— 153 — Die hier so häufigen und heftigen Stürme machten aber ferner eine solide Befestigung des Daches noth- wendig. Daher legte man auf jede der Säulen einen schweren Stein, um welchen man die das Dach- gerüst haltenden Bastschnüre schlang. Die Form einer im hiesigen Meere häufigen Koralle wurde vorbildlich und diese zuerst wahrscheinlich unbearbeitet benutzt. Nach der Erfindung des Mörtels gab man dem „Kapitäl“ die zweckmäßige, halbkugelförmige Gestalt, welche zugleich eine gleichmäßige, ebene Unter- lage für den Boden des Wohnraumes bot. Gerade der Umstand, daß diese und keine andere Form der Säule und des Kapitäls auf den Marianen gefunden wird, spricht gegen die künstlerische Phantasie der Alten. Auch die Thatsache, daß den Priestern, welche die Sitten und Gebräuche, die Einrichtungen und Kämpfe der Ureinwohner eingehend schilderten, diese sonderbaren Bauwerke nicht aufgefallen sind, erklärt sich nun leicht: sie waren von außen durch das über- hängende Dach aus Palmblättern, im Innern durch den Boden verdeckt; und wenn, wie es so häufig vorkam, die Spanier die Dörfer abbrannten, so be- gruben die zusammenstürzenden Trümmer Säulen und Kapitäle. Was die Säulen von Tinian auszeichnet, das ist ihre Größe: Etwa 150 m von der Niederlassung entfernt stehen oder standen in zwei parallelen Reihen w hohe imposante Säulen von folgenden Dimen- onen: Basis unten 1.45 2x 1,10 m, Säule = oben 1,20 = 0,85 = L Höhe 4.10 m. Kopitäl: Durchmesser 2.45 m. Entfernung von Säulenmitte zu Säulenmitte: 3.60 m, Entfernung der Säulenreihen voneinander: 4,22 m. Die Säulenflächen sind schwach gekrümmt. Die Säulen haben kein Fundament. 1855 standen noch neun aufrecht, heute sind alle bis auf fünf umgestürzt. Dos Material ist sonderbarerweise nur ein allerdings sehr harter Mörtel. Steine sind in den abgebrochenen Stücken keine vorhanden, auch an der Verwitterung lassen sich die vertikal aufgetragenen Mörtelschichten deutlich erkennen; diejenigen der Kapitäle liegen hori- zontal. Tie Gesammtlänge des Gebäudes betrug 2 m, seine Breite 5.32 m Zischen der dritten und vierten Säule, 167 cm vor der Mitte des Hauses, liegt ein runder Stein mit drei excentrischen Siufen von je etwa 10 cm Höhe; auf der obersten ist ein Loch von 182968 cm. Dieser Stein diente nicht etwa zur Aufnahme einer Leiter, muttelst welcher man ein auf den Säulen aufgebautes Haus erreichte: cist der Fuß eines Kreuzes, welches vor allen Hiusern chrisilicher Chamorros in der Zeit der Be- lhrung errichtet wurde. Ein ähnlicher Stein, nur mit concentrischen Stufen, liegt vor der 1874 oder 1875 errichteten Kapelle in Tinian. Eine Ruine wird das Haus des Taga genannt, eines Kaziken, der im Jahre 1638 schiffbrüchige Spanier beschützt und später in den Religionskämpfen auf Seiten der Spanier gestanden hatte. Es ging die Sage, er habe seine schöne, im jugendlichen Alter verstorbene Tochter auf einer der Säulen seines Hauses beerdigt und mit Reismehl bedeckt. Thatsächlich wurde 1855 auf der vierten Säule der Vorderreihe ein menschlicher Kiefer und einige Fingerknochen ge- funden. Ich erstieg diese Säule und fand in der That eine grabähnliche Höhlung auf dem Kapitäl von 181—442 40 cm Ausdehnung. Es ist daher, zumal die Missionare berichten, daß die Eingeborenen ihre Angehörigen in den Häusern beerdigten, nicht ausgeschlossen, daß auch in den Kapitälen der übrigen Ruinen menschliche Gebeine eingemauert sind. In seiner ursprünglichen Form wird das Haus des Taga sich von den übrigen Häusern der Vornehmen wohl nur durch seine Größe unterschieden haben. Die Länge von 28 m und die Lage des Kreuzes deuten darauf hm, daß der Eingang sich in der Mitte be- fand und das Haus in zwei getrennte Räume theilte; vielleicht waren mehrere Böden übereinander an- gebracht. In der Niederlassung liegt das alte, „Palacio“ genannte öffentliche Gebäude, ein gut erhaltener, statt- licher Bau (16,19 2& 6,8 m) mit dicken Steinmauern, aber einem Dach aus Palmblättern, das demnächst durch Zink ersetzt werden soll. Es muß in der Missionszeit von 1669 bis 1690 erbaut sein. Tinian war damals der Hauptort für die Mission der nörd- lichen Inseln und hatte ein Seminar (1671) und ständige Besatzung. 1670 wurde der Pater Medina in Saipan, 1684 Pater Strobach aus Mähren nebst 18 Soldaten in Tinian ermordet und 1690 wiederum