— 623 Kanus, uns abzuholen, und auch am 15. Juni mor- gens brachten sie nur zwei Kanus, mit denen wir über den hier 700 m breiten Mbam nach Balinga- senn setzten, wo denn auch der Balingahäuptling selbst erschien und mir sofort Führer nach Watavé besorgen wollte, denn die Balingas haben ja bis zur Zerstörung der Barongostadt im vorigen Jahre durch den Sergeanten Staadt eine Wutebesatzung im Lande gehabt und Ngilas Hand schwer genug fühlen müssen. Um 11 Uhr vormittags trafen wir in Balinga ein; hier ließ ich sofort abkochen, machte meine Leute mit meiner Absicht bekannt, ließ das gesammte Gepäck mit vier Soldaten zurück und marschirte mittags um 2 Uhr mit von Balinga gestellten Führern in der Richtung auf Watavs an den Mbam, wo das Detachement um 6 Uhr abends eintraf. Da zwei Watavedörfer auf der anderen Mbanseite liegen, wurde bis zum Eintritt der völligen Dunkelheit mit Uebersetzen gewartet. Um 9 Uhr war Alles auf der Watavoseite des Mbam, und der Vormarsch begann. Watavé liegt ungefähr vier Stunden vom Mbam auf einer riesigen Bergkuppe, wohl 800 m über dem Meere, mitten in dichtem Walde. Es war so dunkel, daß Niemand seinen Vordermann sah. Mann an Mann sich haltend, ging es fallend und kriechend Schritt um Schritt vorwärts, bis wir uns um 3 Uhr nach Angabe der Führer vor der Stadt be- sanden, von der wir nichts sahen. Lautlos lagen wir bis 5 Uhr, dann ging Unteroffizier Klein mit einigen Soldaten vor und stand nach wenigen Schritten vor einer zwelmannshohen doppelten Reihe Baum- stämme, die, mit einem halben Schritt Abstand gestellt, eng verflochten waren. Von einer Thür war nichts zu sehen, ein breiter Weg lief außen an der Palli- sadirung entlang. Auf diesem ging um 5½ Uhr der Unteroffizier Klein nach links, der Haussa- unteroffizier Massadu mit 15 Haussas nach rechts vor, um das Thor zu suchen. Ich selbst begann mit den bei mir gebliebenen Leuten zu versuchen, einen Balken loszuschneiden und in der Erde zu lockern. Noch damit beschäftigt, hörte ich plötzlich von links lautes Leuten einer Glocke, dann einen Schuß, wildes Hurrahrufen und Schreien. Als wir einen Balken aus der Erde gerissen hatten und uns durch die enge Oeffnung zwängten, war die Ver- wirrung in der Stadt schon eine allgemeine. Watave besteht aus ungefähr 800 großen runden Hütten, die eng aneinander gebaut rings um einen wohl 100 m breiten und langen Marktplatz liegen. Die Stadt ist ringsum von einer ganz neu angelegten Pallisadirung umgeben und hat vier Thore. Ueber jedem waren mehrere große Glocken angebracht, die, sobald nachts das geschlossene Thor aufgestoßen wurde, läuteten. An jedem Thor lag eine Wache. Der farbige Feldwebel Zampa, der mit Unteroffizier lein zuerst an ein Thor kam, hatte den sich ihm mit Schild und Speer entgegenstellenden Wachmann erschossen. Mit mir zugleich drangen von der anderen Seite die Haussasoldaten in die Stadt. Die Ueber- raschung war völlig gelungen. Die Wutes flohen kopflos und setzten sich nirgends geschlossen zur Wehr, sondern feuerten nur vereinzelt und versuchten, die scharf nachdrängenden Soldaten und MYaundes mit dem Speer abzuweisen. Ihre mühsam angelegte Befestigung wurde ihnen nun selbst zum Verderben. In den dicht gedrängten Massen an den engen Thoren fielen viele und noch mehr wurden wohl verwundet. Um 6½⅛ Uhr war bis auf die freiwillig in den Häusern gebliebenen Weiber, meist Sklaven, die Stadt von Wutes leer. Watavé selbst war zu Pferde entkommen. Zwei Pferde, 51 Gewehre, viele Hundert Speere, Schilde und Bogen wurden vernichtet, reiche Beute an Haussagewändern, Pauken und sonstigen Gebrauchs- gegenständen von Soldaten und Yaundes gemacht. Der Feind ließ 113 gezählte Todte in der Stadt. Die Expedition verlor einen Yaunde — Schuß in die Brust — und hatte zwei verwundete Soldaten (Andu Kano, Stich durch den Hals; Gowa, Schuß in die rechte Schulter). Von den Gefangenen wurden die meisten in ihre Heimath entlassen, elf elternlose Mädchen überweise ich der Mission in Kribi. Um 8 Uhr ließ ich den Rückmarsch antreten. Am 16. Juni um 3 Uhr nachmittags war das Detachement wieder in Balinga, wo es von der Bevölkerung jubelnd begrüßt wurde. Der 17. Junie war Ruhetag. Am 18. Juni morgens ging das Detachement noch einmal über den Mbam und re- kognoszirte das abgebrannte Matav#, um zu sehen, ob sich die Wutes bereits wieder gesetzt hätten. Die Gefallenen waren begraben, aber die Gegend ringsum verlassen. Am 19. Juni lagerte das Detachement wieder in Balinga. Auf dem Rückmarsch wurde der Mangissahäuptling Ebishimbi vertrieben, die Wute- stadt Menage, aus der Ngila auf die Kunde von der Erstürmung Watavés eiligst abmarschirt war, völlig zerstört. Da auch die Ngilabesatzung aus Zamba geflohen ist, hat Ngila nunmehr keinerlei Stützpunkte mehr nach Süden. —— Inzwischen ist noch ein weiterer Bericht des Premierlieutenants Dominik d. d. Yaünde, den 8. August d. Is., hier eingetrofsen, wonach drei der einflußreichsten Großen aus der Umgebung Ngilas als Gesandtschaft mit drei großen Elfenbeinzähnen als Geschenk in Yaunde eingetrossen sind. Sie haben in Ngilas Namen, um Frieden gebeten und völlige Unterwerfung desselben versprochen. Ngila sei bereit, sich von Tibati loszusagen und selbst mit Dominik zusammenzukommen. Der Erfolg der Erstürmung Watavés ist demnach ein vollkommener gewesen und wird einen weiteren früher beabsichtigten Feldzug gegen Ngila. unnöthig machen. — —