet der Privat-Betheiligte kelne Neben. Appellation ein, so kann er glelchfalls
auf dem Elvll.Wege kelne weiteren Ansprüche geltend machen; es sel denn, daß er in-
nerhalb der für die Neben-Appellation geltenden Nothfrist sich dlese Geltendmachung be-
sonders vorbehalten hat.
Kann er in Ermangelung eines Hauptrechtsmiltels nicht appelltren, so steht ihm
frei, seine Anspruche, ungeachtet der in dem Strafverfahren vorliegenden Enischeldung,
noch auf dem Civil-Wege zu verfolgen.
Die Erhebung einer Civil-Klage entzleht die Befugulß, auf die im Strafverfahren
vorliegende Entscheidung zurückzugehen, indem die letztere nunmehr als nicht erthellt an-
zusehen ist.
Art. 320. Die Appellationen sind bei dem Kreisgerichte mündlich zu Protokoll
zu geben oder schristlich einzuwenden, welchen Falles ein Duplikat belzufügen ist. Nich-
egkeitsgründe müssen einzeln bestimmt angegeben werden; auch andere beschwerende Punkte
sollen deutlich bezeichnet, jedoch eine allgemein eingewendete Appellatlon angesehen wer-
den, als sei sie gegen alle einzelne Theile des Urthelles, welche gegen den Appebanten
gehen, gerichtet
Dem Angeklagten und dem Staatsanwalte läust zur Einwendung eine zehntägige
Notbfrist nach den näheren Bestimmungen im Art. 307. Eine Belehrung des Ange-
llagten über die ihm zustehenden Rechtsmittel ist nicht erforderlich. Auch gilt hier Wle.
dereinseyung in den vorlgen Stand mit analogischer Anwendung der orlchristen im
454
Art. 308. Die Entscheldung uͤber dle nachgesuchte Wiederelnsehung ist dem Appellatlons-
Gerlchte zu überlassen.
Ein Privat-Betheiligter, welcher sich nach Art 319 einem Hauptrechtsmittel an-
schließen will, muß dleses binnen elner zehentägigen Nothfrist von dem Tage an thun,
an welchem er von der Einwendung eines Hauptrechtsmittels Kenntniß erlangt hat.
Art. 32 I. Die eingewendeten Axpellationen haben ausschiebende Wlrkung.
Hatte das Endurthell des Kreisgerichtes einen verhasteten Angeklagten freigesprochen,
so soll die Enklassung desselben aus der Haft wegen einer von dem Staatsanwalte ein-
gewendeten Appellation nur dann aufgeschoben sein, wenn der lehtere sogleich bei Be-
kanntmachang des Urthelles die Fortdauer der Hast beantragt und die Einwendung der
Appellatlon zugleich wenigstens vorläufig augezeigt hat.
Art. 322. Der Angeklagte und der Staatsanwalt haben als Appellauten die
Besugulß, eine Ausführung ihrer Appellation bei dem Kreisgerichte zu übergeben und
etwaige neu aufgefundene Beweismittel anzuzelgen. Sofern dieses nicht schon bel Ein-
wendung der Appellaklon geschehen ist, läuft ihnen hierzu eine zweite zehntägige Frist
von Zeit der ersten Frist für die Einwendung an gerechnet, welche den Umständen nach
auf Amtrag einmal verlängert werden kann.
Dem Angeklagten ist hierzu, sowie zur welteren Besorgung der Sache, wenn er mit
keinem Vertheldiger verlehen ist, auf Verlangen ein solcher zu bestellen.
Art. 323. Die Einwendung der Appellation, auch die sich anschlleßende Appel-
lation elnes Prlvat. Bethelligten, ingleichen die etwa Übergebene Ausführung (Art. 322)
sind dem Gegnet mitzutheilen. Von einer Haupt-Appellation ist auch jedenfalls der et-
waige Privat-Bethelligte kürzlich in Kenntniß zu setzen, damit er sich wegen Anschließung
mit einer Neben-Appellation erklären könne.
Bei der Mittheilung ist dem Gegner zu eröffnen, daß er binnen zehen Tagen eine
Gegenausführung übergeben könne und ekwaige neue Bewelsmittel anzuzeigen habe.
Art. 324. Der Staatsanwalt berichtet sodann an den Ober-Staatsanwalt, da.
mlt dieser die Sache weiter verhandle, und das Kreisgericht sendet die Akten an das
Appellations. Gerlcht kin, welches eine versäumte oder nicht gehörig eingewendete Appel-
lation ohne Weiteres sofort verwirft, auch, wenn nach Maßgabe der Appellations-Be-
schwerden nur über Kosten und Civll-Ansprüche zu entscheiden ist, eln Erkenntniß in nicht
öffentlicher Sipung fällen kann, außerdem aber einen Gerichtstag zur öffentlichen Ver-
handlung anfetz.
Arl. 325. Zu dem Gerlchtstage werden sämmtliche bel dem Rechtsmittel Bethrl-
liezn, ingleichen, wenn nrue Beweismittel angezeigt worden find und das Appellatlons-
Gerlcht dieselben nicht für offenbar unerheblich erachtet, dle angegebenen Zeugen oder
455
Sachverständigen dergestalt vorgeladen, daß ihnen die Ladungen wenigstens acht Tage
vor dem Gerlchtstage eingehändigt werden, und es ist wegen Beischaffung etwa fonstiger
Beweismitkel die geeignete Sorge zu kragen. Das Appellations-Gericht kann auch von
Amtswegen die nochmalige Vorführung solcher Beweismittel anordnen, welche bereits in
der Hauptverhandlung gebraucht worden sind.
Der Angeklagte soll nur dann persönlich geladen oder, wenn er verhaftet ist, vor-
geführt werden, wenn das Appellationd-Gericht es für angemessen erachtet, oder der An-
geklagte es ausdrücklich verlangt. Außerdem wird dessen Vertheidiger, oder der Ange-
klagte, um durch einen Vertheidtger zu erscheinen, geladen.
Für die Staatsanwaltschaft wird stets der Ober-Staatdanwalt geladen.
Die sämmtlichen bet dem Rechtsmittel Betheiligten werden unter dem Präjwdiz ge-
laden, daß im Falle des Nichterscheinens nichts desto weniger werde verhandelt und er-
kannt werden. ·
DieLabungendekZeugennndSachverständigenetgehemwieimAkL216Hemd-
net ist. Erscheinen sie nicht, so sinden die Vorschristen in den Art. 222—226 analoge
Anwendung.
Den bei dem Rechtsmittel Bethelligten ist dle Einsicht der Akten bis zum achten
Tage vor dem anberaumten Gerichtstage auf Ausuchen zu gestatten.
Art. 326. Die Verhandlung vor dem Appellations-Gerlchte ist öffentlich nach den
Vorschriften in Art. 227—229.
Sofern kelne Bewelsmittel zu erheben sind, begiunt die Verhandlung mit einem
durch ein Mitglied des Appellatlons-Gerichtes zu haltenden Vortrag aus den Akten,
welcher den bisherlgen Verlauf der Sache, sowelt er nach Maßgabe der Appellalions-
Beschwerden erheblich ist, die Förmlichkeiten des Rechtsmitiels, die Beschwerden und die
sich daraus ergebenden Streitpunkte umfassen, jedoch keine Ansicht über die zu ertheilende
Enischeidung enthalten soll.
Darauf wird der Appellant und sodann dessen Gegner gehon.
Art. 327. Sind Beweismittel zu erheben, so sind die für die Hauptverhandlung.
vor den Kreisgerichten gegebenen Vorschriften analogisch anzuwenden, mit der Modlstka-
tion, daß nach den einleitenden Handlungen in den Art. 233 und 234, sowelt lie hier
Vlatz greifen, zuvorderst der in dem vorigen Artikel gedachte Vortrag eines Mitgliedes
des Appellattons-Gerichtes zu halten ist, sodann die Erhebung der Bewelsmittel, wie in
der Hauptverhandlung vor den Kreisgerichten, folgt, und endlich das Gehör der Parteien,
wie in dem vorigen Artikel bestimmt ist, den Beschluß macht.
, Wiedekäsidmtenbeich-AppellationssBekhandlanqmimAllgemctnendleRechtc
des Vorsitzenden bei elner Hauplwerhandlung, soweit er davon Gebrauch machen kann,
456
zustehen, so hat er insbesondere auch dann, wenn Bewelsmittel erhoben werden, die im
Art. 246 gedachten Befugnisse.
Art 328. W begiebt sich das Appellatlons-Gericht zur Beschlußfassung in
seln Berathungszimme
Bis zu diesem ngenblee steht es jedem Appellanten frel, seln Rechtemittel ganz,
oder theilwelse wieder fallen zu lassen; er hat dann die dadurch verursachten Kosten zu
übernehmen.
Wird das Hauptrechtsmittel fallen gelassen, so soll sich die Neben-Appellation eines
Privat-Bethelligten von selbst mit erledigen und die Sache rücksichtlich selner so belchen
werden, als wenn er keine Neben-Appellation hätte einwenden können (Art 319
Art. 329. Das Appellations-Gericht botehn. nach Stimmenmehrheit unter Beo-
bachtung der näheren Verordnungen im Art.
Es erkennt, soweit die Sache wegen n—nNs-xtR an dasselbe gelangt ist, nach
Analogle der im Art 313 gegebenen Vorschriften, oder auch geeigneten Falles abändernd
in der Sache selbst. Bei einer Appellation aus anderen Gründen entscheidet es über-
haupt an der Stelle und mit den Befjugnissen des Kreisgerichtes (Art. 254 f), welches
das vorige Urtheil gesällt hat. Es kann auch nur, wenn der Staatsanwalt appellirt
bat, ein dem Angeklagten nachtheiligeres Urtheil fällen, nicht aber, wenn der Staatsan?
walt blos als Gegner einer von dem Angeklagten eingewendeten Appellation aufgetreten (#st.
Art. 330. Das Urtheil des Appellations-Gerichtes ist, nachdem sich leßteres in
den Gertchtssaal zurück begeben hat, mündlich mit den Entscheldungsgründen zu ver-
kündigen. Jst der Angeklagte oder ein Vertheidiger desselben nicht anwesend, so (#
noch eine besonderr Bekanntmachung an denselben zu verfügen.
Eine schriftliche Abfassung des Urtheiles muß noch, wie im Art. 261 geordnet it,
zu den Akten kommen.
t. 331. Führung eines Protokolles über die Verhandlung vor dem Appella-
tions-Gerichte und dessen Beschlußfassung ist, wie in den Art. 262—264 bestimmt is,
erforderlich.
IV. Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urtheile des Appellations.Gerichtes.
Art. 332 Gegen Urtheile, welche das Appellations-Gericht in der Appellatlons-
Instanz gesprochen hat, findet kein weiteres Rechtsmittel als die Alchtigkeitsbeschwerde
an das Ober-Appellations-Gericht Statt, und zwar nur in folgenden Fällen:
1) wenn die Appellation aus Nichtigkeitsgründen eingewendet worden war, von dem
Appellations-Gerichte nicht auf Rlchtigkeit erkannt wurde und nun die Alchtig-
keltsbeschwerde wegen der nämlichen Gründe von derselben Partel wiederholt
wird;
457
2) wenn das Appellations-Gericht auf Nichtigkeit erkannt hat und nun der Gegner
wegen dieser Entscheldung eine Beschwerde einwendet;
3) wegen neuer Nichtigkeiten, die erst in der Appellatlons-Instanz begangen wurden.
Art. 333. Bei dieser Alchtigkeitsbeschwerde gelten dieselben Vorschristen, welche
bei Rlchtigkeitsbeschwerden gegen die Urtheile der Geschwornengerlchte gegeben sind (Art.
307—316).
Wird die Nichtigkeitsbeschwerde für begründet erachlet, so ist zu Nr. 1 des vorigen
Axtikels nach Analogie der im Art. 313 gedachten Entscheidungen zu Nr. 2., wenn blos
der fragliche Nichtigkeltsgrund Gegenstand der Appellation war, auf Wiederherstellung
des kreisgerichtlichen Erkennknisses, oder, wenn noch andere in dem Urthelle des Appel-
latlons-Gerichtes nicht entschiedene Beschwerden in der Appellations- Instanz vorlagen,
sowie zu Nr. 3 auf nochmalige Verhandlung in der Appellations-Instanz zu erkennen.
Funfzehentes Kapitel.
Von Wiederaufnahme einer Untersuchung.
Art. 334. War eine Voruntersuchung nach Art. 95 oder 97 elngestellt worden,
oder wurde die Versehung in den Anklagestand aberkannt, weil es an Beweismitteln
sehlte, um den Angeschuldtgten für dringend verdächtig zu halten (Art. 198): so kann
der Staatsanwalt oder Privat-Ankläger eine Wiederaufnahme der Voruntersuchung be-
antragen, wenn er neue Beweismittel beibringt, welche entweder schon vorhandene Ver-
dachtsgründe verstärken, oder neue solche Gründe darbieten.
Nur wenn im Falle des Art. 97 der Bethelligte die Untersuchung durch Zurück-
nahme seines Antrages ganz aufgegeben hatte, kann für ihn kelne Wlederaufnahme bean-
tragt werden.
Art. 335. Wurde ein Angeschuldigter bei dem Schlusse der Voruntersuchung
(Art. 198) oder durch ein Endurtheil (Art. 254) von der Anklage freigesprochen, weil
ein unrichtiger Ankläger aufgetreten ist, so ist dem wirklich zur Anklage Berechtigten die
Wiederaufnahme der Untersuchung unbenommen.
Art. 336. Wurde ein Angeklagter durch ein Endurtheil wegen mangeluden Be-
weises freigesprochen, so kann der Staatsanwalt oder Privat-Ankläger eine Wiederauf-
nahme der Untersuchung nur dann beantragen:
1) wenn die Freisprechung durch Fälschung, falsches Zeugniß, Bestechung oder durch
ein sonstiges Verbrechen des Angeklagten oder einer drltten Person herbeigeführ.
wurde, und hlerüber bereits ein gerichtliches Strafurtheil vorliegt;
2) wenn der Freigesprochene später gerlchtlich oder auhergerichtlich ein Geständnihh
des Verbrechens abgelegt hat;
458
3) wenn später andere Personen wegen desselben Verbrechens verurtkhellt worden sind
und sich bei dieser Gelegenheit Bewelsmiltel ergeben haben, welche die Ueber-
fübrung des Freigesprochenen als Mitschuldigen zu begründen geelgnet slnd
Art. 337. Auch wenn der Angeklagte in dem ECndurthelle verurtheilt wurde,
kann der Staatsanwalt Wiederaufuahme der Untersuchung in den im Art. 336 ausge-
führten Fällen beantragen, vorausgeseht, daß zu Nr. 1 in dem fraglichen Verbrechen
dle Veranlassung zu einem milderen Strafurtheile lag, oder zu Nr. 2 und Nr. 3 aus
dem Geständnisse oder den Bewelsmitteln sich ergibt, dah das Verbrechen härter zu be-
strafen war, als in dem Endurtheile geschehen ist.
Es soll jedoch in allen dlesen Fällen die Wiederaufnahme der Untersuchung nicht
Statt finden, wenn es sich nur um Auswahl einer höheren Strase innerhalb derselben
gesehlichen Strafgrenzen handeln würde, und sie soll daher nur eintreten, wenn die Folge
der Wiederaufnahme eine Beurtheilung nach einer anderen und härteren Strafbestim=
mung sein wird.
Art. 338. Ein verurthellter Angeklagter kann, selbst nach vollzogener Strafe,
Wlederaufnahme der Untersuchung verlangen:
4) wenn er darthut, daß Urkunden, welche gegen ihn vorgebracht und berücksichtigt
wurden, falsch oder verfälscht, oder daß Sachverständige oder Zeugen, die zu
seinem Nachtheile aussagten, meineidig, oder daß einer oder mehre derselben,
oder ein Mitglied des Gerichtes bestochen gewesen sind, oder
27) wenn er neut Bewelemittel vorbringt, welche olleln oder in Verbindung ult
früher erhobenen Beweisen geeignet sind, seine Freisprechung herbeizuführen, oder
seine That als ein nach einer anderen und gelinderen Strafbestimmung zu beur-
theilendes Verbrechen darzustellen.
Art. 739. Unter den Voraussehungen in dem vorigen Artikel können auch nach
dem Tode des Angeklagten dessen Erben, Ehegatte, Verwandte und Verschwägerte in
aufstelgender oder absteigender Linie, und Verwandte in der Seitenlinte bis zum dritten
Grade, die Wiederaufnahme der Untersuchung beantragen.
Art. 340. In allen Fällen der Wiederaufnahme einer Untersuchung sind die
neuen Beweise, durch welche sie begründet werden soll, bei dem Untersuchungsrichter an-
zuzeigen und von diesem vorläusig zu erheben. Sodann ist in den Art. 334—337 ent.
haltenen Fällen der Angeklagte, in den Fällen der Ark. 338 und 339 der Siaatsanwalt
zu hören und darauf von dem Kreisgerlchte über die Stallhasilgkeit der Wiederaufnahme
der Untersuchung zu entschelden.
Gegen diese Entscheldung steht den allerseits Betheiligten ein biunen drel Tagen ein-
mulegender Rekurs an die Anklagekammer des Appellatlons-Gerlchtes zu.
159
Art, 341. Wird die Wiederaufnahme der Untersuchung fuͤr stalthast erachtet, so
nitt dle Sache in den Stand der Voruntersuchung zurück, die frühere Voruntersuchung
ist nach Maßgabe der neu angegebenen Veweise zu vervollständigen, über die Versehung
in den Anklagestand anderw it von demselben Gerichte, welches das frühere Verweisungs-
erkenntniß ertheilte, zu erkennen und im Falle eines nochmaligen Verweisungserkenntnisses
eine neue Haupwerhandlung vorzunehmen und ein neues Enderkenntniß zu sprechen.
Art. 342. Hat ein Verurtheilter die Wiederaufnahme der Untersuchung bean-
tragt, und die ihm zuerkannte Freiheitsstrafe wird bereits an ihm vollzogen, so bemmt die
Wiederaufnahme der Untersuchung den ferneren Vollzug der Strase nicht; es sei denn,
daß das Kreisgericht eine Hemmung den Umständen des Falles nach angemessen erachtet.
Hat der Vollzug der Strafe noch nicht begonnen, so soll damit bis auf Weiteres
Anstand genommen werden, ausgenommen bei wiederholten Anträgen auf Wiederaufnahme,
welchen Falls das Ermessen des Kreisgerichtes über die Aussetzung des Vollzuges entscheldet.
Beselligt sich die Verurtheilung des Angeklagten in Folge der Wiederaufnahme der
Untersuchung dadurch, daß nunmehr eine Einstellung der Untersuchung nach Art. 95 ein-
witt, oder das Kreisgericht oder die Anklagekammer des Appellations-Gerichtes nach Art.
198 ausspricht, daß der Angeschuldigte nicht in den Anklagestand zu verleten sei: so hat
derselbe das Recht, öffentliche Bekanntmachung der Einstellung oder der gerichtlichen Ent-
scheidung zu verlangen. "
Sechszehntes Kapitel.
Von dem Verfahren vor dem Einzelrichter.
