Ihrem weit durch Ussambiro reichenden Einfluß hatte die Karawanc es wohl auch mit zu verdanken, daß sie auf ihrem Weitermarsch durch jenes Land überall festlich empfangen wurde. Kilometerweit waren von jedem Dorse in Busch und Gras breite Wege gehauen und die Jumben überhäuften Graf Goctzen mit Geschenken. Das Land bietet ungehener viel Reis, Sorghum, Bataten, Maniok, Erdnüsse, Bana- nen u. A.; viel Honig; gute Bestände an Groß= und Kleinvieh. Die Einwohner stehen in regen Handels- beziehungen mit dem Innern und der Küste, sind sorgfältige Landbebauer und geschickt in mechanischen Arbeiten. Auch König Kassussuro von Usuri sandte einen · seiner Großen zum Empfang an die Grenze seines Gebietes. Am 22. April, auf der Höhe des Usuri- plateaus und bei seiner Hauptstadt Njaruwongo, erschien der ängstliche junge Fürst selbst mit Tausen= den seiner Krieger, bat dringend um eine deutsche Fahne und gab sonstige Beweise seines Wohlverhaltens. Der Weitermarsch in den schrossen Schieferbergen mit tiefeingeschnittenen sumpfigen Thälern war ein sehr schwieriger. Der Kasingeyne und der Grenzsluß zwischen Usuri und Karagwe, der Ruiga, wurden überschritten, und ohne Aufenthalt ging die Expe- dition durch das jetzt der Herrschaft Kassussuros unterworfene prächlige Süd-Karagwe, um am 2. Mai den stattlichen, an seinen Ufern mit breitem Papyrus- gürtel eingefaßten Kagera an der Stelle zu erreichen, wo der aus dem Westen kommende Fluß, nachdem er den Ruvurun von Süden aufgenommen, in Stiru- deln und Fällen ein Klamm durchbricht und seinen Lauf nach Norden richtet. Von den tollen Gerüchten über die Vorkehrungen, die Ruhandas Herrscher getroffen hätte, um das Eindringen der Karawane in sein Land zu verhin- dern, bewahrheitcte sich nichts, im Gegentheil, als am 2. und 3. Mai der Fluß mit vier Booten über- schritten war, empfingen sowohl die herrschenden Wahuma wie die unterworsenen Wahnmn die fremden Gäste mit Freudenbezeugungen und Geschenken, aus Verlangen wurden Träger gestellt, und in bestem Einvernehmen rückle die Expedition ins Land ein. Ganz Ruhanda ist ein Bergland mit breiten langen, meist von Nord nach Süid streichenden Rücken und stark eingeschnittenen Thälern. Die durchschnilt- liche Höhe beträgt zwischen 1500 und 1800 m und steigt im Nordwesten auf über 2000 m. Wasser ist reichlich vorhanden, eine ausgesprochene Regen= oder Trockenzeit giebt es nicht. Die Bevölkerung ist sehr dicht, das Land überall gut bebant und sehr ergiebig. Sorghum und Bananen bilden die Hauptnahrungs- mitlel; daneben Bataten, Kolokasien, Erbsen und Bohnen; Tabak wird viel gepflanzt. Leider hat die vor einigen Jahren hier wüthende Rinderpest den Hauptreichthum der Wahuma, ihre weit berühmten riesigen Herden langhörnigen Viehes, fast gänzlich vernichtet. Doch scheint sich bei sorgsältiger Pflege der Bestand rasch zu vergrößern; Schafe von der 105 1 Fettschwanzrasse, Ziegen und Hühner finden sich reichlich. Auffallend ist der Waldmangel; die Be- secchaffung des nöthigen Brennholzes machte oft die größten Schwierigkeiten. D Durch das ungemein fruchtbare Kisaka, welches Uganda sehr ähneln soll, wandte sich die Expedition in nordwestlicher Richtung an dem langen schmalen Muhazisee entlang. Am 11. Mai trat zum ersten Male die gewaltige Pyramide des Ufumbiro hervor. Am 16. Mai stand Graf Goetzen am Ufer des Njavarongo, eines etwa 40 m breiten, reißenden und tiefen Stromes, der in großem Bogen Ruhanda durchfließt und sich einige Tagemärsche südlich in einem von dem Wege aus erblickten See — vielleicht dem Alexandrasee Stanleys? — mit dem aus Urundi kommenden Alenyarn vereinigen soll. Ein Sohn des Kigeri Luabugiri, Ihirangawe, folgte als Ehren- begleiter dem Zuge, und sobald Graf Goctzen von diesem mit Sicherheit den Aufenthaltsort des Königs erfahren, marschirle er durch das hohe zerklüftete, aber überall bewohnte Gebirgsland des nördlichen Ruhanda, überschritt zum zweiten Malc den Njava- rongo, der an dieser Stelle von Süden nach Norden stießt, und traf am 29. Mai den Herrscher in seiner 2150 m hoch gelegenen luftigen Residenz. Sein und seines Hosstaates hünenhafte Erscheinungen, die mächtigen, glänzend braunen Körper mit dem fein- gegerbten und verzierten Hüftenschurz und dem phantastischen Perlen= und Metallschmuck boten ein ebenso eigenartiges wie malerisches Bild. Er hatte nur eine sehr geringe Macht um sich versammelt, was um so wunderbarer erscheint, als das ganze Land straff und gut regiert wird und der König durch jährliche Kriegszüge seinen Machtbereich immer mehr erweitert. Das Gebiet ist in Distrikte getheilt, deren jeder seinen Chef hat; diesem steht wieder eine wohlorganisirte Polizei zur Seite. Die Oberaufsicht über die Verwaltung führt ein sicts im Gefolge des Königs befindlicher Großer. Wa- huma sitzen überall im Lande vekstreut und üben eine Art Regierungsgewalt aus. Wenn sie auch, wic zu bemerken war, manchmal in elwas gewalt= samer Weise gegen die unterworsene Urbevölkerung verfahren, so herrscht doch überall Nuhe und absolute Sicherheit, wobei das Land blüht und gedeiht. Kein Araber hat je den Fuß hineingeseßt; Rumaliza wurde bei einem Versuch, von Süden her mit starker Macht einzudringen, blutig zurückgeschlagen. Troß alledem zeigte sich dieser wirklich mächtige Herrscher, der alle Monate die Residenzen wechselt- weit mehr von der Seite eines schachernden Kauf, manns als eines großartigen Königs, und erst auf sehr energisches Vorgehen und Drohen schickte er das übliche Ehrengeschenk in Vieh und Elfsenbein. Nach kurzem Aufenthalt wandte sich die Expe- dition nach dem westlichsten Berge der Vulkanreihe, über dem jede Nacht ein gewaltiger Feuerschein sicht- bar war, und hatte einen schwierigen Marsch in den an 3000 m hohen Bergen, die den Ostrand des