(182 ) 8 54. Liegt Anlaß zur Einleitung des Disciplinarverfahrens gegen ein Mitglied des Advocatenvereins vor, so kann die Advocatenkammer den Beschuldigten entweder ohne Weiteres darüber befragen, oder zuvor eine nähere Erörterung der Sache anordnen. Beschließt sie gleich Anfangs oder auch nach Befragung des Beschuldigten eine nähere Erörterung, so trägt sie die Vornahme derselben einem ihrer Mitglieder auf und ordnet dem- selben ein anderes Mitglied der Advocatenkammer als Protocollführer zu. Doch kann sie, wenn das Disciplinarverfahren gegen einen Advocaten einzuleiten ist, welcher nicht am Sitze der Advocatenkammer wohnt, oder wenn es ihr sonst den Umständen nach angemessen erscheint, die Erörterung sowie die Protocollführung auch durch nicht zur Advocatenkammer gehörige Advocaten besorgen lassen. 55. Der zur Erörterung der Sache Beauftragte kann den Angeschuldigten und Alle, welche der Disciplinarstrafgewalt der Advocatenkammer unterworfen sind, vorfordern und befragen. Erscheint der Beschuldigte auf die zweite an ihn gerichtete und gehörig behändigte Vor- ladung nicht, oder verweigert er, sich über die Beschuldigung auszulassen, so gilt dieselbe für zugestanden. Wenn Personen zu befragen sind, über welche dem Advocatenvereine die Dis- ciplinarstrafgewalt nicht zusteht, und dieselben, sich von dem zur Erörterung Beauftragten ab- hören zu lassen, verweigern, so ist wegen Abhörung derselben die zuständige Gerichtsbehörde durch die Advocatenkammer anzugehen. Ebenso ist zu verfahren, wenn Personen, welche der Disciplinarstrafgewalt der Advocaten- kammer nicht unterworfen sind, der Aufforderung des zur Erorterung Beauftragten, Schriften vorzulegen, nicht nachkommen. Eine Vereidung der bei der disciplinarischen Erörterung abzuhörenden Personen findet nicht Statt, sondern nur eine Verweisung auf die Pflicht, gewissenhaft die Wahrheit auszusagen. Die von dem Protocollführer aufgenommenen, und von dem zur Erörterung Beauftragten mitunterzeichneten Protocolle haben für das Disciplinarverfahren vor dem Aodvocatenvereine die Kraft öffentlicher Urkunden. #56. Nach Schluß der Erörterung werden die schriftlichen Verhandlungen dem Vor- stande der Advocatenkammer zugestellt, welcher dem Beschuldigten die Einsicht derselben gestattet und hiernächst einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Advocatenkammer ansetzt. & 57. In dem Termine zur mündlichen Verhandlung entwickelt ein vom Vorstande der Advocatenkammer ernannter Berichterstatter die Ergebnisse der Erörterung, worauf der Be- schuldigte aufgefordert wird, alles Das vorzubringen, was er zur Widerlegung der Anschuldig- ung, sowie zu seiner Rechtfertigung oder Entschuldigung anzuführen hat. Auf den Grund der Ergebnisse der Voruntersuchung und der im Verhandlungstermine gehaltenen Vorträge spricht die Advocatenkammer, ohne an positive Beweisregeln gebunden zu sein, nach ihrer ge- wissenhaften Ueberzeugung das Erkenntniß.