— 110 — § 8. Vermutet die Leichenfrau Scheintod oder hat sie überhaupt einen Zweifel, daß der Tod wirklich eingetreten ist, so liegt ihr außer der Herbeirufung eines Arztes ob, dafür zu sorgen, daß bei dem anscheinend Verstorbenen die Kleidungs- stücke überall da, wo sie einzelne Körperteile beengen, möglichst gelockert und ge— öffnet werden und daß, wenn der Hals mit einem Strick, einer Schnur, einem Tuch usw. umschnürt ist, dieser Gegenstand sofort beseitigt oder durchschnitten wird, sowie daß der Körper, außer bei Erfrorenen, mit durchwärmten Decken und Tüchern bedeckt und an die Füße Wärmflaschen gelegt werden, das Gesicht aber unbedeckt bleibt, auch dem Raume, in dem sich die betreffende Person befindet, durch Offnen der Fenster in ausgiebigster Weise frische Luft zugeführt wird. § 9. Ferner soll die Leichenfrau bis zur Ankunft des Arztes der leblosen Person wiederholt ihren Namen oder sonstige ihr bekannte Worte ins Ohr rufen lassen, das Gesicht und die Brust mit kaltem Wasser bespritzen, die Schläfe, Stirn und Herzgrube mit Essig oder Branntwein oder Hoffmanns Tropfen einreiben, den Körper und namentlich die Füße mit wollenen Tüchern, mit warmem Essig oder Branntwein und die Fußsohlen mit einer in Essig getauchten Bürste reiben, auf die Herzgrube, die Waden und Fußsohlen in Wasser getauchtes Senfpapier oder aus Essig, lauem Wasser und Senfmehl oder Meerrettig bereitete Teige legen, Salmiakgeist oder Hoffmanns Tropfen und dergleichen unter die Nase halten und den Gaumen mit einem Federbart kitzeln. Ertrunkene sind, indem ihnen ein Arm unter die Stirn gelegt wird, einige Minuten auf das Gesicht zu legen, damit aus Mund und Nase Wasser und Schlamm ablaufen kann; Erfrorene sind mit Schnee oder kaltem Wasser tüchtig abzureiben. Das beste Verfahren zur Wiederbelebung ist die Einleitung der künstlichen Atmung, doch soll dieses Verfahren nur von hierin geübten Personen, wie Kranken- pflegern, Samaritern usw., angewendet werden. § 10. Während der Wiederbelebungsversuche muß die Leichenfrau darauf achten, ob sich Spuren wiederkehrenden Lebens zeigen, wie insbesondere leichte Zuckungen im Gesicht, Heben der Kinnlade, wenn diese etwas nach abwärts gezogen wird, Geräusche im Unterleib, Warmwerden des Körpers, wiederkehrender Pulsschlag und Atembewegungen, die daran zu erkennen sind, daß ein vor den Mund gehaltener kalter reiner Spiegel oder kalter reiner Zinnteller anläuft oder eine vor den Mund gehaltene Flaumfeder sich bewegt. Nach Ankunft des Arztes hat die Leichenfrau diesem über ihre Wahrnehmungen und das von ihr Vorgenommene zu berichten und sodann dessen Anordnungen genau zu befolgen.