— 221 — Der Getreideschnitt. (Vgl. hierzu M. 229 ff. Mo.1 318 ff.) Winterroggen wird um Annaberg zwischen Mitte September und Mitte Oktober gesät, blüht zwischen dem letzten Drittel des Juni und dem ersten Drittel des Juli und wird in der zweiten Hälfte des Sep- tembers geerntet (Frisch). Früher wurde das Getreide mit der Sichel gehauen, was auch jetzt noch vereinzelt geschieht. Auf meine Frage, warum man das Getreide nicht mit der Sense haue, wurde mir dieses Jahr bei Ob. die Antwort: „Mr sei's emol su gewuhnt!“ Und wie schwierig ist in den höheren Lagen der ganze Erntebetrieb! Aber die Liebe zur Natur, zur Heimat ist den Erzgebirgern eigen, an dem oft unfruchtbaren Fleckchen, wo ihre Wiege stand, hängen sie mit allen Fasern ihres Seins, und sie ziehen ein dürftiges Leben im Heimatsdorf oft dem besseren Fortkommen in der Fremde vor. Mit einem „Das walte Gott!“ oder sonst einem frommen Spruche tut der Vormäher — früher immer nur der Bauer selbst — den ersten Sensenhieb. Dadurch glaubt man vor jedem Unfall in der Ernte ge- sichert zu sein (v.). Um vor Kreuzweh und Verwundungen bewahrt zu sein, stecken sich Schnitter und Schnitterinnen je drei Ahren stillschweigend ins Schürzenband und zwar so, daß sie leicht verloren werden können (Cr.. Ne. 660*). Betritt ein Fremder oder ein Glied der Gutsherrschaft das Feld, so werden sie angebunden, d. h. man bindet ihnen ein Strohband um den Arm, was natürlich eine Gabe heischt, die in Schnaps, der allen zu gute kommt, angelegt wird. Die Ernte soll möglichst Sonnabends beginnen (Frk.). An dem mit seinen Zinken nach oben liegenden Rechen „stechen sich die Engel“ (M., Se., U., Un. 660), auch läßt diese Nachlässigkeit die nächstjährige Ernte schlecht ausfallen (38.). Redensart: „Ich ha dich nieder, ich trat dich nieder, — Un wenn sch mich imsah, tritts immer wieder" (gilt dem, der schlecht Gras haut) A. Die erste und die letzte Garbe. Der Stoppelhahn. Als heilig gelten die ersten Ahren, die erste Garbe. Auf die zuerst gebundene Garbe setzt man sich gegen Kreuzweh und Verwun- dungen (Cr.). Zuerst in die Scheune geworfen, schützt sie das Ge- treide vor Mäusefraß (M.). Drei davon hinter den Spiegel gesteckte Ahren halten Blitzschlag fern und bringen Glück fürs ganze Jahr (Br. Mau.; vgl. auch Seite 26.). Bevor das erste Erntefuder abgeladen wird, drischt man die mit Tannenreisig geschmückte erste Garbe als Ab- schreckungsmittel gegen böse Geister und Hexen (Nd. 661°). Aus ihr, wird gern der Erntekranz für die Kirche gebunden (M., Br.). Wer die letzte Garbe bindet, trägt „den Alten“ herein (M., Kl.). „Das Wogen des Getreides hat den Mythus entstehen lassen, daß in ihm ein Dämon in Tiergestalt sein Wesen treibe. Wenn der Schnitt begonnen hat, flüchtet dieser aus einer Garbe in die andere, bis er in der letzen ge- fangen wird“ (Mogk:, 314. Vgl. W. 659.). Um das Wachstum der letzten Ernte für die des neuen Jahres zu erhalten, wird die mit roten