Art. 343. Bei den vor die Einzelrichter gehörigen Uebertretungen, welche einer
Untersuchung und Bestrafung von Amtswegen unterliegen, tritt die Staatsanwalischaft
zwar in derselben Weise, wie bei anderen Verbrechen in Wirksamkeitz es können und
sollen jedoch Polizei Beamte, Verwaltungs-- und Gemeinde-Beamte und Forstbeamte, in-
nerhalb ihres Wirkungskreises, an der Sielle des Staatsanwaltes die Rechtsverfolgung
vor dem Einzelrichter übernehmen. Sie sind dabei, soweit ihnen nicht durch besondere
Instruktlonen eine selbstständigere Stellung angewiesen wird, dem Staatsanwalte unter-
geordnek, haben dessen Weisungen zu befolgen, und derselbe kann auch an ihrer Stelle
sich der Rechtsverfolgung unterzieben.
Bei Uebertretungen, welche nur auf Antrag eines Bekheiligten untersucht und be-
straft werden, ist die Mitwirkung des Slaatsanwaltes gänglich ausgeschlossen. Dieselben
können nur ducch den Belheiligten, als Privatankläger, verfolgt werden, welcher dabei die-
selben Besugnisse hat, wie der Staatsanwalt »
Ut bei einem Polizel-Vergehen jemand beschädigt worden, so steht ihm frei, wenn
65
460
die Saatsanwaltschaft oder die Polizei die Verfolgung des Vergehens verweigert, das.
selbe mit allen Befugnissen eines Privat-Anklägers selbst zu verfolgen.
Art. 344.
Mandats--Verfahren.
.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat der Einzelrichter, wenn der Angeschuldigte
weder vorgeführt, noch die Verhastung desselben erforderlich ist, und nicht besondere Be-
denken entgegen stehen, «
.beiPolizei-Bergehen,
bciDefkaudationcnvonWegesundGentcindesAbgabcn,
bei den übrigen Uebertretungen,
in dem letzteren Falle, sofern die Anschuldlgung auf der Anzeige einer verpflichte-
ten Person beruhet, welche die That aus eigener amtlicher Wahrnehmung bekundet,
ohne vorgängige Hauptverhandlung die verwirkte Strafe durch eine Strafversügung fest-
zusetzen.
EL
I.
Die Strafverfügung muß enthalten.
1) Die Beschaffenheit der Uebertretung, sowie die Zeit und den Ort derselben;
2) die dafür angegebenen Beweismittel;
3) die Festsehung der Strase und des Kostenpunkted, unter Anführung dec einschla-
genden Strafgesetzes oder polizeilichen Verbotes;
4) die Eröffnung, daß der Angeschuldigte, wenn er sich durxch die Strafverfügung
beschwert finden sollte, innerhalb einer zehentägigen Frist, von dein Tage nach der
Zustellung der Verfügung an gerechnet, seinen Einspruch dagegen schriftlich oder
mündlich anzumelden habe, daß aber, falls in dieser Frist ein Einshruch nicht
eingehe, die Strafverfügung Rechtskraft erlangen und gegen ihn vollstreckt wer-
den würde.
Diese Verfügung wird dem Angeschuldigten zugestellt.
III.
Wenn in der zehentägigen Frist ein Einspruch nicht erhoben wird, so wird die
Strafverfügung vollstreckbar.
Ist dagegen ein Einspruch erhoben worden, so wird der Angeschuldigte, unter An-
drohung des Verlustes seines Elnspruches, zur Hauptverhandlung vorgeladen. Erscheint
derselbe nicht, so wird der Einspruch wirkungslos und das früher erlassene Mandat so-
sort vollstreckbar.
461
Eln weiteres Rechtsmittel findet in diesen Fällen nicht Statt, vorbehältlich der Be-
stimmungen in dem Artikel 226, welche hier analog zur Anwendung kommen.
Erscheint der Angeklagte in der Hauptverhandlung, so wird nach Artikel 347
verfahren.
Art. 345. Das Verfahren vor, dem Einzelrichter ist ein abgekürztes, dergestalt,
daß die Voruntersuchung mit der Hauptverhandlung verbunden wird. Einer Anklage-
schrift und Verseyung in den Anklagestand bedarf es nicht. Statt der ersteren ist ein
allgemeiner Antrag auf gesehliche Bestrafung genügend.
Es hängt von dem Ermessen des Einzelrichters ab, ob er sofort, oder erst nach
welteren Untersuchungsschritten in. einer Voruntersuchung, einen Tag zur Haupterhand-
lung ansetzen will.
Im Allgemeinen hat er die Vorschriften zu beobachten, welche der Untersuchungs-
richter bel den Kreisgerichten zu beobachten hat. Rekurse gegen seine Verfügungen fin-
den nach Analogie der Vorschriften im Art. 100 jedoch nur an das Kreisgericht Statt.
Art. 346. Bei folgenden einzelnen Handlungen gelten besondere Vorschriften.
1) Vorläufige Festnehmung des Angeschuldigten zum Behufe der Vorführung findet
nur in den im Art. 108, Nr. 1 und Nr. 2 gedachten Fällen, und bei Polizei-
Vergehen nur in den Fällen Nr. 1 Stan.
2) Steckbriefe (Art. 114) sind unzulässig.
3) Bei Uebertretungen, welche allein oder wahlweise mit Geldstrafe bedroht sind,
kann der Angeschuldigte bei Strafe des Eingeständnisses, unter Androhung der
für den Fall des Ungehorsams eintretenden Strafe, vorgeladen werden, auf welche
letztere im Falle des Ungehorsams zu erkennen ist. Die Ladung soll schriftlich
erlassen werden, eine Frist von mindestens acht Tagen enthalten und die Vor-
schrist des Art. 226 hier analogisch Anwendung finden.
Untersuchungshaft kann nur in den Fällen des Art. 131, Nr. 2 verhängt werden.
Durchsuchung von Papieren dritter Personen (Art. 146) und Beschlagnahme
und Eröffnung von Briefen (Art. 152 f.) finden nicht Statt.
Sind Sachverständige abzuhören, so genügt die Abhörung eines einzigen; auch
werden Sachverständige nur mittelst Handschlages an Eidesstatt verpflichtet.
Zeugen werden vereidet; ausgenommen bei Polizei- Vergehen, sosern dabei der
Michter nach seinem Ernest en einen bloßen Handschlag an Eidesstatt für genü-
gend erachtet. Beamte, welche eine Aussage innerhalb ihres Dienstwirkungs-
krelses erstalten, sind blos auf ihre Dienstpflicht zu verweisen.
Führung eines Protokolles ist bei der Hauptverhandlung stets, und bei Unter-
suchungshandlungen, welche zur Voruntersuchung gehören (Art. 345), nur dann
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erforderlich, wenn diese Handlungen zum Beweis bei der Hauptverhandlung ge-
braucht und in derselben nicht wiederholt werden.
9) Urkundspersonen (Art. 90) sind zu keiner Untersuchungshandlung beizuziehen,
Art. 347. Die Hauptverhandlung, zu welcher der Zutrikt verstattet ist, soweit
es die Räumlichkeit des Gerichtszimmers erlaubt, ist von dem Einzelrichter in der Weise
vorzunehmen, daß der Angeschuldigte vernommen, die Beweise vorgeführt, darauf der
Staatsanwalt, dessen Stellvertreter, oder der Privak= Ankläger mit ihren Anträgen, dann
der Angeschuldigte und der von ihm elwa mitgebrachte Vertheidiger mit ihrer Antwort
gehört werden und zuletzt das Erkenntniß durch den Einzelrichter gefällt und eröffnet
wird Ein verurtheilendes Erkenntniß muß das einschlagende Strafgesetz oder polizei-
liche Verbot ausdrücklich anführen.
In das über die Haupwerhandlung zu führende Protokoll ist das gesällte Erkennt-
niß aufzunehmen.
Der Einzelrichter hat die Art. 231 gedachten Befugnisse des Vorsipenden.
Bei Untersuchungen wegen Uebertretung des Gesepes zum Schuße der Holzungen
u. s. w. vom 14 April 1852, wegen Polizei-Vergehen und wegen Defraudationen von
Wege- und Gemeinde-Abgaben geht die Haupwerhandlung vor sich, auch wenn ein Ver-
treter der Staatsanwaltschaft nicht anwesend ist.
Art. 348. Gegen die Entscheidung des Einzelrichters findet das Nechtsmitzel der
Appellation in gleicher Weise, wie in den Art. 317 f. geordnet ist, Statt.
Es wird bei dem Einzelrichter eingewendet und geht an das Kreisgericht.
An der Stelle des Staalbanwaltes können auch die ihn nach Art. 343 vertreten-
den Beamten appelliren.
Das Kreisgericht läßt über das eingewendete Rechtsmütel in öffentlicher Sitzung
verhandeln.
Die in den Art. 320 f. gegebenen Vorschriften sind für die Einwendung deo blechis-
mittels und für die Verhandlung und Entscheidung darüber allenthalben analogisch maßgebend.
Auch sindet gegen die Entscheidung des Kreisgerichtes nur noch eine Nichtigkeits-
beschwerde nach Analogie der Bestimmungen in den Art. 332 f. unmiktelbar an das
Ober-Appellations-Gericht Statt.
Art. 349. Ueber dle Wiederaufnahme einer von dem Einzelrichter geführten Un-
tersuchung entscheidet die Analogie der Vorichriften in den Art. 334—372.
Siebenzehentes Kapitel.
Von der Vollstreckung der Strafurtheile.
Art. 350. Die Vollhreckung ergangener Strafurtheile tritt von Amtswegen ein
463
und wird in Sachen, in welchen der Einzelrichter in erster Instanz erkannt hat, von
diesem, außerdem von dem Untersuchungsrichter der Sache angeordnect. Jede Voll=
streckung ist aktenkundig zu machen. Ueber jedes Todesurtheil ist vor dessen Vollstreckung
dem Landesherrn Vortrag zu erstatten und dessen Entschließung einzuholen, ob er Be-
Znadigung eintreten lassen will
Art. 351. Dem Verurtheilten ist verstattet, wenn er oder sein Gegner ein Rechte-
mittel gegen das ergangene Urtheil eingewendet hat, die vorläufige Antretung der er-
konnten Strafe zu verlangen.
Wird auf ein Rechtsmittel des Gegners eine Freibeitsstrafe höherer Art erkannt,
so ist die inzwischen ver bühte Freiheitssirafe niederer Art in ihrer ganzen Zeitdauer auf
die Freiheitsstrase höherer Art so, als wenn der Verurthellte diese während der ganzen
fraglichen Zeit verbüßt hätte, anzurechnen.
Diese Anrechnung tritt ein, ohne daß darauf besonders erkannt zu sein braucht.
Art. 352. Trikt der Verurtheilte die Strafe nicht schon vorläufig an, so ist regel-
mäßig binnen vier und zwanzig Stunden von dem Zeitpunkte an zur Vollstreckung des
Strafurthelles zu schreilten, wo die Frist zur Einwendung eines Rechtsmittels gegen das
Urtheil verstrichen ist, ohne daß ein solches eingewendet wurde; oder, wenn ein Rechts-
mittel eingelegt wurde, von dem Zeitpunkte an, wo dasselbe zurückgenommen oder durch
ein Urtheil höherer Instanz erledigt wurde; oder, wo kein Rechtsmittel weiter zulässig
war, von dem Augenblicke der Eröffnung des Urtheiles an.
Auch in dem Falle, wenn der Verurtheilte der erkannten Strafe unbedingt sich un-
terwirst, ist zur Vollstreckung der Strafe regelmäßig binnen vier und zwanzig Stunden
zu schreiten.
Art. 353. Kann der Verurtheilte bei vorläusigem Antritte der Strafe oder bel
der Vollstreckung nach Art. 352 nicht sofort zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe abgelie-
fert werden, weil der Ort der Strafverbüßung vom Sißge des vollstreckenden Gerichtes
entfernt liegt, so soll die ganze Zeit, während welcher er am Sitze des Gerichtes noch
zurückbehalten wird, ihm so angerechnet werden, als wenn er während derselben die Frei-
beitestrase schon verbüßt hätte.
Art. 354. Die Vollziehung von Freiheitsstrafen ist aufzuschieben oder auszusehen,
so lange der Vewnrtheilte sich im Zustande der Verrüicktheit, des Wahnsinnes, der Naserei,
des völligen Blödsinnes oder in einem solchen körperlichen Zustande befindet, daß die
Pollziehung der Strase mit der Einrichlung der Strafanstalt nicht verkräglich, oder da-
von ein Lebensgefahr für den Verurtheilten zu besorgen ist.
Art. 355. Sofern durch sofortige oder ununterbrochene Gesängnißstrafe oder Hand-
arbeitsstrafe der Nahrungsstand oder der Unterhalt der Familie des Verurtheilten gelähr-
464
det wird, kann der vollstreckende Richter auf Ansuchen des Verurtheilten einen kurzen
Aufschub, auch Verbüßung der Strafe mit kurzen Zwischenräumen gestatten.
Art. 356. Begnadigungsgesuche hemmen eine Strafollstreckung nur dann, wenn
das Justiz. Ministerium den einstweiligen Aufschub anordnet. Dem vollstreckenden Richter
blelbt überlassen, dem Verurtheilten nach Ermessen eine Frist, welche jedoch vierzehen Tage
nicht überschreiten darf, zur Beibringung einer entsprechenden Versügung des Justiz-Mi-
nisteriums zu verstatten.
Art. 357. Geldstrafen, Konfiskationen und Untersuchungskosten werden, wenn der
Verurtheilte flüchtig oder verstorben ist, aus dessen Vermögen oder Nachlaß beigebracht.
Achtzehntes Kapitel.
Von den Kosten des Strafverfahrens.
Art. 358. Zu den Kosten des Strafverfahrens gehören alle Gebühren und jeder
Aufwand, welcher zum Behufe der Führung der einzelnen in Frage stehenden Untersuch-
ung erwachsen ist.
Namentlich sind dahin zu rechnen die Gerichtssporteln, die Auslagen, welche durch
Vorladungen, durch Gebühren der Zeugen und Sachverständigen veranlaßt sind, die Ko-
sten der Vorführung, Bewachung, des Unterhaltes des Angeschuldigten oder Angeklagten
während der Untersuchungshaft, die Kosten seiner Vertheidigung und die Kosten der Ur-
theilsvollüreckung.
Reisekosten und Diäten der in der Voruntersuchung beschäftigt gewesenen Gerichts-
personen werden zu den Kosten des Strafverfahrens gezählt; es sind jedoch Reisekosten
und Diäten der Staatsanwälle, ingleichen der bei der Hauptverhandlung erforderlichen
Gerichtspersonen und der Geschwornen ausgenommen.
Nimmt ein Privat-Ankläger einen Anwalt an (Art. 49), so hat er den dadurch er-
wachsenden Aufwand jederzeit selbst zu tragen.
Art. 359. Wird der Angeklagte in der Hauptsache verurtheilt, so ist derselbe auch
in die Kosten des Strafverfahrens zu verurtheilen, soweit solche nicht durch ein ungesetz-
liches Verfahren des Richters oder durch ein Verschulden dritter Personen herbeigeführt
worden sind.
Art. 360. Sind mehrere Theilnehmer eines Verbrechens in derselben Untersuchung
befangen gewesen und in der Hauptsache verurtheilt, so fallen dem einzelnen Theilnehmer.
diejenigen Kosten ausschließlich zur Last, welche durch seine Bewachung, seinen Unterhalt,
seine Vertheidigung, oder durch besondere nur bei ihm eingetretene Ereihnisse, oder durch
sein besonderes Verschulden entstanden sind.
Alle andere Kosten sind für die mehreren gleichen oder ungleichen Theilnehmer der-
465
gestalt gemeinschaftlich, daß zwar ein jeder nach Verhältniß seiner Theilnahme in elnen
entsprechenden Antheil, sämmtliche Thellnehmer aber zu solidarischer Hastung zu verur-
thellen lind. Bei gemeinschaftlich begangenen Verbrechen aus Fahrlässigkeit fällt die soli-
darische Haftung weg.
Art. 361. Lossprechende Erkenntnisse und Erkenntnisse, daß der Angeschuldigte
nicht in den Anklagestand zu versetzen sei, haben den Angeschuldigten zugleich von den Ko-
sten frei zu sprechen, sowelt sie nicht durch eigene wissentlich falsche Angabe desselben ver-
ursacht worden sind.
Die Kosten sind in diesem Falle von dem Staate zu übernehmen. Nur bei Ver-
brechen, welche blos auf Antrag eines Betheiligten untersucht und von diesem als Privat-
Ankläger verfolgt werden, hat lehterer die Kosten zu tragen. Vertheidigungsgebühren
vergütet der Staat oder Privat-Ankläger nur den angestellten Anwälten und nur, sofern
dieselben durch die mündliche Vertheidtgung entweder vor dem Geschwornengertchte oder
bei dem Krelögerichte erwachsen sind; bei einer Haupwerhandlung vor dem Kreisgerlchte
jedoch nur dann, wenn dem Angeklagten ohne seinen Antrag lediglich von Amtswegen
ein Vertheldiger bestellt worden war.
Wird eine Untersuchung nach den Art. 95, 97 und 271 eingestellt, so ist der An-
geschuldlgte mit Kosten zu verschonen. Bei Verbrechen, welche nur auf Antrag eines
Vetheiligten untersucht und bestraft werden, hat dann der die Einstellung beantragende
Behheiligte die Kosten zu übernehmen. Eine Uebereinkunft des Betheiligten mit dem
Angeschuldigten, daß letzterer die Kosten abstatte, ist zulässig.
Art. 362. Ist eln Angeschuldigter wegen mehrer Verbrechen in Untersuchung ge-
zogen, und es erfolgt ein gemischtes, denselben theils in den Anklagestand versehendes,
tbheils nicht in denselben versetzendes, oder ein theils verurtheilendes theils freisprechendes
Erkenntniß: so ist, wenn sich die Kosten nicht füglich absondern lassen, dem Angeschuldig-
ten eln nach richterlichem Ermessen festzustellender Theil der Gesammtkosten zur bast zu
legen und bezüglich von der Erstattung durch den Angeschuldigten auszunehmen.
Nach demselben Grundsatze ist zu verfahren, wenn von mehren wegen desselben
Verbrechens Angeklagten der eine freigesprochen und der andere verurtheilt wird.
Art. 363. Wer durch wissentlich falsche Anzeige ein Strafverfahren veranlaßt
bat, ist in die hierdurch entstandenen Kosten, auch in den auhergerichtlichen Aufwand,
welcher dem Angeschuldigten verursacht wurde, zu verurtheilen.
Art. 364. Sind durch das Anschließen eines Beschädlgten an das Strafverfah-
ren wegen civilrechtlicher Ansprüche besondere Kosten entstanden, so fallen diese, wenn
der Angeschuldigte nicht verurtheilt wird, dem Beschädigten zur Last. Es bleibt jedoch
466
demselben bei Betretung des Civil-Weges wegen seiner Anspruͤche unbenommen, zugleich
den Ersatz dieser Kosten zu fordein.
Art. 365. Bei eingewendeten Rechtsmitleln trägt der unterliegende Theil die
Kosien.
Bei eingewendeter Appellation werden Vertheidigungskosten auch dann nicht erseßt,
wenn der Angeklagte auf seine Appellation freigesprochen wird. Dringt derselbe mit
einer Nichtigkeitsbeschwerde durch, so sind die Kosten seiner Verkbeidigung in der Instanz
des Rechtsmittels von dem Staate oder Privat-Ankläger unter den im Art. 361 ange-
gebenen Einschränkungen zu ersiatten.
