Von Diköa bin ich über Nyaba nach Sehram am Tsadsee einmal und dann direkt östlich über Kaba Kura nach Kusseri marschiert. Eine Beschreibung über Deutsch-Bornu braucht nur sehr allgemein gehalten zu sein, um ein Bild von der Natur des Landes zu geben; alle Einzel- heiten, die für den Fachgelehrten Interesse bieten, sind von Barth, Vogel, Overweg und Nachtigal so peinlich genau zusammengestellt worden, daß geo- graphisch und ethnographisch wohl kaum irgendwo in Afrika so wenig neues gefunden werden kann wie hier. Der Weg durch Woladje führt in 16 Marsch- stunden von Doloo nach den Wasafelsen, deren Breite von Vogel feftgelegt ist. Das Land ist bis sechs Stunden von Doloo von Mandaraleuten be- wohnt und, wo es bebaut ist, in guter Kultur. Wo keine Siedlungen sind, ist leichter, niederer Dorn- busch vorherrschend. An kleinen Wasserläusen, die, vom Gebirge kommend, sich allmählich in der Ebene verlaufen, ist Wiesenland. Der Dornbusch, der hier sein südlichstes Auftreten hat, ist bis zum Tsadsee typisch. Er vergrößert und verdichtet sich stellen- weise zu fast undurchdringlichen Waldungen. Wo das dichter bevölkerte Mandaragebiet aufhört, beginnt die Sieppe der Benihassenaraber, die hier bereits seit zwei Jahrhunderten seßhaft sind und von Osten aus Wadai stammen. Sie haben die Kamelzucht hier aufgeben müssen, weil die Tiere das Klima nicht vertrugen, und sind Ackerbauer und Kleinvieh- züchter geworden. Die Ebene zeigt eine seltsame Abwechselung. Ost hoben sich, weil die Wasser stagnieren, weite Sumpfflächen gebildet, wo das Gras übermannshoch steht und hohe Palmen gedeihen, dann folgen kilometerlange, trockene Steppenstrecken, die ganz Wüstencharakter tragen, bis niederer Dornbusch zu einem grünen Grasteppich hinübergeleitet, auf dem große Rudel Antilopen äsen, unter denen namentlich das Hartebeest neben Pallah= und Gazellenarten häufig ist. Im Dornbusch schweifen Elefant und Giraffe von Mußgu durch Wandala bis in die west- liche Margkisteppe. Der Elefant gehört zur Sudan- art, ist niedriger, mit breiterem Kopf, schlechter im Wildpret als der Elefant der Westküste, mit kurzen, dicken Zähnen. Die Giraffen sind zahlreich, aber sehr scheu, und suchen, wenn sie flüchtig werden, gern Sumpfboden auf, den sie mit ihren breiten Hufen sehr geschickt passieren, während ihnen das Pferd längst nicht mehr zu folgen vermag. Araberdörfer sind überall in der Steppe ver- streut. Die Hütten sind nirgends mit Zuhilsenahme von Erde oder Steinen, sondern oft recht umfang- reich aus Rohrmaterial hergestellt, das ein kuppel- artiges, rundes Grasdach abschließt. Menschen, Hunde, Ziegen, Schafe und Hühner wohnen zu ebener Erde in demselben Bau. Einige Felle, Matten und Töofe machen den gesamten Hausrat aus. Von Großvieh besitzen die Benihassen wenig, das haben ihnen Fullahs und später Rabbahleute genommen. 149 In den Korn= und Reisfeldern arbeiten Männer, Frauen und Kinder fleißig. Sklaven gibt es wenig, die Ernte wird in tiefen Gruben geborgen. Ist der jungfräuliche Boden nicht mehr ertragsfähig, so wird das Dorf verlegt. Die Araber haben sich überall ziemlich rein erhalten, ganz im Gegensatz zu ihren nach Adamaua ausgewanderten Stammesangehörigen, die sogar selten ihre Sprache bewahrt haben. Viel dazu beigetragen hat entschieden ihre Armut, die sie den mohammedanischen Nachbarn nicht als ersehnte Freier für ihre Töchter erscheinen läßt. Die Männer tragen durchgehends die schwarze, meist recht zer- schlissene Tobe und einige ganz leichte Wurfspeere. Selbst Bogen, Messer und Schild fehlen häufig. Die Haare haben sie fast ganz rasiert und gehen barhäuptig. Die Weiber tragen die langen Haare in zahlreiche Zöpfe geflochten auf die Schultern niederfallend. Knaben bis zur Beschneidung und junge Mädchen gehen ganz nackt, später tragen letztere ein Tuch um die Hüften bis unter die Knie reichend; erstere ein Ziegenfell an einem Riemen befestigt über eine Schulter gehängt. Schöne Gestalten mit echt semitischem Typus sind häufig. Die einzelnen Dorf- gemeinden werden vom Scheich geleitet, der dem Oberherrn für den Jahreszins, den sämtliche Araber zahlen müssen, verantwortlich und gleichzeitig meist der einzige Schriftkundige und Vorbeter ist. Bei dem Felsen von Wasa, einem in der Tsad- ebene weithin sichtbaren Merkzeichen, stoßen die Reiche Mandara — denn dorthin zahlen die südlichen Beni- hassen Tribut — Logone und Bornu zusammen. Das alte Wasa ist von den Fullahs aus der Marrua- ebene (gabba) vor ungefähr 30 Jahren zerstört worden und an seine Stelle, als vermittelnder Markt, ist das zwei Stunden nordöstlich gelegene Hoia ge- treten, das bereits von Kotako sprechenden Logone- leuten bewohnt ist. · Die Kotokos, die in breitem Streifen sehr zahl- reich vom Tsadsee Schari abwärts bis oben nach Hoia im Süden sitzen, sind wie die Kanembus Landes- eingesessene, während die Kanuris (d. h. die eigent- lichen Bornuleute) durch das Ghazal eingewandert sind, allerdings bereits seit dem 13. Jahrhundert geschichtlich innerhalb dieses Reiches nachweisbar sind. Kotokos finden sich überall in Bornu unter Kanuriherrschaft; geschlossen unter eigenen Herrschern sitzen sie im Lande Makary (von Kusseri bis zum Tsad) und in Logone, dessen südlichsten Posten das genannte Hoia bildet. Das Land Logone ist durch Jahrhunderte in festerer oder geringerer Abhängigkeit von Bornu gewesen, das in Kusseri am Zusammenfluß des Logoneflusses mit dem Schari seinen eigenen festen Fährplatz nach Bagirmi hinüber besitzt. Das Land grenzt im Süden an die sprachverwandten heidnischen Mußgus, im Osten an Bagirmi und im Norden an das stammeszugehörige Makaryland. Das Land zwischen Hoia und der Hauptstadt des Landes, Karnak Logon, setzt sich aus wechselnden 2