— 137 — verwandten Stamme, augehörig, wurden durch jahre- lange Kämpfe verdrängt oder in die Sklaverei ge- führt, und das früher wohlbebaute Land ist zur Wüstenei geworden. Am Abend des 28. April schlugen wir in einem engen Gebirgskessel, in malerischer Lage am Fuße der Nyuaberge Lager auf. Meine Leute mochten allerdings für die Schönheit der sie umgebenden Natur wenig empfänglich sein, denn nun schliefen wir schon die dritte Nacht im Busch und seit Yakun hatten wir keine Lebensmittel mehr kausen können. Deshalb traf auch der grauende Morgen die Expe- dition schon vollkommen marschbereit, sollte doch dieser Tag uns zu dem großen Lamido von Tibati bringen. Je weiter wir marschirten, um so mehr machte sich die Nähe eines großen Ortes fühlbar. Bald passirten wir große, weit ausgedehnte Farmen mit Mais-, Durrha= und Kassadafeldern, und in den Umzäunungen weidete zahlreiches Rindvieh — das sudanische Buckelrind. Solch verlockender Anblick belebte die Geister meiner entmuthigten Leute, und gegen Mittag machten wir Halt auf cinem Hügel, dem gegenüber ein endlos scheinendes Häusermeer sich ausdehnte — Sanserni Tibati. Nachdem ich die üblichen Be- grüßungssalven hatte abgeben lassen, wollte ich, da sich schwere Gewitterwolken zeigten, sogleich weiter- marschiren, doch meine Führer bedeuteten mir, daß dies nicht angängig sei, da wir von hier aus feierlich in die Stadt geleitet würden. Nach zwei Stunden langen Wartens entlud sich das Unwetter, und durch und durch naß, jedes mohammedanische Ceremoniel zum Kuckuck wünschend, ließ ich die Lasten aufnehmen und beschloß, auch ohne feierliche Einholung in Sanserni einzuziehen. Auf einem großen Platee am Eingange des Ortes erwartete uns eine unzählige Vollsmenge, welche sich nun unter Schießen und dem Lärm der Trommeln, Elfenbeinhörner und Blechposaunen gegen uns in Bewegung seßte. Voran an der Spitze 14 berittene Chefs, der Majordomus des Lamido Agia, dem wir überwiesen waren, dann eine Anzahl Be- waffneter, meist mit Speer und Bogen, selten mit Gewehren, und dahinter das neugierige Volk. Die erste Begrüßung der Chefs bestand darin, daß jeder derselben einzeln mit Geschrei und Speer- schwingen in Karriere auf uns los ritt und sein Pferd knapp einen Schritt vor uns parirte. Jedem gelang dieses Reiterkunststück nicht, und kamen einige Male Roß und Reiter auf dem glatten Boden zu Falle, während einer den Premierlieutenant Häring buch- stäblich überritt. Nun wurden wir zu der am höchslen Punkte des Platzes gelegenen Königsburg geführt, woselbst an der Eingangspsorte seines Palastes, um- heben von seinen Großen und einer vielköpfigen Schar, Amalamu unserer harrke. Da er sich unt einem großen Turban und dem Sitam bedeckt hatte, war es mir damals nicht möglich, sein Gesicht zu sehen, nur das konnte ich erkennen, daß seine Hautfarbe sehr hell, fast gelb war. Wie gebräuchlich, war die erste Begrüßung kurz und förmlich, und befahl er Agia, uns Hütten anzuweisen. Sanserni Tibati, das heißt Kriegslager von Tibali, liegt auf drei flachen Rücken, welche von einer Kuppe ausgehen, auf der sich die Alles über- ragende Königsburg befindet. Der Lamido, dessen Vater vorher die Unterwersung der Wuts und Domms beendet hatte, liegt hier nun schon vier Jahre im Kriege gegen den Stamm der Mandion- golos, deren Hauplstadt Ngambé kaum 1 km von den äußersten Hütten des Sanserni entfernt ist. Die ganze Bauart desselben ist die eines großen Fullah= ortes. Jede Familie hat für sich ihren eingczäunten Komplex, innerhalb dessen sich eine Anzahl Lehm- hütten befindet, und in welchem jedes freie Stück Erde zum Anubau von Korn benutzt ist. Die Königs- burg unterscheidet sich einzig dadurch von den Wohn- pläßen der übrigen Großen, daß sic, von einem 5 bis 6 m hohen Flechtzaun umgeben, den Einblick voll- kommen verwehrt. Sanserni ist eben momentan der Hauptort des Tibatireiches und dürste elwa 10 000 Einwohner haben, da selbstverständlich die entsprechende Anzahl Weiber und Sklaven den Kriegern folgen mußte. Durch die Ansammlung so großer Menschen- massen ist der Ort auch momentan der Haupthandels- platz des Reiches, und es halten sich zahlreiche Haussas daselbst auf, welche durch den Lamido gezwungen werden, ihren Weg nach Süden über Sanserni zu nehmen. Infolgedessen ist hier auch ein bedeutender Markt. Der Marktplatz ist ziemlich groß und hat eine bedentende Anzahl gedeckter Stände, in welchen die Haussas alle möglichen Kleinigkeiten, als meist selbstgewebte Stosse, Fullahmützen, Perlen und Arm- bänder sowie Ledersachen und Hausgeräthe feilbieten. Außerdem wird täglich geschlachlet, und ist das Fleisch in kleinen und großen Portionen hier zu kaufen, ebenso wie alle anderen Lebensmittel, als Mehl, Salz und vor Allem die so beliebten, aus Durrha bereiteten und in Palmöl gebratenen Brote. Seit unserem Aufenthalt in Adamaua konnten wir auch überall reinen, herrlich schmeckenden Gebirgshonig bekommen, und derselbe war auch hier am Markte zu haben. Große Geschäste in Toben, Pferden, Rindvieh und Elfenbein werden jedoch niemals auf dem Markte, sondern stets in den Häusern abgemacht. Das hier übliche Kleingeld ist die Kaurimuschel oder auch die weiße Perle, von welcher die runde fünf, die flache ein Kauri gilt. Die herrschende Nasse im Tibatireiche sind die Fullahs, welche sich jedoch im Unterschied zu den anderen Adamauastaaten hier in der Minderzahl befinden; die Mehrzahl bilden die Ureinwohner des Landes, die Kapullahs. Wenn auch die Fullahs diese als tief unter sich stehend be- trachten und sie verächtlich Sllaven nennen, stützt sich der Lamido doch hauptsächlich auf sie und hat den- selben auch die obersten Hoschargen eingeräumt, wie spezicll das Amt des Galadima, des Oberseldherrn,