— 468 Bericht des Stationschejs von Ossidinge Grafen v. Pückler- Limpurg über eine Expedition in das noördliche Croß- gebiet vom 23. April bis 3. Mai z90§. Am 23. April brach ich mit einem Unteroffizier, 20 Polizeisoldaten, 16 Trägern (Ekois und Kheakas), den nötigen Dolmetschern sowie dem Häuptling von Mokum, welcher als Händler häufig im nördlichen Croßgebiet reist, von der Station auf. Der Zweck der Reise war: mit den allgemein als wild, unzu- gänglich und kriegerisch geschilderten Anyangs?) in Fühlung zu treten, den Machtbereich der Station auch über diese Landschaften auszudehnen und die Eingeborenen zu veranlassen, einen direkten Verkehr mit den deutschen Faktoreien am Croß zu pflegen. Bereits am 13. und 14. Februar war ich von M'bakum bis zur Einmündung des Mungaya in den Croß marschiert und hatte damit eine Basis für einen neuen Vorstoß in das Hinterland gewonnen. Als Ausgangspunkt für weitere Unternehmungen in Anyang und wichtiger Handelsplatz ist der große Ort Kesham anzusehen, dessen energischer und von den Nachbar- stämmen gefürchteter Häuptling Ennokarasi mit der Zeit eine Stütze für die Regierung zu werden ver- spricht, wenn er erst sein Mißtrauen und seine Angst vor den Europäern abgelegt hat. Am ersten Marschtage erreichte ich nur Egagba (Hauptlager Odjae), da das Ubersetzen über den Croß sehr lange Zeit in Anspruch nahm. Am 24. marschierte ich nach Kesham, wo der Häuptling dieses Mal anwesend war und für reichliche Verpflegung gesorgt hatte. Inzwischen war seitens der Gesellschaft Nordwest-Kamerun auf meine günstige Beurteilung von Kesham als Handelsplatz daselbst mit dem Bau einer Faktorei begonnen worden, worüber die Kesham- leute sehr erfreut waren. Ich moöchte hier noch ein- sügen, daß der M'mam nach den Angaben der Ein- geborenen in der Regenzeit bis auf etwa ½ Stunde von Kesham schiffbar sein soll. Der nächste Tagemarsch führte mich in vier Stunden nach Baddje. Der Weg war ziemlich eben, jedoch häufig durch kleine Wasserläufe — Zuflüsse zum Munaya — unterbrochen. Etwa 20 Minuten vor dem Dorf stößt man in den zahlreichen Niede- rungen auf riesige Bestände von Raphiapalmen, die sich dort zu einer ganz enormen Größe entfalten. In Baddje selbst fand ich neben den gewöhnlichen An- pflanzungen von Planten, ams, Mais und Pfeffer auch Tabakbeete. Der Häuptling Ennaio war in seinem ersten Schrecken weggelaufen, kam jedoch, als seine Leute ihm von meinen friedlichen Absichten berichteten, alsbald zurück und lieferte gleichfalls reichlich Lebensmittel. Am 26. ließ ich den größten Teil der Expedition *) Der Bericht betrifft das bisher ganz unerforschte Gebiet westlich von Baliburg und östlich der Station Ossi- dinge, welches auf der kürzlich erschienenen Karte von Moisel „Das nordwestliche Grenzgebiet von Kamerun zwischen Rio- del- --Key und Bali“ (Mitteil. a. d. deutschen Schutzgeb. 1903, Heft 1) noch einen vollig weißen Fleck bildet. in Baddje zurück und marschierte nur mit einigen Soldaten und Trägern für das Faltboot nach dem Munaya (Mun = kleiner, aya = großer Fluß). Ich wollte erstens Erkundungen über die Schiffbarkeit des Flusses einziehen, dann aber den Anschluß an die Ramsaysche Route gewinnen, um eine bessere Kontrolle für meine Aufnahmen zu erzielen. Auf dem Wege zum Munaya passierte ich die beiden Okbampedörfer, die ebenso wie nachher Arndji und Byamesso am rechten Ayaufer von den Ein- wohnern verlassen waren. Über die Schiffbarkeit des Munaya glaube ich nach den Aussagen der Baddje- leute und meiner persönlichen Augenscheinnahme an den beiden Übergangsstellen als sicher annehmen zu können, daß dieselbe in der hohen Regenzeit wenig- stens bis in die Nähe von Baddje möglich ist. Die Eingeborenen am Mungaya haben Kanus, behaupten dieselben aber nur zum Ubersetzen zu gebrauchen. Nach Baddje zurückgekehrt, gelang es mir nach längeren Verhandlungen vom Häuptling einen Führer nach Njang für den nächsten Tag zu erhalten, welches östlich von Baddje zu liegen schien, in Wirklichkeit aber südsüdöstlich liegt. Die Landschaft Njang be- steht aus einer großen Anzahl kleiner Dörfer, die inmitten ausgedehnter Farmen liegen; auch größere Anpflanzungen von Tabak habe ich wiederum vor- gefunden. Die Leute von Njang (Stamm Anyang), welche wie ihr Häuptling Tari sehr zutraulich waren, beschäftigen sich ausschließlich mit Farmbau und brachten eine Menge großer Planten und Feldfrüchte herbei. Den folgenden Tag blieb ich in Njang, um weiteres von dem östlich gelegenen Gebiet zu erfahren, wurde jedoch nur, wie bereits in Kesham und Baddije, auf das einige Tagereisen nördlich liegende Biteku hingewiesen, wohin ein Weg von Okbampe aus führen soll. Von Nijang aus erreichte ich am 29. nach mehr als sechsstündigem, sehr anstrengendem Marsch Mba- kum. Gleichfalls bei Mbakum sind große Farm- anlagen und sehr ausgedehnte Bestände von Olpalmen. Auch hier hat die Gesellschaft Nordwest-Kamerun mit der Anlage einer Faktorei begonnen, um die Produkte der Palme aufzukaufen und auf dem Croß nach Old-Calabar zu verschiffen. In Mbakum war der Häuptling Mbiaio-Eta anwesend, aber seine Leute waren alle aus Angst weggelaufen. Am 30. April marschierte ich den bereits am 12. Februar begangenen Weg nach Mamfe und traf um 10 Uhr 20 Min. auf der sehr schön, hoch über dem Croß gelegenen Faktorei der Gesellschaft Nord- west-Kamerun ein. Bei Mbakum und auch bei Tengon und Kesham hatten die Leute bereits mit dem Wegereinigen begonnen. Den für die Expedition nächstfolgenden Ruhetag benutzte ich zu einer Fahrt auf dem bisher als nicht mehr schiffbar bezeichneten Croß. Ich selbst fuhr im Faltboot, der Kaufmann Willhöfft der Gesellschaft Nordwest-Kamerun in einem Kanu. Bei der Ein- mündung des Bali in den Croß entsteht eine see-