— 113 Einfachheit, ja Armuth lebt. Ich sah deshalb auch unter den Leuten wenig europäische Stoffe, und sind auch hier die Hauptbekleidungsmittel gefärbte Rinden- stoffe; bei besonderen Gelegenheiten pflegen sic den Körper mit Rothholz zu bemalen. Eine große Sorgfalt verwenden die Wutés, Männer und Weiber, auf ihre Frisur, welche sie in langen Strängen von vorn nach hinten über den Kopf ziehen und seit- wärts in steisen Locken auslaufen lassen. Um diese Haarc fest, ja steinhart zu machen, verwenden sie eine Pomade aus Palmöl, Nothholz, Baumwachs oder auch Lehm. Das Kriegerabzeichen ist eine kleine, deckelartige Holzmütze, welche auf der Frisur befestigt wird. Es ist ein stolzer, selbstbewußter Stamm; ich wurde hier niemals durch die sonst dem Reisenden so lästigen Betteleien gestört, d. h. es ist eben hier Alles, auch das Betteln, Monopol des Häuptlings. Am folgenden Morgen sandte Ngila Essen für meine Leute, bestehend aus Durrhakuchen und Gemise mit gekochtem Biffelfleisch, und für uns Weiße Hühner und Bier. Ich rüstete mich, um ihm nach- mittags in feierlichem Aufzuge die für ihn bestimmten Geschenke zu überreichen. Dieselben bestanden aus 10 Gewehren, 4 Fäschen Pulver, 1 rothen Haussalleid, 1 Schwert, einer großen Menge verschiedener Stoffe, Dolchen, Feuersteinen und den üblichen Kleinigkeiten, als Perlen, Spiegel, Messer, Schmuck u. s. w. Ganz Ngila schien auf den großen Platz vor den Hütten des Häuptlings ausgerückt, um unsere Gaben zu sehen. Diese schienen Lionns Beifall gefunden zu haben, denn nachdem er prüfend jedes einzelne Stück gemustert hatte, gingen sie im Kreise seiner Großen und Lieblingsweiber von Hand zu Hand, und wie ein Kind bezeugte er durch Händeklatschen seine Freude über das eine oder das andere Stück, das ihm besonders gefiel. Er sagte mir seinen besten Dank für die bedeu- tenden Geschenke und vor Allem dafür, daß wir wieder zu ihm gekommen seien, und bat mich nun, auch das Wort des Weißen, welcher früher bei Ngila war, wahr zu machen und einc Station zu errichten; er würde mir hierzu den schönsten Platz im Orte anweisen. Ich erwiderte ihm, aus meinem Besuche könne er ersehen, daß es bekannt sei, daß er und sein Volk die Freunde der Weißen seien, und deshalb würden mir auch bald weiße Händler solgen, welche ein dauerndes Handelsverhältniß mit ihm anknüpfen würden. Was mich anbeträfe, könnte ich nicht sehr lange bei ihm verweilen, da ich auch seine Tributarherren in Tibati und wola besuchen müsse. Daß er jedoch in hohem Ansehen bei uns stände möge er daraus ersehen, daß wir den Weg dahin nicht über das große Wasser, sondern über sein Land genommen hätten. — Damit schien er zufrieden zu sein und bat uns, in unsere Häuser zurückzukehren, morgen werde er uns seine Gegengeschenke über- reichen. So lange jedoch sollten wir seine Gesell- schaft nicht entbehren, denn bereits am selben Abend – erschien er in meiner Wohnung, um mir einen soge- nannten Privatbesuch zu machen. Nach einigen ein- leitenden Redensarten ging er direlt auf sein Ziel los. Er sagte mir, ich hätte ihm zwar große Ge- schenke gemacht, und vor Allem hätten ihn die Ge- wehre sehr erfreut, denn die Wuts seien ein kriege- risches Volkl; aber von den 10 Stück, welche er erhalten, hätte er 7 an andere Häuptlinge abgegeben, so daß ihm nur 3 geblieben seien, und so möchte ich doch noch einige zulegen. So sehr ich nun aller- dings erstaunt war über die seltene Schamlosigkeit, mit welcher mich Lionn kurz nach Empfang meiner wirklich über das Maß hinausgegangenen Geschenke anbettelte, konnte mich doch sehr bald in dieser Hin- sicht nichts mehr in Erstaunen setzen, denn hiermit begannen erst die unaushörlichen Betteleien, denen ich während meines ganzen Aufenthaltes in Ngila von Seiten des habsüchtigen Häuptlings ausgesetzt war, denen er durch alle möglichen Mittel Nachdruck zu verleihen suchte, und welche mir den Aufenthalt derart verleideten, daß ich suchte, so bald als irgend möglich wegzukommen. Selbstverständlich blieb ich unempfindlich für jetzt und später, und konnte ich bereits bei Empfang seiner Gegengeschenke den Grad seiner Stimmung gegen mich bemessen, denn diese bestanden aus 10 theilweise sehr kleinen Elefanten- zähnen und einem recht minderen Pferde. Ich ließ ihm auch mein Mißfallen darüber durch Cornelins ausdrücken, und sagte er zu diesem, er würde mir viele und große Geschenke machen, doch müßte ich ihm auch noch viel geben, das hieß mit dürren Worten, er wollte mit mir ein großes Tauschgeschäft eingehen, bei welchem ich jedoch nicht hätte markten dürsen. Darauf nun konnte ich mich selbstverständ- lich nicht einlassen, und so trübte sich unser gegen- seitiges Verhällniß mehr und mehr. Täglich mußte ich stundenlang seine Betteleien ertragen, speziell wünschte er absolut einen Hinterlader zu besitzen. Wenn ich ganz taub für seine Bitten war, verlicß er meist im Zorn die Hütte, und ich merkte bald die Folgen desselben daran, daß es meinen Leuten nicht möglich war, im Orte Lebensmittel einzukausen, da Lionn seinem Volke verboten hatte, solche an uns abzugeben. Allerdings wurden wir dann nachts durch die Haussas mit Proviant versehen, doch war es erklärlich, daß diese geriebenen Kaufleute hierbei ihren Vortheil wahrnahmen und uns die Preise entsprechend höher berechneten. Ich möchte deshalb auch einer Handelskarawane nicht rathen, unter den gegenwärtigen Verhältnissen nach Ngila selbst zu kommen, da sie dort zu sehr der Willkür des habsüchtigen Häuptlings ausgeseßzt ist, vielmehr dürste der Platz für eine vorüber- gehende Station eher an den Nachtigalfällen zu finden sein. Der dort herrschende Häuptling Nyumbe be- suchte mich während meines Aufenthalts in Ngila und hat auf mich einen bedeutend besseren Eindruck als alle anderen Häuptlinge gemacht. Er theilte