— 144 — noch keinen Südsee-Insulaner gesehen, der gewußt hätte, wann er geboren wäre. In seinem Gefolge befand sich auch der be- rüchtigte Kapen (Kapitän) Matu, ohne Zweifel die interessanteste Gestalt, welche ich auf der ganzen Reise zu Gesicht bekommen habe. Seine lange, hagere, starkknochige Gestalt mit dem braunrothen, vogelähnlichen, scharsgeschnittenen Kopf, dessen spär- liches ergrautes Haar, auf dem Scheitel in einen Knoten geschürzt, ebenso wie das eine Ohr mit dem zu einem riesigen Ohrringe künstlich umgebildeten Ohrlappen mit einem Busch schwarzer Federn ge- schmückt war, erinnerte unwillkürlich an eine der Indianergestalten Coopers. Man sieht es dem ver- wegenen und verwilterten Gesichte Kapen Matus an, daß er in Kampf und Fehde alt geworden ist und wohl Manches auf seinem Gewissen haben mag, was das Licht der Sonne zu scheuen hat. Da er auch von allen meinen Amtsvorgängern stets als eine der Ordnung nicht freundliche Persönlichkeit angesehen worden ist, so habe ich nicht versäumt, mich mit ihm etwas näher zu beschäftigen. Ich habe ihm nicht verhehlt, daß mir Manches über ihn zu Ohren gekommen sei, das mir nicht gefallen hätte. Es schiene ganz, als sei er der recht eigentliche Friedensstörer in Majuru, und ich warne ihn nun zum letzten Male ernstlich vor Schritten, die ihn mit der Kaiserlichen Negierung in Konflikt bringen könnten. Ich sei nicht gewillt, ihm das Geringste ungestraft hingehen zu lassen, und bei der leisesten Klage, daß er von Neuem Unfrieden anzustiften suche, würde ich ihn nach Jaluit bringen lassen. Er versprach hoch und theuer, Alles zu thun, was ich wünschen oder befehlen würde. Wenn ich auch auf seine Worte nicht viel gebe, so glaube ich doch, daß er aus Furcht schon für die nächste Zukunft wenigstens seinen ganzen Einfluß aufbieten wird, um Jibberick, der ziemlich abhängig zu sein scheint, in Ruhe zu hallen. Einc Viertelstunde später kam der Häuptting Kaibucki mit etwa 200 seiner Leute an, worauf sogleich cine reinliche Scheidung zwischen den beiden gegnerischen Völkern eintrat, indem die Einen den Platz rechts von mir, die Anderen den links ein- nahmen. Jede Annäherung wurde vermieden. Die beiden Häuptlinge mußten sich jeder auf eine Matte vor einer jungen Palme, an die die Flagge des Schutgebietes geheflet war, niederseßen, und nun begann ein langes Palawer mit ihnen. Wie immer leugneten sie Alles und schoben Einer die Schuld auf den Anderen. So setzte ich ihnen dann auseinander, daß nach dem Willen meines Kaisers hier im Schubgebiete Ruhe und Frieden herrschen sollte, und daß ich denjenigen, welcher zuerst von ihnen wieder zu den Waffen greifen sollte, auf eine einsame Insel verbannen würde. Sie wären ja Christen und wüßten, daß jeder Todtschläger seine That mit dem Leben büßen müßte. Es sei ein — schweres Unrecht, daß Jibbericks Leute einen Palmen= hain niedergehauen hätten; wer solche Frevel be- ginge, der verdiene, daß ihm die Hand abgehauen würde. In einigen Monaten würde ich mit einem Kriegsschiff kommen und sehen, ob sie gehorsam und friedlich gewesen wären oder nicht. Sie mußten nun in meiner Gegemwvart seierlich geloben, den gegen- seitigen Besitzstand, wie er seiner Zeit von Kommissar Biermann festgesetzt worden war, zu respektiren und unter allen Umständen Frieden zu halten. Sie ver- sprachen das unter Anrufung Gottes zu ihrem Zeugen, daß sie ihr Wort ehrlich halten wollten, und ich glaube, daß sie bis zu meiner Rückkehr Ruhe halten werden. Nachdem noch eine alte, von ehemaligen Schooner= ankäufen herrührende Schuldsache Jibbericks gegen Kaibucki zu beiderseitiger Zufriedenheit erledigt worden war, und die Häuptlinge und ihre Leute reichliche Geschenke, namentlich an Ehwaaren, Tabak und Bier, erhalten hatten, segelten sie im Laufe des Tages nach den verschiedenen Inseln wieder ab. Am Morgen des 31. Angust verließ der „Archer“ die Lagune von Majuru und erreichte am Nachmittag die Südwestspibe von Arno. Da nach zuver- lässigen Berichten hier in Arno die beiden Häupt- linge David und Wujelang ebenfalls in Feind- schaft lebten und schon vor einiger Zeit sich bewaffnet gegenüber gestanden hatten, so begab ich mich in Begleitung des Regierungsarztes Dr. Steinbach und des Polizcimeisters Kapitän Reiher sofort durch die Brandung über das Riff an Land, um die Leute auszusuchen. Wie immer wollic Keiner schuld an der Feindschaft gewesen sein, wenn sie auch die That- sache zugaben, daß sie bewaffnet und in kriegerischer Absicht sich gegenüber gestanden hätten. Rang= und Besitzstreitigkeiten und zulet noch Frauengeschichten haben offenbar zusammengewirkt, um die beiden sonst friedlichen Leute miteinander in Fehde zu bringen. Ich habe ihnen das Thörichte und Gefährliche ihres Beginnens nachdrücklich auseinandergesehzt und ihnen, falls sie auf mich nicht hören würden, mit Strafe gedroht und hatte am Ende die Genugthunng, daß sie wieder die besten Freunde wurden. David trat freiwillig an Wujelang das oberste Regiment über Arno ab, und zur Bekräftigung ihrer neuen Freund- schaft und um jede Möglichkeit von neuen Streitig- keiten auszuschließen, beschlossen sie, sich gegenseitig zum Erben einzusetzen und das Testament darüber bei der Landeshauptmannschaft in Jaluit nieder- zulegen. Das ist inzwischen von Seiten Wujclangs auch bereits geschehen; er ist mit seinen Unter- häuptlingen mir nach Jaluit gesolgt und hat hier am 15. September sein Testament in der angegebenen Weise gemacht sowie bei mir deponirt. David wird seinerseits, wenn ich mit dem Kriegsschisse nach Arno komme, in derselben Weise seinen bisherigen Gegner zu seinem alleinigen Erben für den Fall seines Todes einsetzen.