Rumvirabai, den 30. Januar 1898. Wie ich bereits unter dem 19. dieses Monats kurz berichtete, habe ich hierselbst ein befestigtes Lager gebaut als Stützpunkt für meine weiteren Unter- nehmungen. Da die Beendigung der Befestigungsarbeiten mit dem Tage des Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers zusammenfiel, so habe ich an demselben unter üblicher militärischer Feier die deutsche Flagge ge- hißt und dainit den Eingeborenen gegenüber die Besitzergreifung des Nyasagebietes offiziell bekundet. Leider sind auch hier die Verhältnisse nicht der- art, daß ich ohne Weiteres diesen Platz zur künftigen Hafenstation bestimmen möchte, denn abgesehen davon, daß der Hafen durchaus nicht meinen Wünschen ent- spricht, würde der Wirkungskreis für eine Station sehr beschränkt, eine Machtentfaltung nach außen sehr erschwert sein, da die Bevölkerung bei der nur geringen Ausdehnung des flachen Vorlandes der Livingstone- Gebirge eine nur sehr spärliche, die Gebirge selbst aber das Hinterland vollständig abschließen. Ich würde es daher mit Freuden begrüßen, wenn ich noch weiter im Norden einen günstiger gelegenen Punkt fände, umsomehr als dorten sich fast unsere gesammten Interessen in politischer, militärischer wie wirthschaftlicher Beziehung konzentriren. Unter Zurück- lassung einer Lagerbesabung von 25 Mann, die voll- ständig zur Bedeckung des im Lager errichteten Reduit ansreicht, werde ich morgen zur Lösung dieser zu- nächst wichtigsten Frage mitdem Stahlboot „Dr. Kayser“ und 40 Mann von hier aufbrechen und das nörd- liche Küstengebiet des Sees untersuchen. Unterdessen sende ich Dr. Bumiller mit 75 Mann über das Livingstone-Gebirge in das Hinterland, um sich über die Verhältnisse dorkselbst zu orientiren, und mit den Hauptstämmen der Wagwangwara, Wakingo und Wanena womöglich in Verbindung zu treten, was für eine nach der Küste zu eröffnende Karawanen- straße von großer Wichtigkeit wäre. Am Nyasa-See selbst bietet sich allem Anschein nach nicht genügend Arbeit für meine für afrikanische Ver- hältnisse immerhin bedeutende Truppe, denn die arabi- schen Sklavenhändler, denen ich von meiner früheren Durchreise sowohl, als auch besonders durch die Nieder- werfung des Aufstandes in Ostafrika bekannt bin, werden auf ihren Transporten den Machtbereich der von mir geführten Expedition voraussichtlich zu meiden wissen. Dieser Gesichtspunkt hat mich auch mitbestimmt, von der Besetzung der Amelia-Bay abzusehen. Sobald mir durch ein mit Hülfe der Engländer an der West- küste zu organisirendes Nachrichtenwesen gemeldet wird, daß sich eine Sklavenkarawane dem See nähert, bin ich im Stande, an erwähntem Punkte unvermuthet zu erscheinen und den Transport abzufangen. gez v. Wissmann, Major à la suite der Armee. 228 An die Ausführungskommission der deutschen Anti- sklaverei-Lotterie, Coblenz. Mpimbi, den 23. Februar 1893. Auf den Befehl des Herrn Majors v. Wissmann, habe ich dem Komitee über den Dampfertransport zu berichten. , Anfang Oktober (am 8.) waren die letzten Leichter- ladungen durch die englische Marine nach Port Herald heraufgebracht worden, und konnte ich nun den Transport nach Katunga beginnen, die Wasser- verhältnisse waren aber zur Zeit so schlecht, daß ich nicht mehr denn 17 Zoll Tiefgang haben konnte, bei welchem die Leichter nur wenig Ladung nehmen, von Chiromo aus konnte ich nicht einmal so viel laden und daher brachte ich die Fracht vorderhand dahin. Obgleich ich mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, in denen Gegenwind oder Windstille, ferner Mangel an geeigneten Flußarbeitern eine Hauptrolle- spielten, gelang es mir doch die ersten Leichterladungen nach Katunga zu bringen, bevor die Vorexpedition diesen Platz verlassen hatte. Schon die Vorexpedition mußte unter Träger- mangel leiden; zur Zeit als ich den Landtransport anfing, war fast kein Träger zu erhalten, so daß ich in dem ersten Monat kaum etwas absenden konnte. Nach und nach gelang es mir Häuptlinge zu ge- winnen und, wenn auch langsam, so ging der Transport doch vor sich, — aber leider nur bis Blantyre, da die Leute vom unteren Fluß nicht dazu zu bewegen sind, direkt bis nach Mpimbi zu tragen; im Dezem- ber und Januar habe ich kaum 200 Lasten nach Mpimbi befördert. Während von Anfang Februar von Katunga aus der Transport lebhaft wurde, konnte ich von Blantyre keinen einzigen Träger mehr nach Mpimbi senden, da am oberen Shire die Eingeborenen Krieg gegen die Engländer machten, über welchen ich im Besonderen berichten werde. In Mpimbi ist die Werft angegraben, die Werk- stätten und Store sind gebaut, und wird der Kiel des Schisfes am 5. März gelegt werden, während die Arbeiten an den Kesseln bereits schon jetßzt be- Lonnen haben. Der Barplatz ist in ganz ausge- zeichneter Lage, schattige Bäume ermöglichen den Handwerkern das Arbeiten im Freien. Herr v. Bronsart ist gestern hier mit 272 Atonga- Trägern angekommen, und wird daher der Transport jett um Vieles schneller vor sich gehen. Der Zimmermann Niemer ist durch heftige Fieber derart geschwächt, daß der Expeditionsarzt seine Heim- sendung verlangt, einen Ersatz herauszusenden ist nicht nöthig, da er hier doch nur zur Zeit eintreffen würde, wenn die Arbeit im großen Ganzen beendet sein wird. Der Gesundheitszustand der übrigen Mitglieder der Hauptexpedition ist, die Jahreszeit eingedenk, be- friedigend.