— 237 holte sich genau die gleiche Geschichte; wir mußten ms die Eingeborenen mit Gewalt vom Leibe halten. Zu einem regelrechten Gefecht zwischen uns und den Leuten des äußerst habgierigen Sultans Santjire kam es aber am 5. November. Nach meiner Ueber- zeugung hatten sich alle Sultane der großen, wunder- vollen, sehr stark bevölkerten Landschaft Ba-Mundum vereinigt, um uns zu überfallen, uns alle Lasten wegzunehmen und die Karawane zu vernichten. Von allen Seiten kamen Hunderte von bewaffneten Ein- geborenen in dem hohen Grase angeschlichen; glück- licherweise war aber das Gelände so übersichtlich, daß ich alle Bewegungen der Ba-Mundumleute be- merken und rechtzeitig Gefechtsstellung einnehmen konnte. Die Träger legten die Lasten nieder, um gefechtsbereit zu sein, und wir mit den gewandtesten Leuten der Karawane schlugen die wiederholten An- griffe der Eingeborenen immer erfolgreich zurück, so daß wir keine Verluste hatten. Die Eingeborenen beschossen uns auf nahe Entfernung mit vielen Mauser- Karabinern, die ich in den Lagern gesehen hatte und deren Knall immer deutlich von dem der Donner- büchsen zu unterscheiden war. Erst nachmittags um 2 Uhr wurden wir die Kerle los, als uns die Ein- geborenen der Landschaft Bametan entgegenkamen und uns zu ihrem freundlichen Sultan führten. Nach den Erfahrungen der letzten Tage traute ich auch diesem zunächst nicht, — aber mit Unrecht, denn am 5. November kamen wir endlich nach einem mehr- stündigen Marsch durch eine ununterbrochen bebaute und bewohnte, prachtvolle Landschaft von Norden her in Bali an — zum größten Erstaunen Garegas und aller Bali, die es nicht für möglich gehalten haben, daß von Norden her durch die von ihnen gefürchteten Gebiete Weiße mit einer verhältnißmäßig sehr kleinen Karawane kommen könnten. Wir waren in den letzten Tagen fast genau südlich marschirt, so daß wir etwa 80 bis 100 km nördlich von Bali gewesen sein müssen, und meine Annahme, daß ich dicht, d. h. auf drei bis vier Stunden, an Bafut und Bandeng vorbeimarschirt bin, bestätigte sich. Vor Bali wurde ich von Fonté, dem ersten Leibsklaven und Vertrauten Garegas, empfangen und auf den Königsplatz geführt. Nach den Auf- regungen und den großen Anstrengungen der letzten 14 Tage konnten wir uns nun in Bali gehörig und in aller Sicherheit und Ruhe erholen und ausruhen, da wir vorzüglich ausgenommen wurden. Garega,'*) der jetzt wohl 75 Jahre alt sein mag und dessen Tage gezählt sind, ist geistig noch ganz frisch, aber körperlich so hin, daß er nicht mehr allein gehen kann. Nominell ist er noch der Sultan, und nichts geschieht ohne seinen Willen; aber sein Sohn und Nachfolger Mbo vertritt ihn schon vielfach. Der älteste Sohn von Garega, Tita Nji, ist vor zwei oder drei Jahren gestorben, so daß nun der zweite Sohn Mobo, der einen sehr verständigen und netten –—— — — — — *) Inzwischen gestorben. Die Red. — — Eindruck macht, der rechtmäßige Nachfolger von Garega ist. Ursprünglich wollte ich von Bali direkt südlich und südöstlich in der Richtung auf Jabassi zur Küste marschiren; ich mußte diesen Plan aber aufgeben, weil meine Träger, deren Kontraktszeit um war, durch die Bali ängstlich gemacht, sich vor dem unbe- kannten Wege fürchteten und streikten; außerdem gab mir Garega viele Baliarbeiter mit, die ich selbst nach Mundame bringen wollte. Bali wird nach meiner Meinung im Allgemeinen in Bezug auf seine Bedeutung als Handelsplatz und besonders auch in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit der Arbeitergestellung auf Grund der Zintgrafsfschen Schilderungen weit überschätzt. Die Bali sind ein ver- hältnißmäßig kleiner Stamm, der nur durch die unge- wöhnliche Klugheit und Schlauheit von Garega zu seiner jetzigen Bedeutung gekommen ist. Für uns liegt die Bedeutung von Bali darin, daß wir in Bali und bei Garega einen absolut sicheren Stützpunkt haben; der alte Garega ist ein sicherer Freund der Deutschen, aber er ist andererseits auch ein Hinderniß für ein eventuelles Vordringen von Bali aus, da er sich, wie er sich damals dem Vordringen Zintgraffs widersetzt hat, auch jetzt eifersüchtig allen Bestrebungen, den Handel und Wandel der Hinterländer von Bali zu erschließen, mit all seinen Mitteln und Künsten wider- setzt; er wäre auch jetzt nur schwer zu bewegen ge- wesen, mir Führer zu einem Vormarsch nach Osten oder Süden zu geben. Er wird auch so lange als möglich alle Annäherungsversuche der östlicher woh- nenden Stämme, insbesondere der Bafut und Bandeng, an denen er noch mit Hülfe der Weißen Rache nehmen zu können hofft, zu vereiteln suchen. Es können deshalb nur starke und gut bewaffnete Expeditionen dort weiter vordringen und etwas erreichen, die eventuell auch gegen den Willen von Garega etwas zu unternehmen im Stande sind. Ich glaube, daß Garegas Nachfolger, Mbo, leichter zu behandeln sein wird. Wenn ich mich trotzdem entschlossen habe, in Bali eine Faktorei zu begründen, so geschieht es haupt- sächlich aus politischen Gründen; ich hoffe, von hier aus allmählich weiter vordringen zu können und in den sehr stark bevölkerten Gegenden um Bali herum eine Arbeiteranwerbung im Großen für die Gesell- schaft Nordwest= Kamerun und andere Plantagen- gesellschaften in die Hand nehmen zu können. Nach neuntägigem Aufenthalt bin ich von Bali aufgebrochen und in neun Tagen auf zum Theil neuen Wegen (Bali— Bamingi, Bamingi — Sabe, Sabe — Defang Tale) nach Mundame marschirt; in zwei weiteren Tagen marschirte ich von Mundame nach Dibombari, von wo ich mich mit der Gesellschafts- barkasse abholen ließ. Nach zehnwöchentlicher Abwesen- heit traf ich am 1. Dezember wieder in Kamerun ein. Während der sehr interessanten, aber äußerst anstrengenden Expedition habe ich sorgfältige Routen-