— 104 — erhält die Seele in ungestörtem Zusammenhang mit der heimischen Stätte und bewahrt vor Heimweh (A., Nd. 6317). Aus diesem Grunde wirft man der jungen Frau auch ein Reisigbündel nach (Cr., B.), be- tuit sie das elterliche Heim nicht vor Ablauf von vier Wochen (Gru., „Pf., Ar., B., Br. 569), nicht unter 14 (H.), 9 Tagen (Gey.). Des- Hie sieht die junge Frau ferner beim Betreten des neuen Heims zu- erst ins Ofenloch, wobei sie ein Stück Brot in der Hand hat; dann „tut ihr's nicht an.“ (A., Br. 566). Einst war der Herd des Haus ses Symbol; nach ihm mußte der erste Blick gerichtet sein, wenn die Frau das Glück des Hauses erbauen wollte. Warum aber gibt man dem jungen Paar einen leeren Blumenasch mit? Etwas Lebendiges zuerst in den neuen Haushalt gebracht, läßt die Ehe nicht kinderlos bleiben (A.), lange dauern (Mau.). Am Einzugstage ißt das junge Paar Reisbrei, Klöße oder Linsen, damit ihm Glück gesichert sei (v.). Des- halb erhält auch die Person, die als erste in die Wohnung kommt, ein Geschenk, gewöhnlich Geld (A. 5697). Den eigentlichen Einzug der Braut ins neue Heim ihres Mannes versinnlicht die feierliche Uberführung der Brautausstattung (oder Aus- steuer) durch den Kammerwagen, dem in früherer Zeit hier und da Musikanten vorangingen oder folgten. An hervorragender Stelle auf dem hochaufgestapelten Wagen prangten einst als Zeichen des häuslichen Fleißes Spinnrad und Haspel, mit Bändern reich umflochten. Darunter standen Kasten mit Leinwand, buntbemalte Schränke, Läden und Truhen, Tische, Stühle und Bänke und das „Schaffelzeig" (— Eimer und Kannen). Neben schwellenden buntbezogenen Betten — die Bettstelle hatte der Bräutigam anzuschaffen — fehlte nie die Wiege. Diesem gemeindeutschen Brauche entgegen darf in Oldenburg keine Wiege auf dem Wagen sein. (W. 559.) Mit Kränzen und roten Schleifen verzierte Bänder an den vier Ecken des Wagens vervollständigten das Bild. Ergötzliche Szenen gab es bei der Beladung des Kammerwagens. Damit nichts entwendet werden konnte, wurde der Polizeidiener, bez. der Nachtwächter als Kammerwagenwächter bestellt. Als solcher trug er einen umgewendeten Pelz mit einem Strohseil um den Leib natürlich zur Belustigung von alt und jung, die ihn auch weidlich neckten und foppten, was altem Brauche entsprach (O.). Ehe die Ausstattung abgeladen wurde, fuhr der Kutscher eine Acht, ein Brauch, der nur noch vereinzelt geübt wird und zwar, wie mir ein Bauer sagte, „weil's kener meh bringt“. Ver- schwunden vom Kammerwagen sind jetzt außer dem Spinnrade, dessen Stelle das Butterfaß einnimmt, auch die buntbemalten Schränke, Kästen und Truhen, der braune Fabrikanstrich herrscht vor. Schwellende bunte Betten aber nehmen auch heute noch als „Staat“ den vorderen Teil des Wagens ein. Hinterdrein wandeln eine oder mehrere der schönsten Kühe aus dem väterlichen Stalle, festlich mit Blumen und roten Bändern geschmückt. Wie die Brautkuh, die schon die alten Inder kannten und auch Tacitus gekannt zu haben scheint (Meyer 174), sind auch die Pferde mit Blumen und roten Bändern verziert. Und ebenso trägt der Fuhrmann festlichen Schmuck. Über seinen Rücken herab hängt ein am