von Prof. Dr. Oskar Liebreich), gab die erste An- regung zu Versuchen in dieser Richtung der Surgeon- major Harris in Simla im Jahre 1890. Darauf- hin veranlaßte Dr. Kanthack in Liverpool die Firma xvn. Merck in Darmstadt, ein Präparat der Ipeca- cuanhawurzel herzustellen, in dem das brechenerregende Alkaloid Emctin nicht vorhanden war. Die damit von Dr. Kanthack und Dr. A. Caddy in Kalkutta angestellten Versuche lieferten günstige Resultate. So hörten nach dem Wortlaut des oben erwähnten Be- richtes unter 16 Fällen von akuter Dysenteric bei 15 unter dem Gebrauch der emetinfreien Wurzel nach Verlauf von drei bis fünf Tagen die dysenterischen Stühle auf, nur in einem Falle trat keine Besserung ein. Das Mittel wurde zu 1,25 g gegeben, und wenn hiernach keine Besserung eintrat, wurde diese Dosis nach 12 Stunden wiederholt; bei schweren Fällen wurde eine gleiche Gabe sechs= bis achtstündlich verabreicht, bis Blut und Schleim aus den Ent- leerungen verschwunden waren. Die genannten Autoren kommen zu dem Schluß, daß in Fällen von Dysenterie, in denen Ipecacuanha überhaupt indizirt ist, pecacuanha deemetinisata zur Amvendung gelangen soll. Diese günstigen Resultate gaben dem Besitzer von Dr. Kades Oranienapothete, Dr. Lutze, Ver- anlassung, die emetinfreie Ipecacuanha in die Form eines nicht nur prompt wirkenden, sondern auch dauernd haltbaren Arzneipräparates zu bringen. Da die Ipecacuanhawurzel in Pulverform, besonders im seuchtwarmen Klima, ungemein zur Schimmelbildung neigt, wählte Dr. Luße für seine Präparate die Pillensorm. Die Herstellung des Präparates geschah in folgender Weise: aus emetinfreier Ipecacuanha bester Qualität, das heißt mit höchstem Extrakt= und niedrigstem Emetingehalt, wurde im Vakuum ein Extrakl bereitet und dieses mit Zuhülsenahme emetin- freien Ipecacuanhawurzelpulvers zu Pillen von einer Stärke vorbereitet, daß zwei Pillen der Dosis von 1,25 g Ipecacuanhapulver, als der von Kanthack und Caddy angegebenen Einzeldosis, entsprechen. Die Verordnung dieser Pillen lautet: Dosis zwölf- stündlich zwei Pillen bis zur Besserung. Bei schwereren Fällen sechs= bis achtstündlich zwei Pillen. Auf bezüglichen Bericht verfügte die Kolonial= Abtheilung des Auswärtigen Amtes, daß nach Deutsch- Ostafrila, Togo, Kamerun, Südwestafrika und Neu- Gninea Proben des Präparates, welche von Dr. Kades Oranienapotheke kostenfrei zur Verfügung gestellt waren, zur versuchsweisen Behandlung der Dysenterie gesandt wurden. Ueber die bisher damit erzielten Resultate liegen folgende Berichte vor: 1. Auszug aus dem Berichte des Regierungs- arztes von Südwestafrika Dr. Richter: Groß-Windhoek, den 5. August 1894. Die dem hiesigen Lazareth zur versuchsweisen Anwendung zugestellten Präparate emetinfreier Ipeca- cuanha konnten bisher nur in drei Fällen von ruhr- ähnlichen Darmentleerungen in der empfohlenen Weise Anwendung finden und haben nach zwei= bis drei- tägigem Gebrauch stets zu völliger Heilung geführt. Eure Excellenz bitte ich daher gehorsamst, dem hiesigen Lazareth eine reichlichere Sendung dieser Präparate, etwa 1000 Tabletten oder Pillen aus der Oranienapotheke des Herrn Ipr. Lutze, Berlin, 80. Oranienplas, hochgencigtest überweisen zu wollen. 2. Kamerun, den 9. August 1894. Die mit der emetinfreien Ivccacuanha angestellten Heilversuche bei Dysenterie haben im Ganzen ein günstiges Ergebniß gehabt. Ein abschließendes Urtheil über die Wirksamkeit des Medikaments ist zur Zeit nicht möglich, da die Zahl der damit behandelten, namentlich schwereren Fällec, zu gering war. Eine Fortsetzung der Versuche erscheint durchaus gerecht- sertigt. Ich werde mir gestatten, nach Ablauf mehrerer Monate wiederholten Bericht über weitere Versuche mit Ipecacuanha zu erstatten. gez. v. Zimme rer. 3. Stephansort, den 30. August 1894. An den Herrn Landeshauptmann des Schutzgebietes der Neu-Guinea-Kompagnie. Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich, in Ant- wort auf Ihr Geehrtes vom 1. Mai 1894 ganz er- gebenst mitzutheilen, daß ich die Ipecacnanhapräparate empfangen und zur Probe bei zwei schwer Dysenterie- kranken verwandt habe. Das Resultat war folgendes: Ende Mai erhielt ein schwerkranker Chinese zwei- mal je zwei Pillen des emetinfreien Ipecacuanha= extrakts. Patient starb am zweiten Tag der Be- handlung. Am 30. Juli erhielt ein anderer Chinese, ebenfalls an der schweren Form der Dysenterie leidend, zwei- mal je zwei emetinfreie Ipecacuanhatabletten; am 31. Juli ebensalls; am 1. und 2. August je dreimal zwei Tabletten, womit die Probesendung ausgebraucht war. Vom 2. August ab befand sich Patient ent- schieden in der Besserung, der Stuhl enthielt auch weniger Blut und Schleim. Bei Abgang dieses Schreibens kann Patient, der inzwischen mit Wismuth- opium weiter behandelt war, als genesen betrachtet werden. Wegen der geringen Menge der Probesendung mochte ich mir keine definitiven Schlüsse erlauben, doch hat mir der Fall 2 den Eindruck gemacht, als ob die am 2. August eingetretene Besserung eine direkte Folge der Darreichung des emetinfreien Ipeca- cuanhapräparates sei. Das Mittel verdient demnach in größeren Mengen weiter erprobt zu werden. gez. Dr. B. Hagen. In Togo ist nach dem bezüglichen Bericht des dortigen Regierungsarztes noch keine Gelegenheit zum Gebrauch der Ipecacuanhapillen gewesen. Aus Deutsch-Ostafrika liegen noch keinc amtlichen Berichte über günstige Heilwirkung derselben vor. Daß die emetinfreie Ipecacuanha aber auch dort und