Erlangt der Angeksagte auf sein Rechtsmittel blos eine Herabseuung der Strafe,
so soll er nichts desto weniger auch die Kosten seines Rechtsmittels zu übernehmen schul-
dig sein.
Die Kosten eines Rechtsmittels, welches die Staatsanwaltschaft im Interesse des
Angeklagten eingewendet hat, sind, mit Ausschluß der Vertheidigungsgebühren, stets auf
die Staatskasse zu übernehmen.
Art. 366. Int die Wiederaufnahme einer Untersuchung beantragt worden und sie
wird als unstatthaft verworfen, so hat der Nachsuchende die verursachten Kosien zu tragen.
Art. 367. Stiröt ein Angeschuldigter oder Angeklagter, bevor gegen ihn erkannt
ist, so haftet sein Nachlaß für die Kosten nicht, wovon jedoch ekwaige Kosten der Ver-
theldigung ausgenommen sind.
Art. 368. Ist ein Angeklagter unvermögend, so find die ihm zur Last gelegten
Kosten einstweilen und bis er zu Vermögen kommt, Vertheidigungsgebühren jedoch nur
mit der Art. 361 dieses Gesehes geordneten Beschränkung auf die Staatskasse zu über-
nehmen.
Ari. 369. Dritte Personen, auch wenn sie den Angeklagten zu ernähren verbun-
den sind, können nicht angehalten werden, Kosten für denselben zu bezahlen, selbst nicht
die Kosien seines Unterhaltes während seiner Verhaftung oder Strakzeit, oder die Kosien
der Vertheidigung.
Neunzehentes Kapitel.
Von dem Verfahren bei Ehrenkränkungen.
Art. 370. Bei den in den Art. 185, 186, 189 und 190 des Strasgesehbuches
gedachten Verläumdungen und Beleidigungen, ausgenommen sofern diese Verbrechen ge-
gen öffentliche Behörden gerichtet sind, oder bei im öffenklichen Dienste angestellten Personen
durch deren amtliche Vorgesetzte verfolgt werden, oder eine Bestrafung nach dem Schluß-
467
sahe des Art. 185 dee Straigesehbuches eintritt, sindet das nachstehend geordnete be-
sondere Verfahren Stalt.
Wenn Verläumdungen und Beleidigungen im öffentlichen Dienste angesiellter Per-
sonen, welche durch deren amtliche Vorgesetzte versolgt werden, von der Beschaffenheit
sind, daß die zu erkennende Safe eine sechswöchentliche Gesängnißstrafe oder verhält-
nißmäßige Geldbuhe nicht übersteigen würde: so kann das Kreisgericht nach Gehör des
Staatsanwaltes die Untersuchung an den Einzelrichter verweisen, in welchem Falle dann
das im Art. 346 Nr. 3 und Art. 347 geordnete Verfahren unter Mitwirkung der
Staatsanwaltschaft eintrttt.
Art. 371. Der zur Verfolgung der Verläumdung oder Beleldigung Berechtigte
tritt als Ankläger bei dem Einzelrichter des Anzuklagenden auf. Eine Vertretung durch
die Staatsanwaltschaft findet nicht Statt
Die Anklage muß den Erfordernissen der Anklageschrift in dem Art. 195 entspre-
chen und, bevor eine Ladung darauf ergeht, mit der Angabe der Beweismittel versehen
werden. Spälere Angaben derselben sind unzulässig.
Zu den Beweismitteln gehört auch der Eidesantrag, der jedoch nur über That-
sachen gebraucht werden kann, wobei kein anderes Beweismittel angegeben ist. Jurück-
Gabe des angetragenen Eides ist zulässig, nicht aber eine Gewissensvertretung.
Auch Civil-Ansprüche auo dem Verbrechen können in der Anklage mit verfolgt
werden. 4
Die Anklage kann zu Protokoll gegeben oder in einer Akklageschrift angebracht
werden, welche von einem Auwalte gefertigt sein und mit einem Duplikate übergeben wer-
den muß.
Art. 372. Der Einzelrichter hat auf die Anklage einen Tag zur Vorverhandlung
anzuseyen und beide Theile hierzu dergestalt vorzuladen, daß die Behändigung der La-
dung wenigstens am achten Tage vor dem angesetzten Tage erfolgt.
Der Ankläger wird bei Verlust der Anklage und der Angeklagte unter Mlttheilung
der Anklage mit der Aufforderung geladen, im Termine sich auf den thatsächlichen In-
halt der Anklage bei Stkrafe des Eingeständnisses einzulassen, auf den etwa angetrage-
nen Eid bei Strafe, daß derselbe werde für angenommen erachtet werden, zu erklären
und seine thatsächlichen Einreden nebst Beweismitteln bei Verlust derselben vorzubringen.
Alles bei Strafe der Nichtigkeit.
Der Einzelrichter kann vor Ausferligung auf die Anklage beide Parteien zu einem
Sühne-Termine, unter Androhung einer Ordnungsstrafe bis zu fünf Thalern, vorladen
und l einem Vergleiche die Kosten außer Ansag lassen.
t. 373. Beide Theile können in dem angesetzten Termine durch Bevollmäch-
tigte Pnenan welche sich sofort über ihren Austrag ausweisen müssen.
468
Der Einzelrichter eröffnet den Termin durch Pflegung der Güte und fordert in de-
ren Entsiehung zuvörderst den Angeklagten zu Einlassung auf die Anklage zur Erklä-
rung über den etwa angetragenen Eid und zur Angabe seiner Einreden und deren Be-
welsmittel auf. Sodann ist der Ankläger zur Einlassung auf die Einreren und Angabe
seiner Repliken und deren Beweismittel, und zum Schlusse in ähnlicher Weise der An-
geklagte zur Antwort und zum Duiplieiren aufzufordern.
Der Eidesantrag ist bei den Einreden und dem weiteren Vorbringen der Parteien
in gleicher Weise wie über die Anklage (Art. 371) zulässig, kann aber nicht zur Füh-
rung eines direkten Gegenbeweises gebraucht werden. Die Parteien sind, wie rücksichtlich
des über die Anklage angetragenen Eides, zur Erklärung über denselben bei Strase,
daß derselbe werde für angenommen gehalten werden, aufzufordern.
Es ist den Parteien verstattet, Urkunden, welche sie als Beweismittel gebrauchen
wollen, sofort in dem Termine vorzulegen, und der Richter ist dabei ermächtigt, dem
Gegner die Erklärung über deren Aechtheit, bei Strafe der Anerkennung, aufzulegen.
Der Gegner kann die Anerkennung durch Erbieten zu einem Ableugnungseide ablehnen.
Zu dem Zecke der in der Rexlik und in der Duplik abzugebenden Erklärungen,
können die Parteien Vertagung des Termines brantragen.
Einreden, Repliken, Dupliken und sonstige Erklärungen sind zu Protokoll zu geben.
Das Prokokoll hat der Aufforderungen an die Parteien zu gedenken, ist vorzulesen und,
wenn es genehmigt ist, von den Parteien zu unterzeichnen; bei Strafe der Nichtigkelt.
Sollte elne Partei eine Besichtlgung zur Herstellung eines Beweises beankragt ba-
ben, so ist dlese von dem Einzelrichter vorzunehmen.
Bei einem Versäumnisse der Parteien an dem Termine kommt die Analogie der
Vorschriften im Art. 226 zur Anwendung.
Art. 374. Findet der Einzelrichter die Sache von der Beschaffenheit, daß die
zu enkennende Strafe eine sechswöchentliche Gefängnißstrafe oder verhältnißmäßige Geld-
strafe nicht übersteigen würde, so hat er die Sache weiter zu erledigen.
Ist dieselbe bereils durch die Vorverhandlung soweit erörtert, daß sie spruchreif ist,
sind ine besondere kelne weiteren Beweise zu erheben und hängt die Entscheidung ctwa
nur noch von Eidesleisiungen ab, so fällt er sofort noch in dem Termine zur Vorver-
handlung das Erkenniniß.
Sind dagegen noch weilere Bewelse zu erheben, so hat er einen Gerichtstag zur
Hauptverhandlung anzusetzen und dazu den Ankläger bel Verlust seiner Anklage, den
Angeklagten mit Bedrohung, daß auch in seiner Abwesenheit weiter verhandelt werde,
und die etwa als Beweismittel angegebenen Zeugen und Sachverständigen, unter Beo-
bachtung der Vorschrift im Art. 216 vorzuladen.
469
Erschelnt der Ankläger weder selbst noch durch einen Bevollmächtigten in dem Ge-
richtstage, so wird ohne weitere Verhandlung von dem Einzelrichter auf Verlust der An-
klage erkannt. Erschein! er, so wird nach kurzem Vorträge der Anklage und der Vor-
verhandlungen zur Aufnahme der Beweismitte. geschritten; Zeugen und Sachverständige
werden abgehört; Urkunden, welche noch nicht in der Vorverhandlung vorgelegt wurden,
werden nunmehr vorgelegt und der Angeklagte zur Erklärung darüber, wie Art. 373
vorschreibt, aufgesordert. Darauf folgen die Ausführungen der Partelen und die Fäl-
lung des Urtheiles durch den Einzelrichter.
Ist der Angeklagte, weder selbst noch durch einen Vevollmächtigten erschienen, so
geht die Verbandlung nichts desto weniger vor sich. Es trifft denselben aber der Nach-
tbeil, daß ihm angetragene oder ihm zurückgeschobene Eide für verweigert, und von ihm
dem Ankläger angekragene oder demselben zurückgeschobene Eide für geleisiet, und von
ihm anzuerkennende Urkunden für anerkannt geachtet werden.
Das über die Hauptverhandlung aufzunehmende Protokoll soll die im Art. 262
angegebenen Erfordernisse baben Der darin kürzlich angegebene Inhalt der Verneh-
mungen der Zeugen und Sachverständigen soll den Anwesenden vorgelesen werden.
Bei Versäumnissen des Gericht#tages durch die Parteien gelten die Vorschriften im
Art 226.
Im Allgemeinen sind hier die für das Verfahren vor den Einzelrichtern überhaupt
aufgestellten Regeln namentlich auch über die Rechtsmiltel gegen deren Entscheidungen
anzuwenden (Art. 345 bis 318).
Der Einzelrichter ist befugt, sosort auf die Ankluge einen Gerichtslag zur Kaupt-
verhandlung anzusetzen, die Parteten zu demselben unter den für den Termin zur Vor-
verhandlung vorgeschriebenen Verwarnungen, und die Zeugen und Sachverständigen, wie
Art. 374 geordnet ist, vorzuladen Wenn in diesem Falle der Richter eine Erhebung
von Beweiomitteln für erforderlich hält, welche von dem Angeklagten, oder zur Replik
von dem Ankläger, im Termine angegeben worden sind, so ist die Hauplverhandlung zu vertagen.
Der Nichter hat das Recht, die Parkelen unter den geseylichen Verwarnungen zum
persönlichen Erscheinen in der Vorverhandlung oder Hauptverhandlung zu laden.
Art. 375. Hält der Einzelrichter nach dem Schlusse der Vorverhandlung (Att.
373) dafür, daß die zu erkennende Strafe eine sechswöchentliche Gefängnißstrafe oder ver-
bältnißmäßige Geldstrafe übersteigen würde, so sendet er die Akten an das Kreisgericht
zur weiteren Erledigung der Sache ein. Gibt dieses die Sache an ihn zurück, well es
nur eine geringere Strafe für gerechtfertigt hält, so hat sich der Einzelrichter der weiteren
Erledigung wie Art. 374 bestimmt, zu unterziehen.
Im enthegengesetzten Falle setzt das Krelsgerlcht, wenn es die Sache nicht wegen
eines Ungehorsams der Parteien bei der Vorverhandlung zu einer solortigen, Euscheidung
470
geeignet findet, einen Gerichtstag zur Hauptverhandlung an, wobei rücküichtlich der Vor-
ladungen und sonst verfahren wird, wie Art. 374 bei dem Verfahren vor dem Einzel-
(rlcchter vorschreibt.
Sind in der Sache keine Beweise zu erheben, so werden bei der Hauptverhandlung,
nach erstattetem Vortrage der Anklage und der Vorverhandlungen, sofort die Parteien
mit ihren Ausführungen gehört und darauf das Urtheil gefällt.
Ueber die Oeffentlichkeit der Hauptverhandlung, die Urtheilsfällung, und die Rechts-
mittel gelten die Vorschriften über die vor die Kreisgerichte gehörigen Sachen.
Werden von den Parteien oder Zeugen Ehrenkränkungen in einem Temine aus-
gestoßen, so können dieselben auf Antrag des Verletzten sofort abgeurtheilt werden, sofern
sie die Zuständigkeit des Einzelrichters nicht übersteigen.
Art. 376. Sowohl der Einzelrichter (Art. 374) als das Kreisgericht (Art. 375)
können, wenn Beweise nicht vollständig erbracht sind, auf einen Erfüllungseid oder Rei-
nigungseid erkennen.
In allen Fällen, wo auf einen Eid der Parteien zu erkennen ist, sei dieses ein an-
getragener oder zurückgeschobener Eid, ein Ablängnungseid bei einer Urkunde, oder ein
Erfüllungs- oder Reinigungs-Eid, hängt es von dem Ermessen des Richters ab, ob er
dem Erkenntutsse auf den Eid sogleich die endliche Entscheidung anhängen oder dieselbe
ausseten will.
Bei Eröffnung eines auf einen Eid lautenden Erkenntnisses ist stets sofort und
mündlich ein Tag zur Eidesleistung unter der Verwarnung, daß der Eid bei dem Aus-
blelben des Schwurpflichtigen für verweigert gelten soll, anzusetzen. Bei einem Versäum-
nisse des Schwurpflichtigen gilt Art. 226. Erscheint der Gegner in dem Schwörungs-
Termine nicht, so trifft ihn kein Rechtsnachtheil.
Der Termin wird bei den Kreisgerichten in öffentlicher Siyung abgehalten.
Das elwa ausgeseht gewesene endliche Erkenntniß ist in diesem Termine zu ertheilen
Art. 377. Geständniß, Eid oder Eidesverweigerung begründen in Ehrenkränkungs=
sachen vollständigen Beweis der dabei in Frage stehenden Thatsachen nach den Regeln
des Civil-Prozesses. Auch über die Kosten des Verfahreus in erster Instanz und in der
Instanz der Rechtsmittel ist nach den Regeln des Civil-Prozesses zu entscheiden.
Anwaltskosten werden, mit Ausnahme derer für die Anklageschrift, in erster Instanz
nicht erstattet.
Wenn im erslen Termine die gütliche Beilegung der Sache von dem Kostenpunkte
abhängig ist, so können die Kosten, soweit sie zur Verrechnung für die Staatskasse be-
stimmt, von dem Gerichte nach selnem Ermessen ganz, oder thellweise außer Ansatz gelassen
werden; bei späterer Zurücknahme der Anklage sindet eine solche Ermächtigung nicht Statt.
47
1
Inhalts -Uebersicht.
Erstes Kapltel.
Allgemeine Bestimmungen t. 1 8.
Iweites Kapitel
Von den Gerichtbehörden in * achen.
I. Einzelrichter . Art.
II. ogen ut 8 — 13.
III. Appelkations-Gerichte .. Art. 14.
ichte
IV. iprlornengencte . . Art. 15 — 19.
D chtͤhof . Art. 20 — 22.
2) te Geschwontca ..Akl.23—35.
b llanonoqckccht . Art. 36.
I. Jul Ministerien .
Vll Rcbcsipersoncn bei buch-
bchotdensaSmIIa-
ch Art. 38.
VIII. Vewbims ideter Sehoe.
. Art. 39, 40.
Drittes Kapttel.
Von der Siaatanmalschest und dem Privat.
1. vepenelherStter.L
Art. 41, 42.
4. Art. 43, 44.
II. Unterordnung der Staats-
anwälte
III. Amtsverhältuihder Se nts
en lenei Art. 45, 46.
IV. Privat-Ankle k. Art. 47 —
Vieutrs Kapitel.
Von der W—— n Srufsachen,
I. Einzelne Oerchts sstada!
II. Zusammentt
Derichtsstän
ehe kun
Art. 55 — 59.
50.
–
HII.
.
11
. P
6
Befreite erichtassände und
Kommi Art. 60 — 62.
S neitigleiretn über die We.
chtdzuständigkeit. . Art. 6
erhaͤlten nichtzuständiger
erichte .. . . Atr
—
64.
Fünftes Kapitel.
Von der Unsfähigkeit und Ablehnung der Ge-
richtspersonen und der --
I. irshigte der Gerie
. Art. 65 — 67.
II. 8 der Gerichts-
.Art. 68 — 70.
III. ben des Gerichts ·
Art. 71.
IV. 7t ves Stattr
. Art. 72.
S- s Eapitei.
Von der — im Allgemeinen.
Stellung des Unte Fd. ch-
—
ungorichters und de Kreis-
erichtes im #llgemeinen Art. 73 — 77.
II. Siellungdes Staatsa
es zdcn Vommntrsüchun. Art. 30 — 82.
III. Verfahren bei Denuncia-
ionen . Art. 83, 84.
IV. Verfähren beivorhandenen
Spuren und Getensänden
eines Verbrechens . 85, 86.
V. Privatrechtliche Vorfeigen O 87.
VI. Anschluß eines Privat.Be
saeiige an die ineen
suchun S8.
VII. 3 Zührug und Ur-
lundspe . Arl. 89 - 94.
VIII. Ehmein 2 unrersuch-
. Art. 93 — 97.
IX. Schaszewan brriinteic.
ungsrichters . Ari. 98.
X. *m in der n
untersuchun . Art. 90 —01.
Eichentes #
Von der Vorladung, Vernehmun ung und VPerhast.
ung des Angeschuldigten in der „Vormmtersuchung
I. Vorladung des Anselchul
digten Art. 103—106.
II. 1eoin des Angeschul-
Art. 107 - 110.
III. Vorläusige Verwahru ung
zum Behnse der Vorsühmng Art. 111.
IV. Derfahren gegen Angeschul-
le, deren
unbefannt ist, oder die ab-
f std und, und scheres
Art. 112- 116.
V. sieri des Ange-
schuldi . Ark. 117—130.
VI. Von ern ku Act. 131—137.
VII. Mteban der Haft un
W#in ung . „Ar 136—122.
VIII. Easnen bel nicht ge-
rechtfertigter Haft
chtes Kapitel.
Von der Haussuchung und von Urkunden und de-
ren Dechlagne in der Voruntersuchung.
I. Hausiuchung . . Art. 141, 145.
II. Brsnn und Heraus=
abe von Papieren und Ur-
anden überhanp
III. Beschlagnahme und Eroff.
nung von Briese A. Art. 152— 155.
Neuntes Kapitel.
Von dem Ageuscheiue und von Suaens
in der Veruntersuchun
I. Ancgeniwene terhaum ll 156—158.
II. Sachvertändige Art. 159—166.
III. Versahren burl Tödtungen
znrerverletungenns.
. Art. 140—151.
. 167-174.
Zehntes Arnierl
Von den Feugn, ud dem Deschig# in der
untersuchung.
