zeit einen hervorragenden Platz zu beanspruchen haben. So eigenthümlich die Thatsache ist; gerade der Erdtheil, auf welchem die erste großartige Kultur, von der noch heute die wunderbarsten Ruinen sprechen, sich entfaltet hat, hat der Er- 152 forschung und Eröffnung seines Innern den hart- näckigsten Widerstand bereitet. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war seine handelspolitische Be- deulung so gut wie null. Das alte reiche Wunder- land Egypten befand sich in tiefem Verfall. Seitdem es infolge der Entdeckung des Seewegs ums Kap nach Indien seine Rolle als Vermittler des indischen Handels eingebüßt hatte, war es ein ärmlicher türkischer Vasallenstaat geworden. Die übrigen nord- afrikanischen Staaten, einst die reichsten und srucht- barsten Provinzen und Kornkammern des römischen Reichs, wurden nur noch als Sitz der gesürchtetsten Seeräuber genannt. Für den Welthandel waren sie ohne jede Bedeutung. Die Westküste Afrikas von Marokko bis zum Kap wurde nur von Sklaven- händlern besucht, welche sich hier mit der lebenden Waare für die amerikanischen Zucker-, Kafsee= und Baumwollpflanzungen versorgten. Die wenigen eng- lischen, französischen, portugiesischen, holländischen und dänischen Stationen führten ein trauriges Dasein. Als der Sklavenhandel verboten und ge- waltsam lahmgelegt wurde, gaben die verschiedenen Besitzer einen großen Theil dieser Niederlassungen auf, da sie fortan allen Werth eingebüßt zu haben schienen. Wie außerordentlich gering war ferner die Be- deutung der Kapkolonie! Die Holländer, welche hier seit 150 Jahren ihre Hauptstation auf dem Wege nach Indien unterhielten, mußten jährlich einige Millionen aufwenden, um die Kosten der Verwaltung zu bestreiten. Die Einnahme dieser Kolonie belief sich auf wenig mehr als & 20 000 im Jahre; die Ausfuhr besaß kaum mehr als # 6000 an Werth. Irgend welche für den Handel wichtige Erzeugnisse waren nicht vorhanden. Alle Versuche, im Innern Gold oder andere Mineralien aufzusinden, hatten sich als fruchtlos erwiesen, und die Hoffnung darauf war allmählich ausgegeben worden. — Ganz werthlos war endlich die afrikanische Ostlüste. In Mozambique hielten die Portugiesen ihre Herrschaft nur noch nommell aufrecht. Nachdem ihre Anstrengungen, hier das sagenhafte Goldreich Monomotapa aufzufinden, niemals einen Erfolg gehabt hatten, verloren sie mit der Zeit alles Interesse für diesen weitentlegenen Besitz. Die ganze Küste nördlich von Mozambique befand sich in den Händen arabischer Sklaven- händler, welche von hier aus Asien mit Negersklaven versorgten. Madagaskar war von den Franzosen nach Jahrhunderte langen vergeblichen Kolonisations- versuchen sich selbst überlassen worden. Für den Welthandel kam es nicht in Betracht. Nur die be- nachbarten kleineren Inseln befanden sich in der Hand weißer Kolonisten. — G — — —— — —— Das ungeheure Innere des schwarzen Erdtheils endlich war so gut wie völlig unbekannt. Was da- von auf Karten verzeichnet wurde, stammte fast aus- schließlich aus den Aufzeichnungen des Portugiesen Lopez, der im 16. Jahrhundert alle vorhandenen Ueberlieferungen und Schilderungen von Reisenden gesammelt und geschickt verarbeitet hatte. Große Ströme wie der Kongo waren damals noch völlig unbekannt. Ueber den Lauf des Nil und des Niger, über die geographische Beschaffenheit des inneren Afrika waren die seltsamsten Auffassungen verbreitet. Seit Jahrhunderten war es keinem Europäer ge- lungen, in den tropischen Gegenden auch nur einige Meilen weit über den Küstengürtel vorzudringen. Es ist allgemein bekannt, wie sehr sich das Alles innerhalb des 19. Jahrhunderts geändert hat. Heute ist Egypten wieder ein blühendes Land. Dank dem Suczkanal ist es wieder der Vermittler des ganzen indischen und dazu auch noch des ostasiatischen und australischen Handels. Algier und Tunis sind auf- blühende Kolonien geworden, welche Europa mit einer Reihe werthvoller Erzeugnisse versorgen und lebhaft bemüht sind, ihre Beziehungen mit dem Hinterlande auszudehnen. Marokko selbst wird von Jahr zu Jahr mehr erschlossen und beginnt ebenso wie Tripolis, in steigendem Maße einheimische Pro- dukte auszuführen und europäische Waren aufzunehmen. Um den Besitz der westafrikanischen Küste sind heiße Kämpfe zwischen den verschiedenen enropäischen Staaten geführt worden. Um die Wette sind heute England, Frankreich, Deutschland, Portugal und Belgien be- müht, ihre dortigen Besitzungen zu erschließen. Ueberall hat Plantagenwirthschaft begonnen. Das Hinterland wird, wo nicht Flüsse zur Verfügung stehen, durch Wege und Bahnen eröffnet, und immer mehr Waaren finden ihren Weg dahin als Bezahlung für Elfenbein, Kautschuk u. dergl. Die Kapkolonie mit ihren Tochterkolonien zählt heute zum werthvollsten Besitz Großbritanniens. Diamanten und Gold sind hier in einer Menge wie noch nirgends zuvor auf der Erde entdeckt worden. Dazu liefern Schafzucht und Weinbau seit Jahren ungeahnt reiche Erträge und stellen einen bedeutenden Theil der Ausfuhrgüter dieser Gebiete Afrikas. Mozambique stellt gegenwärtig, trotzdem seine Grenzen stark eingeschränkt worden sind, einen vielbegehrten Besitz dar. Seine Häfen und Flüsse sind von hoher Bedeutung für den Handel. Sein Reichthum an Kautschuk, seine Mineralschätze versprechen ihm eine rasche Entwickelung. In den nördlichen Gebieten ist der Herrschaft der Araber ein Ende gemacht. Friedlich sind hier Deutschland, England, Italien und Frankreich bemüht, das Land zu erschließen und seine wirthschaftliche Bedeutung zu steigern. Bahnlinien und Telegraphen werden immer weiter vorgeschoben; überall in den Bergen entstehen Plantagen; der Handel wächst von Jahr zu Jahr. Dasselbe ist in Madagaskar der Fall, wo Frankreich jetzt festen Fuß gefaßt hat und keine An- strengung spart, um die große Insel zu einer blühenden Kolonie zu gestalten.