— 135 — bieten, richtig, beziehungsweise mit Verständniß des Versbaues zu lesen, fließend zu übersetzen, auch über Formen, Satzbau und Wortbedeutung genaue Auskunft zu geben. 2. Der Kandidat, welcher die Befähigung für den lateinischen Unterricht in den mittleren Klassen erwerben will, muß außerdem Gefühl für die Unterschiede zwischen deutscher und lateinischer Ausdrucksweise und die Fähigkeit erlangt haben, Aufgaben aus dem Gebiete des Alterthums in freier Darstellung mit einiger Gewandtheit zu behandeln. Die Lektüre muß jedenfalls Cäsar, Sallust, erhebliche Partien aus Livius, von Cicero außer den wichtigeren Reden auch einige seiner übrigen Schriften, von Vergil mindestens die Aeneis, die bedeutendsten Oden und Satiren des Horaz, Elegien des Tibull und Ovid umfassen. Der Kandidat, welcher die Befähigung für den griechischen Unterricht in den mittleren Klassen erwerben will, muß außer der allgemeinen Elementargrammatik sichere Kenntniß der homerischen Formenlehre und der Unterschiede zwischen ionischem und attischem Dialekt besitzen. Bei schriftlicher Uebertragung eines leichteren deutschen oder lateinischen Textes dürfen ihm keine groben Verstöße begegnen. Die Lektüre muß Homer und Herodot, von Xenophon die Anabasis und größere Stücke aus den Memo— rabilien und der Hellenika, ferner Reden des Lysias, die kleineren Staatsreden des De— mosthenes, von Platon wenigstens die Apologie und Kriton begreifen. Mit gelesenen Schriftstellern, sowohl im Lateinischen, als auch im Griechi— schen, muß der Kandidat so vertraut sein, daß er über Inhalt, Anlage und Charakter derselben Bescheid zu geben und ausgewählte, nicht zu schwierige Stellen daraus klar und genau zu übersetzen, die stilistischen Eigenthümlichkeiten hervorzuheben, synonyme Aus- drücke zu unterscheiden und zur sachlichen Erklärung das Wesentliche beizubringen ver— mag. Er muß mit den Gesetzen des daktylischen Hexameters und Pentameters wohl be— kannt, über Leben und Schriften der von ihm gelesenen Autoren näher unterrichtet, außerdem aber in der allgemeinen Geschichte der betreffenden Litteratur, in den Alter— thümern und in der Mythologie soweit orientirt und mit den besten wissenschaftlichen Hilfsmitteln so bekannt sein, daß er sie zur Vorbereitung mit Nutzen verwenden kann. 3. Zur Befähigung für den lateinischen und den griechischen Unterricht in den oberen Klassen wird erfordert, daß der Kandidat sich eine umfassendere und zugleich tiefere philologische Bildung erworben habe, welche auf wirklicher Belesenheit in den Quellen und Vertrautheit mit den Schulschriftstellern beruht, daß er insbesondere in die strenge Methode philologischer Kritik und Exegese eingeführt und in selbständiger Hand— habung dieser Fertigkeiten einigermaßen geübt sei. Von der lateinischen, wie von der griechischen Sprache und ihrer Geschichte muß er eine wissenschaftlich begründete Einsicht erlangt haben, wogegen linguistische Kenntnisse über den Kreis dieser Sprachen hinaus 23*