I. Pilich't zum imenn ... Art. 175—178.
VIII. Bestellung cines verihei.
II. Vorladung der Zeugen
III. Abhörung der Zeugen . Art. 181—187.
N. vV. — der Zeugen . Art. 188—190.
r Beschaͤdigte und die
•5 n“muem
. A
Art. 179, 180.
191, 102.
Eilftea Kapitel.
Von dem Schlusse der —22 der Ver-
sebung in den Anklagestand und der Vorladung
zur Hauptverhandlung.
I. Sttsssriubmntänn Arc 193.
II. Antäge der Staasanwalt=
schast und Anllageschrift
III. Gschetuns des Krei
richtes und der Anlla
zumer des Wpellattanl. .
Akk.l9ü—20l.
."lkt.l9—l,195.
etc
. zjekibktdtgnnz des Ange-
chuldig Art. 202—204.
. Irre-las ung nnd Verminan
« AMI-
— —
ie Eut.
· kriege-
richtes und der Anklage- "
— des Appellations.
–
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2
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“*
-
—
5
Art. 206—212.
VII. keehhd ia "
vonBes
ctsnnltl . AkalZZH
digers zur Vanptwerhaid -
. Art. 215.
. Art. 216—226.
Iwölftes gapitel.
Von der aupwerhundlung berseen Kreisgerich
ten
lung
IX. ortnnno vir **n
ung
d deren
J. Ma der Haupt.
verhaudlun
II. Veberuscenesühor.
d des Gerich-
tes während der Ha upt-
verhanolimg im Allgemei-
Art. 227—229.
. kt.230—232.
Ul. Jegmll dkksßkittplvnhands
Ing und Bernebinung des
nellagten Art. *m 235.
IV. dd . Art. 236 - 246.
v. der Porteien U. 3.—20.
VI. Unhheil des Gerichles „ Art. 251—291.
VII. Protolol- Führung A#r. 262-254.
VIII. WNp%
a und Ghlu u 7
Baüätverzandlung . Art. 265--271.
Dreizehntes Kapitel.
Vo
nengerichten und deren Urtheil.
Allgemeine Bestimmungen Art. 272—274.
Bildung der Geschwornen-
au 4. Art. 275—280.
. NMadaqu»Was-wonach
Beweisverfahren und Aus-
ührungen der Parteien“ Art. 281—284.
Vortrag des Präsiden
und Gragestelung an r
Gesch Art. 285—288.
. Sien, und Ubstinme
ung der Geschwornen . Art. 2890—292.
Wsrrach Br echrere Art. 293—297.
Weite erfabren und
leres des zurcire Art. 298—303.
VIII. Bratercct Führung, Iwi-
schenvorfälle, Vertagung
0 En 6 des Ver-
—
—
—
S
72
—
VI.
VII.
. Art. 304, 305.
Dron Veerzebentes Kapitel.
den Rechtsmitteln gegen Endurtheile.
l Yltchttplcnoqnmve IT ndurth
urtheilen der Kreisgerichte
undder Geschwornengerichte Art. 306.
u der Hauptverhandlung vor den Geschwer
43
II. Nichtigkeitsbeschwerdegegen
Endurtheile der Geschwor-
nenger k. Art. 307—316.
III. Appellation n Erdur-
theile der Kreisgerichte .Art. 317—331.
IV. Nlensbelihnker e gege
Urtheile des Melibin
. . Art. 332, 333.
Funfzehentes Kapitel.
Von Wiederausnahme einer Un-
t tiuchung . . . Alt. 334—342.
Sechzehentes Kapitel.
Von dem ebsühten vor dem
Einzelrich Art. 343 - 349.
Srrbentebenmsen Kapitel.
Von der Vollstreckung **
urlheilel . Art. 350—357.
Achtzebentes Kapitel.
Von den A##sten des Strasvet
fahrer k. Art. 358—369.
Neunzehentes Kapitel.
Von dem erbanten bei Ehren.
kränkt Art. 370—377.
44
2 Gebühren-Tare
für die Verhandlungen in Strafsachen.
Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen.
F. 1.
Zu den Kosten des Strafverfahrens gehören alle Gebühren und jeder Aufwand,
welche zum Behufe der Führung der einzelnen in Frage stehenden Untersuchung erwach-
sen sind. In Fällen, wo eine zu Zahlung der Kosten verpflichtete und dazu fähige Per-
son nicht vorhanden lü, sind die baaren Verläge — wozu Diäten, Transport-Kosten,
Gebühren der Gemeindebeamten, Sachverständigen, Urkundspersonen, Jeugen und anderer
nicht durch ihre Anstellung zu unentgeltlicher Verrichtung verpflichteter Personen, sowie der
Aufwand für die Verpflegung der Gefangenen und für nothwendige Vertheidigungen der
Angeschuldigten unter den im 8. 2 angegebenen näheren Vestimmungen, ferner die Ge-
bühren für den Transport der gerichtlichen Gefangenen, der Schüblinge und Vagabun-
den zu zählen #und — jedeb Mal von der Verwaltungskasse derjenigen Behörde, bei wel-
cher sie erwachsen sind, zu übertragen, soweit nicht Dienstanstellungsverträge oder sonstige
Vereinbarungen ein Anderes besiimmen. Insbesondere sind die Gebühren
ür die Verpflegung der Gefangenen,
b. für die nothwendige Vertheidigung der Angeschuldigten (§F. 2),
. für den Transpon der gerichtlichen Gefangenen mit Einschluß der Vagabunden
und Schüblinge und
d. für Sachverständige und Zeugen (dafern sie von den Zeugen ausdrücklich ver-
langt werden)
jedes Mal aus der Staatskasse vorzuschießen.
Den als Zeugen vernommenen Betheiligten bei Verbrechen, welche nur auf ihren
Antrag verfolgt werden, werden die Zeugengebühren aus der Staatskasse nicht vorgeschossen.
i*
—
S
475
Reisekosten und Diäten der Staatsanwälte, ingleichen der bei der Hauptver—
bandlung erforderlichen Gerichtspersonen und der Geschwornen sind stets von der be-
theillgten Staatskasse zu übertagen, auch dann, wenn ein zahlungspflichtiger und zah-
lungsfähiger Angeschuldigter vorhanden ist.
Hinsschtlich der gemeinschaftlichen Gerichte wird das Weitere den besonders abzu-
schließenden Staatsverträgen vorbehalten.
Bei lossprechenden Erkenntnissen hat der Slaat den, in den zu einer Gerichtsge-
melnschaft vereinigten Thüringischen Landen, öffentlich angestellten Sachwaltern die Ver-
cheidigungsgebühren zu ersetzen, sofern diese durch die mündliche Verkheidigung bei der
Haupwerhandlung vor elnem Geschwornengerichte erwachsen sind (§. 30 der Gebühren-
Taxe sub voce: Vertheidigungen, lilera d), also namentlich auch mit Ausschluß der
Reisekosten.
Dasselbe gilt, wenn der Angeklagte mit einer Nichtigkeitsbeschwerde durchdringt, auch
racksichtlich dieses lechismittels hier ebenfalls mit Ausschluß der Reisekosten des Vertheidigers.
Bet verurtheilenden Erkenntnissen sind die Vertheidlgungsgebühren den öffentlich an-
gestellten Anwälten uuter den Voraussehungen und Beschränkungen, unter welchen sie
ihnen bei freisprechenden Erkenninissen ersept werden, auf Verlangen aus der Staats-
kasse vorzuschießen und dann für diese wieder belzutreiben. Bei ihrer Unelubringlichkelt
fallen sie dem Staate definitiv zur Last.
Diese Hastpflicht des Staates kritt in den voraufgesührten Fällen ein, gleichviel ob
dle Anwälte von den Angeklagten gewählt oder diesen von Amtswegen beslellt worden
sind. Dagegen findet ein Ersatz oder Vorschuß der Vertheldigungsgebühren bel einer
Haupwerhandlung vor dem Kreisgerichte (§. 30 „Vertheidigungen, lilerarbe), abgesehen
von den vorgedachten Beschränkungen und Voraussehungen, nur dann Stait, wenn der
Vertheidiger ohne allen Antrag des Angeklagten lediglich von Amtswegen bestellt worden ist.
Die Uebernahme von Vertheidigungen bei Hauptverhandlungen vor dem Geschwor-
nengerichte und solcher, welche von dem Gerichte in einzelnen Fällen sonst für nothwen-
dig erachtet werden, darf von, den Anwälten nur aus besonders triftigen Gründen ab-
gelehnt werden.
Vertheidigern, welche keine öffentlich angestellten Anwälte sind, wird von dem Staate
in kelnem Falle etwas vergütet oder vorgeschossen.
8. 3.
Alle Sportelsätze, die nicht blos nach der Seitenzahl bestimmt sind, gelten nur
von dem ersten Blatte der fraglichen Ausfertigung und umfassen die Schreibgebuͤhr mit.
Jede drilte oder weltere Seite wird mit vier Groschen liquidirt. In Fällen aber, wo“
67
476
eine Aversional= Sportel Statt findet, fällt jede Rücksicht auf die Seitenzahl hinweg; na-
mentlich ist bei Straferkenntnissen, mit Einschluß der Gründe, für jede Ueberseite nur
die einfache Schreibegebühr anzuseten.
Alle Niederschriften, Reinschristen und Abschriften bei Gericht, die mehr als eine
Seite süllen, müssen auf jeder Seite mindesiens 24 Zeilen enthalten. Jede nlcht vor-
schristmäßig voll geschrlebene Seite einer solchen Schrist darf nur für eine halbe und
eine weniger als halb beschriebene Seite gar nicht gerechnet werden. Die Ausschrift
wird niemals mitgezählt.
*ie
Es darf für keine gerichtliche oder außergerichtliche Bemühung Etwas gefordert
werden, für die sich nicht im gegenwärtigen Gesehe ein bestimmter Ansah nach unzwei-
felhastem Wortverstande sindet, es sei denn, daß durch Verweisung auf anderweite geset-
liche Normen eine Ausnahme ausdrücklich zugelassen ist.
Ausdehnung der vorgeschriebenen Ansite auf andere ähnliche Fälle ist unstatthaft.
k 6.
Die amtlichen Liquldationen sind mit Vermeidung fremder Auedrücke bei der Be-
hörde aufzustellen, bei welcher die Untersuchung geführt wurde. Der Untersuchungsrich-
ter hat diese Aufstellung zu überwachen. Dabei sind die vor verschiedenen Behörden ei-
wachsenen Säße zuletzt in eine und dieselbe Liguldatlon aufzunehmen; es haben des-
halb jene Behörden — die Staatsanwaltschaften, die Anklagekammer, der Gerichtshof —
spälestens acht Tage nach gefälltem Spruche die bei ihnen vorkommenden Anfähe festzu-
stellen und die diesfallsige Liquidation an den Untersuchungsrichter abgeben zu lassen.
Von dem Unkersuchungsgerichte ersolgt die Einlieferung der von der Anklagekammer und
dem Gerichtshofe liquidirten Gebühren an die Sportelverwaltung des Appellations-Ge-
richtes.
Dle Veipflichtung zur Kostenzahlung ist davon abhängig, daß dem Betheiligten
eine spezielle Kostenrechnung zugefertigt worden ist.
Insoweit die ahgemelnen Bestimmungen dieses Gesehes nicht ausdrückliche Abän-
derungen enthalten, bewendet es bei den zeither geltenden Normen.
Zweiter Abschnitt.
Ansähe für gerichtliche Bemühungen in der Voruntersuchung und
der öffentlichen Verhandlung.
8. 7.
1) Alle Registraturen und Protokolle, hinsichtlich deren kein höherer Ansatz
-
#
4)
àb
6)
7)
8) Beglaublgung von Absch 1½—*s#smzm:K-
477
ausdrücklich vorgeschrieben ist, für jede vorschristmähig geschriebene (S. 4) Seite 3 Gr.
Insinuations-Registraturen sind durchgehends firel.
Anmerkung:
a. wenn mehre demselben Zahlungspflichtigen zur Last fallenden Zeugenver-
nehmungen oder andere Vernehmungen unmittelbar hinter einander folgen,
so werden dieselben nur als Ein fortlaufendes Prokokoll angesetzt;
b. Personal-Beschreibungen werden wie Negisiraturen liquldirt, ingleichen alle
Nicderschriften, welche dem Protokolle in Form von schriftlichen Aufsäten als
Beilagen angefügt werden.
Protokolle bei den öffentlichen Verhandlungen nach dem Verhälknisse der
Dauer dieser Verhandlung und dem münge des * Meaic zusammen
a. bei Einzelrichtern . . 10 Gr. bis 2 Thlr.
b. bei Kreisgerichten . . . . . .1«r.hlkbm()s
cbktGeschwoknmgmchtcn. 3-b1612-
Dieser Ansaß umfaßt Alles, was in dem Protololle vorkommt, außer der
Gebühr für die richterliche Verhandlung.
Jedes ersie Blatt einer von öffenklichen Behörden ergehenden Ausfertigung,
falls kein höherer oder nledrigerer Ansah ausdrücklich vorgeschrieben ist 10 Gr.
Ladungen von Zeugen und chversändigen zu einer anenilichen J
lung jedoch nur . 5Gr.
Jede dritte oder folgende Seite einer Ausfertigu ig 6. *me . 4
Schriftliche Vorführungs= und Verhaftsbefehle . 20
OkchtekltcheBefehl-zurHanofuchunquustskchfuchtmgvon Pa-
pieren . . 20 Gr.
Oesfenttce Vorladung. des in T des mistt
Steckbriese 15 Gr.
Slder-Geleltsbres6. . 1 Thlr.
Abschriften, die bei öffentlichen Behörden gefertigt weiden, jeder Bogen von
vier voll geschriebenen Seiten - 4), ss der isgegh 3 Gr.
bel gebrochenen Bogen . 2Gr.
einen halben Bogen, sonst aber gar uan gerechnet. cna die wörtlich aus
einer anderen Schrift entnommen werden, und Akten-Verzeichnisse, die über eine
Seite betragen, werden ebenso angesezt; außerdem aber sind lehtere frei, sowohl
in der Urschrist als im Duplikate, und erstere wie Ausfertigungen zu liquidiren
(Nr. 3 dieses Paragraphen).
icht uͤb 9 g fuͤll 2Gr.
670
478
und fuͤr jeden weiteren Bogen noch, wobei jedoch jeder auch nur sbeie be-
schriebene Bogen für voll gerechnet wird 1 Gr.
Entscheldungen der Behörden, für die kein töherer oder niedrlgerer Ansah
ausdruͤcklich vorgeschrleben ist, sie mögen besenders ausgefertigt oder nur zum
Prokokolle gegeben werden, . . 10 Gr.
(versteht sich lepteren Falles — wo nicht. einas Anderes audruͤcklich bestimmt
ist — auher dem Protokoll-Ansatze, jedoch einschlüssig der Eröffnung).
Dsc. E Entscheidungen bei öffentlichen Verhandlungen werden von dem An-
sape für die Verhandlung selbst mit umfaßt.
Entscheidungen der Kreisgerichte in der Voruntersuchung auf ergriffene Be-
rufung gegen das Verfahren des Untersuchungsrichters 20 Gr. bis 3 Thlr.
Entscheldungen der Anklagekammer in der Voruntersuchung auf gegen die
die Entscheidung des Kreisgerichtes ergriffenen Rekurs 1 Thlr. bis 4 Thlr.
12) Verweisungsarkenntnisse des Kreisgerichtes . 1 Thlr. bis 4 Thlr.
13) Verweisungserkenntnisse der Anklagekammer 1 Thlr. bis 6 Thlr.
14) Entscheidungen des d*- Gerichtes bei nicht öffentlichen Ver-
handlungen . . 1 Thlr. bis 6 Thlr.
Oeffentliche Verhandlung einer Untersuchungosache von deren Beginne bis
einschlüssig der Eröffnung des Spruche:
rE—
—
S
1
—
—
1
en
a. vor Einzelrichtern . . ..206)k·biåZThlc.
bookslkctögeklchten. .... .2Tblk.-8-
c. vor Geschwornengerichten 3 12
Von diesen Ansätzen wird alles während der Verhandlung bei dem betreffenden Ge-
richte vorkommende umfaßt, außer dem Protokolle (Ziffer 2 oben) und außer den
Ansäten der Staatsanwaltschaft.
16) Belsenricche, Verhandlung vor dem Ober-Appellalions-Gerichte auf erho-
bene Nichtigkeitsbeschw#rde gegen Endurtheile der Geschwornengerichte oder des
Appellatlons--Gerichtes einschlüssig des Urheils . 3 Thlr. bis 12 Thlr.
17) Oeffentliche Verhandlung vor dem Appellations-Gerichte gegen Endurtheile
der Kreisgerichte — einschlüssig des Urtheiis 3 Thlr. bis 9 Thlr.
Bemerkung zu Nr. 15—17. Danert eine öffentliche Verhandlung mehrere
Tage hindurch, so kann die Gebühr für jeden Tag in Ansatz gebracht werden.
18) Umläufe (Zirkular-Ladungen, 3irkuler-Benachrchigungen . 12 Gr.
19) Berichte ohne Unterschied, fuͤr jede Seite · . 4 -
jedoch nicht unter
20) Abnahme eines Eides oder fcierlichen Angelobuisses an rr *i den
Protokoll-Ansatze) bei nicht öffenklicher Verhandlung Gr.
479
Bemerkung. Bei öffentlichen Verhandlnngen geht dieser besondere Ansaß in
dem fuͤr die Verhandlung selbst unter.
21) Bestellung eines Vertheidigers . 10 Gr.
22) Randbeschlüsse, welche die Stelle elner *s —%1„e Aus-
kerligung vertreten 5 Gr.
Alle anderen Naudbeschluss e si nd gang frei.
23) Für eine im Mandats-Verfahren erledigte Untersuchung wird, mit Einschluß der
Verläge und der Bestellgebühren, ein Aversional-Quantum von 3 Gr. bis 20 Gr.
angesetzt.
8. 8.
In Waldbußangelegenhelten, in Untersuchungen wegen Gareen= und Feld-Deuben
und in ganz geringsügigen Uebertretungsfällen greifen die Ansäße des vorigen Para-
graphen höchstens nur zur Hälste Platz.
g. 9.
So oft die Kosten außer allem Verhältnisse zu der Größe der ungesetzlichen That
und zu der Vermögenslage des Zahlungspflichtigen erscheinen, sind die zuständigen Ein-
##elrichter und Kolleglal-Gerichte ermächtigel, die Kostenzahlungspflicht (einschlüssig der
Verläge) auf einen runden Betrag nach Pflichtmäßigem Ermessen zu beschränken.
Dritter Abschnitt.
Ansägze für die Arbeiten der Staatsanwaltschaft.
S. 10.
4) Für die Anklageschrift nach Wichtigkeit und Umfang der Sache, und zwar:
a.
2 S
bei der Verhandlung vor einem Einzelrichter, wenn eine solche Schr über-
geben wurde 1 bis 2 Thlr.
Wenn jedoch nach Art. 49 und 343 der Sirasprozehordnung ein Privat-
Ankläger oder ein Polizei-, Verwallungs-, Gemeinde oder Forsi-Beamter an
der Stelle des Staatsanwaltes austrilt, so ist für die von bbenselien erstattete
Anzeige nur zu liquidiren . Erholon
.botdcchtbandlungvokeinem Ktewgekichte . 2Thlci8Thlr.
