Am anderen Morgen setzten wir unseren Marsch fort und trafen gegen 9 Uhr vormittags in der Residenz Rumonges, des gefürchteten Oberhäupt- lings oder Watwale von Urundi, ein. Unser Marsch an diesem Tage war ein wahrer Triumph= zug! Die Begeisterung des Volkes überstieg alle Begrisse. Tausende von Warundi begleiteten uns, ein Meer von Lanzen wogte vor und hinter uns und zu beiden Seilen. Alle Hügel, Berggipfel, Thäler waren schwarz von Menschen, soweit wir marschirten, als ob die Erde sie ausgespieen hätte. Wir errichteten unser Lager 100 m vom „Kraal“ Rumonges, und nun entwickelte sich ein Schauspiel, das uns unvergeßlich bleibt. Den ganzen Tag über waren wir Gegenstand der Ehrenbezen- gungen des Volkes und das gespendete Stroh wuchs zu großen Haufen an. Erst kamen die Männer, dann die Frauen und Kinder, und wenn ich hier und da einer Mutter einige rothe Perlen gab, so stieg die Begeisterung ins Ungemessene. Nach den Ehrenbezeugungen kamen die kriegerischen Festspiele, an der Tausende mit Lanzen bewaffneter Warundi theilnahmen. Am Nachmittag kam Rumonge selbst, um uns zu begrüßen und uns sein Geschenk zu überbringen. Er ist ein ann von etwa 70 Jahren, aber noch recht rüstig. Natürlich brachten auch wir ihm unser Geschenk, das ihn entzückte. Wir sind die besten Freunde von der Welt ge- worden. An den folgenden Tagen besichtigten wir die Umgebung, um den Ort zu finden, an dem wir uns endgültig niederlassen wollten. Wir durftien ganz nach Belieben wählen. Wir hatten schon von Musabiko, einem der mächtigsten Häuptlinge des Landes, gehört, der zehn Stunden weiter am Ufer des Ruwuru wohnt. Mit ihm wollten wir uns in nähere Verbindung setzen, und so marschirten wir am 20. Juli von Kinani wieder ab. An diesem Tage kamen wir 2½ Stunden weit westlich bis nach Isagara, zum Häuptling Sengona. In Wirklichkeit hat Urundi keinen eigenklichen König. Der von Reisenden genannte Kisabo ist nur der Name einer verflossenen Herrscherfamilie. Musa- biko scheint so etwas zu sein wie Pipin von Heristall seinerzeit bei den Franken war, das ganze Urundi aber untersteht einer gewissen Anzahl von „Baronen“ oder „Herzogen", die alle mehr oder weniger Macht besitzen. In Isagara blieben wir mehrere Tage und sanden Gelegenheit, uns schon ein wenig das Ver- trauen unserer neuen „Pfarrkinder“ zu erwerben, die massenhaft zu uns kamen. Die Warundi bilden eine stattliche Negerrasse, groß und schlank, stolz, rauh und abgehärtet wie ein Gebirgsvolk, frei und eifer- süchtig auf seine Unabhängigkeit. Niemals gelang es den Arabern, in Urundi einzudringen. Der be- rüchtigte Sklavenräuber Rumaliza hat es nur ein- mal versucht, sich da Beute zu holen; er kam nie- mals wieder. Mirambo, den Stanley den 107 schwarzen Napoleon nennt, fand in Urundi sein Waterloo, ganz nahe bei uns, in Musale, welcher Ort dadurch in ganz Ostafrika berühmt geworden ist. Bis zum 10. August blieben wir bei Sengona in Isogara. Während dieser 20 Tage unterhandelten wir mit dem mächtigen Musabiko. Wir ließen ihm zunächst durch Rumonges Bruder sagen, daß wir seine Freunde werden und bei ihm bleiben wollten. Einige Tage später erfuhren wir, daß Musabiko ein großes Geschenk für uns vorbereite und sogar alle seine untergebenen Watwale (wohl Dorföltesten) aufgefordert habe, dazu beizutragen. Endlich, am 31. Juli mittags, erhielten wir Meldung, daß von Musabikos Seite her eine Menschenmenge heran- ziehe. Eine halbe Stunde später war der Volks- haufe vor unserem Zelte. Ein Nyampara (etwa Minister) des Fürsten, ein strammer Neger mit energischem Auftreten, übergab uns als Zeichen der Freundschaft seines Herrn einen Prachtochsen und 30 Ziegen. Am anderen Tage kehrte der Ge- sandte zurück und nahm unser Geschenk für Musa- biko mit. Am 10. August zogen wir wieder weiter, aber es ging langsam, denn die Leute von Urundi haben keine Uebung im Lastentragen, und es war sehr schwer, die nöthige Anzahl Träger zu finden. Die Häuptlinge halsen uns, indem sie ihren Unterthanen befahlen, unser Gepäck von einem Lagerplatze zum anderen zu schaffen. Ueberall auf dem Wege war die Bevölkerung freundlich gegen uns. So mar- schirten wir drei Tage westlich und ein wenig süd- westlich. Welch herrliches Land, das Urundi! Ueberall herrliche Berge, überall dichte Bevölkerung. Am 12. August kamen wir nach Kamunda, der Residenz Siwurungus, eines Bruders von Musa- biko, und von diesem Orte aus schreibe ich diese Zeilen. Siwurungu hat uns königlich aufge- nommen. Er ist ein sehr schöner Mann, noch ziem- lich jung und wohlgebaut, von nicht gewöhnlichem Aeußern. , Von hier aus gehen wir wahrscheinlich zu Musabiko; das sind noch drei Marschtage. Er re- sidirt — sagt man — am Ruwuru (Rogero) west- lich von hier. Sein Bruder glaubt, er werde uns hierher entgegenkommen. Die Missionare vom heiligen Herzen Jesu haben letzten Sommer von der deutschen Regierung Ein- laß auf deutschen Boden erlangt und zugleich die Genehmigung, zu Hiltrup bei Münster ein Missions- haus speziell für die deutschen Schutzgebiete der Südsee zu gründen. Ueber die Genossenschaft der Missionare vom hochheiligen Herzen Jesu berichtet „Kreuz und Schwert“: Die Genossenschaft der Missionare vom hoch- heiligen Herzen Jesu ist noch ganz frischen Datums. Ihr Stifter J. Chevalier lebt noch und befindet sich in Issoundun (Indre, Frankreich). Im Jahre