— 181 — VI. Der Weltkrieg. 107. Der Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und Rußland. 1. August 1914. 1. Quelle: Amtliche Mitteilung über die Vorgeschichte des Kriegs- zustandest). Fundort: Kriegsdepeschen aus ruhmreicher Zeit. Nach amtlichen Berichten des Wolffschen Telegraphen-Bureaus. B Bd. 1. S. 18—27. erlin o. J.2) Seit Jahren hat Osterreich-Ungarn gegen Bestrebungen zu kämpfen, die mit verbrecherischen Mitteln unter Duldung und Förderung der serbischen Regierung auf die Revolutionierung und Loßreißung der südöstlichen Landesteile Osterreich- Ungarns hinarbeiten. Die Gewinnung dieser Gebiete ist ein unverhülltes Ziel der serbischen Politik. Diese glaubt dabei auf den Rückhalt Rußlands rechnen zu können, in dem Gedanken, daß es Rußlands Aufgabe sei, den südfslawischen Völkern seinen Schutz zu leihen. Diesem Gedanken ist durch Rußlands Be- mühungen, einen Bund der Balkanstaaten zustande zu bringen, Nahrung ge- geben worden. Die großserbische Propaganda ist schließlich in der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers und seiner Gemahlin grell hervorgetreten. Die österreichisch-ungarische Monarchie entschloß sich, diesem gegen ihren Be- stand als Großmacht gerichteten verbrecherischen Treiben ein Ende zu machen. Es mußte sich dabei ergeben, ob Rußland tatsächlich die Rolle des Beschützers der Südslawen bei ihren auf Zertrümmerung des Bestandes der österreichisch-ungarischen Monarchie gerichteten Bestrebungen durchzuführen willens war. In diesem Falle kam ein Lebensinteresse Deutschlands in Frage: der ungeschwächte Bestand der uns verbündeten Monarchie, dessen wir zur Erhaltung unserer eigenen Großmachtstellung inmitten der Gegner von Ost und West bedürfen. Deutschland hat sich von vornherein auf den Standpunkt gestellt, daß die Auseinandersetzung mit Serbien eine Angelegenheit sei, die nur Osterreich-Ungarn und Serbien angehe. Unter Wahrung dieses Standpunktes haben wir mit der größten Hingabe an allen Bemühungen teilgenommen, die auf Erhaltung des europäischen Friedens gerichtet waren. Osterreich-Ungarn gab hierzu die Handhabe, indem es den Mächten wiederholt erklärte, daß es auf keine Eroberungen ausgehe und den territorialen Bestand Serbiens nicht antasten wolle. Diese Erklärungen sind namentlich in Petersburg mit Nachdruck zur Kenntnis gebracht worden. Unserem Bundesgenossen haben wir geraten, jedes mit der Würde der Monarchie vereinbare Entgegenkommen zu zeigen. Insbesondere haben wir allen englischen, auf Vermitt- lung zwischen Wien und Petersburg hinzielenden Schritten hilfreiche Hand geliehen. Bereits am 26. Juli lagen zuverlässige Meldungen über russische Rüstungen vor. Sie veranlaßten die deutsche Regierung, am gleichen Tage unter erneuter Betonung, daß Osterreich-Ungarn den Bestand Serbiens nicht antasten wolle, zu 1) Die nachstehende amtliche Mitteilung erging am 31. Juli 1914. Sie sollte die Notwendigkeit der an diesem Tage erfolgten Erklärung des Kriegszustandes nachweisen. ꝛ) Weiterhin kurz „Kriegsdepeschen“ bezeichnet.