.bechkbaudlnnchvordemGeschwomengcmhtc. Zisle-
Bemerkung.JudiefenAnfüpenisidieGrbühtfükdaødcnthklchie
zu übergebende und das einem Angeklagten zuzuslellende Exemplar mit be-
griffen. Muͤssen wegen einer Mehrzahl von Angeklagten oder aus sonst einem
Grunde noch weitere Exemplare übergeben werden, so ist für solche eine
Schreibegebühr von 3 Gr. für den Bogen noch besonders anzusehen.
480
2) Für die öffentliche mündliche Verhandlung, und war
a. vor einem Einzelrichter . „1144 bis 2 Thlr.
Wenn jedoch nach Art. 49 und 343 der Snaglonei# ein Privat-
Ankläger oder eln Polizei-, Verwaltungs-, Gemeinde= oder Forst-Beamter an
der Stelle des Staatsanwaltes zu, 6 ist für die Verhandlung nur zu
liquidiren . . · 3 Gr. bis 15 Gr.
b. vor Kreisgerichten . 1, 2, 3, 4 Thlr.
c. vor dem Appellations. Gerichte tWuu Ober-
Appellations-Gerichte · 3, 4, 5
d. vor den Geschwornengerichten 4, 5., 6
Bemerkung. Dauert eine offeniliche Verhandlung * Tage bindurch,
so kann die Gebühr für jeden Tag in Ansat gebracht werden.
Vierter Abschnitt.
Von den an bestimmte einzelne Personen zu entrichtenden Gebühren.
A. Diäten bei Verrichtungen außerhalb der Flur des Wobhnsitzes der Behörde.
8. 11.
1) Mitgliedern der Kreisgerickt., Untersucunbsrichtern und Ein-
zelrichtern . Thlr. 10 Gr.
2) dem Protokoll— Führer . . . 410
3) Subalternen der Behörde, welche zu einem anderen
Zwecke, als zur Protokoll- nnn zu der - ge-
zogen werden . 1. 10
Nur halbtägige Diãlen- si iden Statt bei ellen Excditiouen, die mit Einschluß
der Hinreise und der Rückreise innerhalb sechs Stunden beendigt werden.
Anfang und Ende der Reise, wie der Verrichtung selbst, ist daher immer in
dem Protokolle zu bemerken, widrigenfalls nur ein halber Tag Diäten vergütet wird.
Für Nacht Quartier, einschlüssig des un dem Untersuchungerich und
dem Protokoll-Führer jedem . 20 Gr.
Dauert die Abwesenheit zwar über Noact, doch /ncht ber Mittag des ande-
ren Tages, so erhöhet sich der Diäten-Ansatz des o vorigen Tagts.
für den Untersuchungsrichter um . . . .16 Gr.
für den Prokokoll-Führer um. . 12 Gr
Ausfwand für ein Geschäftslokal bei auswärtigen Expoditionen win nur auf
dem Grunde besonderer Vescheinigung vergütet.
181
Anmerkung 1. In Fällen, wo eine Expedition, wenn gleich erst am spaͤten
Abend begonnen, über Mitternacht hinaus dauert, doch so, daß noch in derselben Nacht
vor 6 Uhr Morgens zurücksekehrt wird, findet ein ganzer Tag Diäten Statt, aber keine
Vergütung für Nacht-Quartier.
Aumerkung 2. Werden mehre auswärtige Amtshandlungen in verschiedenen An-
gelegenheiten dergestalt vorgenommen, daß nicht erst nach Hause zurückgekehrt werden
kann, so sind die Diäten eines ganzen Tages unter die verschiedenen Angelegenheiten
verhälmihmähig zu vertheilen.
Dasselbe gilt auch binsichtlich der Transport-Kosten (s. 14).
4) Gensd'armerie-Wachtmeistern, Feldwebeln, | wenn sie zur Ass=
Oberjägern · stenz der Justiz . 16 Gr.
5) Gensd'armen Gusaren) Unteroffizieren · oder Polizei aufge- 10 Gr.
6) Soldaten, Feldjägern boten werden. 8 Gr.
Berittene Genöd'armen (Husarah, mit Einschluß der Wachlmeister, erhalten,
wenn sie außerhalb ihres Stations-Vezirkes oder doch auf mehr als vier Stunden Ent-
sernung von ihrem Stalions-Orte requirirt werden, neben den Diäten 5 Gr. Futter-
geld, und im Falle sie Tag und Nacht abwesend sind, 10 Gr. Futtergeld und 2½ Gr.
Stallgeld.
Die obigen Bestimmungen über die Berechnungen der Zeitdauer elner Abwesenheit
gelten auch bei den unter 4—56 aufgeführten Personen.
Der Diäten-Bezug fällt bei den unter 1—6 Genannten hinweg, wenn die dienst-
lelstende Mannschaft Quartier mit Natural-Verpflegung nach darüber bestehen-
den besonderen Vorschriften erhält.
8. 12.
Außerhalb der Flur ihres Wohnortes abgeordnelen Richtern als solchen, sofern sie
stimmberechtigte Mitglieder des Appellations-Gerichtes oder Ober-Appellattons- archtes
sind 2 Thlr.
Wehnung ber Nocht in Gasthösen, Heihmg. Licht und Tiutgeider — be-
sonders vergütet mit zusammen. « G
Die Bestimmungen des vorigen Paragraphen über die Verehung der %
einer Abwesenheit gelten auch hler.
Die Kreisgerichts-Direktoren llquidiren wie die Mitglieder des Appellatlons= und
Ober-Appellations-Gertchtes.
8. 13.
Stagtsanwälte liquldiren bei nothwendigen Reisen wie der Unlersuchungorich-
ter; Ober. Staatsanwälte und der General-Staatanwalt haben auf die im 8. 12 an-
gegebenen Sähe Anspruch. Substltuten stehen dem Hauptbestallten glelch.
482
B. Transport-Kosten.
8. 14.
Der Aufwand an Transport-Kosten ist von Seiten der Untersuchungorichter nebst
Protokoll-Führern, der Staatsanwälte, der Richter u. s. w. besonders zu bescheinigen.
Der Untersuchungsrichter hat, wenn er einen eigenen Wagen miethet, die ihm
nöthigen Subalternen mit sich zu nehmen, dafern nicht eine vorausgängige Absendung
derselben durch die Sachlage geboten ist. Dasselbe gilt von der Staatsanwaltschaft.
Werden mehre an demselben Orte wohnhafte Spruchrichter abgeordnet, so wird ein be-
sonderer Wagen nur für je zwei derselben zusammen vergütet. Bei Benutzung eigenen
Geschirrs erhält der betreffende Beamte den ortsüblichen Preis dafür aus der Sportel-
kasse ersetzt.
C. Gebühren der Urkundspersonen (Schöppen), wo solche in Untersuchungsfachen
zugezogen werden müssen.
8. 15.
Bei jeder Verhandlung unter drei Stunden . . . .8Gk.
Bel dreistuͤndiger Dauer derselben . . . . . .12-
und auf jede volle Stunde längerer Dauer noch . . . . .3-
Bei Sektionen jedoch wenigstens . E
Wenn Urkundspersonen zu auswärtigen Epeedültanen in Snoassachen aud.
nahmsweise zugezogen werden, erhalten sie überdles noch an Diaͤten 20 Gr.
und wenn sie schriftliche Meldungen oder Aufsäpe einzureichen haben, für diese 5
Anmerkung.
1) Mehre unmittelbar auf einander folgende Verhandlungen in einer und der-
selben Sache werden nicht einzeln berechnek, sondern es findet für alle zusam-
men nur Ein Ansatz nach Maßgabe vorstehender Beimmungen Statt.
2) Wo die Zeitdauer der Verhandlung aus dem Protokolle- nicht zu ersehen ist
tritt stets nur der geringste Ansaß ein.
O. Gebühren der Gemeindebeamten.
1) Für die Besorgung ausgetragener Verrichtungen, namentlich der Be-
schlagnahme von Gegenständen, Besichtigungen, Haussuchungen, Versiegelungen
Gr. bis 10 Gr.
bei mehr als vierstündiger Dauer des Geschäfts aben ehne Unteisched 16
2) Für schriftliche Aufsägze jeder Art 5
Anzeigegebühren dürfen nicht liquldirt werden.
483
Anmerkung. Bolenlohn für Beförderung schriftlicher Eingaben an die Behör-
den findet in der Regel nicht, sondern ausnahmsweise nur dann Stalt, wenn die Ab-
sendung durch besondere Lohnboten unumgänglich nöthlg war, was jederzeit auf der Ein-
Vabe selbst pflichtmäßig zu bemerken ist.
3) Für dle Beiwohnung obrigkeitlicher Verhandlungen:
u. wenn ihre Zuziehung in der Eigenschaft als Sachverständige erfolgt, die in
dem §. 17 erwähnten Gebühren;
b) in allen anderen Fällen aber die im §. 15 bestimmten Gebühren für Ur-
kundspersonen.
E. Gebühren der Sachverständigen.
C. 17.
1) Wenn sie das Gutachten mündlich an ihrem Wohnorte abgegeben oder eine
Entfernung von nicht über eine Viertelmeile zurückzulegen haben für jeden Tag
Gr. bis 2 Thlr.
Sie haben jedoch nur auf drei Fünftheile dleses Gebührenansages Anspruch, wenn
das Geschäft nicht über sechs Stunden gedauert hat.
Anmerkung 1. Die Höbe der Gebühren ist in jedem einzelnen Falle mit Nück-
sicht auf die Erwerbsverhältnisse und sonstigen Verhältnisse des Sachverständlgen und auf
die örtlichen Preise der Lebensbedürfnisse zu ermessen.
Anmerkung 2. Diäten und Reisekosten finden hier nicht Statt Doch können
Sachderständige, wenn sie in einem solchem Falle sich eines Fuhrwerks zu bedienen durch
Krankheit oder andere Umstände genöthigt sind, oder auf dem Wege zu dem Orte lhrer
Vernehmung Brücken= und Fähr-Gelder zu zahlen oder andere Auslagen zu machen ha-
ben, die Erstattung dieses Aufwandes verlangen; sie müssen aber die Verwendung und
die Nothwendigkeit derselben bescheinigen.
2) Werden Sachverständige zu einem Geschäfte außerhalb ihres Wohn-
ortes an einem von letzterem mehr als eine Viertelmeile entfernten Orte zuge-
zogen, so erhalten sie statt der Gebühren Diäten und Reisekosten nach fol-
genden Säßen:
a An Diäten . . . 20 Gr. bis 2 Thlr.
für jeden Tag. In den Filen wo das Geschäft mit Einschluß der Reise
nicht über sechs Stunden gedauert hat, tritt eine Ermäßigung auf drei Füns-
theile dieses Ansatzes ein.
An Transport= und Dersiummiß-Gebüheen für jede Meile (Posimeile) der
Hinreise 5 Gr. bis 1 Thlr.
und eben so viel fuͤr die. Mückeise, wenn dieselbe nicht an denseten Tage
484
ersolgt; ist dieses der Fall, so ist für die Rückreise nur die Hälfte anzusehen.
Beträgt die Entfernung wenlger als eine Meile, so wind diese für voll an-
genommen; bel größeren Entfernungen werden diese Kosten nach Wiertel-
meilen vergütet, wobei dle Beträge unter einer Viertelmeile nicht berechnet werden.
Anmerkung 1. Die Höhe der Diäten, Transport= und Versäumniß-Gebühren ist
in jedem einzelnen Falle mit Rückicht auf die Erwerböverhältnisse und dle übrigen Ver-
bältnisse der Sachverständigen und die örtlichen Preise der Lebensbedürsnisse und der
Transport-Mittel zu ermessen.
Anmerkung 2. Neben der unter a und b bestimmten Vergütung sindet ein Er-
satz der Kosien für Wohnung, Bedienung, Wagenmiethe, Trink-, Wege= und Brücken-
Gelder oder anderer Auslagen nicht Statt; sollte jedoch der Sachverständige in besonde-
ren Fällen nachzuweisen im Stande sein, daß ihm durch die Reise größere Kosten ver-
ursacht worden und daß diese wirklich nothwendig gewesen sind, so müssen ihm solche
vollständig vergütet werden.
Anmerkung 3. Werden Staatsbeamte als Sachversländige zugezogen, so erhal-
ten sie, vorausgeseht, daß sie nicht für derartige Geschäfte besonders fixirt sind — in wel-
chem Falle sie eine Vergülung nur dann beanspruchen können, wenn und insowelt ein
zahlungsfähiger Inkulpat in die Kosten verurtheilt wird — diesentge Vergülung an
Oläten und Relsekosten, welche ihn bel Reisen in Dienstangelegenheiten taxmähig zukommt.
3:) Für — nolhwendig — schriftliche Gutachten, Uebersehungen, Pläne,
Zelchnungen und ähnliche Ausarbeltungen mit Elnschluß der elwaigen Rein-
schriften . . 20 Gr. bis 2 Thlr.
Für weitläufige oder schwirrige- namentich * wissenschaftliche Arbeiten ist
die Vergütung nach Verhälinih der zur Ankertigung erforderlichen Zeit und Mühe
angemessen zu erhöhen.
Anmerkung. Hinsichtlich der Staatsbeamten gilt die Beschränkung der lehten
Anmerkung (Ziff. 2, Anmerk. 3).
4) Die Vorschristen unter 1 bis 3 finden auch bel Abschäyxungen Anwendung,
jedoch mit der näheren Bestimmung, daß dem Taxator an Gebühren vergütet
werden:
u. Für die Abschäbung von solchen Gegenständen, zu deren Würderung keine
besonderen technischen Kennknisse erforderlich sind, wenn der Werth der abge-
schätzten Sachen zusammen die Summe von 20 Thlr. nicht übersteigt 5 Gr.
bei einem höheren Werthe bis zu 50 Thlrn. einschlüsüig, 10
Ist dabel eine verhältnihmäßig große Menge von Gegenständen zu wür-
dern, so können die vorstehenden beiden Säße nach pflichtmäßigem Ermessen
des Beamten um die Hälsfte erhöht werden.
485
b Für die Abschäyung von Gold, Silber und Juwelen bis zu 20 Thlmn.
an Werth . 10 Gr.
bei einem höheren Werthe bis zu 50 Tolru. einschlüsiüg . 15.
Belrägt der Werih der abgeschätten Sachen mehr als 50 Thlr., so find
die Gebühren des Taxators nach den Sähen unter Ziff. 1 festzuseten.
Für die Abschähung vom Kunstsachen, Büchern, Landkarten, Kupfersiichen,
Gemälden und auderen Gegenständen, zu deren Würderung besondere tech-
nische Kennknisse erforderlich sind, treien ohne Rücksicht auf den Werth die
Ansäße unter Ziff. 1 oder nach Besinden unter Ziff. 2 ein.
#
F. Zeugengebühren.
S. 18
Auf ausdrückliches Verlangen ist zu gewähren:
1) Wenn die Zeugen an dem Orte der Vernehmung selbst oder an einem von
r□u
lehterem nicht über eine Viertelmeile entfernten Orte wohnen, vorbehältlich des
Ersapes eines etwa zu bescheinigenden positiven Shadene, fuͤr id Stunde Ver-
säummiß . 1 Gr. bls 4 Gr.
Angefangene Etunden werden fur volle gercchutt; sar die Versäumniß an elnem
Tage darf jedoch die Enischädigung aufnicht mehr als sechs Stunden ausgeworfen
werden. .
Die Höhe der Versäumnißkosien ist in jedem einzelnen Falle mit Ruͤcksicht auf
den mulhmaßlichen Erwerb des Zeugen und auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen.
Erfolgt die Zuziehung oder Vernehmung der Zeugen an einem mehr als elne
Viertelmeile von lhrem Wohnorte entsfernten Orte, so sind ihnen an Relse-
kosten mit Einschluß der Versunniß und Zehrungskosten für jede Meile der
Hinreise . . 3 Gr. bis 1 Thlr.
zu vergüten; sür die Nüchreile sindel, wenn sie icht an demselben Tage erfolgen
konnte, der gleiche Ansah Statt, außerdem nur dle Hälfte desselben.
Beträgt die Entfernung weniger als eine Meile, so wird diese für voll ange-
nommen, bei größeren Entfernungen werden die Reisekosten nach Viertelmeilen
vergütet und es kommen daun nicht volle Viertelmeilen nicht in Ansap.
Die Höhe der Reisekosten ist nach den im §. 17 für die Sachverständigen auf-
geslellten allgemeinen Grundsäpen im Betreff der Rücksichtsnahme auf die Er-
werbsverhältnisse und soustigen Verhältnisse der Zeugen, auf die ortlichen Preise
der Lebensbedürfnisse und bezüglich der Transport-Mintel, lunerhalb des angegebenen
Sahes zu bestimmen. Insbesondere ist hierbei darauf Rücksicht zu nehmen, ob
der Zeuge seinen Verhältnissen nach, wenn er in eigener Angelegenheit reiste,
68°
486
besondere Transport-Kosten aufvenden oder ob er den Weg zu Fuh zurück-
legen würde.
Die im vorliegenden Paragraphen ausfgestellten allgemelnen Bestlmmungen
greisen auch hier Plah.
Die Zeugengebühren müssen binnen zehen Tagen nach der Vernehmung des Zeugen
gefordert werden, widrigenfalls dieser des Anspruches auf den Vorschuß seiner Gebühren
aus der Staatskasse verlustig geht.
6. Dienergebühren.
1) Bestellungsgebühr.
Statt eines in jedem einzelnen Falle und je nach Verschiedenhelt der Ent-
fermung zu berechnenden Botenlohns tritt bei jeder ausgefertigten üaauaattnt=
Nummer ein aversioneller Ansatz für Bestellungsgebühr ein, und zwa
wenn die llauidirten Sporteln — ohne alle Rücksicht auf tvtuntt
und Verläge — nicht über 5 Gr. betragen
bis zu 1 Thaler einschlüssig . . . -
ONOUIDUN
DER-ORDNU-
daruͤber binaus, nach Höhe der Liquidation, . . 10 Gr. bis 1 ehi.
Diese Gebühr wird da, wo der Dlener durch ein Fixum dafür entschädigt ist.
zur Sportel-Kasse berechnet.
Ec versteht sich, daß der Empfänger einer nicht offztellen Ausfertigung, wenn
deren Beförderung durch die Post geschieht, das Postgeld auch künstighin zu be-
zahlen hat.
Einen besonderen Botenlohn anzusetzen, ist nur in folgenden Fällen statthaft,
wenn
a. die Bethelligten ausdrücklich auf Absendung eines eigenen Eilboten angetragen,
b. Eilboten in ein auswärtiges Land versendet werden müssen, oder
c. sonst in dringenden Nothfällen die Bestellung auf keine andere Weise zeitig
genug geschehen konnte.
Es beträgt alsdann für jede Stunde 3 Gr.
487
es sei denn, daß der dem außerordentlichen Bolen gewaͤhrte hoͤhere Lohn un-
vermeidlich gewesen und beschelnigt wuͤrde.
2) Für eine Haussuchung . 4 Gr. bis 8 Gr.
