— 127 — Politisch-Geschichtliches. V. Johann Georg des Dritten zweiter Sohn Kurfurst Friedrich Augustl. oder Der Starke (auch der Sächsische Herkules genannt) regierte von 1694 bis 1733. Bereits vor seinem Regierungs-Antritte hatte derselbe mit Vater und Bruder zusammen im französischen Feldzuge gekämpft, und durch seine hervorragende persönliche Tapferkeit sich aufs rühmlichste ausgezeichnet. Als er das 17. Lebensjahr erreicht hatte, begab sich der am 12. Mai 1670 geborene Prinz, der allerorten als ganz besonders schön, stark und liebens- würdig gefeiert wurde, auf Reisen an die Höfe Europas und erlebte die ver- wickeltsten Abenteuer, deren sehr großer Freund er war. Paul Haake in seiner Monographie über diesen sächsischen Fürsten sagt: „Ehrgeiz, Genußsucht und Wissensdurst sind die treibenden Kräfte in August dem Starken gewesen.“ „Krieger und Staatsmann, Architekt und Regisseur, Poet und Adept in einer Person, war er kein Leibniz an Universalität, aber ein Leon Battista Alberti gewiß.“ Jegliche Rücksicht auf Einschränkung verachtend, entwickelte sich seine Prachtliebe und Genußsucht an den Versailler Mustern aufs höchste. In Verbindung mit seiner übergroßen sinnlichen Lust hat seine rasende, vor nichts zurückschreckende Verschwendung ihm und seinem Lande Unsummen Geldes gekostet, wenn auch nicht geleugnet werden darf, daß dieselben in vieler Beziehung gute Zinsen gebracht haben. Aber Ludwig XIV. tat es ja in Frankreich nicht besser; alle Sitten und Unsitten gingen von dem Wollustatmenden Hofe dieses blendenden Monarchen aus, der nun einmal das Vorbild war allenthalben. „Frankreich hat es weit gebracht, Frank- reich kann es schaffen, daß so manches Land und Volk wird zu seinem Affen“ singt Logau zu jener Zeit. Zwar dürfte der Ausspruch Rankes über Friedrich August I. etwas zu herb sein, wenn er, dessen Genialität voll anerkennend, schließlich sagt: „Er gefiel sich in einem Gemisch von Kraft und Sittenlosigkeit.“ Aber, in der Tat, das so unschöne, hoch- moderne Wort „Übermensch“ kann wohl auf August den Starken angewendet werden. Dem „Sonnenkönig“ war derselbe aber nicht nur in Bezug auf UÜppigkeit, Prachtentfaltung, Tapferkeit und Feldherrentalent, sondern auch in Betreff groß angelegter Gedanken und weitausschauender politischer Pläne unzweifelhaft sehr ähnlich. So kam es auch, daß ihm, dem Adler, der Käfig zu klein, sein Sachsenland ihm zu eng, der Kurhut zu gering ward. Er strebte nach etwas höherem, er strebte nach dem Titel Majestät und einer Königskröne.2) Und so riß der Ehrgeiz dieses Fürsten, der von einem Tatendrange beseelt war, der nur im Getümmel der Schlacht oder 52) Ein mehr oder weniger mystisches lateinisches Buch des gelehrten Schneebergers Paul Grebner über die hellstrahlende Zukunft Sachsens und seiner Dynastie, besonders aber die in demselben enthaltene Prophezeiung von einer „Alles überragenden Machtstellung des Hauses Wettin“, soll nicht wenig dazu beigetragen haben, Augusts überrege Natur anzustacheln und seinen Ehrgeiz in lodernde Flammen zu versetzen.