— 663 christlicher Gemeinden übrig lassen, brauchen uns die geschilderten Verhältnisse und Erfahrungen nicht zu entmuthigen. Sie weisen nur darauf hin, daß gründ- liche Geduldsarbeit nothwendig ist und daß man seine Hoffnungen auf rasche, in die Augen fallende Erfolge einschränken muß. Was noth thut, ist eine gründliche, gesunde christliche Erziehung der Jugend, Heranbildung tüchtiger eingeborener Arbeiter und da- neben treue Pflege der Gemeinden. Auf diesem Gebiet sind wir im letzten Jahre vorwärts gekommen. Für die Bildung der weiblichen Jugend hatte bisher wenig geschehen können. Jetzt ist durch Grün- dung einer Mädchenanstalt in Bonaku ein hoffnungs- voller Anfang zu tiesgehender und umfassenderer Einwirkung auch auf diese gemacht. Die Heranbildung eingeborener Prediger und Lehrer, die bisher der Mittelschule in Bonaberi bezw. der Anstalt in Lobe- thal zugewiesen war, kann nun in einem kleinen Lehrer= und Predigerseminar weitergeführt werden. Dem Bedürfniß nach höherer Bildung auch solcher, die sich nicht dem Missionsdienst widmen wollen, kommen die Schulen in Bonanjo und Bonabela ent- gegen. Eine Ausbildung im Handwerk erhält eine allerdings noch beschränkte Zahl junger Leute in unserer Schreinerei in Bonaku. Die Station Bonaku hat sich in der That be- deutend entwickelt. Die Schule in Bonabela gehörte früher der Regierung, die uns in sehr dankenswerther Weise das früher von Lehrer Christaller benutzte Schul= und Wohnhans überließ. Die Schule selbst aber wird vom evangelischen Afrikaverein unterhalten, der sich durch seine Fürsorge für die Schule als schätzenswerther Bundesgenosse der Mission erweist. Das an unser Anwesen in Bonaku angrenzende Be- sitzthum von Jantzen & Thormählen wurde von der Missionshandlung gekauft, die zugleich unser Waarenlager übernahm und nun ein blühendes Ge- schäft betreibt, das unsere Stationen mit europäischen Waaren versorgt. Die Kirche in Bonaku hat durch einen Thurm ein kirchlicheres Aussehen bekommen. Die Station Bonaberi bekam durch die gütige Ver- mittelung eines Missionsfreundes eine schöne Kirche. Ausgedehnt wurde das Werk durch Gründung einiger Außenstationen im Stationsgebiet Edie unter den beiden bedeutendsten Stämmen dort, den Basa und Bekok, und im Stationsgebiet Mangamba in Lamba im Ndogripendagebiet, während man sich von Fan infolge der Feindseligkeit der Häuptlinge wieder zurück- ziehen mußte. Allerdings mußten gerade in den ge- nannten zwei Stationsgebieten einige ältere Orte wieder aufgegeben werden. Der bedeutendste äußere Fortschritt ist die Erbauung der Missionsstation Bombe durch Bruder Stolz, die wenigstens großen- theils ins alte Jahr fällt. Dagegen scheint es mit dem Bau der entlegenen Station Nyasoso nicht so rasch voranzugehen. Personalveränderungen: Gestorben Bruder Gonser. Heimgekehrt Frau Gonser, Geschwister Bohner und Schkölziger, die Brüder Nusser, Göhring, Hies, Chapuis. Hinausgezogen Ge- schwister Lauffer, Walker, Basedow, die Brüder Lankmeyer, Hässig, Rüb. Dinkelacker, Krayl, Hoffmann, Kobel; Frau Stolz, Frl. Kalmbach, die Bräute der Brüder Lutz, Dorsch, Schürle, nämlich Frl. Johanna Langbein, Christine Rößler und Julie Gumbert. Aus Lutindi wird in „Afrika“, der Zeitschrift des evangelischen Afrikavereins, von dem Vorsteher der Sklavenfreistätte des Vereins aus der Zeit vom Mai bis Juni Nachstehendes berichtet. Die erste Hälste des Mai war für uns ein kleiner Winter; der ununterbrochene, in gewaltigen Strömen vom Himmel herniederkommende Regen beschränkte uns aufs Haus und häusliche Thätigkeit. Die Regenzeit ist in diesem Jahre so andauernd und der Regen so stark gewesen, wie wir es hier noch nicht erlebt haben. Unser ganzer Mais, mit dem wir eine Reihe von Feldern bepflanzt hatten, und der eine gute Ernte erhoffen ließ, ist leider durch den starken Regen vollständig vernichtet, denn so weit er schon kleine Kolben angesetzt hatte, ist er voll- ständig verfault, die zarteren Pflänzchen aber sind vom Sturm und Regen geknickt und zerschlagen, und so haben wir denn wieder einmal von Neuem an- fangen müssen zu pflanzen. Dafür aber werden hoffentlich die kräftig entwickelten Bananen, welche ja das Hauptnahrungsmittel der Waschambaa bilden, bald aller Noth ein Ende machen. Schon jetzt können sich Viele durch Kraut und Gemüse mancherlei Art sättigen. Von großem Segen sind die uns zur Linderung der Hungersnoth von unseren Freunden überwiesenen Gaben, für welche wir ihnen von Herzen Dank wissen. Die größte Wohlthat können wir damit den Kranken und durch Hunger Entkräfteten erweisen, deren Zahl zwischen 20 und 60 schwankt. Viele sind darunter, die überhaupt nichts weiter zu essen haben als das Wenige, was wir ihnen verabfolgen können. Täglich um 12 Uhr mittags ist die Speiseausgabe für die Kranken. Die Schwachen und Elenden, die arbeits- unfähig sind, erhalten die Speise umsonst. Andere aber, die, wenn auch nur theilweise zu arbeiten im Stande sind, müssen je nach ihrem körperlichen Zu- stande einen halben Tag oder auch nur wenige Stunden arbeiten, hacken oder jäten, jenachdem. Das ist freilich nach der Ansicht Mancher unter ihnen eine große Härte, und nur zu gern suchen sie sich der Arbeitsleistung zu entzichen, doch ist es, wie die Verhältnisse nun einmal liegen, für ihre Erziehung unbedingt nöthig, daß sie nach Maßgabe ihrer Kräfte zur Arbeit angehalten werden. Gesunde Arbeiter kamen einige Wochen hindurch nur einzelne auf die Station. Fragte man sie, wenn sie um Speise baten, warum sie nicht zur Arbeit kämen, um sich Speise zu verdienen, antworteten sie: „Wir würden sehr gern zur Arbeit kommen, wenn