206. — Nachrichten aus den deukstzen Schuchgebieken. Drutsch-DHltafrika. Ueber einen Strafzug gegen einen unbotmäßigen Däuptling berichtet der Kaiserliche Stationschef Sigl in Ta- bora, wie folgt: Tabora, den 4. Januar 1894. Gegen den Sultan Kandi der an der von Tabora nach dem Victoria-Nyansa führenden Haupt- karawanenstraße ungefähr unter dem 38,80. Grad östlicher Länge und dem 4,40. Grad südlicher Breite gelegenen Landschaft Kahama war aus nachstehenden Gründen eine Strafexpedition nothwendig geworden. Kandi hat seit Oktober 1891 keine Gesandten (Waniamparas) mehr auf die Station Tabora ge- schickt und hat seine zahlreichen nach der Küste ver- kehrenden Karawanen beständig der Kontrole der Regierung entzogen. Es liesen glaubwürdige Klagen hier ein, aus denen zu entnehmen war, daß Kandi in letzterer Zeit allen von Europäern abgeschickten Postboten und Karawanen den Durchzug durch sein Gebiet verweigert hat. Er soll öffentlich erklärt haben, ein Feind der Europäer im Allgemeinen und der deutschen Regierung im Besonderen zu sein, da dieselbe seinen Freund Siki vernichtet hätte. Er hat versucht, die Waniamwesisultane gegen die deutsche Regierung aufzustacheln und zur allgemeinen Rebellion anzufeuern, sie sollten doch ihre Streitigkeiten unter- einander vorläufig ruhen lassen und sich lieber zu einem gemeinsamen Krieg gegen die Regierung und die verhaßten Europäer aufraffen. Die deutsche Regierung sei gar nicht so stark, wie allgemein von den Waniamwesis angenommen würde, dies könnten sie ja deutlich daraus ersehen, daß dieselbe es bis heute unterlassen habe, einen Strafzug gegen die Wahehe zu unternehmen. Auch sei ihr der Krieg gegen den einzelnen Sultan Sili sichtlich schwer ge- worden; die Regierung sei nahe daran gewesen, Ta- bora aufzugeben, und Siki hätte doch keine so starke Steinboma gehabt wie er. Wenn sie allc seinem Beispiele solgen wollten, so würde in wenigen Tagen das Land von den Europäern gesäubert sein. Der- gleichen Reden werden übrigens an vielen Orten, wie mir zu Ohren gekommen, im Uniamwesigebiete im Rausche gesprochen, und demnach muß, sobald ge- nügende Anhaltspunkte vorhanden, mit aller Strenge gegen die einzelnen rebellionslustigen Sultanc vor- gegangen werden. Thatsache ist, daß Kandi vor kurzer Zeit zwei Postboten der algerischen Missionarc aus Msalala kwa Wimu am Wege durch Kahama hat aufgreifen und ermorden lassen. Ferner sicht fest, daß er einen seiner eigenen, mit Stokes herauf- gekommenen Waniamparas getödtet hat, weil dieser ihm einen Erlaubnißschein der Regierung vorgezeigt hatte, um die Anzahl der mitgebrachten Lasten zu beweisen, er aber keine Waniamparas brauchen könne, die sich der Kontrole der deutschen Regierung unter- zögen. Einige Leute Kandis, die sich wegen dieser Vorgänge gegen ihren Sultan aufgelehnt hatten und welche hierüber Klage auf der Station führen wollten, wurden, bereits auf dem Wege nach hier, von Kandie aufgegriffen und ermordet. Da in diesem Lande Nachrichten und Klagen, so bestimmt sie auch lauten und so glaubwürdig sie auch erscheinen mögen, dennoch häufig nur auf Lüge basi- ren, schickte ich zu meiner Vergewisserung zwei meiner unbediugt verläßlichen, dem Kandi außerdem perfön- lich bekannten Waniamparas nach Kahama, die den- selben im Namen der Regierung in aller Freundschaft auffordern sollten, Waniamparas nach Tabora zu schicken, damit sich Kandi wegen einiger auf der Baraza gegen ihn vorgebrachten Klagen verant- worten könne. Sobald Kandi jedoch die Ankunft dieser Waniam- paras in seinem Quikuru (Residenz) erfahren hatte, versuchte er, ohne dieselben auch nur anzuhören, ganz gegen alle Sitte und Gepflogenheit des Landes, die Waniamparas zu fangen, und gab den Auftrag, sie im Falle eines Widerstandes sofort zu ermorden, denn er hätte allen Leuten der Regierung und der Europäer den Tod geschworen. Es gelang den Waniamparas, dem sicheren Tode durch die schleu- nigste Flucht zu entrinnen, jedoch mit Zurücklassung ihrer Leute und Reiseeffekten. Dieses freche Auftreten Kandis beweist zur Ge- nüge, wie gerechtfertigt die Klagen gegen ihn gewesen, und so entschloß ich mich zur sofortigen Vernichtung dieses unbotmäßigen Häuptlings, und zwar um so eher, als Kandi in steter Verbindung mit Swetu, dem Bruder Sikis in Kiwere, gestanden hat und, wenn ihm Zeit gegeben würde, sicher von dort Ver- stärkungen erhalten würde. Am 2. Dezember v. Is. waren meine Waniam- paras von Kandi geflohen und überbrachten mir schon am 5. abends die Meldung hierüber in Tabora. Nachdem ich am 6. Dezember v. Is. den Führer der 10. Kompagnie Lieutenant v. Bothmer behufs Aus- führung der Unternehmung requirirt und gleichzeitig die Stellung von 120 Trägern bei der Sultanin von Unyanyembe veranlaßt hatte, konnte bereits am 8. Dezember morgens 6 ½ Uhr die Expedition ihren Marsch gegen Kandi antreten. Der Verlauf derselben geht aus dem Gefechts- bericht des Lientenants v. Bothmer hervor. Die Koslen der Expedition sind durch das bei derselben erbentete Elsenbein und Rindvieh gedeckt worden. Wein auch im Verlaufe der Expedition sich keine Gelegenheit geboten hatte zu glänzenden Waffenthaten, nachdem Kandi mit seinen Leuten, infolge des über- raschenden Angriffes, auf ernstlichen Widerstand ver- zichtet hatte, so ist der Erfolg in politischer Beziehung