— 75 — §&3. Der Ehrenrath hat die Aufgabe, die Beilegung von Streitigkeiten, welche aus dem ärztlichen Berufsverhältnisse zwischen Aerzten oder zwischen einem Arzte und einer anderen Person entstehen, zu vermitteln, sowie ihm im Beschwerdewege oder auch sonst zu seiner Kenntniß gelangende Uebertretungen der ärztlichen Standesordnung ehren- gerichtlich zu untersuchen und darüber zu entscheiden. ##4. Jedes Mitglied des Bezirksvereins hat das Recht, eine ehrengerichtliche Untersuchung über sein Verhalten vom Ehrenrathe zu verlangen. Beschwerden von Aerzten wie von Nichtärzten gegen einen Arzt wegen Uebertretung der Standesordnung sind bei dem Vorstande des ärztlichen Bezirksvereins, welchem der Beschuldigte als Mitglied angehört, schriftlich einzureichen. Der Vorstand des Bezirksvereins ist berechtigt, den Beschwerdeführer zur Zurück- nahme seiner Beschwerde aufzufordern. Bleibt diese Aufforderung ohne Erfolg, so ist mit der Beschwerde den Bestimmungen des § 5 gemäß zu verfahren, doch kann in einem solchen Falle von dem Beschwerdeführer eine Sicherstellung für die Kosten des Verfahrens (zu vergl. § 16) verlangt werden. #b5. Bei dem Vorstande des Bezirksvereins eingegangene Beschwerden über ein Vereinsmitglied beziehentlich Anträge auf Einleitung des ehrengerichtlichen Verfahrens gegen dasselbe sind, sofern der Beschuldigte ein einer staatlich geordneten Disziplinar- behörde unterstehender Arzt ist, ohne weiteres an diese Behörde abzugeben, andernfalls aber dem Vorsitzenden des Ehrenrathes zur ehrengerichtlichen Erörterung und Entscheid- ung zuzustellen. Beschwerden über einen Civilpraxis betreibenden Sanitätsoffizier des Friedens- standes, gleichviel ob derselbe einem Bezirksvereine als Mitglied angehört oder nicht, sind an die Sanitätsdirektion zu richten, beziehentlich, wenn sie bei dem Vorstande des Bezirksvereins, dessen Mitglied der Beschuldigte ist, angebracht worden sind, an die Sanitätsdirektion abzugeben. é. Ist gegen einen Arzt wegen einer strafbaren Handlung die öffentliche Klage erhoben, so ist während der Dauer des Strafverfahrens wegen der nämlichen That das ehrengerichtliche Verfahren nicht zu eröffnen oder, wenn die Eröffnung stattgefunden hat, auszusetzen. Wird in dem Strafverfahren auf Freisprechung erkannt, so findet wegen der gleichen That ein ehrengerichtliches Verfahren nur insoweit statt, als dieselbe an sich und unab- hängig von dem Thatbestande einer im Strafgesetze vorgesehenen Handlung die ehren- gerichtliche Bestrafung begründet. Hat das Strafverfahren zu einer Verurtheilung geführt, so beschließt der Ehrenrath, ob außerdem das ehrengerichtliche Verfahren zu eröffnen oder fortzusetzen ist. 1899. 12