— 486 von der Küste herrscht dichter Busch vor, jedoch vielsach unterbrochen durch reizvolle Parklandschaften und durch das von Westen nach Osten sich hindurch- ziehende werthvolle Oelpalmengebiet. Von Kewega bis Klonu und späterhin jenseits des Agomegebirges in der Voltaniederung tritt an die Stelle des Busches die trostlose Savanne, mit ihrem hohen, jede Fernsicht verhindernden, schilfartigen Grase und den inselartig in derselben auftretenden Baumgruppen, welche letzteren sich an den Rändern der Bachläufe zu dichten Galeriewäldern entwickeln und durch den kühlenden Schatten, den sic spenden, dem erschlafften Wanderer ein willkommenes Nastplätzchen gewähren. Das Gebiet zwischen Klonn und Agome-Palimc, die Berglehnen des Agomegebirges, sowie die zahlreichen tief eingeschnittenen Thäler des letzteren sind mit üppigem Hochwald bestanden, welchem die unermeß- lich hohen Bäume von tadellosem geraden Wuchse, das undurchdringliche großblätterige Laub, die kühn von Ast zu Ast sich schwingenden Lianen und end- lich die noch in größerer Menge auftretende Oel- palme das typische Gepräge eines tropischen Urwaldes verleihen. Die zahlreichen am Wege gelegenen gut be- arbeiteten Farmen ließen nicht nur erkennen, daß die Eingeborenen ein beachtenswerthes Geschick für die Bebauung des Bodens besitzen, sondern daß auch die Fruchtbarkeit des lehteren eine sehr beträcht- liche sein muß, und daher eine Ackerwirthschaft in größerem Maßstabe reichlich lohnen würde. In der Küstenregion beschränkt sich der Anban fast nur auf Mais, Kassada und Yams, während weiter im Innern noch Reis, Erdnüsse und Guineakorn hinzu- treten. Der von den Eingeborenen mit gutem Er- solg betriebene Ackerbau bewegt sich leider nur in sehr bescheidenen Grenzen, während ungemessene Landstriche im Naturzustande brach daliegen und ihrer Urbarmachung harren. Die Arbeitsamkeit ge- hört nun einmal nicht zu den starken Seiten des Negers; er verwendet daher auf die Bebauung des Bodens nicht mehr Fleiß und Sorgfalt, als die Beschaffung des eigenen Lebensunterhaltes gerade erfordert. In Bezug auf die Abwechselung in der Ernährung sind seine Bedürfnisse außerordentlich geringe, in Bezug auf die Menge dagegen um so größer. Der Eingeborene ist im Stande, den ganzen Tag mit Essen zu verbringen, und da die von ihm mit Vorliebe gezogenen Bodenprodukte einen hohen Nährwerth besitzen, so macht die Bevölkerung durch- weg einen recht wohlgenährten Eindruck. Hunger- gestalten. wie man sie in Südwestafrika so häufig antrifft, sind mir hier niemals zu Gesicht gekommen. Da dem Neger ferner der Begriff „Zeit“ un- betannt ist, so geht die Kultivirung des Bodens nur in langsamstem Tempo vorwärts. Es ist ihm dabei völlig gleichgültig, wieviel Monate, ja zuweilen Jahre er braucht, bis er ein Stück Land aus- gerodet und in aubaufähigen Zustand gebracht hat. Bemerkenswerth ist jedoch, daß der Eingeborene andererseits die Mühe nicht scheut, einen Theil des dichtesten Urwaldes urbar zu machen, da er wohl weiß, daß der humusreiche Waldboden bedeutend ertragfähiger ist als derjenige der Savannc. An diesen den Negern angeborenen Eigenschaften werden die Versuche, dieselben zum Massenanbau von Kolonialprodukten des Weltmarktes, wie Kaffec, Tabak, Kakao, Kokos, Baumwolle 2c., zu bewegen, sicherlich noch auf Generationen hinaus heftigen Widerstand finden. In der Nähe der Küste freilich macht sich die Berührung mit den Weißen und die Wirkung der von diesen ausgehenden Unternehmungs- lust in den von wohlhabenderen Eingeborenen an- gelegten umfangreichen Kaffee= und Kokosnußplan- tagen bereits deutlich bemerkbar. Wenige Stunden von der Küste entfernt verschwinden jedoch diese erfreulichen Spuren eines erweiterten Blickes, die Bewohner leben nur noch von der Hand in den Mund, ohne Sorge für den folgenden Tag oder die fernere Zukunft. Ich habe mich über diesen Punkt öfter mit anscheinend verständigeren Eingeborenen unterhalten, war aber überrascht, mit welcher Ueber- einstimmung mir stets die gleichen Entschuldigungs- gründe entgegengehalten wurden. Ihre Eltern hätten für sie nicht gesorgt, erklärten sie rundweg, und ihre Kinder müßten daher ebenfalls zusehen, wie sie sich durchs Leben schlügen. Die Mutter Erde lohnt eben hier die auf ihre Bearbeitung verwandte kaum nennenswerthe Mühe so reichlich, daß der Bewohner zeitlebens jeder Noth überhoben ist. Nur in dem im Bezirke Misahöhe gelegenen Dorfe Kuma scheint sich ein frischerer Geist Bahn gebrochen zu haben, wie die dortselbst von den Ein- geborenen angelegten Kaffeeplantagen erkennen lassen. Obwohl den Bewohnern von Kuma bisher jede Anleitung für solche Kulturen fehlte, soll der dort gewonnene Kaffee doch von recht schmackhafter, jeden- falls von export= und marktfähiger Onalität sein. Leider waren die Kumaleute infolge des geringen Preises, der ihnen von den Faktoreien geboten wurde, bereits sehr entmuthigt, sich dem Kaffeebau noch ferner zu widmen. Hoffentlich gelingt es trotdessen, das Interesse der Bevölkerung für nutbringende Kulturen zu wecken. Ich verspreche mir in dieser Richtung von der Mission des Wanderlehrers Weeckel, welcher sich gegenwärtig im Innern auf- hält, einen günstigen Erfolg. Die geringe Mühe, welche die Beschaffung des nothwendigen Lebensunterhaltes verursacht, die über- aus reichlichen Erträgnisse des Bodens, verbunden mit der Anspruchslosigkeit des Negers, sind zwar die Ursache, welche den Hang zum Nichtsthun wesentlich begünstigt; sie haben aber andererseits, für den Reisenden wenigstens, die nicht zu unter- schätzende Annehmlichkeit zur Folge, daß die Bettelei gänzlich unbekannt ist. In allen Dörfern, welche unsere Expedition be- rührte, war unmittelbar am Wege die deutsche Flagge gehißt, die, lustig im Winde flatternd, uns oft schon