Am 22. April vormittags 10 Uhr waren zur Feier der Besitzergreifung Deutsch-Bornus auf dem erwähnten Platze sämmtliche Truppen in einer Art Paradeaufstellung aufgestellt. Nach Hissung der deutschen Flagge auf dem von mir bewohnten Palast, einer Ansprache meinerseits, und nachdem unter präsentirtem Gewehr drei Hurraos auf Seine Majestät den Kaiser ausgebracht waren, erklärte ich den Sultan Sanda als von der deutschen Regierung bestätigt. Ein großes Freudengeschrei der sämmtlichen Einwohner, die als Zuschauer dienten und wohl die Zahl 40 000 erreichten, schloß die Feier, die mit einem Parademarsch und einem großartigen Reiter- festspiel endigte. Noch Stunden lang nachher wogte die freudig erregte Menge aus dem Platze auf und ab. Nachdem ich dann noch dem Sultan Sanda in seinem Palast einen Besuch abgestattet und er mir kurz darauf den Besuch erwidert hatte, wurden gegenseitig zwischen uns Beiden Geschenke ausgetauscht, die seinerseits aus vier schönen Hengsten und einer Unmenge Lebensmittel für meine Expedition bestanden. Am Nachmittage hatte ich eine weitere Be- sprechung mit Rittmeister Dangeville, und dabei ist Folgendes aufgeklärt worden. Nachdem Rabbeh vor nunmehr etwa 11 Jahren aus dem Sudan nach Westen vorgedrungen war und dabei auf seinem Wege Alles, was sich ihm nicht unterwarf, getödtet und zerstört hatte, so auch das englische Kuka westlich des Tsadsees, wo er allein 30 000 Menschen grau- sam hinmorden ließ, setzte er sich in Dikoa fest, er- klärte dies für seine Residenz, und Dikoa blühte während seiner achtjährigen Anwesenheit daselbst ungemein auf. Noch heute sind die großartigen Paläste, die Wasseranlagen, die künstlichen Gärten 2c., Zeugen der hohen Blüthe Dikoas. Von hier aus dehnte Rabbeh seine Kriegszüge nach Süden und Osten aus, so Deutsch-Bornu und Französisch-Bagirmi verwüstend. Vor drei Jahren fiel Rabbeh in der Schlacht von Kusseri gegen die Franzosen, welche starke Expeditionen gegen ihn ausgerüstet hatten. Sein Sohn Fad el Allah übernahm die Regierung und setzte die Kriegszüge fort, so daß die Franzosen sich veranlaßt sahen, vor etwa 2 Jahren den Schari zu überschreiten, durch Deutsch-Bornu zu marschiren und Fad el Allah bei Dikoa zu schlagen. Flichend ließ sich Fad el Allah in Gudjiba auf englischem Gebiet nieder, von da aus wiederum das deutsche und französische Gebiet bedrohend. Die Franzosen, ihm durch englisches Gebiet folgend, schlugen ihn bei Gudsiba, wobei Fad el Allah selbst getödtet wurde. Die ganze Kriegsbeute, bestehend in Waffen, Kleidern, Stoffen, Sklaven 2c. wurde nach Dikoa, woher die meisten Leute stammten, zurückgeführt und dem Sultan Gerbeil, also dem Sultan von Deutsch- Bornu, übergeben. Die Franzosen selbst ließen in Dikoa Garnison zurück, zur Sicherung der dortigen 545 Verhältnisse. Als Ende vorigen Jahres die Engländer den Sultan von Yola geschlagen hatten und ihre Expedition in das Gebiet westlich des Tsadsees aus- dehnten, schickte der englische Oberst Morland einen Hauptmann nach Dikoa und ließ den Sultan Gerbeil zu einer Unterredung auffordern. In Maidoggurri fand diese Besprechung statt, wobei Gerbeil auf- gefordert wurde, mit seinem ganzen Volke, Hab und Gut auf englisches Gebiet überzusiedeln, denn Englisch-Bornu sei viel größer und reicher als Deutsch-Bornu. Auch versprachen ihm die Engländer, Kuka wieder aufzubauen und in seinem Gebiet Eisenbahnen herzustellen. Nach nochmaligen Ver- handlungen, die diesmal der englische Hauptmann Mac Carthy Morrogh führte, gelang es, Gerbeil zur Uebersiedelung zu bewegen. Rittmeister Dangeville, von diesen Verhandlungen Kenntniß bekommend, ge- rieth mit dem englischen Hauptmann, indem sie sich gegenseitig das Recht der Anwesenheit in Deutsch- Dikoa bestritten, in Zwistigkeiten, die damit endigten, daß Dangeville, als Gerbeil mit einigen wenigen Großen und Gefolge auf englisches Gebiet über- getreten war, in einer Nacht den Rest der Großen von Dikoa, die mit der Uebersiedelung überhaupt nicht einverstanden waren, zusammenrief, einen neuen Sultan, den jetzigen Sanda, wählen ließ, und dieser nun das Recht hatte, den weiteren Auszug zu verbieten. Auf einen Brief von mir an den in Monogu, wohin inzwischen Gerbeil seinen Sitz verlegt hatte, residirenden englischen Offizier, worin ich bat, die Beschränkungen des freien Handels aufzuheben, bekam ich eine Antwort, worin mich Hauptmann Mac Carthy Morrogh um eine Unter- redung bat. Nachdem ich ihn durch einen meiner Offiziere an der englischen Grenze hatte empfangen lassen, stellte er mir die Sache in englischer Auf- fassung dar. Hauptmann Mac Carthy war zwei Tage mein Gast, und nachdem er zugesichert hatte, alle Schwierigkeiten zu vermeiden, vor allen Dingen auch den Versuch einzustellen, eine weitere Ent- völkerung Dikoas herbeizuführen, bis die ganze Angelegenheit durch die beiderseitigen Regierungen geordnet, auch die Grenze genau festgelegt sei, ver- ließ er mich, von zweien meiner Offiziere bis an die Grenze geleitet. 7) Rittmeister Dangeville verließ mit seinen Truppen am Tage nach der offiziellen Besitzergreisung Dikoa und marschirte nach Fort Lamy. Ich gab ihm mit meinen Offizieren eine Strecke das Geleit. Die Freude und Dankbarkeit der Dikoaner über die *) Nach einem in Nr. 19 des Deutschen Kolonial= blattes veröffentlichten Bericht des Oberleutnants Dominik ist das Verhältniß zu den englischen Nachbarn inzwischen bekanntlich in zufriedenstellender Weise geregelt. Der britische Resident hat den Verkehr für Unbewaffnete nach Deutsch-Bornu freigegeben, und es hat eine Einigung über eine vorläufige Grenzlinie, Auslieferung der Wassen über die Grenze und anderr lokale Interessen stattgefunden.