16 Land und Volk. deckung des Silberreichtums im Erzgebirge seit dem 12. Jahr— hundert eine raschere wirtschaftliche Entwicklung herbeiführte, die sie der Kultur West- und Süddeutschlands früher näherte als jedes andere Territorium des deutschen Nordostens. So erwuchs aus mittel- und niederdeutschen Elementen mit einer nur im Tieflande etwas stärkeren slawischen Bei— mischung eine neue Abart des deutschen Volkstums, zäh, fleißig, genügsam, mehr weich, empfänglich und beweglich, als hart und energisch, zu allen Werken der Kultur vor— trefflich geeignet, aber politisch nicht besonders befähigt. Auf solchen Grundlagen entwickelte sich die Geschichte dieses Landes und Volkes in vier großen Perioden. In der ersten, die das ganze Mittelalter umfaßt, wird unter mannigfachen äußeren und inneren Hemmnissen ein ge— sondertes Staatswesen aus einer Verbindung von Amts— gewalt, Lehnshoheit und Grundherrschaft überhaupt erst gebildet; in der zweiten gestaltet sich daraus ein ansehnlicher ständisch-territorialer Staat, der dem übrigen Deutschland in der Kulturentwicklung vorangeht und eine Zeitlang sogar eine politisch führende Stellung behauptet; in der dritten versucht er durch eine dynastische Verbindung mit Polen zu einer selbständigen europäischen Rolle durch- zudringen, vermag aber weder diese festzuhalten noch zu verhindern, daß in seiner Nachbarschaft auf derselben Grundlage einer markgräflichen Gewalt der brandenburgisch- preußische Staat, zur Großmacht erwachsend, hoch über ihn emporsteigt, und verliert schließlich an diesen in schweren europäischen Krisen die gute Hälfte seines alten Gebietes. In der vierten schließt er sich unter mannigfachen Schwan- kungen aufs engste an die neue Wirtschafts= und Reichs- genossenschaft unter der Führung Preußens an und gewinnt somit neue und festere Bürgschaften für seine innere Selb- ständigkeit und seinen Fortbestand.