— 320 — 1. in Civil= und Handelssachen für alle Rechts- streitigkeiten, in denen ein Nichteingeborener, der Staat oder eine Verwaltungsbehörde Partei ist; 2. in Strafsachen bei allen innerhalb des Staats- hebietes begangenen Zuwiderhandlungen gegen Ver- ordnungen, Dekrete u. s. w. strafrechtlichen Inhaltes. Die Bezirksgerichte erkennen nur in Strassachen. Ihre sachliche Zuständigkeit ist dieselbe wie die des Gerichtes erster Instanz, aber örtlich beschränkt auf die innerhalb ihres Bezirkes begangenen strafbaren Handlungen. Bei den außerhalb ihres Begzirkes begangenen Delikten sind sie zuständig, wenn der Thäter in ihrem Bezirke wohnt oder dort er- griffen wird. Die von einem Eingeborenen begangenen straf- baren Handlungen, bei denen cin anderer Einge- borener der Verletzte oder Geschädigte ist, kann der Vertreter der Staatsanwaltschaft dem betrefjenden Stammeshäuptling zur Aburtheilung nach den ein- heimischen Rechtsgewohnheiten überweisen. Aus- geschlossen von dieser Ueberweisung sind die Ver- letzungen der in dem Dekrete vom 1. Juli 1891 gegen die Sklaverei erlassenen Vorschriften (siehe Art. 14 daf.). Die Kriegsgerichte sind erstinstanzliche Gerichte und erkennen bei allen Verbrechen (crimes) und Vergehen (délits) gegen die gewöhnlichen Straf- gesetze. Jedoch ist nach dem Dekret vom 30. Ok- tober 1895, welches unter Abänderung der früheren Bestimmungen ergangen ist, bei den von Europäern begangenen Verbrechen, die mit der Todesstrafe be- droht sind, das Gericht erster Instanz in Boma unter Ausschluß der Kriegsgerichte in erster Instanz zuständig. Außerdem sind die Kriegsgerichte zu- ständig für die von den Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten der bewaffneten Macht des Kongo- staates begangenen militärischen Delikte. Bei den Verhandlungen der Kriegsgerichte bildet die Abwesenheit des Vertreters der Staatsanwalt- schaft keinen Grund für die Nichtigkeit des Ver- fahrens. Das Appellationsgericht ist zuständig in zweiter Instanz: in Civil= und Handelssachen bei den gegen die Urtheile des Gerichtshofes ersier Instanz eingelegten Berufungen; in Strassachen bei den Bernfungen gegen die Urtheile des Gerichtshofes erster Instanz, der Be- zirksgerichte und der Kriegsgerichte. Eine Be- schränkung der Berufung besteht nur bei den Ur- theilen der Kriegsgerichte insofern, als sie für Militärpersonen und Eingeborene ausgeschlossen ist, wenn das Urtheil von einem Kriegsgericht erlassen ist, für dessen Bezirk vom Generalgouverneur der Belagerungszustand (rogime militaire spécial) verkündet worden ist. In erster Instanz erkennt das Appellationsgericht bei Vergehen der Richter der Gerichte erster Instanz, ihrer Stellvertreter und der Vertreter der Staats- anwaltschaft bei diesen Gerichten. Für die Beru- sung ist in diesen Fällen das Obergericht (Conseil supéricur) in Brüssel zuständig. Von den die amtlichen Verhältnisse der Justiz- beamten betreffenden Vorschriften sind solgende her- vorzuheben: der Präsident und die beisitzenden Richter des Appellationsgerichtes, sowie die Richter erster Instanz werden vom Könige auf 5 Jahre ernannt. Voraussetzung für die Ernennung zum Präsidenten oder beisitzenden Richter des Appellationsgerichtes ist das vollendete 30. Lebensjahr, eine akademisch juristische Vorbildung (Erlangung des Doktortitels) und eine mindestens fünfjährige Thätigkeit als Richter oder Sachwalter oder Rechtslehrer an einer Uni- versität. Für die definitive Ernennung zum Richter erster Instanz ist regelmäßig außer dem vollendeten 25. Lebensjahr und der Erlangung des juristischen Doktortitels noch vorgeschrieben eine mindestens zwei und einhalbjährige Beschäftigung im Justizdienste des Kongostaates und die Absolvirung eines Examens, welches sich besonders auf die Rechtspflege und Ge- setzgebung des Kongostaates erstreckt. Ausnahmen von dieser Vorschrift können durch besonderes Dekret des Königs getroffen werden. Das Amt des Vertreters der Staatsanwaltschaft versieht bei dem Appellationsgerichtshof ein vom König ernannter Staatsanwalt (procureur d'Etat), welcher amtlich dem Generalgouverneur unterstellt ist. Die Ernennung zum Staatsanwalt ist an die- selben Voraussetzungen wie die Ernennung, zum bei- sitzenden Richter beim Appellationsgericht gebunden, doch genügt für den Staatsanwalt ein Alter von 27 Jahren. Die Geschäfte der Staatsanwaltschaft bei den Gerichten erster Instanz, den Bezirksgerichten und Kriegsgerichten werden von Stellvertretern (substituts) des Staatsanwalls wahrgenommen, welche vom Generalgouverneur aus der Zahl der durch königliches Dekret ernannten Beamten, die den Nang eines capitain-commandant besitzen, er- nannt werden. Sie üben ihr Amt unter der Ober- aussicht und Leitung des Staatsanwaltes aus, dem sie Abschriften von allen gefällten Strafurtheilen zugehen zu lassen haben. Die Richter der ordentlichen Strafgerichte, bezw. ihre Stellvertreter, sind von rechtswegen zugleich zu Richtern bei den Kriegsgerichten berufen, falls nicht der Generalgouverneur eine abweichende Anordnung trifft. Ein Gleiches gilt von den Vertretern der Staatsanwaltschast. Der Vorsitzende des Appellationsgerichtes wird im Falle seiner Verhinderung durch den älltesten beisitzenden Richter vertreten. Die Stellvertreter der beisitzenden Richter, der Richter erster Instanz und die Beamten der Staatsanwaltschaft werden vom Generalgouverneur ernannt. Derselbe ernennt auch die Gerichtsschreiber (grelliers) des Appellations- gerichtes und der Gerichte erster Instanz, während