— 452 — beiden Europäern bis über die Kniee, da das Floß aber im ziemlich reißenden Strome nur trieb, war ein Abwaschen nicht zu fürchten. Opia stand vorne, Ranga hinten auf dem Floß, von Steuern war wenig die Rede. Kaum 150 m von der Abfahrtsstelle stieß das Floß, als es gerade an einem Felsen vorübertrieb, auf einen unter Wasser quer zur Stromrichtung liegenden Baumstamm und kenterte unmittelbar. Alles wurde ins Wasser geschleudert, und Ehlers und Piering, Beide scheinbar in tiefem Schlafe, der durch die körperliche Schwäche erklärt werden muß, ver- sanken lautlos in den Fluthen und sind auch nicht wieder an die Oberfläche gekommen; ohne Kampf sind sie kraftlos und willenlos in den reißenden Fluthen ertrunken. Ranga und Opia waren durch die Strömung in die Nähe des rechten Flußufers gerissen und es gelang Beiden, je ein herunterhän- gendes Lianentau zu ergreisen und sich an das Ufer zu retten. Von den beiden Europäern hat keiner von ihnen wieder etwas gesehen. Leider hat Ehlers den zu Juß weiter ge- wanderten Leuten keine schriftliche Mittheilung irgend welcher Art mitgegeben; Alles hat sich in dem von ihm selber auf das Floß mitgenommenen Stahlkoffer befunden, und so sind die Aufzeichnungen, welche genaues Licht über die Expedition, ihre Erfahrungen und Leiden verbreiten könnten, leider in dem Fluß versunken und unwiederbringlich verloren. Der Fluß, in welchem Ehlers und der Polizei- unteroffizier Piering wahrscheinlich um Mittag des 3. Oktober 1895 den Ertrinkungstod in den Fluthen gefunden haben, ist zweifellos, nach den weiteren Erlebnissen der verwaisten Expedition zu schließen, der in früheren Karten Heath River ge- nannte Fluß, welcher bei Motu-Motu in die Frisch- wasserbucht des Papuagolfes mündet. Seitens des Gouvernements von Britisch-Neu-Guinen wird dieser Fluß jetzt „Lakemumu River“, auch einmal „Motu- Motu River" genannt, die erstere Bezeichnung ist aber die offiziell gebräuchliche. Von den anderen Schwarzen hat das Kentern des Flosses und den Ertrinkungstod der beiden Weißen Niemand vom Ufer mit angesehen, da sie alle bereits vor Absetzen des Flosses sich auf den Weg gemacht hatten. - Ranga und Opia gelang es nach einiger Zeit, sich mit den Anderen zu vereinigen, und so gingen noch 33 Schwarze das Ufer des Flusses entlang, sich den Weg sast stets mit dem Buschmesser bahnend. Hin und wieder wurden einzelne Sagopalmen am Flusse gefunden, von deren Mark sich kärglich genährt wurde. Einzelne starben auf dem Wege an Entkrästung und zwei, Barono und Kipitu, kamen beim Suchen nach Nahrung von dem Gros ab. Nach neun Tagen Marsch waren schon elf der Ueberlebenden gestorben, zwei hatten sich augenschein- lich verirrt, so blieben nur noch 19 übrig, die bei einem größeren Bestand von Sagopalmen beschlossen, aus dem leichten Holz derselben sich Kanus zu bauen und die Weiterreise zu Wasser zu machen. Während einer dreitägigen Ruhe wurden die leichten Kanus fertiggestellt und dann ging es leicht stromab. Nachts wurde am Ufer angelegt und ge- schlafen und des Tags über wurde gefahren. Die Nahrung war lediglich das Mark der Sagopalme. Am sechsten Tage, also am 21. Oktober, sahen die Reisenden Kokosnußpalmen am Lande und froh des langersehnten Anblicks, eilten sie an Land, um sich die beliebte Nahrung zu holen. Bald erschien aber ein Boot mit bewaffneten Eingeborenen, die sofort mit Bogen und Pfeil drohten. Die Besonnenheit der Schwarzen, obgleich sie über sechs Mauserkara- biner und genügend Patronen verfügten, verbunden mit ihrem traurigen körperlichen Zustande, der den Angreifenden durch bezeichnende Geberde bald erkenn- bar gemacht wurde, ließen es nicht zum Kampfe kommen. Die Eingeborenen hatten bald verstanden, daß sie es mit halb verhungerten Leuten zu thun hatten, die ihre Unterstützung anriefen, sie waren freundlich und gaben ihnen nun freiwillig genügend Kokosnüsse, daß ihr Hunger einigermaßen gestillt wurde. Die Reisenden wurden nun in das Dorf geführt, eines der vielen Mowiawidörfer jener Gegend, gut behandelt und bewirthet. Nach einer Nachtruhe, die endlich unter Dach geschehen konnte, und fast Alle gekräftigt, ihnen jedenfalls neuen Muth bei der Ge- wißheit ihrer Rettung eingeflößt hatte, wurden am nächsten Tage die Kanus bestiegen und innerhalb drei Tagen war Motu-Motu an der Mündung des Flusses erreicht. Der Lehrer der Londoner Missions- gesellschaft Peter und der Häuptling Lahari von Motu-Motu nahmen sich mit großer Sorge der Ueberlebenden an. Als dem Häuptling Lahari er- zählt wurde, daß zwei sich verirrt hätten und daß sie noch im Innern steckten, ging dieser Mann mit Begleitung ins Innere und es gelang ihm wirklich, die beiden, Barono und Kipitu, die etwa zehn Tage lang mit einem kleinen Buschstamme gelebt hatten und dort gut behandelt waren, zu finden und am 4. No- vember nach Motu-Motu zu bringen. Die Ueber- lebenden der unglücklichen Expedition haben also wirklich das Ziel, welches sich Ehlers gesleckt hatte, erreicht, sie sind an der Mündung des in den älteren Karten „Heath River“ genannten Flusses Lakemumu an die See, den Golf von Papua, ge- kommen. Nur die beklagenswerthe Unterschätzung der Schwierigkeiten des Weges und damit eng ver- bunden die Mitnahme zu geringer Lebensmittelvorräthe haben die geplante Durchauerung verunglücken lassen. Mit genügender Nahrung versehen, wären die übrigen schweren Leiden zu ertragen gewesen, nur der Nah- rungsmangel hat mit der Abnahme des physischen Widerstandes auch die moralische Kraft gebrochen und eine Lässigkeit in der Behandlung der bösen eiterigen Wunden nach sich gezogen, die für die Meisten und besonders Ehlers und Piering mit verhängniß- voll geworden ist.