— 175 — so konnte er doch den niederschlagenden und aufs tiefste verletzenden Eindruck nicht überwinden, nur immer das Beste angestrebt zu haben und dafür so gänzlich undankbar gelohnt worden zu sein. Ohne die Regierungsgeschäfte irgendwie zu vernachlässigen, zog sich Friedrich August daher von jener Zeit an mehr und mehr in sich selbst zurück. Der frühere Frohsinn war von ihm gewichen; dagegen wurde es ihm mehr und mehr zum Bedürfnis, alljährlich sich in möglichst abgeschiedener Gegend allein mit der göttlichen Majestät einer erhabenen Natur und deren Schöpfungen zu erfrischen und zu erholen. Er, der gelehrte Kenner von Flora und Fauna, speziell der eifrige Botaniker (dessen in Prag erschienenes Werk über Pflanzen und Gebirge sich eines weiten Rufes erfreut) wählte hierzu mit Vorliebe die herrlichen Berge und friedlichen Täler von Tirol. Auf einer solchen Reise, nur begleitet vom Flügeladjutanten von Zezschwitz (nachmaligen ersten Hofmarschall des Kronprinzen Albert) war es, wo am 9. August 1854 in der Gegend des Weilers Brennbüchel im oberen Inn- tale, bei einer scharfen Biegung der steilen Bergstraße der Wagen des Königs umschlug. Durch einen Hufschlag des Handpferdes tödlich am Kopfe getroffen, gab der geliebte Monarch nach einer Stunde seinen Geist auf. Eine kleine Kapelle bezeichnet jetzt die Unglücksstelle. Prinz Johann weilte gerade auf seinem Lieblingssitze, dem Felsen- schlosse Weesenstein, als ihn die erschütternde Nachricht von dem so plötz- lichen Tode seines Bruders traf. Mit klar denkendem Geiste, scharfem Blick und königlichem Auge übernahm er die Zügel der Regierung, die er mit festem Willen und kräftiger Hand von 1854 bis 1873 zum Segen des Landes geführt hat. Seine staatsrechtlichen und sozialpolitischen Erfahrungen, die er als Prinz seit länger denn zwanzig Jahren in Staatsrat und Stände- kammer gesammelt hatte und die bereits in jener Zeit dem Vaterlande von ersprießlichstem Nutzen gewesen waren, dazu seine hohen, weit über das Niveau eines normalen Gelehrten hinausragenden positiven Kenntnisse auf allen Gebieten machten den gütigen, streng gerechten und seiner hohen Pflichten wie seiner großen Verantwortung stets sich bewußten König Johann von Hause aus zu einem Herrscher, wie ein solcher einsichtiger und um- sichtiger wohl nicht gefunden werden kann. Professor Dr. Unbescheid sagt hierauf bezüglich in einer von ihm im Annen-Realgymnasium zu Dresden gehaltenen Gedächtnisrede folgendes: „Es ist ein großer Vorzug, den die auf dem Throne Geborenen vor anderen Menschen haben, vielleicht über- haupt der größte, daß alle Hilfsmittel zur Ausbildung für sie in voller Bereitschaft stehen, daß sie ihr Wesen im Umgang mit den auserlesensten Geistern läutern, ihre Anlagen vervielseitigen und befestigen können. Wer aber noch dazu mit so außerordentlich reicher Begabung ausgestattet ist, wie Prinz Johann es war, und dabei die Wahrheit des Satzes erkannt hat — auch das Genie muß lernen —, von dem kann man sicher sein, daß seine staatsmännische Einsicht, wenn er zum Throne berufen wird, denjenigen Umständen, welche anscheinend verhängnisvoll für das Land