ihn für den Dr. G. A. Fischer, den einzigen Euro- päer, der — vor nunmehr 11 Jahren — diesen Ort besucht hatte. Hier hatte der Reisende gehofft, seine Karawane für den Zug nach Norden neu ver- proviantiren zu können, aber leider war nichts zu bekommen. Die Heuschrecken waren dagewesen und hatten Alles aufgesressen, die größte Hungersnoth herrschte. So mußten denn in den fünf Tagen, welche als Rast vor dem großen Zuge nach dem Nyansa nöthig waren, die Büchsen fleißig arbeiten, und die Nahrung der Karawane bildeten ausschließlich Zebras und Antilopen. Von Nguruman an bis auf die Höhe der Wasserscheide zum Victoria-See, wo einstmals die so gefürchteten Massai ihre Nomaden- zelte aufgeschlagen hatten, fand Neumann nur noch verfallene Zweiggestelle, die einst Hütten waren, darin und auf den Weiden alte verschimmelte Häute, Ninder- und Menschenschädel in großer Zahl, die Ueberbleibsel des hier einst mächtigen Volkes. Die wenigen Massai, welche er traf, waren in schlechtem Ernährungszustande und lebten fast ausschließlich von Ngabolobeeren, einer kleinen süßen, sehr viel Gummi enthaltenden Frucht, welche nur mit Wasser zusammen genießbar ist. Im Wäldchen bei Nguruman wurde auch das schon von Fischer beschriebene rothe Erdeichhörnchen gefunden. Häufig waren Giiassen, auch Bühffel- spuren wurden bemerkt. Dieses früher so häufige Wild ist durch die seit sieben Jahren in Ostafrika herrschende Viehseuche fast ausgerottet. Ueber Ssambu, welches nicht südlich, wie auf den neuesten Karten angegeben, sondern nördlich von Nguruman liegt, über Utim, Mabokoni und Mossiro marschirte Neu- mann in vier Tagen nach Sossian am Gnaso Nyiro entlang. Am 2. Jannar 1894 begann der Ausstieg in die westlich gelegenen Lvitaberge. Proviant war nicht zu erlangen gewesen, und so sah sich der Reisende für die angeblich acht Tagemärsche weite Tour nach Ngoroine auf 20 Lasten Miama (Hirse) beschränkt. Das erste Plateau wurde ohne Verlust# an Vieh erreicht und alsdann nach Südsüdwesten abmarschirt über Dadammat und Ssubulo. Der Weg führte über ein in Terrassen ansteigendes Hoch- land. Fast in allen Thälern finden sich klare Bäche, welche von hohen Bäumen eingefaßt sind. Das prächtig saftige Grün der Blätter des Moriobaumes, des Giftbaumes der Massai, hebt sich scharf gegen das öde, gelbe Gras der dicht daueben gelegenen Weiden ab, in welchen hier und da die verlassenen Reste der Massaikraale auftauchen. Schon am dritten Tage nach dem Aufstieg zeigte es sich, daß der Mükuafiführer nicht ganz wegesicher war. Zum Glück gab es wider Erwarten viel Wild, so daß der Mtamavorrath einigermaßen gespart werden konnte. Schon am 7. Jannar wurde es klar, daß der Führer keine Ahnung von dem weiteren Wege hatte und noch nie in seinem Leben in Ngoroine gewesen war. Nach oftmaligem Herumirren wurde am 13. Jannar ein Wandorobkraal erreicht. Dort erfuhr der Reisende, daß ein größerer Fluß in der Nähe sei, der Ngare 422 — Mbusse, welcher nach Westen fließen solle. Nach viertägigem Marsch, welcher durch reiche Jagdgründe führte, wurde der Kamm des Gebirges überschritten. Hier hörten die Nashornspuren auf, auch die Kuh- antilopen traten zurück; dagegen wurden zwei andere Antilopenarten zuerst beobachtet, von welchen die eine, Elenantilope, seit dem Manyarasee nicht mehr gesehen worden war, die andere, die Senegal-Anti- lope, hier ihre östliche Verbreitungsgrenze hat. Ihr Vorkommen am Ngare Mbusse beweist, daß bis hierher die tropisch-afrikanische Waldsauna reicht und daß die Wasserscheide zwischen den Victoriasee-Zu- flüssen und den zum Manyarasee, Sabaki, Tana und Diuba fließenden Bächen die Grenze zwischen der ösllichen und westlichen Faung bildet. Neumanns Forschungen haben somit wieder einen Punkt ergeben, welcher zur Festlegung der Grenzlinie für beide Faunen- gebiete von großem Werthe ist. Vom Gebirgskamm aus wurden vier Abthei- lungen zu je drei Mann nach Norden, Nord- weslen, Westen und Südwesten vorgeschickt mit dem Auftrage, einen nach Westen fließenden Bach auf- zufinden. Nach zwei Tagen kehrten acht von den Leuten mit guten Nachrichten zurück, und nunmehr marschirte Neumann nach Westen zum Ngare Mbusse, welcher am 23. Januar erreicht wurde. Hier wartete er die Ankunft der übrigen vier voraus- gesandten Mann ab, welche auch bald unter sröh- lichem Flintengeknalle eintrafen. Sie hatten Ngoroine erreicht. Schon am nächsten Tage wurde der Ngare Dobasch, ein starker, reißender Strom, aufgefunden, welcher zahlreiche Sandbänke und Flußschnellen ent- hält und an seinen bewaldeten Ufern eine typisch westliche Vogelwelt beherbergt. Gegen diesen Fluß hin verschwinden die Kuhantilopen, die beiden für das Steppengebiet bezeichnenden Gazellenarten und die Guus, nur die Zebras sind auch hier noch zahl- reich vorhanden. Dazu treten jetzt Wasserböcke mit rothem Stirnfleck, also wohl dic abessinische Form. Am Ngare Dobasch überfiel ein fürchterliches Unwetter die Karawane. Innerhalb einiger Se- kunden hingen dem Reisenden die Kleider wie zer- flossen am Leibe; man konnte vor Regen nichts mehr sehen. Die Blitze gingen vor und hinter ihm nieder und innerhalb 10 Minuten war da, wo bisher hohes, dürres Gras gestanden hatte, ein reißendes, fußtiefes Wasser. Am Lagerplatz waren die Koffer= und Zeltträger so erstarrt, daß sie nicht fähig waren, das Zelt aufzuschlagen. Nach slundenlangem Toben legte sich das Gewitter; fünf Träger fehlten, andere hatlten ihre Lasten vor Kälte weggeworfen. Von den Vermißten wurden vier noch in der Nacht halb erstarrt ins Lager gebracht, den fünsten, welcher sehr an Dysenterie litt, sand man am anderen Morgen todt auf; er war vom Regen getödtet. Auf dem Wege den Fluß abwärts starben zwei weitere Leute an Erschöpfung. Endlich am 28. Jannar, also 32 Tage nach dem Verlassen von Nguruman, erreichte Nenmann