— 10 — Instrumente Ortsbestimmungen zu machen, auch vor allen Dingen wegen der feindseligen Haltung der Ein- geborenen, weder die beabsichtigte Verbindung mit Usumbura aufnehmen, noch behufs schnelleren Mar- schirens mit einem Theil der Kompagnie nach Missugi vorauseilen oder eine stärkere Patrouille dorthin vor- aussenden. Außerdem wurde neben der langen Un- kenntniß über die Verhältnisse in Udjidji und Usum- bura der Mangel an Tauschwaaren immer fühlbarer, so daß die Feindseligkeiten der Eingeborenen, welche uns reichlich Lebensmittel und Vieh einbrachten, hier fast „als willkommen“ angesehen werden konnten. Am zweiten Marschtage (15. Mai) erreichte ich den Ruvuvu. Hier verschwanden die Führer, die Bewohner der Dörfer flüchteten, und wir standen vor dem hoch angeschwollenen, reißenden Fluß. Nach langen Tauchversuchen gelang es, eine nicht über brusttiefe Stelle ausfindig zu machen, an welcher wir übergehen konnten; Lebensmittel wurden an diesem Tage überhaupt nicht gebracht. Von hier marschirte ich ohne Führer, den Fluß zur Linken, in südlicher Richtung, überschritt am 18. die Luvironsa dicht oberhalb ihrer Einmündung in den Ruvuvu und lagerte am selben Tage in Kumuruga, einer dicht bewohnten, reichen Gegend, überall mit dem größten Mißtrauen empfangen. Am 16. hatten die Eingeborenen Abordnungen mit Lebensmitteln geschickt und erklärt, mit den Leuten von Serusanse nichts gemein zu haben; hier jedoch weigerten sich die Leute, irgend etwas zum Verkauf zu bringen, begannen, in Rotten herumstehend, zu höhnen, sie seien stärker als wir, und gingen schließ- lich zu Thätlichkeiten über. Trotzdem wollte ich ver- suchen, ohne Eingriff mit den Waffen, mit güt- lichem Zureden auszukommen. Als dieses jedoch nicht half, sondern die Leute immer übermüthiger wurden, der Mtwale als Geschenk einen Knüppel trockenes Holz sandte, schickte ich Premierlieutenant v. Grawert mit einem Zuge Askaris und einer Abtheilung Träger zum Requiriren. Dabei erneuerten die Schwarzen ihre Angriffe, und es kamen weitere Verwundungen von Trägern durch Speere und Pfeile vor. Die ganze Nacht hindurch lärmten die Bewohner und höhnten, so daß ich auch hier zu einer Bestrafung des Uebermuthes gezwungen wurde. Am 19. morgens entsandte ich zwei Züge nach dem großen Dorse des Mtwale, um ihn gefangen zu nehmen, jedoch mit der Weisung, nur im Noth- fall von der Waffe Gebrauch zu machen. Der Dorfälteste war bereits in der Nacht ent- flohen, die übrigen Leute setzten sich sofort bei An- näherung der Askari zur Wehr, schossen mit Pfeilen und warfen Speere und zogen sich in den dichten Bananenhainen nur schrittweise zurück, so daß von unserer Seite nun auch die Schußwaffe angewendet werden mußte. Ich selbst begab mich mit zwei Askari auf Pa- trouille in einige Dörfer, welche von den Ein- geborenen besetzt gehalten wurden; dabei fielen vier Warundi und wurden vier Gefangene gemacht. Der Verlust beim Feinde durch die beiden Züge betrug 84 Todte, sehr viel Verwundete und 36 Gefangene, außerdem 16 Rinder und 400 Stück Kleinvieh. Die Expedition hatte außer den leichten Verwun- dungen einiger Träger keinen Verlust zu beklagen. Trotz des für die Art der Eingeborenen-Kriegführung günstigen Geländes hielten die Schußwaffen die Schwarzen in respektvoller Entfernung, und nur vereinzelt brachten die Letzteren gute Pfeilschüsse an; so wurde dem Sol die linke Patronentasche durch einen Pfeil vollständig durchbohrt, während der zweite Schuß nur die äußere Wand der Tasche durchlöcherte. Am folgenden Tage ließ ich die sämmtlichen Ansiedelungen niederbrennen, wobei noch sechs Ein- geborene fielen, einiges Vieh und 90 Feldhacken, hier sehr werthvoll, erbeutet wurden. Darauf kamen Friedensabordnungen, und nachdem am 21. der Bruder des Mtwale, Lussonika, Führer und Ver- pflegung gebracht hatte, gab ich die Gefangenen zurück und marschirte weiter. Nach einer halben Stunde Marsch passirte ich ein Lager der Expedition Ramsay und konnte mich der Verwunderung nicht enthalten, daß gerade hier und dort, wo seiner Zeit Oberst v. Trotha gelagert hatte, die Leute zum Waffengebrauch herausforderten. Von jetzt an leug- neten die Bewohner wieder hartnäckig, den Aufent- halt der Missionare zu kennen, so daß ich fürchtete, die Missionare seien zum zweiten Male vertrieben oder gar ermordet worden. Aus dem ganzen Be- nehmen mußte ich schließen, daß irgend ein besonderer Grund für die Warundi vorlag, mich nicht nach Missugi zu führen, und das hartnäckige Leugnen, die Versuche, mich immer wieder nach Westen abzu- drängen, deuteten auf nichts Gutes. Am 25. Mai erbot sich ein Mann aus Uha, mich in drei Tagen zur Missionsstation zu führen. Ich versprach ihm eine gute Belohnung, ließ ihn mit dem Dolmetscher Blutsfreundschaft machen, um seiner sicher zu sein, und erreichte nun endlich, nach fast vierwöchigem Suchen, am 27. Mai den Platz Muyagga, wo vor vier Tagen die weißen Väter aus Missugi eingetroffen waren. Den letzteren Platz haben sie wegen der geringen Einwohnerzahl aufgegeben. Muyagga liegt etwa drei bis vier Marschstunden nordwestlich von Missugi. Hier fand ich aus Usumbura die Meldung von dem Uebertritt der Kongolesen auf deutsches Gebiet vor und beschloß nun, sofort in Eilmärschen nach meiner Nordstation aufzubrechen. Eine zweite Nach- richt über den angeblichen Stand der Dinge bei Udjsüdii, welche den Abmarsch der Tabora-Kompagnie dorthin, aus Anlaß einer Arabererhebung, mitgetheilt durch den Pater van der Burgh, besagte, ver- anlaßte mich, diesen Plan zu ändern und auf Udjidjt zu marschiren.