— 112 — Kranke nach einer verstorbenen Person verlangt (H.). Der Kranke soll, um gesund zu werden, vom Gründonnerstag abends 6 Uhr bis dahin am Karfreitag nichts essen (B.). Beistand durch Rat und Tat muß der Kranke als selbstverständlich hinnehmen, durch Dank wird jede Wirkung aufgehoben, sogar Schaden herbeigeführt (Ehr., Ne.). Wohlbefinden gibt das Anziehen eines frischen Hemds zu Neujahr (A. 75. 4537) oder am h. Abend. Gegen Schlangenbiß schützen eine Fußwaschung am h. Abend (Ri., Ar. Vgl. W. 450.) oder die Worte: Otter, wegen mir und dir ist Herr Christus gestorben. Dein Gift ist an mir verdorben. (8Zwö.). Bei Reißen soll man alles zuerst links ausführen, so mit dem linken Bein zuerst das Bett verlassen, mit dem linken Arm zuerst in den Rock fahren, zuerst die linke Hand waschen u. a. (B.). Der mit Zahnreißen Geplagte darf nicht „Meine Zahnschmerzen“ sagen, sonst wird er nicht davon befreit (A.). Mit einem bösen Auge sieht man durch einen Türspalt (Schl.). Das Tragen von „Fallringen“, die man vielfach erst vor dem Schlafengehen ansteckt, läßt den Menschen gesund und glücklich sein (Zw. Gegend). Beim Nennen des Gebrechens eines anderen soll man nicht die betreffende Stelle berühren, weil einen das Leiden dann selbst trifft (A.). Die Verwandten eines Erhängten legen altes Geschirr unter den Baum, schneiden mitunter auch drei Kreuze darein (Ham.). VI. Tod und Wegräbnis. (Vgl. M. 267 ff. Mo. :, S. 326 ff.) An kein Ereignis unserer Erdenwallfahrt knüpfen sich so viele abergläubische Vorstellungen als an den Tod. Der Totenkult, ganz allgemein bei Heiden wie Christen, weist auf die ältesten Vorstellungen des Menschen zurück, der aus dem Unterschiede des verstorbenen In- dividuums vom lebendigen und vielleicht aus Traumerscheinungen Vor- storbener die Seele als geheimnisvoll existierende Realität kennen lernt, die ihm Furcht und Ehrfurcht abnötigt. Die Voraussetzung alles Toten- kults ist die Meinung, daß die Seelen Verstorbener nützen und schaden können. Freilich ist man sich bei der Vollziehung der meisten Trauer- gebräuche des ursprünglichen Sinns nicht mehr bewußt. 1. Vorboten des Codes. „Es kommt der Tod; doch wo und wie und wann, Weiß niemand; aber Gott gibt oft ein Zeichen, Daß er sich naht. — So oft ein Domherr hier Verscheiden soll, entsteht ein Läuten und Geräusch." Diese alten Worte, die die ungefähre Ubersetzung einer mittel- alterlich-lateinischen Inschrift im Chore des Doms zu Breslau sind, haben noch heute volle Geltung; denn noch fest wurzelt in der Volks- seele der Glaube, daß der Tag des Todes dem Menschen im voraus bestimmt sei. „Der Mensch stirbt, wenn er seine Lebensbahn beendet