— 7 behülflich sein. Das finden nun Manche sehr un— gemüthlich, lassen lieber ihr Weib sitzen und siedeln sich anderswo an, nicht aus Abneigung gegen das Weib, sondern weil sie nicht bei der Schwieger- mutter sein mögen. Ich suchte auf die Forderung Christi hinzuwirken, daß das Weib Vater und Mutter und Haus und Bruder verlasse und dem Manne sfolge, fand aber nicht viel Verständniß. Viel günstiger sind in dieser Beziehung die Verhältnisse an der Küste, wo der Mann sich das Weib von den Eltern kanft, dafür aber auch verlangen kann, daß das Weib ihm überall hinfolge. Das Hinterland von Lindi und ganz besonders die Bezirke von Masasi und Lukuledi haben reich- lichen Antheil an dem Aufschwung, welchen die ganze Kolonie in den letzten fünf Jahren genommen hat. Die schwierigen, viel verschlungenen Negerwege durch Wald und Sumpf, welche endlose Umwege ver- ursachten und den Gebrauch eines Reitthieres fast unmöglich machten, sind jetzt auf der ganzen Strecke durch breite, kunstgerecht angelegte Straßen ersetzt; die Sümpfe und steilsten Höhen sind umgangen, die Flüsse überbrückt, so daß man nicht bloß bequem reiten, sondern größtentheils auch fahren könnte; die Bevölkerung ist seit Anlegung der Station Songea die Furcht vor den Raubzügen der Wangoni los, sie braucht sich nicht mehr auf den Berghöhen oder in den Sümpfen zu verstecken, sondern kann nach Lust schönes und fruchtbares Land zum Anbau aus- wählen; die Gewißheit, daß das Erträgniß der Schamben nun ihnen selbst gehört und nicht von den Raubstämmen fortgeholt wird, steigert die Lust zum Anbau; da der Sklavenraub beinahe aufgehört hat, Kindesmord und andere Unthaten, welche früher besonders durch die Zauberer veranlaßt wurden, sehr strenge bestraft werden, so vermehrt sich die Be- völkerung bedeutend. Der Handel im Lindibezirke dürfte wohl schon bald auf das Fünsfache der früheren Jahre steigen. Während früher besonders zur Erntezeit, wo die Wangoni meistens ihre Raubzüge unternahmen, die Karawanenstraße beinahe menschenleer war, begegneten mir jetzt alltäglich Hunderte von Trägern, entweder Matakalcute, das heißt Wayao von jenseits des Rovuma, welche Wachs, Sesam, Elfenbein, Gummi an die Küste trugen, oder Wangoni, welche für die dortigen Händler Salz= oder Stofflasten abholten, die wahrschceinlich im nächsten Jahre in Gestalt von Gummi oder Elfenbein wieder an die Küste zurück- kommen. Allerdings haben für alle diese Vorzüge der neuen Verwaltung die Schwarzen ein anderes Schmerzenskind eingetauscht, nämlich die Hüttensteuer. Daß sie für diese neue Einrichtung zunächst nicht viel Sympathie haben, ist ihnen leicht zu verzeihen. Im letzten Jahre konnten sie immer noch nicht glauben, daß aus der lange angekündigten Steuer wirklich Ernst werden sollte; wenn auch die Jumbe 67 auf Befragen des Bezirksamtes wiederholt erklärten, es sei Alles in Ordnung und liege bereit, so war das nur eine beschwichtigende Ausrede, und das Erscheinen des Steuereinnehmers mit seinen Askari erregte großen Schrecken. Ein Häuptling glaubte sich aus der Schlinge zu ziehen, indem er einfach auf die Mission lief und den Pater bat, er solle ihm schleunigst 300 Rupien leihen, damit er für sein Dorf die Steuer zahlen könnte. So einfach ging aber die Sache nicht, und es setzte nun bei dem Beamten für das erste Mal eine ernste Vermahnung ab, einige besonders Widerspenstige wurden auch nach Lindi mitgenommen, wo die Vermahnung noch fühlbarer wurde. Für heuer wird nun schon besser Vorsorge getroffen, zumal auch eine sehr reiche Ernte erzielt wurde. Abgesehen von den materiellen Vor- theilen für die Gouvernementskasse, ist diese Hütten- steuer ein nicht zu unterschätzendes Erziehungsmittel gegenüber den Negern. Sie werden durch Erfahrung belehrt, daß es nicht zweckmäßig ist, unmittelbar nach der Ernte das ganze Erträgniß in Negerbier zu ver- wandeln und in endlosen Tanzbelustigungen zu ver- jubeln, sondern werden gewöhnt, einen Theil auf- zubewahren für die Zeit der Noth bezw. der Steuer; auch fangen sie bereits an, die werthvolleren Ge- treidearten, wie Sesam und Erdnüsse, in größeren Mengen anzubauen, da sie es bequemer finden, eine Last Sesam als drei Lasten Mtama an die Küste zu tragen. Die Monatsschrift „Afrika“ veröffentlicht einen Aufsatz des Miss. Bohner aus Kamerun über „Die Schule des evangelischen Afrikavereins in Kamerun“. Diesem Aufsatz entnehmen wir Folgendes: Der einflußreichste Ort in Kamerun ist Bellstadt oder Belldorf, von den Eingeborenen Bonanjo ge- nannt. Er besteht aus den drei Ortstheilen Bona- duma (von den Europäern Tokoto genannt), Bona- priso (Poßtown) und Bonamandone, ist Sitz des Oberhäuptlings (King) Bell und wird darum auch Bellstadt (Belltown) genannt. Dieser Ort war von jeher in Kamcrun deshalb so einflußreich, weil Bell den ausgebreitetsten Handel hatte, ein verständiger Mann war, bei den Europäern großes Ansehen genoß und es auch verstand, die Stämme des Inlandes an sich zu ziehen, so daß sie ihn als ihren Richter und ihr Oberhaupt anerkannten und freiwillig ihm tribu- tär wurden. Dieser Einfluß stieg dann noch bedeutend durch den Umstand, daß die Deutschen, als sie 1894 die gegen Bell widerspenstigen Bonapriso oder Yoßlente besiegt hatten, sich das Terrain ihres Ortes als Sitz der Regierung ausersahen und die Bewohner an- wiesen, ihre Hütten weiter landeinwärts zu errichten. Dadurch ist von dem großen Ansehen und Einfluß, den die deutsche Regierung bel den Eingeborenen in Kamerun genießt, ein gut Theil auf King Bell und seine Leute übergegangen.