Dauert die Verrichtung (den Weg ungerechneh über sechs Shunden 6
3) Für eine Arretirung . 6
(ohne Rücksicht, ob Einschluß darauf solgt oder nicht)
H Einschlußgebühr bei Arretirung, Ein fuüͤr alle Mal . . .6Gk.
illdcllWaldbllßtFelddcltbh,I,«" ·«'Iedocknnn-1-
Die Einschlußgebühr findet in allen Fällen Statt, w0 t zur Eunschliehung eines
Verhafteten kommt, ohne Unterschied, wo und von wem die Arretur geschehen, selbst
wenn der Verhaftete sich srelwillig zur Hast gestellt hat; auch findet sie bei jeder neuen
Hast, nach vorgängiger Entlassung wieder Statt. Dagegen ist für die Entlassung keine
besondere Gebühr in Ansatz zu bringen.
5) Auslieferung eines Gefangenen von einer nicht vinelindesen FSan
oder an dieselbe . .
6) Bei Sektionen einschlüͤssig aler Bestellungen babei . .
7) Bei dem Transporte von Gefangenen nit Etnschuuß der Bagabunden zies=
linge für die Stunde · Gr-
jedoch für den ganzen Tag nichi über . .
s)FükdieHauptvethandlungvokGeschwoknem bezüglich die Aufvartung 1( -
bllThlr.
Für die ouptverhandlung vor dem Ateieherichi oder den Appellations=
Gerlchte . . . 5 Gr. bis 20 Gr.
9) Diäten des Dieners finden nur Sian:
a) bei nothwendigen Verschickungen an Orte von mehr als vier Stunden Ent-
fernung, neben den etwaigen Gebühren für das Geschäft selbst, mit Aus-
schluß bloßer Botengänge zu Bestellungen schriftlicher oder mündlicher Ver-
fügungen, ingleichen mit Ausschluß der Transporte von Vagabunden und
Schüblingen, für welche blos die in Nr. 7 dieses Paragraphen bestimmte
Aversional-Gebühr eintrikt;
b) wenn der Diener außerhalb des Gerichts-Lokals die ihm vorgesepte Gerichts-
verson begleltet:
für den ganzen Tag . . 10 Gr.
dauert die Expedition nicht über 6 Stunden, nur . .
Quartier· Geld uͤber Nacht . .
DieselbenDialensSapegeltenquchfükdte Beldtenet nnd Bctlättfet
10) Die bei dem Gensdarmerie-Korps dienenden Gensd'armen haben,
488
wenn sie zur Untersiütung der Amtsdiener oder der Gerlchtsdlener oder an de-
ren Stelle gebraucht werden, dieselben Gebuͤhren wie diese zu bezleben, ingleichen
bei Bewachung von Gefangenen
für jede Siunde . ..·. . . ..1Gk.
doch nicht über . . . 10s
fuͤr den ganzen Tag, wogegen in allen diese gälen kelne Diäten für sie ein-
treten.
Bei einem Aufgebote der Gertchieloize bet
deren Anfährer 5 Gr.
jeder Mann aber . . . .2-
zu erhalten.
§S. 20.
Rücksichtlich der Ansätze für DepositenGebühren, Zählgelder, Rechnungsgebühren in
Untersuchungssachen, sowie der staatsärztlichen Gebühren, bewendet es bel den hlerüber
geltenden Bestimmungen.
Fünfter Abschnitt.
Gebühren der Sachwalter.
8. 21.
Allgemeinc Bestimmungen.
Fuͤr die Gebuͤhren der oͤffentlich angestellien Sachwalter in Strafsachen bestehen die
nachfolgenden Saͤhe als alleinige Norm.
Nichtanwalle haben einen Anspruch auf Vertheidigungsgebuͤhren gegen ihren Auf—
traggeber nur auf dem Grunde besonderer Vereinbarung und nicht über den Betrag der
für Anwälte gesehlich bestiumten Gebühren hinaus.
8. 22.
Schreibemaß.
Wo die Bogenzahl den Ansaß bestimmt, sind einzelne Seiten nur verhaltnißmaäßig
zu liquidiren, Schriffen von nicht einmal einer vollen Seite aber mit einem Viertheile
des Ansatzes für einen Bogen.
Abschriften, Niederschristen und Reinschriften, die mehr als eine Seite füllen, müssen
auf jeder 24 Zeilen, bei Briesseiten in Quart mindeslens 16 Zeilen enthalten.
5S. 23.
Berechnung der Stunden.
Wo Ansäte nach Stunden der Dauer eines Geschäftes bestimmt sind, werden nicht
489
volle Stunden als halbe Stunden gerechnet, und bei Geschäften über eine Stunde kommt
der Mehrbetrag, welcher eine halbe Stunde nicht erreicht, gar nicht in Auschlag.
8. 24.
Berücksichtigung des inneren Gehaltes.
Bei der Prüfung ist in allen Fällen, auch wo die Bogenzahl den Ansaß besilmmt,
der innere Gehalt der Arbeit zu berücksichtigen; daher kann, wo die Taxe einen Spiel-
raum zuläßt, gründliche Kürze den höheren Ansat zulässig machen.
Aus demselben Grunde ist auch jeder Ansah für eine offenbar ganz unnöthige Ar-
beit oder Handlung zu sireichen und bei bloßen Wiederholungen und unnüten Weitläufig=
kelten — jedoch nur in dlesen Fällen — unter den Betrag nach der Vogenzahl herabzusetzen.
Für solche Handlungen insbesondere, welche wegen kulposer Versäumniß des Sach-
walters nicht zu berücksichtigen sind, ingleichen für ganz — wenn auch nur in der an-
gebrachten Maaße — unstalthafte Anträge und für fiivole Rechtsmitlel üud dem Sach-
walter die Gebühren und Verläge zu sireichen, dafern nicht etwa vorwaltende besondere
Umstände dem Sachwalter zur Entschuldigung verelchen und den Vorbehalt der Kosten
rechtfertigen.
g. 25.
Nachweisung der Gebühren.
Jede Gebührenforderung muß durch öffentliche oder durch genau geführte Privat=
Akten gerechtfertigt werden.
Ausnahmswetse, wenn entweder der Gewaltgeber der Vorlegung der Prlvat.Akten
widersprlcht, oder wenn der Sachwalter selbst auf seine Pflicht verlichert, daß solche un-
absichtlich auf seiner Seite verloren gegangen seien, können auch ordentlich geführte Spor-
telbücher zur Nachweisung dienen. Auk die Richtigkeit dieser Bücher hat jedoch der Sach
walter eidlich anzugeloben, sobald solches der Jahlungspflichtige beantragt.
8. 26
Nachweisung baarer Verläge.
Baare Verläge müssen auf gleiche Weise (§. 25) nachgewiesen werden, der Betrag
derselben jedoch dann nicht, wenn solcher aus elnem Gesetze oder aus der Natur der
Sache von selbst hervorgeht und mit bekannten laufenden Preisen übereinstimmt.
S. 27.
Gebührenrechnungen.
Jede Gebührenforderung muß sich auf elne mit dem Tage der Ausfertlgung und
mit der Unterschrift des Sachwalters versehene Rechnung stützen, in welcher Auedrücke
490
in fremder Sprache und Abkürzungen nicht vorkommen dürfen. Gebühren und Verläge
müssen abgesondert und bel jeder Bezugnahme auf Akten mit Anführung der Akten-
Blätter angesetzt werden.
Unzulässig ist es, den Rest einer älteren Rechnung auf eine neue Liauidation über-
zutragen.
Vor der gerichtlichen Beitreibung muß die Gebührenrechnung dem Gewaltgeber zu-
gestellt worden sein.
Zur Bescheinigung, daß die Rechnung dem Zahlungspflichtigen eingehändiget wor-
den, genügt eine Niederschreibung des Sachwalters in seine Akten, und dem Schuldner
liegt dann der Beweis der etwa behaupteten Unrichtigkeit einer solchen Niederschreibung ob.
Nach Einhändigung der Rechnung hat der Schuldner binnen längstens vier Wo-
chen, bei Vermeidung gerichtlicher Beitreibung, Zahlung zu leisten.
Der Gewaltgeber aber kann wider den Prozeß-Gegner, welcher ihm zur Wleder-
erstattung verpflichtet ist, diese ohne Weiteres im Wege des gerichtlichen Berechnungs-
und Hülfs-Verfahrens verfolgen.
8. 28.
Recht auf richterliche Feststellung-
Der Sachwalter sowohl als der Zahlungspflichtige, und zwar der Gewaltgeber eben-
so, wie derjenige, welcher diesem zur Wiedererstaltung verpflichtet ist, kann auf richter-
liche Feststellung der Gebührenrechnung antragen, aber der Jahlungspflichtige nur so
lange, als er die Rechnung nicht vollständig und ohne Vorbehalt bezahlt hat.
8. 29.
Feststellende Behörden.
Die Feststellung der Sachwaltergebühren gehört vor das Gericht, vor welchem die
Sache verhandelt wurde, bei Schwurgerichtssachen vor das Appellaklons-Gericht. Die
Feststellung der Gebühren für Vertheidigungen, wenn und soweit sie aus der Staakskasse
zu erseten, oder wenigstens vorzuschießen sind, geschieht von Amtswegen.
Gegen die Feüistellung kann sowohl der Sachwalter, als die zahlungspflichtige Partei
binnen zehentägiger Nothfrist, vom Empfange der festgestellten Rechnung an, Vorstellung
thun und zwar:
1) gegen die Feststellung des Einzelrichters bei dem Kreisgerichte,
2) gegen die erst-instanzliche Festslellung des Krelsgerichtes bei dem Kreisgerichte nach
vorgängiger Aenderung des Referenten.
3) gegen die Fesistellung der Anklagekammer bei dem Appellations-Gerlschte,
4) gegen die erst. instanzliche Feststellung des Appellations-Gerichtes und die Fest-
191
stellung des Ober - Appellations-Gerichtes bel diesen Behorden, nach vorgängiger
Veränderung des Referenten.
Eine solche Vorstellung muß die Gründe der Beschwerde enthalten und es ist auf
dleselbe ohne weiteres Verfahren zu erkennen.
Die Feststellung geschleht:
1) bei den Einzelrichtern von diesen vder deren Stellvertretern,
2) bei den Kreis gerichten in erster Instanz von einem Milgliede desselben, in zwel-
ker Instanz von dem Kreisgerichte,
3) bei der Anklagekammer von einem Mitgliede derselben, bei den Appellatlons-
Gerichten und dem Ober-Appellalions-Gerichte in erster Insianz von einem Kol-
leglal, Mitgliede, in zweiter Instanz von dem Kollegium selbst.
Bemerkung. Es ist überall darauf zu sehen, daß die Feststellung der durch die
öffentlichen Verhandlungen erwachsenen Vertheidigungsgebühren in erster Instanz von ei-
nem bei dieser Verhandlung thälg gewesenen Richter, in zweiter Instanz bel dem Ap-
pellations-Gerichte und dem Ober-Appellations= Gerichte aber unter Mitwirkung eines
oder mehrer solcher Richter erfolge.
30.
Gebuͤhren · Taxe fuͤr die Rechtsanwaͤlte.
Akten:
1) Auszüge aus solchen, wo sie nsthig und dafern sie nicht in bloßen Abschriften
besiehen (außer den Gebühren für das Lesen der Akten), von jeder voll geschrie-
benen Seite 4 Gr.
2) Halten und Lahren“ der 5 zrlune ig der belzebibren bio 3 10
Blat . 2 Gr.
bis zu 100 Blatt ..·. . . .
von jeden vollen 50 Bläutern nehr .
Mehre Akten. Bände in derselben Sache slind ihrer Blathabl nach gulchimn
zu rechne.
3) Lesen öffentlicher Akten, welche zu der Sache rs-ut- wenn der Akten-Band
enthält bis zu 100 Blatt 1 *
von jeden welteren vollen 50 Blinemn uoch .
Aumerkung. Sind mehre Akten-Bände zu eesen, so wird dee Cun nur
nach der Gesammtzahl der Blätter berechnet.
Für Wege im Wohnorke wegen Einsicht der Akten sindet kein Ansat Statt.
Botenlohn:
a. von Sendungen, welche durch die Post besorgt werden können, darf blos der
Postgelder-Verlag angesetzt werden und
69
492
b. von Sendungen an Orte, wohin Botengelegenheit ist, nicht mebr, als für Be-
nutung solcher Gelegenheiten bezahlt werden muß;
e. in allen anderen Fällen hingegen, ingleichen wo die Dringlichkeit der Sache be-
sondere Lohnboten erfordert, passirt der diesfallsige nothwendige Verlag, welcher,
insoweit er sich nicht schon nach den üblichen Preisen beurtheilen und bestimmen
läßt, zu bescheinigen ist.
Briefe, nothwendige, von jedem voll geschriebenen Quartbogen 10 Gr.
für Seiten verhälluthmäßig, wenigstens aber für einen Brief . 5
in fremder Sprache zu schreibende das Doppelte.
Enthalten die Briese von dem Gewaltgeber verlangte rechtliche Ausführungen,
so sind sie wie Deduktions-Schriften anzuseten.
Deduktions-Schriften, wozu gehören:
Anklageschriften, Verkheidigungsschristen nach mitgetheilter Anklageschrift, schrift-
liche Gutachten, Schriften, wodurch Rechtsmittel ausgeführt werden,
a wenn die Sache vor das Geschwornengeiicht gehört 1 Tblr. bis 5 Thlr.
b. wenn sie ein Vergehen betrifft . . . .20Gk.bis3s
(-chmseclneUcbettkettmgbetrifft. . . .10-bi02-
Erscheincnvokeinethbökde,s.VekhaudlImgen.
Information in der Sache:
1) Wenn sie blos aus eigangenen Alten geschöpft oder auf dem Wege der Korre-
sponkenz eingezogen wird: Nichts, da diesfalls schon ein Ansah für das Lesen
der Akten und für geschriebene Brlese Stakt findet.
2) In allen anderen Fällen mit Einschluß der dießfalls zu machenden Wege inner-
halb des Wohnortes 10 Gr. bis 2 Thlr.
Jedoch ist ein diesfallsiger Ansah in Injurien-Sachen und bei Uebertretungen
nur ein Mal und in allen übrigen Sachen höchstens drei Mal statthaft.
Zu Bemessung der Nothwendigkeit und des Umfanges ist der Gegenstand der
Information bei der Liquldirung genau zu bezeichnen. "
FürcineJnfoknmtion,welchcaneinemauswärtiqöndkteanfausdkücks
liches Verlangen des Gewaltgebers durch den Sachwalter persönlich einge-
zogen wird, passirt noch besonders der Ansah für Reisekosten.
Liquidatlon der Deserviten und Verläge und deren mündliche oder schristliche Ueber-
reichung zur Feststellung: Nichts.
Rechtsmittel, Ausführung, s. Deduktions. Schriften;
bloße Einwendung 45 Gr. bis 15 Gr.
Reisekosten bei nothwendigen Nelsen auherhalb der vlur des Wohnortes, neben dem
Ansatze für den Termin oder das sonslige Geschäft selbst:
493
1) jür Versäumniß, von jeder Stunde (18 Melle) Begeo der Hinreise 10 Gr.
jedoch fuͤr den ganzen Tag nie über · . 2 Tblr.
Anmerkung 1. Für die Zurückreise findet nur in dem Falle derselbe An-
saß Stalt, wenn solche nicht an dem nämlichen Tage erfolgen konnte.
Anmerkung 2. Bei Reisen von mehr als einlägiger Dauer trikt für Ver-
säumniß und das Geschäft zusammen genommen auf jeden ganzen Tag
(24 Stunden) der Abwesenheit ein Ansatz von 3 Thlru ein. Für über-
schießende Stunden treten die Ansäpe unter Nr. 1 für kime ein.
2) An Diäten täglich . . .hlklöGk
Dauert aber die Abwesenheit nicht vosle sechs Stunden, nur die spelu-
Sobald der Rechtsanwalt auswärts über Nacht bleiben muß und überhaupt
bei Reisen und Geschäften von längerer Dauer, wird der Verlag für Logls, Er-
leuchtung, Heitzung und Trinkgeld noch besonders mit . . 20 Gr.
für jede Nacht vergütet.
Auch passiren bei Reisen in das Ausland, falls der Rechtsanwalt in größeren
Städten verweilen muß, für jeden Tag solchen Aufenthaltes in Allem 2 ½ Thlr.
Diäten.
3) An Transport-Kosten, wenn die Entfernung nicht über 2 Stunden (1 Meile)
beträgt . 1 Thlr. 12 Gr.
wenn sie mehr benäge) für jede Swinde daruͤber noch nach den ortsüblichen
Preisen .5 Gr. bis 8 Gr.
einschlüssig Wege- Brucen- und Psiaster · Beld.
Eben so viel passirt für die Rückreise, wenn solche deo Geschäftes wegen nicht an
demselben Tage erfolgen kann.
Wo eine Eisenbahn= oder Post-Verbindung besteht und passend benuyt werden kann,
passirt nur der zu bestreitende Aufwand und bei Eisenbahnen der Ansay für die zweite Klasse.
Anmerkung l. Bei außerordentlichen Geschäftsreisen, wozu Terminsreisen nicht ge-
bören, kann auf dem Grunde auadrücklicher diesfallsiger Vereinbarung auch ein
Mehres gefordert werden.
Anmerkung 2. Wo auf Erstattung der Kosten erkannt ist, werden gleichwohl die
Reisekosten dann nicht erstattet, wenn an dem Orte des Prozeh-Gerichtes wenig-
stens zwei Rechtbanwälte wohnhaft sind und die zu dem Antrage auf Kostenersay
berechtigte Partel, sich des Beistandes Eines, wie des Anderen, derselben zu bedie-
nen, nicht behindert war.
Sind zwar nicht an dem Orte deo Gerichtes, aber doch in dessen Nähe Rechts-
anwälte vorhanden, welche die Partel wählen konnte, so wird nur so viel an Reise-
aufwand ersetzt, als diese näheren Rechtsanwälte würden haben berechnen können.
494
Der eigene Gewaltgeber hingegen ist zu Bezahlung der Reisekosten auch in den be-
zeichneten Fällen — mag übrigens auf Kostenerstaltung erkannt sein oder nicht —
verbunden.
Anmerkung 3. Hat ein Sachwolter an demselben Orte und an Einem Tage mehre
Termine abzuwarten oder sonstige Anwaltsgeschäfte zu verrichten, so isi zu unter-
scheiden, ob nur Ein Theil — Gewaltgeber oder Gegner — oder ob deren mehrere
die Kosten dieser verschiedenen Verrichtungen zu tragen haben.
In beiden Fällen hat der Sachwalter die zu den Reisekosien gehörigen, vorsichend
unter Zisffer 2 und 3 aufgeführten Gebühren nur ein Mal und jedem der eiwa
vorhandenen verschiedenen Zahlungspflichtigen autheilig anzusehen, im letzteren Falle
bingegen den Ansah für Versäumniß — unter Ziffer 1 vorstehend gedacht — mehr-
sach, je nach der Zahl der Personen, welche die Kosten zu tragen haben, zu liquidiren.
Anmerkung 4. Bei Abwartung auswärtiger bloher Publikations-Termine findet
niemals ein Ansaß für Reisekossen Statt.
Schreibegebühren:
von jedem Bogen Abschrift oder Reinschrift . . . . . 3 Gr.
bei gebrochenen oder Briefbogen . 2 Gr.
und so verhältnißmäßig nach. Blättern; iberschietende volle Seiten werden für einen
halben Bogen, sonst aber gar nicht berechnet.
