— 42 — staatliches Verfassungsrecht nicht nur abzuändern, sondern sogar aufzuheben. Daß diese Kompetenz des Reiches aus Art. 76 II gegeben sei, möchte ich aber bestreiten, wobei ich allerdings nicht verkenne, daß vielleicht auf andere Weise verfassungsmäßig dem Reiche ein solches Recht zu- erteilt werden kann !). Denn das Reich tritt doch nur dann an die Erledigung von Verfassungsstreitigkeiten heran. wenn die Landesverfassung keine Behörde zur Entscheidung: angibt. Das Reich ist also, was die Erledigung von Staaten- streitigkeiten anlangt, den Behörden gleichgestellt. Die Kompetenz der Behörden erstreckt sich aber nicht darauf. neues Verfassungsrecht zu schaffen! Das müßte sie aber. sollten wir analog dem Reiche dieses Recht zubilligen. Ferner ist nicht einzusehen, wie dem Reiche das Recht der Verfassungsänderung zustehen soll, ein Recht, das die ein- zelnen Bundesstaaten verfassungsgemäß nur ihren gesetz- gebenden Faktoren zuerkennen. Denn hat einmal das Reich neues einzelstaatliches Verfassungsrecht geschaffen, wäre es ia dem betreffenden Staate unmöglich, jemals wieder seine Verfassung, soweit sie reichsgesetzlich festgelegt ist, durch seine gesetzgebenden Faktoren zu ändern. Daß dies doch möglich ist, könnte man nur analog v. Seydel?) begrün- den, wenn ınan sagt: „daß das Recht, welches im Wege der Reichsverfassung geschaffen wird, Landesrecht, nicht Reichs- recht ist, also jederzeit durch Landesgesetz beseitigt oder abgeändert werden kann“. M.E. findet, falls in Erledigung eines Verfassungstreites ein solches Gesetz zustandekommt, Art. 2 RV. Anwendung; das im \Wege der Reichsgesetz- gebung gewonnene Recht kann nur Reichsrecht: sein, gelıt also dem Landesrecht vor. Es ist also dem Bundesstaate unmöglich, nach getroffener Entscheidung durch Bundesrat 1) Wenn z. B. gemäß Art. 78 der Bundesrat und Reichstag sich zuständig erklärt haben. 2) v. Seydel, Konmentar S. 407.