Bericht des in der Herbsttagung des Jahres 1901 gewählten Ausschusses über den Entwurf einer Ver- ordnung, betreffend die Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen Deutsch-Südwestafrikas in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, wozu eine Außerung des Gouver- neurs Leutwein und der Entwurf einer Verfügung, betreffend Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten von Nichteingeborenen mit Eingeborenen des südwest- afrikanischen Schutzgebietes, vorlagen. Nach Er- stattung des Ausschußberichtes durch Justizrat Dr. Porsch beantragte Exzellenz v. Hofmann die Überweisung des erwähnten Verfügungsentwurfes an den Ausschuß, wogegen der Vorsitzende betonte, daß die Kolonialverwaltung großen Wert auf als= baldige Erledigung der Angelegenheit lege, wenigstens des materiellen Teiles der Verfügung. In der Nachmittagssitzung wurde dann ein Antrag einge- bracht, wonach die Formulierung der Verfügung einer Verständigung der Regierung mit dem um zwei Mitglieder verstärkten Ausschusse überlassen werden soll. Der Antrag wurde einstimmig ange- nommen und in den Ausschuß die Herren Exzellenz v. Jacobi und A. Woermann zugewählt. Über die Landfrage in Kamerun, die den letzten Gegenstand der Tagesordnung bildete, lag ein schrift- licher Bericht des Ausschusses vor. In der ausge- dehnten Debatte, an der sich außer dem Bericht- erstatter Herrn Vohsen die Herren Dr. Scharlach, Exzellenz v. Jacobi, Staudinger, Dr. Schöller, Woermann und Vietor beteiligten, wurde die Frage der Begrenzung der Landeigentumsrechte der Ein- geborenen und die Rechte der Gesellschaften Süd- und Nordwestkamerun eingehend erörtert. Der Kolonialrat nahm zum Schluß mit großer Mehrheit den vom Ausschuß vorgeschlagenen Beschluß an, der solgenden Wortlaut hat: „Der Kolonialrat spricht seine Befriedigung über den Inhalt des Erlasses vom 28. Dezember 1901 aus und begrüßt die am 8. April 1902 erfolgte Ein- setzung einer Landkommission. Die Einsetzung nur einer Kommission wird aber nicht ausreichen, wenn die umfangreichen in Rede stehenden Aufgaben in befriedigender Weise und absehbarer Zeit erledigt werden sollen. Die Bestellung eines Pflegers zur Wahrung der Rechte der Eingeborenen wird obliga- torisch auszusprechen sein. Auch wird die Anhörung von Sach= und Sprachkundigen vorzusehen sein. Dabei sind die Vorschriften der Allerhöchsten Ver- ordnung vom 15. Juni 1896 und der Verfügung des Reichskanzlers vom 17. Oktober 1896 wegen der Wahrung des Eigentums und der dinglichen Rechte der Eingeborenen und wegen des Vorbehalts von Flächen, deren Bebauung oder Nutzung den Unterhalt der Eingeborenen auch mit Rücksicht auf künftige Be- völkerungszunahme sichert, streng zu beachten. Die Zusammenlegung der Eingeborenen in geschlossenen, aber nicht zu umfangreichen Dörfern ist je nach den örtlichen Verhältnissen wünschenswert, und sind deren Vorteile den Eingeborenen unter Hinweis auf die aus 259 den bisherigen Zusammenlegungen gewonnenen gün- stigen Erfahrungen einleuchtend zu machen; jedoch ist dabei jeder Zwang ebenso wie jeder Zwang zur Arbeit in den Plantagen auszuschließen, auch dürfen nicht nachträglich Eingeborene in das zuvor anderen überwiesene Land eingewiesen werden. Erfolgt die Zusammenlegung, so hat die Zuweisung des neuen Landes in möglichst ergiebiger, die bisherigen Befit- verhältnisse und das bei Verständnis für den wirt- schaftlichen Erwerb wachsende Bedürfnis berücksichti- gender Weise zu erfolgen, so daß die Eingeborenen ihren vollen Lebensunterhalt auf dem neuen Besitz erwerben können. Ein bestimmtes Maß der zuzu- weisenden Flächen ist dabei nicht festzuhalten, nament- lich ist daber auch die verschiedene Fruchtbarkeit der zuzuweisenden Flächen in Betracht zu ziehen. Das- selbe gilt bei der Zumessung der Flächen, welche mit Rücksicht auf die künftige Bevölkerungszunahme zu reservieren sind. Insofern bei den bisherigen An- siedelungen der Eingeborenen in geschlossenen Dörfern solche Reservate nicht vorbehalten worden, find nicht nur weitere Anträge auf sofortige Ergänzung der Landzuweisungen tunlichst zu berücksichtigen, sondern es ist auch erforderlich, daß eine größere nicht zu entfernte Fläche guten Bodens als Kronland vorläufig im Besitz der Regierung behalten wird, welche den Eingeborenen auf Wunsch zu billigen Bedingungen zu überlassen ist. Vorbehültuch der Wahrung der öffentlichen Interessen sind den Eingeborenen nach- weisbare Rechte auf die Jagd, den Fischfang, das Einsammeln und die Verwertung von Naturprodukten zu wahren und auch ohne solchen Nachweis auf allem herrenlosen Land, solange dasselbe nicht als Kronland erklärt und Dritten überwiesen ist, zuzu- gestehen. Die Entnahme von Feuerungsholz und des für den Bau von Hütten und Fahrzeugen be- nötigten Holzes ist den Eingeborenen dauernd ein- zuräumen.“ 1* * Die von der Kolonialverwaltung dem Kolonial= rat zur Kenntnisnahme vorgelegte Übersicht über die seit der letzten Tagung vorgefallenen, die Schutzgebiete betreffenden wichtigeren Ereignisse lautet, wie folgt: Allgemeines. Auf dem Gebiete der Rechtspflege erwies es sich als notwendig, die die Rechte an Grundstücken be- treffenden Vorschriften, welche seinerzeit in Anlehnung an das preußische Grundbuchrecht aus dem Jahre 1872 erlassen waren, on das System des Bürgerlichen Gesetzbuchs und der Reichsgrundbuchordnung anzu- passen. Es ist dies durch die Allerhöchste Verord- nung vom 21. November 1902 und eine Ausführungs- verfügung des Reichskanzlers vom 30. November 1902 geschehen und zwar mit Wirkung vom 1. April 1903. Auf eine Anregung aus Deutsch-Südwestafrika hin wurde ferner die bis dahin nur für Ostafrika näher geregelte Enteignung von Grundeigentum zum Gegen- 3