— 358 — Frauen, Kinder und Hirten. Sie hatten eine un- zählige Menge Vileh bei sich, auch viele Wagen; schätzen kann ich das Vleh nicht, da es zerstreut im Gebüsch ziemlich verborgen gehalten wurde. Mehrere hundert der Hereros waren beritten, die meisten der Krieger mit Gewehren der verschiedensten Systeme bewaffnet. Mit Samuel selbst habe ich nur über meine Reise gesprochen. Er war fast stets von seinen Unterkapitänen und Großleuten umgeben, er war in Zivil, die Krieger aber im Kriegsschmuck mit Straußen- federn und roten Tüchern auf dem Hut und zum teil mit roten Gürteln. Das ist ihre Kriegskleidung. Sehr viele hatten Anzüge und Uniformen der Schutz- truppe, Schutztruppenhüte und Militärmäntel, auch lange gelbe Stiefel. Die meisten Uniformstücke waren gut erhalten. Die Stimmung war übermütig krie- gerisch. Der Oberbefehlshaber Kajata hatte die Leute gut in seiner Gewalt. Er kommandiert wenig, seine Befehle waren kurz, aber bestimmt; ich habe gehört, daß jüngere Leute deutsch, z. B. „Halt“, „Aufsteigen“, „Absteigen“, kommandierten. Spione wurden häufig abgeschickt, wohl von jedem Unterhäuptling eine Anzahl, sie waren zum Teil beritten, zum Tell un- eritten. Die Hereros haben mich mehrfach aufgefordert, die Deutschen zu veranlassen, herauszukommen aus Okahandja, sie wollten mit ihnen im Felde fechten; sie frugen, ob meine Landsleute nur in Häusern fechten. Sie bewunderten es aber, daß einzelne Farmer sich tapfer verteldigt und daß die Bahn während des Kampfes mit ihnen wieder hergestellt wurde. Sie verglichen die Deutschen deshalb mit weißen Ameisen, die das Zerstörte gleich wieder auf- bauen. Das hat mir übrigens Kajata selbst erzählt. Etwas großsprecherisch sagt Kajata: „Sie wollten die einzelnen Stämme der Hereros, die sich noch bei Otjümbingwe, Omaruru, Waterberg und in der Nähe von Gobabis befänden, vereinigen und eines Tages zusammen nach Okahandja herunterkommen, wo sie kämpfen und sterben wollten. Da sei ihre Heimat, und sie würden sie nie ausgeben.“ Sie meinen ins- besondere, daß sie überhaupt noch nicht gekämpft hätten bis jetzt. Ich habe bestimmt den Eindruck, daß die große Menge der Hereros über den Anlaß zum Krieg im unklaren ist. Ich habe immer wieder und von den verschiedensten Seiten, auch von kleineren Kapitänen gehört, wie sie untereinander frugen, wie der Krieg eigentlich entstanden ist und wie die anderen darauf sagten, sie hätten auch schon oft gefragt, sie wüßten es auch nicht. Nach dem Wegzug der Hereros aus Okasewa habe ich von einem Mann von einer im Feld zurückgebliebenen Werft gehört, ein Junge von seinem Stamm, der mit der Truppe nach dem Süden gezogen sei, sei zurückgekehrt und habe berichtet: „Die Engländer schössen im Süden auf die Deutschen.“ Ich habe absichtlich und mehrfach unter den Tietjo- schen Leuten dieses Gerücht als unwahr bezeichnet, ihnen vielmehr gesagt, das Gegenteil sei wahr; die Engländer würden wohl den Deutschen zu Hilfe ge- kommen seln. Ich wollte dadurch die Leute abhalten, mit ihrem Vieh auf englisches Gebiet auszuwandern. Ob die Hereros von irgend jemand aufgehetzt worden sind, weiß ich nicht; jedenfalls sind sie durch verschiedene Umstände erbittert. Sie klagten auch im Lager und vielfach darüber, wie sie von Händlern geprellt worden seien. Sie erzählten mir folgendes, was zum Teil übertrieben sein mag: Hatte ein Herero Schulden bei einem Händler, so kam der Händler meistens mit einem Polizisten, aber auch ohne Polizisten zur Werft. Es wurde gefordert die Schuld, die Zinsen, ein Betrag für das Pferd, das der Händler beim Einziehen der Schuld benutzte, für das Futter des Pferdes, Schadenersatz für den Zeitverlust des Händlers, Ersatz für den Unterhalt des Händlers, entgangener Gewinn, für die Zeit des Wartens mit dem Einziehen der Schuld, und die Kosten der Herreise und Rückreise des Händlers und eventuell auch seiner Leute. Es ist auch erzählt worden, daß die Händler bares Geld oft beim Kauf nicht annehmen wollten und daß sie beim Einziehen der Schuld Vieh an Zahlungsstatt hingeben mußten, welches ihnen willkürlich niedrig berechnet wurde. Man habe sie gedrängt, auf Schuld zu kaufen und habe mit ihnen, falls sie nicht kaufen wollten, Krach gemacht und ihnen vorgehalten, sie machten wohl Orlog mit ihnen. Ich weiß z. B. von Hereroseite, daß der im Herbst 1903 in Omitara verstorbene Händler Borbe sich 10 Mk. bezahlen ließ, weil er einen Tag auf einer Werft oberhalb Wittfley zu- gebracht hatte, ohne etwas zu verkaufen. Auch sollen Händler gedroht haben, zu schießen, wenn nichts gekauft würde, oder wenn die Hereros klagen gehen wollten. Sie sagten mir, ich solle dem Gouverneur sagen, er solle die Händler zum Lande hinausjagen, dann wollten sie mit der Truppe in Frieden leben. Über die Regierung und den Herrn Gouverneur äußerten sie sich sehr lobend. Bei der Regierung hätten sie Gerechtigkeit gefunden. Die Großleute hielten sich mir gegenüber sehr reserviert. Sie sagten mir nichts über die Ursache des Krieges, und fragen durfte ich absolut nicht. Jene Beschwerden sind mir von Leuten aus dem Volke mitgeteilt worden. Ich habe übrigens einmal gehört, wie kleine Leute jetzt auf meiner Tour sich unterhielten: „Für sie sei es nicht günstig, wenn sie, die Hereros, den Sieg davon- tragen würden; denn während die Deutschen die Herrschaft gehabt hätten, hätten sie sich Kühe halten können, wenn aber die Hereros wieder die Herren wären, sel es nicht mehr möglich, weil alles Vieh nach ihrer Sitte den Großleuten gehöre. 2. Missionar Diehl: „An dem Aufstand mögen die Farmverkäufe und das Ausmessen derselben mit Schuld sein. Die Farmer haben in letzter Zeit es mehrfach nicht geduldet, daß die Hereros auf dem Land der Farm ihr Vieh weiden und tränken lassen. Es sind z. B. bei Klein-Barmen auf der Langeschen Farm auf der Wasserstelle derartige Konflikte ent-