Schriftliche Eingaben und Aufjäte jeder Ari, insofern sie * sen, # be-
sondern Ansaßb haben, von jedem voll geschrlebenen Bogen 0 Gr.
für Seiten verhältnihmäßig, wenigstens aber ..... 6 Gr.
für die Eingabe.
Anmerkung. Für überflüssige Ueberreschungsschreiben, z. B. bei Klagen und Ver-
theidigungeschriften, ingleichen für Schreiben, mittelst welcher Vollmachten übergeben
werden, darf gar nichts und für Frist= oder Termins-Prorogations-Gesuche nur dann
etwas liquidirt werden, wenn die Veranlassung derselben — abgesehen von Krank-
heitsfällen — nicht in der Persen des Rechtsanwaltes liegt.
Termine, Abwartung derselben vor öffentlichen Behörden, siehe mündliche Verhandlungen.
Unterredungen, wenn sie die Insormatlon in der Sache bezwecken, da für letztere
in geelgneten Fällen berells ein Ansat Stakt ündet: Nichts.
Außerdem aber bei Besprechung des Vertheidigers mit Angeschuldigten (jedoch mit
Auonahme aller solcher Unterredungen, welche bloße Aufragen und Erkundigungen über
den Stand des Prchzesses oder der Sache überhaupt betreffen, wofür ein Ansah in der
Regel gar nicht und der nachsolgende ausnahmsweise nur dann passrt, wenn der Ge-
waltgeber den Sachwalter ausdrücklich zu sich einlud) 10 Gr. bis 15 Gr.
und bei mehr als einstündiger Dauer, von jeder Stunde darüber eben so viel.
495
Bei Unterredungen, welche weder die Information zur Suche, noch auch Anfragen
und Erkundigungen über den Stand des Prozesses oder der sonstigen Angelegenheit zum
Gegenstande haben, sindet, auher obiger Gebühr, auch noch ein Ansatz für den Weg nach
der unter dieser Rubrik gegebenen Norm in dem Falle Statt, wenn die Unterredung auf
ausdrückliches Begehren des Gewallgebers außerhalb der Wohnung des Sachwalters ge-
balten wurde.
Verhandlu ngen, mündliche, jeder Art — blos mit Ausschluß der öffentlichen Ver-
theidigungen — sie mögen vor öffentlichen Brhörden Statt sinden oder anderwärks,
mit Einschluß des diesfalls zu machenden Mene in dem Wohnonte, w wenn f c nicht
uͤber eine Stunde dauern . 0 Gr.
bei längerer Dauer für jede weitere Stunde . . . . . Gr.
jedoch für den ganzen Tag nie über 3 Thlr.
Anmerkungen 1. Aüsgenommen sind beejenigen dälle, wo Mechtsanwälle. wegen
einer nicht terminlichen kurzen Vethandlung, z. B. wegen Bekanntmachung einer
Resolution, Vorlegung einer Eingabe zur Erklärung oder Einsicht und dergielchen
vor Bebörden erscheinen, in welchen Fällen überhaupt nur
passiren. Dieser Ansap sindet auch dann Stant, wenn die Verhandlung bei r
gentlicher Anwesenheit an Gerichtestelle vorkommt.
Aumerkung 2. Wenun ein Rechtsanwalt stalt einer schriftlichen Eingabe ctwas
mündlich zum Protokolle anbringt: so darf er dafün einschlüssig des Weges, ku kei-
nem Falle mehr ansehen, als ihm für die schriftliche Eingabe zu fordern erlaubt
gewesen wäre.
Vertheidigungen (öfentliche — uͤndliche) ·
a. vor einem Einzelrichter . . .1061k.bi62Tl)lk.
b. vor Rreisgerichten . l,2,3,-lThlk.
. vor dem abpellalions-Gerichte beziglich T ahdela.
tions-Gerichte . . 3 ;3 4 Eblr
d. vor Geschwornengerichten
: Thrr.
Diese Ansätze können bei ehrtägigen Verhandlungen nach r * 50 jeden
Tag gemacht werden.
Vollmacht, für eine gecschriebene, mit Ebuschlußed der einschrif oder für eine #ebriche
zu einer ganzen Sache 6 Gr.
zu einem einzelnen Akte
für ein Sustitutkorium, ebenfalla mit Einschluß ver Meinschrift 4
Wege, nothwendige, innerhalb de (Wroertet insoweit sie nicht schon unter anderen
Ansätzen mit begriffen sind — wie J. B. bei den Artikeln: Akten-Lesen, Information,
Reisekosten, Termine Unterrrhunge Verhandlungen — namentlich wegen zu haltender
wtegen und einzuziehender Erkundigungen mit Einschluß des Geschäftes 10 Gr.
doch in Injurien-Sachen und bei Uebertretungen nur dann, wenn der Sachwalter
l ausdrückliches, besonderes Verlangen des Klienten einen solchen Weg gemacht
hat. Konnte übrigens das Geschäft eben so gut und mit geringeren Koslen schriftlich
abgemacht werden: so passirt, abgesehen von einem ausdrücklichen Verlangen des Ge-
waltgebers nur so viel, als die Besorgung auf schriftlichem Wege gekostet haben wünde.
496
Inhalts-Uebersicht.
.Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen
Zweiter Abschnitt.
Ansäte für gerichtliche Bemühungen in der Vor-
untersuchung und der r—N* atdi,
Für Registraturen, Protokolle,
serigungen, schriftliche! Gopen.
besebe, S er · Geleitoͤbriese, Ab-
schristen und deren Beglaubigung,
Enlscrsoungen der Behörden, 2
weisungserkenntnisse, öflenttiche Ver.
handlungen vor den Gerichten, Um
läufe, Berichte, Eidesabnahme, be.
Heung eine eines Vertbeidigers. Nand.
Dritter Abschuitt.
Ane #ür.d— r!— Arbeiten der
alischaft
Für nueessn uiv für die 5
fentliche und mündliche ihen 8. 10.
Vierter Abschnitt.
Von den an bestinimte einzelne Personen
uU entrichtenden Gebübren.
A. Diäten E Berrichtungen auher-
bat der r Flur des Wehnsihes derg
örde ·. .
B. / #eHofien 5b5ö. 11.
sS. 1—6.
88. 79.
13.
—
Gebühren der Urkunds-Personen
(Schoppen), wo solche in Untersu-
chungsachen zugezogen werden
müssen . 8.
Gebühren der Gemeindebeamten 8.
Gebühren der Sachverständigen 5.
Zeugengebührten 65
6. Dienergebühren
Fünfter Abschnitt.
Gebühren der Sachwalter.
Allgemeine arr . .§.21.
Schreibemaß . 8. 3Z.
Verechnung der Stuf 8. 2
erũcksichtigung r* t7 —0W Geheites 8. 75
25.
Sass
Nachweisung der Geb- . 8.
Nachweisung baarer Verläge . 8. 26.
Gebührenrechnunge - 5. 27.
Recht auf richterliche 2 ö. 26.
Feststellende Behörden 5. 29.
Gebühren-Taxe für Rechtsanwälte.
Akten, Botenlohn, Briefe, Deduktions-
Schristen, Information in der
Sache, Liquidarion der Desewiten
und Verläge, Rechtsmittel, Reise-
kosten, Schreibegebühren, schriskliche
Eingaben und Aufsätze, Termine,
Unterredungen, mündliche Verhand-
lungen, öffentliche mür ut Ver-
theidigungen, Vollmacht, Wege 5. 30.
3) Gesetz über die Zuständigkeit der Gerichte und über den Instanzenzug in bürgerlichen Rechtsstrei-
vigkeiten, sowie rücksichtlich der sreiwilligen Gerichtsbarkeit und des Vormundschaftswesens, vom 28.
April 1863.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
benstein 2#c. 1.
erthellen in Uebereinstimmung mit der Landesvertretung über die Zuständigkeit der Ge-
richte und über den Instanzenzug in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, sowie rücksichtlich
der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Vormumdschaftswesens folgende Bestimmungen:
I. Einzelrichter.
Iustizämter.
81
Von den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind die minderwichtigen von den Juniiz=
ämtern zu leiten und zu entscheiden.
Hierher gehören alle Rechtestreliigkelten, deren schähbarer Gegenstand den Betrag
von Einhundert Thalern nicht erreicht. Diese sollen als minderwichtige nach dem Ge-
sep vom 24. März 1838 verhandelt werden.
Den Justizämtern liegt die Hilfsvollstreckung nicht nur in den bei ihnen entschie-
denen, sondern auch in den bei anderen Behörden anhängigen Sachen auf Regquisition
derselben, sowie die Beitreibung der öffentlichen Abgaben seder Art, der Geldstrafen rc. ob.
. 3.
In Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit verbleibt es bei der zeitherigen Kompe.
tenz der Justigämter.
S. 4.
Die Sacherörterung wegen der Annahme an Kindesstatt, gleichviel, ob die an Kin-
desstatt anzunehmenden Kinder bisher unter väterlicher Gewalt standen oder nicht (Adop-
dion und Arrogation), gehört zur Kompetenz der Justizämter.
8. 5.
Die Justizämter sind die einzigen obervormundschasftlichen Behörden und haben das
vormundschaftliche Depositalwesen zu verwalten.
498
8. 6.
Wenn ein Nachlaß nach der bestehenden gesehlichen Ordnung gerichtlich versiegelt
oder regulirt werden muß, so haben die Justizämter sich diesem Geschäfte in der bishe-
rigen Weise zu unterzlehen, wobel ihnen, wie bisher, in geeigneten Fällen die Auftrags-
ertheilung an einen Notar oder an ein Ortsorgan unbenommen bleibt.
II. Krelsgerichte.
8. 7.
Das Kreisgerlcht ist das ordentliche Gericht.erster Instanz für alle in dem Gerichis-
sprengel vorkommenden Rechtssachen, insoweit sie nicht anderen Gerichten ausdrücklich zu-
gewiesen sind. In allen Fällen jekoch, wo Gefahr im Verzuge ist, können Klagen und
Implorationen, welche zur Kompetenz des Kreisgerichts gehören, bei einem Einzelrichter
im Sprengel des Erstern angebracht, und es können darauf von diesem, als Mitgliede
des Kreisgerichts und Namens des Lepteren, die keinen Ausschub zulassenden Prozehß lei-
tenden oder provisorischen Verfügungen getroffen werden.
Auch kann das Kreisgericht einzelne Verhandlungen in den bei ihm anhängigen
Rechtssachen den Einzelrichtern seines Sprengels, als Mitgliedern des Kreisgerichts, wenn
es zweckmäßig erscheint, überweisen.
Insbesondere ist die Abhaltung solcher Termine, in welchen der Beklagte persoͤnlich
oder durch einen Bevollmächtigten zu erscheinen hat, dann, wenn der Beklagte einem
Justizamie untergeben ist, welches selnen Sip außerhalb dessen des Kreisgerichts hat,
regelmäßig diesem Justizamt zu übertragen, dasern das Kreisgericht nicht deren selbst-
eigene Vornahme aus überwiegenden Gründen für geboten hält.
8. 8.
Das Kreisgericht hat daher insbesondere die erstinstanzliche Verhandlung und Ent-
scheidung:
4) in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand nicht mindewichtig ist.
Die Ediktalprozesse zur Amortisation verlorener Staatsschuld. Urkunden des Fürsten-
thums gehören vor das Kreisgericht zu Gera.
2) wegen aller Veschwerden über die bei den Justizämtern des Gerichtssprengels
vorkommenden Nichtigkeiten,
Gegen die Entscheidung des Kreisgerichts sindet ein ordentlicheb Rechtsmittel nur
dann Stan, wenn der Gegenstand der Beschwerden unschätbar ist oder einen Werth
von Fünf und Zwanzig Thalern erreicht.
8. 9.
An das Kreisgericht gehen ferner die Berufungen wider Verfügungen und Er-
499
kenntnisse des Einzelrichters, insofern der Gegenstand der Beschwerden einen schähbaren
Werth von 25 Thlr. nicht erreichtt.
Ueber diese Berufung entscheidet das Krelsgericht in letzter Instanz.
8. 10.
Die Aktenversendung sindet bei dem Kreisgericht nicht Statt.
S. 11.
Hinsichtlich der Handlungen der freiwilligen Gerlchtsbarkeit, namentlich in Ansehung
des Grund= und Hypothekenwesens sowie der Obervormundschaftsverwaltung bildet das
Kreisgerlcht die lezte Instanz für alle Berusungen gegen die Verfügungen der Justiz-
ämter seines Bezirks.
Das Kreisgericht übt in diesen Beziehungen ganz die Befugnisse des zeitherigen
Appellaklonsgerichts aus.
Insbesondere gehen auf das Kreisgerichte die §. 208 des Gesetzes über die Grund-
und Hypothekenbücher vom 20. November 1858 und §. 103 der dazu gehörigen Aus-
führungsverordnung dem Appellationsgerichte zugetheilten Rechte und Verpflichtungen über.
S. 12.
Die Krelsgerichte selbst sind solche Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkelt vor-
zunehmen befugt, für welche nicht besondere Bedingungen der Zuständigkeit bestimmt sind.
III. Appellationsgericht.
8. 13.
An das Appellationsgericht gehen:
4) die Bernfungen wider Verfügungen und Erkenntnisse der Einzelrichter in bürger-
lichen Rechtsstreitigkeiten, insosern der Gegenstand der Beschwerden unschäßbar ist,
oder einen Werth von mindestens 25 Thlr. erreicht.
Ueber diese Berufungen enischeidet das Appellationsgericht in lehter Instanz;
2) die Berusungen wider die erstinstanzlichen Verfügungen und Erkenntnisse der
Kreisgerichte, wenn der Gegenstand der Beschwerden unschäybar ist oder minde-
stens einen Werth von 25 Thlr. erreichet.
Insoweit das Appellatlonsgericht die Entscheldung des Kreisgerlchtes bestätigk, sindet
kein weiteres ordentliches Rechtsmittel Statt.
« 8. 14.
Außerdem sieht dem Appellationsgerichte die erstinstanzliche Verhandlung und Ent-
scheldung der Beschwerden über Nichtigkeiten zu, welche bei den Kreisgerichten oder bei
dem Appellationgerichte selbst vorkommen.
70 Verid.
500
8. 1
Solche Handlungen der freiwilligen Mm–- welche nicht an ein bestimmtes zu-
ständiges Gericht gewiesen sind, können auch bei dem Appellationsgerich 6n werden
8. 16.
Das Appellationsgericht ist die dienstliche Aussichtsbehörde über die Kreisgerichte,
sowie in höherer Instanz über die Justizämter.
S. 17.
Die Disziplinargewalt über die Anwälte und Notare wird bis dahin, wo eine An-
waltskammer gebildet sein wird, unter Oberaussicht des Ministerlums, Abeheilung für die
Instiz, durch das Appellationsgericht geübt, vorbehältlich der jedem Gerlchte auch über
die Anwälte innerhalb des Bereiches der vor ihnen anhänglgen Prozesse zustehenden
Ordnungspolizei.
IV. Oberappellationsgericht.
8. 18.
Das Oberappellationsgericht enischeidet auf eingewendete Oberberusung als lehte Instanz:
1) in denjenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen das Appellationsgericht
ein kreisgerichtliches Erkenntniß abgeändert hat,
2) in allen bei dem Appellationsgerichte verhandelten Nichtigkeltssachen, vorauoge-
setzt, daß der Gegenstand der Beschwerden unschätzbar vder die Oberberufungs-
summe vorhanden ist, überhaupt nach Maßgabe der durch die provtsorlsche Ober-
Appellationsgerichts-Ordnung, deren Erläuterungen, Ergänzungen oder Abände-
mugen getrofsenen Bestimmungen.
V. Allgemeine Bestimmungen.
8. 19.
Ueberall, wo es nach den vorstehenden Bestimmungen auf den Werth des Streit-
gegenstandes, bezüglich des Gegenstandes der Beschwerden ankommt, ist nur der Haupt-
werth, mit Ausschluß der Nebenforderungen an Jinsen, Nuhungen, Schaden= und Kosten-
ersatz, in Anschlag zu bringen.
Solche Nebenforderungen kommen nur dann in Betracht, weun sie besonders ein-
geklagt werden, oder wenn deren Betrag schon au und für sich die Summe erreicht,
welche die Appellabilität oder die Kompetenz des höheren Gerichts bedingt.
Unschäpbaor sind solche Gegenstände, welche eine Würderung nach Geldwerth nicht
zulassen. Für schähungsfähig dagegen sollen selbst solche Besugnisse gelten, deren zu
Geld veranschlagbare Nuhungen nicht in bestimmten Zeiträumen wiederkehren. Um den
Werth solcher Befugnisse zu dlesem Zwecke festzustellen, soll der durchschnittliche Ertrag
der daraus hervorgehenden Nupungen innerhalb der letzten 20 Jahre und, wenn dieser
501
nicht ermittelt vorliegt oder die Nuhung innerhalb des gedachten Zeitraumes nicht ein-
getreten ist, der zwanzigste Theil einer einmaligen Nußung als jährlicher Ertrag ange-
sehen und mit 25 zu Kapital erhöhet werden.
Im Zweisel über den Werth des Gegenstandes verfügt das Prozehgericht eine kürg-
liche Schäßung durch verpflichtete Taxatoren. Eine solche Schäpung soll jedoch nicht
stattfinden, wenn es blos ungewiß ist, ob der Werth des Gegenstandes 25 Thlr. er-
reicht (§§. 1. 9. 10. 13); in diesem Falle ist im Zweifel der höhere, die Appellabilität
und bezüglich die Zuständigkeit des Obergerichts begründende Werth anzunehmen.
8. 20.
Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Jull dieses Jahres in Kraft.
Das Gesetz über den Instanzenzug in Civil= und Kriminalsachen vom 26. März
1838 wird hiermit von diesem Tage an aufgehoben.
Urkundlich haben Wir dieses Gesetz höchst eigenhändig vollzogen und Unser landes-
fürstliches Insiegel beidrucken lassen.
Schloß Osterstein, den 28. April 1863.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. E. v. Beulwi#.
502
4) Geseh, Uebergangobestimmungen zu dem Gesetz vom 28. April 1803 über die Zuständigkeit der
Gerichte und über den Instanzenzug in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten betr.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Acltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein #ic. kc.
verordnen hierdurch wegen Behandlung derjenigen Rechtsstreitigkeiten, welche vor dem
Tage, an welchem das Gesey über die Zuständigkeit der Gerichte und über den Instan-
zenzug in bürgerlichen Rechtsstreitigkelten in das Leben krikt, bereits begonnen haben,
mit Zustimmung der Landesvertretung Folgendes:
8. 1.
Diejenigen Rechtsstreitigkeiten, welche nach §. 1 des erwähnten Gesetes als minder-
wichlig zu betrachten sind, werden von den Justlzämtern sortgeführt bez. an dieselben ab-
gegeben und, da nöthig, in das für sie vorgeschriebene Verfahren umgeleitet
Die in der zweiten Instanz anhängigen Rechtsstreitlgkeiten dleser Art werden, inso-
sern eine Umleitung des Verfahrens nöthig ist, an die Justizämter, außerdem aber an
das Appellationsgericht oder, wenn der Gegenstand der Beschwerden einen schäybaren
Werth von 25 Thalern nicht erreicht, an das Kreisgericht zur Ertheilung des zweit-
instanzlichen Erkenntnisses abgegeben. Die Berufung in diesen Rechtsstreitigkeiten geht
von dem Jusiizamt an das Appellationsgericht, oder an das Kreisgericht, nach den Be-
stimmungen des Eingangs erwähnten Gesehes.
