43 — und Reichstag durch seine gesetzgebenden Faktoren diese Entscheidung umzustoßen. Ich also halte den Entscheid, wenn er sich auch formell als ein Reichsgesetz darstellt, ın seiner materiellen Wirkung für einen Richterspruch, der das bestehende Recht auslegen soll. Es handelt sich also aus- schließlich um einen Akt der Rechtsprechung, der wegen seiner Wichtigkeit in Gesetzesform erfolgt. s 19. Es soll nun noch kurz die Frage untersucht werden, ob der Bundesrat als Rechtspflegeorgan des Reiches dazu be- fugt ist, auf Grund des Art. 76 Thronstreitigkeiten zu ent- scheiden. Bekanntlich ist diese Frage brennend geworden anläßlich des Lippeschen Erbfolgestreites, ala der Bundes- rat — von Schaumburg-Lippe unter Berufung auf Art. 76 an- gerufen — sich prinzipiell durch einen Beschluß vom 5. Ja- nuar 1890 für zuständig erklärt hat, diesen Streit zu er- ledigen. Die widersprechendsten Ansichten wurden dabei vertreten; die einen hielten den Bundesrat nach Abs. I, die anderen nach Abs. II des Art. 76 für kompetent, und selbst da, wo die Ergebnisse sich deckten, war ihre Begründung verschieden. Vielleicht gibt nun die Entstehungsgeschichte des Art. 76 auf obige Frage Antwort. Bei der Beratung im kon- stituierenden Reichstag war von Zachariae der Antrag eingebracht worden, ein ständiges Bundesgericht einzu- setzen, zu dessen Zuständigkeit gehören sollten: .‚4. Streitig- keiten über Thronfolge, Regierungsfähigkeit und Regent- schaft in den Einzelstaaten“. In der Begründung heißt es dann: .Es sind dann ferner in Beziehung auf die Gegen- stände, welche hier in Frage kommen, in dem Art. 70 (= 16 RV.) die erheblichsten Lücken bemerkbar; es ist insbeson- dere mit Bezug auf die möglichen Thronfolge-, Regent- schafts- und Regierungsfähigkeitsstreitickeiten durchaus