Unzucht. 953 Volkssittlichkeit, die zu den Objekten der Rechtsordnung gehören, so gut wie die all— gemein religiösen Grundlagen erschüttert oder bedroht, dann muß sich die repressive Macht des Strafrechts gegen U. bewähren als eine individualisirende Vergeltungsform des öffentlichen Gewissens. Unter dieser Voraussetzung sind U. vergehen Vergehen gegen die Rechtsordnung an der geschlechtlichen Sittlichkeit der Rechtsgenossen. Verübt sind diese an einer Person gegen die Rechtsordnung, welche eben nicht blos die Rechte Einzelner unter Strasschutz stellt. Auch die geschlechtliche Sittlichkeit gehört zu ihren Rechtsgütern, mithin sind bestimmte Verletzungen derselben als Rechtswidrigkeiten strafbar, und die Strafen der U. verbrechen werden Höhenmesser der Gesittung bezeichnen. I. Die gewerbsmäßige U. Das Preuß. Allg. LR. läßt Weibspersonen, die von der Hurerei ein Gewerbe machen, ohne sich ausdrücklich unter die besondere Aufsicht der Polizei zu begeben, zu dreimonatlicher Zuchtarbeit verurtheilen. Nach ausgestandener Strafe folgte Verwahrung im Arbeitshause auf unbestimmte Zeit. Die nicht in Hurenhäusern lebenden Personen, welche wissentlich Andere mit der Lustseuche angesteckt haben, hatten eine dreimonatliche Gefängniß= oder Zuchthaus- strafe verwirkt. Es wurde nicht jegliche Form der gewerbsmäßigen U. für gleich strafbar erklärt und das Hurenhaus zu einer Polizeianstalt erhoben. Bei der rapiden Zunahme der Prostitution konnten die polizeilichen Ulpflegschaften nicht genügen. In halben und die Rechtspraxis verwirrenden Bestimmungen erklärte das Preuß. Straf SB.: Weibspersonen, welche den polizeilichen Anordnungen zuwider gewerbs- mäßige U. treiben, trifft Gefängniß bis zu acht Wochen. Nach ausgestandener Strafe kann Arbeitshaushaft eintreten. Also nicht die Gewerbsunzucht ist unbedingt bestraft, nur der Ungehorsam gegen die polizeilichen Beschränkungen derselben. Das Obertribunal erklärte dagegen, der § 146 betrachte die Gewerbsunzucht nur unter Voraussetzung dieselbe regelnder Anordnungen für erlaubt, während Goltdammer mit Recht bemerkt hat, daß das Gesetz außer der Gewerbsmäßigkeit auch polizeilich verbietende Anordnungen fordere. In Bayern wurde erkannt, daß die Gestattung öffentlicher Frauenhäuser im Widerspruche mit dem Strafgesetze stehe, welches die Lohnhurerei bestraft, abgesehen davon, daß die Seuche durch polizeilich geduldete U. anstalten nicht beseitigt wird. Das Bayer. Polizeistraf#S B. § 97 straft die ge- werbsmäßige U. mit Arrest bis zu 30 Tagen, bei Rückfälligkeit mit Stellung unter Polizeiaufsicht, Verwahrung in einer Polizeianstalt kraft strafrichterlichen Urtheils. Auch Ehefrauen verfallen dieser Strafe, die mit ihrem Körper unzüchtiges Gewerbe treiben, unabhängig von dem Antrage des Ehemannes. In den gesetzgebenden Kammern wurden 1867 Aenderungen vorgeschlagen: Weibspersonen, welche außer- halb polizeilich geduldeter Häuser Gewerbsunzucht treiben u. dgl. Diese wurden verworfen, das Gesetz vom 16. Mai 1868 beseitigte dagegen bei Kuppelei das früher angedrohte Strafminimum. Wie groß der Widerstand gegen Legalisirung der Prostitution gewesen, erhellt aus Thiersch's Schriftchen, Die Bayer. Strafgesetze zum Schutze der Sittlichkeit, 1868. Die polizeilichen Gefundheitsbücher und § 512 des Oesterr. Straf GB. (Juristische Blätter 1874, Nr. 10). Oesterreich hat bis zur Stunde jede Gewerbsunzucht als strafbar erklärt, die Bestrafung der Ortspolizei überlassend. Wenn jedoch die Schanddirne durch die Oeffentlichkeit auffallendes Aergerniß veranlaßt, junge Leute verführt oder wissent- lich Andere infizirt, trifft sie Arrest bis zu drei Monaten. In diesen drei Fällen ist die Gewerbsunzucht nach dem allgemeinen StrafGGB. zu behandeln. Das Deutsche StrafG B. bedroht mit Haft eine Weibsperson, welche polizeilichen Anordnungen zuwider gewerbsmäßige U. treibt (§ 361 Z. 6). Nach der Novelle vom 26. Februar 1876 lautet die neue Fassung der strafbaren Hurerei: eine Weibsperson, welche wegen gewerbsmäßiger U. einer polizeilichen Aufsicht unterstellt ist, wenn sie den in dieser Hinsicht zur Sicherung der Gesundheit, der öffentlichen Ordnung und des öffent- lichen Anstandes erlassenen polizeilichen Vorschriften zuwiderhandelt, oder welche, ohne einer solchen Aufsicht unterstellt zu sein, gewerbsmäßig U. treibt. Dadurch ist die