8. 2.
Die bei den Untergerlchten bereits vor dem Tage des Einkrilts des im Eingange
genaunten Gesehes anhängigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand nach
8. 1 desselben Gesehes nicht minderwichtig ist, Jehen an die Kreisgerichte über und unter-
liegen den Bestimmungen des gedachten Gesehes.
Für Rechtsmittel gegen Erkenntnisse in diesen Rechtsstreitigkeiten, welche am Tage
des Eintritts des Eingangs genaunten Gesehes berelts eröffnet sind, finden die bisheri-
503
gen Bedingungen ihrer Zulässigkeit und der bisherige Instanzenzug statt, lezterer nur
mit dem Unterschiede, daß an die Stelle des Appellationsgerichts hier das zu Eisenach tritt.
8. 3.
Die bei dem Appellationsgericht zu Gera vor dem Tage des Eintrilts des im Ein-
gang genaunten Gesetzes in erster Instanz anhängig gewordenen bürgerlichen Rechis-
streitigkeiten werden
a. den Justizämtern überwiesen, wenn sie nach §. 1 des gedachten Gesehes minder-
wichtig sind, in welchem Falle §. 1 des gegenwärtigen Gesetzes Anwendung findet;
b. den Kreisgerichten überwiesen, wenn sie nicht minderwichtig sind, und unterliegen
dann dem §. 2 des. gegenwärtigen Geseges.
8. 4.
Die bei dem Appellationsgericht bisher verhandelten Grund= und Hypothekensachen,
sowie Vormundschaftssachen, werden mit dem Eintrikte der neuen Justlzverfassung an die
Justizämter und, soweit es sich um Vormundschaftöangelegenheiten des Fürstlichen Hauses
handelt, an das Kreisgericht zu Gera abgegeben.
Urkundlich haben Wir dieses Gesehz höchst eigenhändig vollzogen und Unser landes-
fürstlihes Inslegel beidrucken lassen. "
Schloß Osterstein, den 28. April 1863.
(L. 8.) Heinrich LXVII.
v. Harbou, Dinger. Dr. E. v. Beulwit#.
504
5) Gesetz über die Aushebung des befreiten Gerichtsstandes, vom 28. April 1863.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün.
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und
Lobenstein rc. 2c.
verordnen hierdurch unter Zustimmung der Landesvertretung. Folgendes:
S. 1
Das Gesetz wegen Aufhebung des befreiten Gerichtsstandes vom 4. Dezember 1852
mitt mit dem 1. Juli dieses Jahres in Kraft und es hört daher von gedachtem Tage
an der privilegirte Gerichtsstand für Personen, Grundstücke und Gerechtigkeiten, ingleichen
für den Fiskus und andere juristische Personen auf.
8. 2.
Da die in dem erwähnten Geseße 8. 3 in Aussicht genommene Allodifikation der
Ritterguͤter inmittelst erfolgt ist, so faͤllt auch ruͤcksichtlich dieser der dort einstwellen noch
vorbehaltene befreite Gerichtsstand gänzlich weg.
8. 3.
Der Gerichtsstand des Landesfürsten und sämmtlicher Mitglieder des Fuͤrstlichen
Hauses bildet künftig.
das Kreisgericht zu Gera,
ohne Rücksicht auf den Werth und die Natur des Gegenstandes.
Urkundlich haben Wir dieses Gesetz höchst eigenhändig vollzogen und Unser landes-
ürstliches Insiegel beidrucken lassen.
Schloß ÖOsterstein, den 28. April 1863.
(L. S.) Heinrich LIXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. E. v. Beulwit.
505
6) Gesetz, die Aufhebung des Konsistoriums und der geistlichen Inspektionsämter betr.,
vom 28. April 1863
Wir Heinrich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün.
gerer Linie regierender Fürst Neuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
benstein 2c. ½.
verordnen hierdurch mit Zustimmung der Landesvertretung Folgendes:
Das Konsistorium zu Gera und die geistlichen Inspektionsämter zu Schleiz und zu
Lobenstein werden hierdurch aufgehoben.
Die sämmtlichen, dem Konsistorium als kirchlicher Oberbehörde zeither zugestandenen
Amtsbefugnisse und obgelegenen Verwaltungsgeschäfte für Kirche und Schule gehen in
threm ganzen Umfange auf das Fürstliche Ministerium, Abtheilung für Kirchen, und
Schulsachen, über.
83.
Die von dem Konsistorium sowohl, als den Juspektionsämtern zu Schleiz und Lo-
benstein zeither ausgeübte Gerlchtsbarkeit über Geistliche, Kirchen= und Schuldiener, in
Streitigkeiten über geistliche Grundstücke, über Parochialverhältmisse und desfallsige Leist-
ungen, sowie in anderen kirchlichen oder Schulprozessen geht auf die Justizämter deo
Wohnorks und der gelegenen Sache resp. auf das betreffende Kreisgericht nach Maß,
habe des Geseheo über die Zuständtgkelt der Gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über.
. 4.
Die zeitherige Kompetenz des Konsisoriuns und der Inspektionsämter in Ehe= und
Verlöbnißsachen geht auf die Kreisgerichte zu Gera und Schleiz über.
8. 5.
Die Kreisgerichte haben in allen Ebe= und Verlöbnißsachen bei jedem ersten Ter-
mine, sowie bei allen, im Laufe der Verhandlungen sonst etwa noch vorkommenden Sühne-
terminen den ersten Geistlichen ihres Bezirks als Beisiper zuzuziehen.
Die gegenwärtige Verordnung tritt mit dem 1. Juli dieses Jahres in Kraft.
Urkundlich haben Wir dieses Gesetz höchst eigenhändig vollzogen und Unser lan-
desfürstliches Insiegel beidrucken lassen.
Schloß Osterstein, den 28. April 1863.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. E. v. Beulwigh.
506
7) Gesetz, die Einführung freier Gerichtötage betr. vom 28. April 1863.
Wir Heiurich der Sieben und Sechzigste von Gottes Gnaden Jün-
gerer Linie regierender Fürst Reuß, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz
und Lobenstein i. 2c.
haben zu Beförderung der Rechtspflege und Erleichterung der Staatsangehörigen bei
Verfolgung ihrer Rechtsangelegenheiten für zweckmäßig erachtet, freie Gerichtstage einzu-
führen und verordnen deshalb mit Zustimmung der Landesvertretung Folgendes.
8. 1.
Es soll bei jedem Kreisgerichte, sowie bei jedem Justizamte, welches außerhalb des
Sihes des Kreisgerichts seinen Sip hat, ein bestimmter Tag der Woche festgeseht wer-
den, an welchem es jedem Staatsangehörigen erlaubt ist, seine Klagen mündlich anzu-
bringen, worauf der Gegner mündlich auf den nächslen Gerichkstag vorzuladen ist. Wird
die Anforderung zugestanden oder verglichen, so wird eine Frist zur Leisiung von Ge-
richtswegen festgeseyzt und es kann aus dem Protokolle, wovon den Parteien Auszüge
zu geben sind, Exekution gesucht werden. Im entgegengesehten Falle, wenn die Anfor-
derung bestrikten wird, ist die Sache zu Anbringung förmlicher Klage zu verweisen.
Diese Gerichtstast sollen von dem Vorstande des Justizamts — in Gera und Schleiz
von dem Direktor des Kieisgerlchts — unter Zuziehung eines verpflichteten Protokofl=
führers gehalten werden. *%.
Zu dem freien Gerichkstage kann bei dem nach §. 1 zuständigen Gericht jeder Rechts-
auspruch angemeldet werden und es bedarf hlerzu bloß der kurzen Anzeige der Forder-
ung und deren Grundes, sowie der *- Bezeichnung des Beklagten.
Wenn aber auch von Seiten des 34% der Antrag nicht gestellt worden, den be-
vorstehenden Rechtsstreit auf dem freien Gerichtstage zu verhandeln, so soll doch der Rlch-
ter in Fällen, wo er es für sachdienlich erachtet, berechkigt sein, selbst von Amtswegen die
Sache auf den freien Gerichtstag zu verweisen; namentlich soll diese Verweisung auf den
freien Gerichtstag in der Regel dann eintreten, wenn der eingeklagte Anspruch nicht über
25 Thlr. beträgt, ingleichen wenn eine Grenzirrung, der Besitstand oder eine Dienstbar-
keit in Frage siebt. Eine solche Verweisung auf den freien Gerichtötag kann aber von
Amtswegen dann nicht stanfinden, wenn der Anspruch im Juhibitiv-, Mandato-, Arrest=
und Wechsel-Prozeß verfolgt wird, und bei solchen Sachen, beiwelchen Gefahr im Verzuge ist.
S. 4.
Der Ladung zu dem seeien Gerlchtstage sind die Parten bei Vermeidung einer Geld-
507
strase von 15 Sgr. bls 1 Thlr. Folge zu leisten schuldig, und es ist diese Strafe in der
Ladung anzudrohen. Deu Partelen wird in der Regel icht gestattet, durch Bevollmäch-
tinte zu erscheinen, es sel denn, daß ihre Entfernung vom Gerichtsorte mehr als zwei
Sum#en bemägt, oder die Parteien durch Krankheit und sonst unabwendbare Hindernisse,
worübei dag richterliche Ermessen zu entscheiden hat, von dem persönlichen Erscheinen ab-
Vehalten sind, wohin auch die Mehrheit von Seitgenossen zu zählen ist. Rechtsbeistände,
als solche, sind nicht zulässig.
,5.
JIl der Beklagte der ergangenen Ladung nicht nachgekommen, so isi der Kläger zu
Einleitung des gewöhnlichen Rechtsweges zu venweisen, und es soll der Beklagte wegen des
nämlichen Anspruchs nicht anderweit auf einen freien Gerichtstag vorgeladen werden können.
6
Ist der Kläger nicht erschtenen, so bleibt die Hauptsache auf sich beruhen; in die-
semn, wie in jenem Falle (§. 5) ist jedoch die säumige Partei in die in §F. 4 erwähnte
Strafe verfallen.
Sollten beide Theile nicht erschelnen, so antertlelbt jede Strafe.
Die Ladung zu dem sreien ii erjolgt durch den Gerichtsdiener; es sind
aber für solche keine Citirgebühren zu sordern, sowie denn überhaupt für alle Verhand-
lungen auf dem freien Gerichtstage keine Sporteln und Gebühren in Ansah gebracht
werden können.
8. 8.
Sollte dee Sache nicht sofort auf die eine oder die andere Art erledigt werden kön-
nen, so hat der Richter sich zu bemühen, die Parkelen dahln zu bewegen, daß sie sich
auf irgend einen, ihr Vertrauen besitenden Friedensrichter verelnigen, um diesem den
Nechtssreit zum Versuche der Sühne oder auch zum Behufe der schiedörichterlichen Ent-
scheidung vorzutragen.
8. 9.
Das gegenwärtige Geseh tritt mit dem 1. Juli dieses Jahres in Kraft und das
Ministerium, Abthellung für die Justiz, hat für dessen Ausführung zu sorgen.
Urkundlich haben Wir dieses Geseh höchsteigenhändig vollzogen und Unser landes-
fürstliches Insiegel beidrucken lassen.
Schloß Osterstein, den 26. April 1863.
(L. S.) Heinrich LXVII.
v. Harbon. Dinger. Dr. C. v. Beulwiz.
71
1t
8) Geseh, die Errichtung von Friedensgerichten betr., vom 28. April 1863.
Wir Heinrich der Sieben und Sechzichste von Gottes Gnaden Jün.
gerer Linie regierender Fürst Neuff, Stammes Aeltester, Graf und Herr
von Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz und Lo-
benstein 2c. 2c.
haben, um neben der Elnrichtung freier Gerichtstage, Uber welche Unser Gesetz vem
heutigen Tage die nöthigen Bestimmungen getroffen hat, den Staatsangehörigen noch
weitere Gelegenheit zu Verminderung und Abkürzung der Prozesse zu geben, beschlossen,
Friedensgerichte in das Leben treten zu lassen und verordnen deshalb mit Zustimmung
der Landesvertrelung Jolgendes:
8. 1.
Für alle Stadt= und Landgemeinden soslen Friedensgerichte errichtet werden, welche
aus den von den Gemeinden zu wählenden und von den Gerichten zu bestätlgenden
Fmedensrichtern bestehen.
Ueber die Zahl der zu wählenden Frledensrichter haben die Gemelnden zu bestim-
men und soll es nahe bel elnander gelegenen kleinen Gemeinden gestattet sein, sich zu
einem Friedensgerichtsbeziike zu vereinigen, bezüglich sich einer größern nahe gelegenen
Gemelnde anschlleßen.
Die Wahl der Friedensrichter ersolgt durch den Gemeinderath unter Leitung des
Bürgermeislers nach relativer Stimmenmehrheit. #
Bei der Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einem Fiiedensgerichtsbezirk bezüglich
den Auschluß kleinerer Gemeinden an eine größere haben sich solche über die Vetheiligung
der einzelnen Gemeindcräthe bei der Wahl zu vereinigen.
Gemeinden obne Gemeinderath sind von dem betreffenden Justizamt einer benach-
barten Gemeinde, in der ein solcher besieht, zuzuweisen.
8g. 3.
Die Frledensrichter werden zunächst auf drei Jahre gewaͤhlt, doch sind auch die ab-
tretenden Friedensrichter wieder wählbar. Jähig zu dem Amie des Friedensrichters ist
jeder greßjährige, im vollen Genuß des Staatsbürgerrechts sich befindende Bewohner
des betressenden Gemeinde= oder Friedensgerichtsbesirks, doch isi Niemand verpflichtel, die
auf ihn gefaliene Wahl anzunehmen; wer aber das Amt eines Friedensrichters ange-
50#
nommen hal, muß slch, so lange es dauert, der gütlichen Vermittelung aller ihm vor-
getragen werdenden Streiklgkeiten unterzlehen.
.4.
Der Vürgermeister hat denjenigen, auf welchen die Wahl des Gemeinderathes ge-
fallen ist, sosort über dle Annahme der Wahl zu besragen und in dem Falle der Ab-
lehnung eine anderweite Wahl vorzunehmen. Das Ergebulh der Wahl ist dem zustän-
digen Justizamte anzuzeigen, welches die Giltigkeit derselben und die Elgenschaft des Ge-
wählten zu prüfen und wenn sich kein Bedenken findet, den Lewhteren zu verpflichten,
außerdem aber eine neue Wahl anzuordnen hat.
S. 5.
Das Amt des Friedensrichters ist ein Ehrenamt und mit Gehalt nicht verbunden.
Nur die gewöhnlichen Schreibegebühren, ingleichen wirkliche Auslagen sowie 2 Sgr. Bo-
tengebühren für jeden Termin kann er von den Parteien erseht verlangen.
8. 6.
Dem Friedensrichter gebührt die Achtung einer öffentlichen Stelle; Verletzungen
dieser Achtung bei Ausübung des Amtes werden von ihm selbst mit Verwels oder Geld-
strafe bis zu 2 Thlr. geahndet.
Wegen anderer und größerer Vergehen wlird das Protokoll an das zuständige Ge-
richt zum Bebuf der Untersuchung und Bestrafung abgegeben.
Die von dem Friedenorichter erkannt werdenden Geldstrafen fallen der Gemeindekasse zu.
Die Schreibmaterialien haben die Gemeindekassen zu bestreiten.
S. 7.
Die Hauplbestlmmung der Frledensgerichte ist, Kreitige Rechtssachen, ingleichen Ver-
balinjuriensachen im Wege der Güte zu erledigen; jedoch können fie auch schiedorichter-
liche Erkenntuisse ertheilen, insofern die Parteien sich auf den schiedsrichterlichen Aus-
spruch irgend eines Friedensrichters, mit dessen Zustimmung, vereinigt haben.
8
S. 8.
Die Thätigkeit der Friedensgerichte kann nur dann eintreten, wenn sich die bekres-
senden Parkeien auf irgend einen Friedensrichter vereinigt haben, um diesem ihre Rechts-
angelegenheit zum Behuf des Sühneversuchs oder seiner schiedsrichterlichen Entscheidung
vorzutragen.
Ist eine solche Vereinigung dem betreffenden Friedensrichter angezeigt, so hat der-
selbe binnen 3 Tagen eine Ladung an die Parkeien zu erlassen und in der Regel bin-
nen 8 Tagen einen Termin zwischen ihnen abzuhalten.
Nechtöbeistände als solche, sind ausgeschlossen, nur bei Abhaltungen durch ein öf-
fentliches Amt, hohes Alter, Krankheit oder erhebliche Prlvatgeschäfte können Bevollmäch=
ti. ke zugelassen werden.
510
8. 9.
Wenn nicht beide Parteien im Termine erscheinen, so blelbt die Sache auf sich be-
ruhen, es hat aber der Frledensrichter die Botengebühren und etwaigen Auslagen von
der säumigen Partei durch das zuständige Justlgamt, an welches deshalb Monatsver-
zeichnisse einzusenden sind, beizutreiben.
Erscheinen zwar die Parteien im Termin, es kommt aber eine Vereinbarung unter
denselben nicht zu Stande, so sind die Gebühren und eiwaigen Auslagen von beiden
Thellen gleichmäßig zu erheben oder auf die oben erwähnte Ark beizutreiben.
S. 10.
Erscheinen beide Theile im Termine und kommt eine Vereinlgung zu Stande oder
wird von dem Friedensrichter in Folge der Uebereinkunft ein schiedsrichterlicher Aus-
spruch ertheilt, so kann auf den Grund des von dem Friedensrichter aufgenommenen
Protokolls, welches die Partelen mit zu unterzeichnen haben, bei dem zuständigen Justiz-
amt die sofortige Execution verlangt oder die Vollziehung des sonst Vereinbarten gefor-
dert werden.
Wind dieser Antrag gestellt, das Gericht überzeugt sich aber, daß die Verhandlung
oder das Prokokoll dunkel umd unverständlich oder sonst wesentlich mangelhaft sei, so
hat dasselbe die Partelen selbst vorzuladen und den Mangel zu heben oder die Sache
bierzu an den Friedensrichter zurückzuweisen.
Wäre die Beseiligung des Anstands jedoch auf solchem Wege nicht zu erreichen, so
ist die Sache im gewöhnlichen Rechtswege zu versolgen und dahin zu vennvelsen.
8. 11.
Die Disziplinaraussicht über die Friedensgerichte haben die Justizämter — in Gera,
Schleiz und Lobenstein die Vorstände der Prozeßabtheilungen — unter Oberleitung des
Minisieriums, Ablheilung für die Justiz, zu führen.
8. 12.
Das gegenwärtige Gesetz witt mit dem 1. Juli dleses Jahres in Kraft ins hat
Unser Ministerium, Abtheilung für die Justiz, für dessen Ausführung zu sorgen. 4
Urkundlich haben Wir dieses Gesetz höchsteigenhindig vollzogen und Unser landes-
fürstliches Insiegel beidrucken lassen.
Schloß Ostersteln, den 28. April 1863.
v. Harbon. Dinger. Dr. E. v. Beulwih.