offener See bleiben müssen. Es kommt daher oft vor, daß Segelschiffe bei Windstille auf Wochen ab- getrieben werden; schon aus diesem Grunde ist die Reise nach Nauru mit einem Segelschiffe nur in dem Falle anzurathen, wo es auf den Verlust von ein oder zwei Monaten Zeit nicht ankommt. Auch ist die geographische Lage von Nauru noch keines- wegs genau bestimmt, und die verschiedenen Angaben darüber unterscheiden sich um mehrere Meilen von einander, so daß die kleine Insel nicht immer im ersten Anlauf gefunden wird. Das vorgelagerte Korallenriff fällt außerordentlich steil ab, und bei hoher See ist es nur mit Lebensgefahr zu passiren. Die fast unter dem Aequator gelegene und in ihrem ganzen Charakter von den übrigen Inselgruppen wesentlich verschiedene Insel ist zweifelsohne die interessanteste, schönste und in feuchten Jahren auch die fruchtbarste des ganzen Schutzgebietes. Es ist schon früher darauf hingewiesen worden, daß in Nauru wie in den benuachbarten Gilbert-Inseln trockene und nasse Jahre in gewissen Zeiträumen abzuwechseln pflegen, und daß die Eingeborenen in den fetten Jahren sich durch Eingraben von Kokos- nüssen auf die mageren Jahre vorzubereiten pflegen. Jetzt hatte es seit Beginn des Jahres 1892 nicht heregnet, und diese lange Dürre hatte die Kopra- ernte auf Jahre hinaus völlig vernichtet. Während die Insel dem Kopraertrag nach sonst an erster Stelle zu siehen pflegte und einzelne Bäume hier die fast unglaubliche Anzahl von 1200 bis 1500 Nüssen trugen, ist derselbe, alte bisher noch vorhandene Vorräthe abgerechnet, heute gleich Null. Erst in den letzten Wochen war wieder Regen ein- getreten, und die Vegetation hatte zur Zeit, als ich dort war, bereits ihre grüne Färbung wieder an- genommen; aber die Lage der Eingeborenen war doch so traurig, daß ihnen auch für dies Jahr die Lieferung der Steuer-Kopra und den Händlern wie im Vorjahre die Hälfte ihrer Steuern erlassen werden mußte. Die Insel, die etwa 10 Seemeilen im Umfange hat, erhebt sich terrassenförmig und oft von steil emporragenden, grotesken Korallenfelsen mit zahlreichen Höhlen unterbrochen bis zu einem Berge von etwa 50 bis 60 m Höhe, von dessen Spitze sich ein vollkommener Rundblick über die gaonze Insel und das umliegende Meer bietet. Zur Orientirung für die Seeschiffe werde ich auf der Spitzc dieses Berges demnächst einen Flaggenstock anbringen lassen. Die Höhenzüge sind alle ziemlich dicht, zum Theil mit Hölzern, die im Schutgebiete sonst nicht vorkommen, bewaldet und umgeben einen tiefen Grund, der in der Mitte einen großen Fischteich mit brackigem Wasser und einen Palmenhain von auffallender Schönheit — die Bäume sind hier 80 bis 100 Fuß hoch — birgt. Die Ansiedelung hier wird das „Buschdorf" genannt und von einem weiblichen Häuptling, einer jungen hübschen Frau, regiert, deren Ansehen auf der ganzen Jusel sehr groß ist. Das Dorf am Fuße der sanft ansteigenden 11 heit eine wahrhaft idyllische Lage. Die Häuser sind ganz den auch sonst in den Marshall-Inseln üblichen ähnlich. Sie liegen nur auf der einen Seeseite; einzelne auch, auf hohen Pfählen gebaut, mitten im See. Fast vor jedem Hause befindet sich ein Gestell mit überaus zahmen Seeschwalben oder den größeren Fregattvögeln. Früher erwuchs den Nauru-Ein- geborenen aus der Zucht dieser Vögel ein großer Verdienst, indem sie die Federn nach den Marshall= Inseln verkauften, wo sie als Schmuck für Haar und Ohren und vor Allem für Kanoes gebraucht wurden. Jetzt dienen die Vögel lediglich zur Spielerei und sie theilen sich in die Zuneigung der Ein- geborenen mit den Schweinen, die, so lange sie klein sind, von den Eingeborenen auf den Armen herum- getragen werden und des Nachts bei ihnen schlafen. Auch Hunde werden viel gehalten, doch dienen sie nicht wie bei uns als Wächter, sondern als Lecker- bissen für größere Festlichkeiten. Der etwa 15 Fuß tiefe See selbst, der mit der Fluth steigt und fällt, außerordentlich schlammreich ist und einen üblen Moder- duft ausstrahlt, ist durch Dämme in einzelne Par zellen getheilt, dic verschiedene Besitzer haben. Die Fische in seinem Wasser werden kaum fingerslang aus dem Meer geholt und wachsen bis zur Größe eines fetten Herings. Dann werden sie wieder ein- gefangen und roh verzehrt. Sie sollen übrigens sehr gut schmecken. In halber Höhe über dem Dorfe, auf der Hoch- ebene im Nord-Nord-Osten vom Bezirksamte, befindet sich eine höchst interessante Höhle von mächtigen Dimensionen. Den Zugang zu ihr bildet ein steil abfallender trichterförmiger Schacht von 70 Fuß Tiefe, der an die Glerscherbildungen der Schweiz, die Gletschermühlen, in seiner fast zirkelrunden Form erinnert. Der Abstieg erfolgt mittelst Seilen und führt am Fuße abwärks durch einc niedrige Grotte zu einem See mit frischem Wasser, nach dessen Ueberschreitung man in ein mächliges, hohes, hallen- artiges Gewölbe mit reichen Tropssteinbildungen gelangt. Die Grotte ist ab und zu von Teichen unterbrochen und leitet wieder in einen Abgrund, dessen Tiefe und Grenzen noch nicht bekannt sind. Jedenfalls geht diese höchst merkwürdige Höhle, die eine ganze Anzahl noch nicht untersuchter Lebewesen enthält, noch tief unter dem Meeresspiegel fort, und ihre genaue Erforschung wird zweifellos noch manches Interessante für die Wissenschaft liefern. Kleinere Höhlen giebt es noch eine ganze Anzahl. Sie sind fast ohne Ausnahme mit kühlem Wasser von geringem Salzgehalt angefüllt und dienen als Begräbnißställen. Die Leiche wird den Schacht hinabgestürzt und Steine sowie brennendes Reisig darüber. Früher wurden — und das geschieht auch jetzt noch häufig — die Todten in eine Matte ein- genäht und mit einem Segel versehen über das Riff ins Meer geseht. Nur die Vornehmen werden in der Erde begraben; aber die Sitte der Ein- balsamirung, welche in einem früheren Bericht einmal Berglehne hat in seiner stillen friedlichen Abgeschieden= erwähnt ist, hat nach meinen Erkundigungen hier