— 439 standen, sie in zehn Minuten dazu zu bringen, am Wagen zu ziehen. Ich will besonders auf diesen Umstand hinweisen, weil in Südwestafrika Kameele sehr gut gedeihen und gerade dort vorzüglich zum Reiten und Fahren verwendet werden müßten. Wenn man nicht die Geduld verliert, und wenn man die Zugfestigkeit der Kameele durch allmähliche Mehr- belastung stählt, wird man es zu einer großen Leistung bringen. Anfangs haben die Kameele monatelang für meine Versuchsthiere von außerhalb Dar-es- Saläm Gras geholt. Und wo nur immer sich Ge- legenheit zu anderen Fuhren bot, wurden sie benutzt, z. B. wurden Cementfässer, Sand und Steine zum Bau des Postgebäudes in Dar-es-Saläm gefahren. Einmal bot sich Gelegenheit, für mehrere Wochen Steine nach einer 6 km von Dar-es-Saläm entfernten Schamba zu fahren, wobei sie täglich 24 km zurück- legten. Ein anderes Mal waren die Kameele beim Hinaufziehen der eisernen Platten, die zum großen Schwimmdock in Dar-es-Saläm Verwendung finden sollten, behülflich, indem sie über Rollen hinweg dieselben auf den Strand zogen. Zum Schluß unter- nahm ich noch einen dreitägigen Fahrversuch von Dar-es-Saläm durch die Kisseraweberge. Es stellte sich dabei heraus, daß Fußleiden in der Regenzeit ebenso wenig vorkamen wie in der Trockenzeit, und daß tägliches Gehen auf chaussirten Wegen bis zu 26 km kein Durchlaufen der Fußsohle zur Folge hatte. Dabei wurde die Belastung des Wagens bis zu 60 Ctr. gesteigert. Ohne besondere Veranlassung wurden jedoch 30 bis 40 Ctr. nicht überschritten. Allerdings verlangt Kraftleistung auch Kraftfutter, und man sollte auf diesen Punkt besonders Obacht geben. Es kann die Leistungsfähigkeit ohne Mühe bei guter Pflege und Aufmerksamkeit so hoch ge- steigert werden, daß die Kameele unseren stärksten Pferden in Nichts nachgeben. Wer aber von dem Kameel eben solche Leistungen bei einem dürftigen Futter erwartet, das eben noch ausreicht, das Leben zu fristen, kennt nicht die Wechselbeziehung in der Natur zwischen Futter und Leistung. Welch großem Uebelstande könnten die Kameele schon in den Küstenorten von Ostafrika abhelfen, in- dem sie die Arbeiten an der Küste ausführen, zu deren Bewältigung zur Zeit ein ganzes Heer von Negern Verwendung findet. Die Kameele könnten dazu verwandt werden, mittelst Wagen alle Güter, die mit den Dampfern von Europa kommen, vom Zollschuppen zur Niederlage des Kaufmanns zu be- fördern. Sie sind geeignet, das Heranschaffen von Sand, Steinen, eisernen Trägern, Cement, Balken, Brettern 2c. für den Häuserbau zu besorgen. Sie könnten die Müllabfuhr aus den Städten ausführen und beim Bau von Chausseen und Straßen thätig sein. Es giebt für die Kameele Arbeit in Hülle und Fülle, für welche bisher Menschenhände aus- schließlich Verwendung finden. Beim Eisenbahnbau könnten sie verwandt werden zur Ausführung der Erdarbeiten und zum Heran- schaffen von Eisenmaterial, Schwellen 2c. mittelst Feldbahnen. Mit ihnen kann auch die Versorgung der Bahnarbeiter mit Nahrungsmitteln bewerkstelligt werden. Beim Telegraphenbau bietet das Schleppen von eisernen Stangen, Draht rc. erwünschte Gelegen- heit zur Arbeit. Wer nicht volle Beschäftigung für Kameele finden kann, mag sie in der Regenzeit zum Pflügen des Ackers benutzen. Auf Plantagen können sie außerdem noch im Göpelwerk Verwendung finden und endlich sind sie noch als Reitthiere zu gebrauchen. Kurz, jede Arbeit, die in Europa dem Pferde zu- gedacht ist, vermag das Kameel in Afrika auszuführen. Rechnet man die Arbeit für zwei Thiere bei 24 km pro Tag auf 30 Ctr., so entspricht dies einer Arbeitsleistung von 50 Negern und einer täglichen Ausgabe von 12½⅛ Rupien Arbeitslohn. Diese Zeit dürfte aber bald verschwunden sein, wo noch so billige Arbeitskräfte vorhanden sein werden; die Arbeits- zunahme und die Nachfrage nach Arbeitern wird eben auch den Arbeitslohn steigern. Wie die Ver- hältnisse zur Zeit noch liegen, stehen als dauernde Ausgabe diesen 12½ Rupien Arbeitslohn ein Arbeits- lohn für einen Führer und Futterkosten für zwei Thiere gegenüber. Die Kosten betragen je 16 Pesa für Grün= und für Kraftfutter und ferner 16 Pesa für den Lohn des Führers. Es stehen danach bei Kameelverwendung 1 1/4 Rupien Ausgaben den 12⅛ Rupien Ausgaben bei Negerverwendung gegenüber. Allerdings beträgt die einmalige Beschaffung von Kameelen, Wagen und Geschirren 700 Rupien, und die jährliche Abnutzung 100 Rupien. Die Arbeits- leistung entspricht bei 300 Arbeitstagen im Jahre 3600 Rupien, die Beschaffung und Unterhaltung 1200 Rupien. Mithin wird in vier Monaten das aufgewandte Kapital getilgt. Nun kann aber ein Kameel 40 Jahre arbeits- sähig bleiben. Rechnet man aber auch nur den vierten Theil dieser Zeit — ich selbst habe Thiere gesehen, die zehn Jahre in Ostafrika täglich gearbeitet hatten — also nur zehn Jahre, so erhellt schon der Vortheil bei Benutzung des Kamecels. Alle diese Zahlen verschieben sich noch mehr zu Gunsten des- selben, wenn man ihnen anstatt 30 Ctr. 40 bis 50 Ctr., ja selbst 60 Ctr. auspackt, wie es innerhalb der Küstenstädte möglich ist; serner wenn man zweck- mäßig einen Theil der Thiere von 6 Uhr morgens bis Mittag und die Ablösung von Mittag bis Abend arbeiten läßt, und wenn man die Wagen so vertheilt, daß in der Arbeit keine Unterbrechung stattfindet; endlich wenn sich der Arbeitslohn bei der größeren Nachfrage nach Arbeitern immer mehr zu Ungunsten des Arbeitgebers verschiebt. Bei einer größeren Anzahl Kameele würde sich zweckmäßig nachstehende Arbeitseintheilung ergeben, für deren Innehaltung ein Aufseher Sorge zu tragen hat: 5 Uhr Abfüttern (Kraftfutter, Grünfutter), 6 Uhr Anspannen Abtheilung I, 6 bis 8 Uhr Reinigen des Stalles von den zurückgebliebenen Negern,