— 320 — heit und Unabhängigkeit, wie er unter den Negern Ostafrikas nur noch bei einigen anderen Bergstämmen zu finden ist. Krieg ist im Leben jedes einzelnen Mannes das Wichtigste. Tritt der Jüngling im Alter von etwa 15 Jahren in den Verband der Krieger, so gilt sein ganzes Denken und Sehnen dem ersten Kriegszuge, in dem er sich durch Tödtung einiger Feinde oder Erbeutung von Vieh seine Rittersporen verdienen muß. Der Mann lebt dann bis zum Alter von 30 bis 35 Jahren ausschließlich für den Krieg. Dieser ist sein einziger Lebenszweck, und die Pausen zwischen den einzelnen Kriegszügen füllt das Schmieden von Kriegsplänen, das Spioniren in den Nachbar- landschaften und das Abschließen von Bündnissen für den nächsten Kriegszug aus. Jede Art von Arbeit gilt ihm als entwürdigend. Die Häuptlinge regierten unumschränkt und waren um so angesehener bei ihren Leuten, je rücksichtsloser, entschlossener und grausamer sie herrschten. Mit dem Beginn der deutschen Herr- schaft wurde dies anders, die Häuptlinge wurden ausführende Organe der Station Moschi, ihre Willkür war zu Ende und sie kamen genau wie jeder einzelne ihrer Unterthanen bis zum ärmsten Mann unter die gleiche Rechtsprechung. Es liegt auf der Hand, daß diese Neuordnung die erste Grundlage zur allmählichen Civilisirung sein mußte, aber es ist ebenso verständlich, daß kräftige, zähe Kriegsvölker damit nicht zufrieden sein konnten. Aeußerlich schienen sich die Leute mit den neuen Verhältnissen abgefunden zu haben und die, welche dadurch gewonnen hatten, mochten auch in ihrem Herzen damit einverstanden sein. Im All- gemeinen glühte aber die Kohle unter der scheinbar kalten Asche weiter. Die Häuptlinge und deren Berather konnten die alte Herrlichkeit nicht vergessen und ersehnten den Moment, wo sie die Europäerherrschaft abschütteln könnten. Widerhall fanden ihre Wünsche bei den Kriegern, die nun keine Kriege mehr führen durften und sich an Arbeit nicht gewöhnen konnten. So gährte es ganz im Geheimen. Das immer weitere Eindringen der neuen Regierungsform und Gerichts- barkeit in die breiten Volksschichten, wodurch der traditionelle Nimbus der Häuptlinge zerstört wurde, drängte diese nun zur Eile, wenn man überhaupt noch auf Erfsolg rechnen wollte. Die Vermehrung der Zahl der Missionare und der europäischen Händler, von denen jeder der Freiheitsbestrebung der Schwarzen als ein natürlicher Feind und ein Machtfaktor der Europäerherrschaft erschien, geboten den Eingeborenen auch ein schnelles Handeln. Doch zu solch großer That, wie die geplante, war eine einheitliche Er- hebung nöthig und diese scheiterte lange an der gegenseitigen Feindschaft und Eifersucht. Endlich kam sie vor etwa einem halben Jahre zu Stande, und die früher mächtigsten Landschaften, die durch die deutsche Herrschaft das Meiste verloren hatten, Moschi und Kiboscho, verbündeten sich mit ihren alten Fein- den, der Bevölkerung des Meruberges und den Massais, zum gemeinsamen Angriff auf die Europäer. Den unmittelbaren Anstoß hierzu gab die Verringe- rung der Besatzung Moschis, wovon die Eingeborenen durch eigene Beobachtungen sofort Kenntniß bekamen. So kam es, daß sich die Station Moschi in der Nacht vom 21. zum 22. Dezember von den vereinigten Kriegern der genannten Stämme umzingelt fand. Die Häuptlinge vom Meruberg befanden sich selbst auf der Station, um unter dem Vorwand friedlicher Schauris unsere Lage zu beobachten und dann im geeigneten Moment ihre Krieger zum Einbruch her- einzuführen. Eins ihrer belauschten Gespräche ent- hüllte ihre Kriegsdispositionen, und so wurde es möglich, die Krieger im Moment, wo sie angreifen wollten, mit dem Feuer der Außenposten zu empfangen. Ein Ueberrumpeln der Station war ihnen unter diesen Umständen nicht möglich und zu einem offenen Kampfe fehlte ihnen in der Bestürzung über das unerwartete Feuer der Muth. Sie zogen deshalb vorläufig ab, in der Hoffnung, bald einen günstigeren Zeitpunkt zu finden, doch ehe es dazu kommt, wird wohl die Bestrafung der Schuldigen stattgefunden haben, die erst nach Eintreffen einer größeren VBer- stärkung von der Küste erfolgen kann. « Nach einem kürzlich eingegangenen vorläufigen Berichte ist die Bestrafung der Aruschaleute inzwischen erfolgt und Hauptmann Johannes mit seiner Kompagnie vom Meruberge nach Moschi zurückgekehrt. Nähere Mittheilungen über die Ausführung der Expedition liegen noch nicht vor. Wissenschaftliche Lammlungen. Der zoologischen Sammlung des Berliner König- lichen Museums für Naturkunde ist von dem Haupt- mann in der Kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch- Ostafrika, v. Prittwitz u. Gaffron, eine von ihm auf seinen Reisen am Tanganyika, Rukwa und Ruaha zusammengebrachte Naturaliensammlung überwiesen worden. Die Sammlung enthält: 1 Säugethiersell, 2 Schädel und 2 Gehörne, 3 Vogelbälge, 1 Vogelschädel, 4 Schildkröten, 1 Kro- kodilschädel, einige Insekten und einige Land= und Süßwassermollusken. Die Thiere sind gut und sachgemäß präparirt und bilden eine dankenswerthe Bereicherung der zoologischen Sammlung. Von besonderem Interesse ist die Auffindung eines Geparden in den Quell- ländern des Msamba, der Nachweis der Zambefi= Kuhantilope, Bubalis Lichtensteini, für Ufipa und der schwarzen Pferdeantilope, Hippotragus niger, in den Ukimbulandschaften. Auch unter den Vogel- bälgen, Schildkröten und Schnecken befinden sich seltene Arten, welche aus den Gebieten nördlich des Rukwa-Sees noch nicht eingeliefert worden waren. Sehr willkommen ist der Schädel eines Krokodils vom Südufer des Tanganyika= Sees, der erste Schädel dieser Art, welchen das Museum aus dem Innern von Deutsch-Ostafrika erhalten hat.