—. 505 — Die 111 Tage Predigtreisen, die von der hie- sigen Station gemacht wurden, beschränken sich fast ausschließlich auf Mulimba, weil da das größte Ver- langen nach dem Evangelium war. — An drei Plätzen konnten wir daselbst Außenstalionen errichten und an einen vierten einen Lehrer hinsetzen, obwohl noch keine Gebäulichkeiten da waren. Ist Manye in gewisser Beziehung unser Sorgen- kind, so ist unsere zweite Außenstation in Mulimba, Vongo, wohl diejenige, die mir bis jezt am meisten Freude bereitet hat. Bongo ist eine der volkreichsten Mulimbastädte. Die Leute, ein zußerst lebhaftes Völkchen, sind die besten Fischer Mulimbas, die nebenbei mit der zwei Tagereisen südlicher wohnenden Batangabevölkerung Handel treiben. Als ich letzten März das erste Mal noch Bongo kam, ließen mich die Leute nicht mehr fort, bis ich ihnen einen Zetlel gab mit dem Versprechen, daß sie einen Lehrer bekommen würden. „Unsere Kinder wollen eine Schule, wir Männer wollen hören die Weisheit, die von oben kommt, und unsere Weiber wollen in die Versamm- lung, um das Wort Gottes zu hören“ sagte mir beim Weggehen eines der Häupter der Stadt. Den Bau ihrer Kapelle ließen sie sich viel kosten. Die schönsten Mangrovepfosten wurden gehauen, schön zugerichtet und aufgestellt. Die große Kapelle, die innen 14 Meter lang und 7 Mcter breit ist, wurde nach allen Seilen mit einem großen Vordach ver- sehen. Das Dach wurde doppelt mit Makten ge- deckt, nicht, wie gewöhnlich, einfach. Die Arbeit wurde ihnen des Hungers wegen nicht immer leicht. So kam ich eines Tages hin, als eben die Dorf- jugend damit beschäftigt war, die Mattenwände zu binden. Von Gesang hörte man diesmal nichts. Alles war an der Arbeit, aber betrübten Gesichtes, denn sie hatten, obwohl es schon 2 Uhr war, heute noch nichts gegessen. Man konnte den hier im Hungerlande Mulimba nicht seltenen Namen „Hunger- gesicht“ verwirklicht sehen. Es war dies in der Zeit des Bakokokrieges, als sie für ihre Fische keine Früchte kaufen konnten. Nur einige Kokosnüsse wurden jetzt unter die Vielen vertheilt. „Wir können nicht mehr arbeiten,“ sagten sie, „der Hunger über- mannt uns. IJa, wenn wir etwas zu essen hätten, wollten wir gern weiter machen.“ Vongo war einer der Hauplsitze des Dschengn-(Wassernixe) und Meli- dienstes. Der Dienst des Meli ist einer der schreck- lichsten Götzendienste, mit dem unzählige heimliche Morde verbunden sind, wodurch, wie die Leute selbst sagen, oft ganze Städte enlvölkert worden sind. Der Dschengudienst ist hauptsächlich in den Händen der Frauen mit Ausschluß von Sklaven; der Meli- dienst hingegen in den Händen der freien Männer, und nur die Eingeweihten wissen um die Betriügerei. Wer von Uneingeweihten davon weiß oder gar dar- über redet, wird ohne Gnade ermordet. Beide Göpendienste haben Geheimsprachen. In der Predigt und Schule wurden natürlich diese Gößengreuel nicht geschont, und bald fing die Schuljugend an, die Lieder beider Götzendienstarten bei der Arbeit an der Kapelle und als Rudergesang zu singen — natürlich zum Spott —, die Geheimsprachen vor aller Ohren zu reden und zu sagen: „Es giebt keinen Dschengu, und Meli ist ein Mensch, der im Busch redet.“ Das erregte Zorn bei den Anhängern dieser Greuel, deren Gewinn zu Grunde zu gehen schien, und sie fingen an die Jugend zu bedrohen. Lettere ließ sich aber nicht einschüchtern, denn sie wußte, daß Niemand ihr elwas thun werde, aus Furcht vor dem Europäcr. So mußten eben auch die Anhänger der Götzen gute Miene zum bösen Sviel machen (denn keiner hatte den Muth, mir ins Gesicht Vor- würfe zu machen) und diese Burgen des Satans dahinfallen sehen, denn Niemand glaubte sortan daran; und die Jungen können nun ruhig ihre Dschengu- lieder beim Rudern weiter singen, was ihnen noch vor elnem Jahr theuer zu stehen gekommen wäre. Damit, daß diese Gößendienste in der einen Stadt abge- schafft waren, war es auch in den andern Städten Mulimbas um dieselben geschehen; denn schnell ver- breitete sich die Kunde über die ganze Gegend. Den Feldgeistern zu opfern, konnten jedoch die Bongoleute nicht unterlassen. Obwohl der Hunger bei ihnen groß war, so wurde doch das Beste, was sie auftreiben konnten, aufs Feinste zubereitet, aufs Feld getragen und dort ausgeschüttet. — Wir hatten am Jahresschluß 65 regelmäßige und noch viele unregelmäßige Schüler hier, sowie 8 Tauf- kandidaten. Die Versammlungen wurden regelmäßig gut besucht. Da der Platz noch neu ist, so schien es gerathen, mit der Tause etwas langsam zu thun, obwohl die Taufkandidaten sehr nach derselben ver- langten. Anderer Art als in Mulimba ist die Arbeit unter den Bakoko. Auch hier kann man durchaus nicht über Unempfänglichkeit klagen, wenn auch das Feld noch nicht so reif ist zur Ernte, wie in Mulimba; denn das Gebiet ist noch nic bearbeitet worden. Es gilt hier vor Allem, Sämannsarbeit zu thun, und dazu ist leider bis jeht noch sehr wenig Zeit und Krast übrig geblieben. Es häugt eben an dem Europäecr zu viel, und eingeborene Kräfte haben wir nicht. Die Bakoko sind ein heißblütiges, rohes, händel- süchtiges, aber doch wiederum zußerst gutmüthiges Volk, das hauptsächlich Landbau und etwas Handel treibt. Der Boden ist sehr fruchtbar, so daß die Bakoko ohne zu große Mühe imstande sind, nicht nur für sich, sondern auch für die Mulimba= leute Kassada, Jams, Koko u. s. w. zu pflanzen, welche Früchte alle 10 Tage auf einem im Fluß auf Booten stattsindenden Markt gegen Fische umge- tauscht werden. Die Bakoko waren ihrer Rohheit wegen immer hefürchtet von den Nachbarstämmen und blieben bis vor Kurzem jedem europäischen Einfluß fern, ebenso dem Christenthum. Selbst die Dualla-Händler, die sonst, wo sie hinkommen, dem Christenthum vor-