Bald nach der Regenzeit soll hier sehr gute Vieh- welde sein. Je weiter wir nach Osten marschierten, umso- mehr trat der Leginga genannte Höhenzug zurück. Auch nach Süden hin lagen in größerer Entfernung Höhenzüge bezw. einzelne höhere Kuppen. Wild zeigte sich nur wenig, ein vereinzeltes Gun, eine Giraffe oder elnige Leierantilopen wurden auf weitere Entfernungen sichtbar. Nach 2½ stündigem Marsch erreichten wir das trockene Flußbett des von NoO kommenden Langatulengatuni. Das Flußbett ist etwa 4 bis 6 m tlef eingeschnitten, etwa 20 m breit und auf beiden Seiten mit mittelhohen Bäumen eingefaßt, so daß man seinen Lauf weithin durch die Steppe verfolgen kann. Etwa 1 km oberhalb unserer Über- gangsstelle standen noch zerfallene Hütten früher hier seßhafter Wanderobbo. Unmittelbar nach Überschreiten des Flußbettes änderte sich das Landschaftsbild wieder. Dicht am Rande des Flußbettes lagen einige wiesen- artige Grasflächen, und in ihnen einige Wasserlöcher mit leidlich gutem Trinkwasser. Die kahle Steppe verschwand, Busch und niedriger Baumwuchs ge- wannen wieder die Oberhand. Starke Rudel von Elennantilopen kreuzten mehrfach unsere Marschrichtung, Herden von Zebras wurden flüchtig bei unserer An- näherung, vereinzelte Busch= und Riedböcke, Swalla- antilopen, dann wieder Herden von Gnus, Thomson= und Grantgazellen, auch vereinzelte starke Schweine, gravitätisch einherschreitende Girasfen und Strauße erfreuten das Jägerherz. Alle aber hielten sich in respektvoller Entfernung von der Karawane, so daß wir, um zum Schuß zu kommen, zum Teil recht bedeutende Umwege machen mußten. Um 10 Uhr hatten wir das Steppenland durch- quert, überschritten das steinige Flußbett des Pininje oder Ngariniro und lagerten auf dessen linkem Ufer am Fuß des oben erwähnten Leminingoi. Der Pininje kommt, klares und kaltes Wasser führend, wahrscheinlich aus englischem Geblet, läuft zuerst eine Strecke nach dem Süden, um dann nach Osten auszubiegen und dem Natronsee Guasso Njro zuzufließen. Der Flußlauf bildet eine scharfe Grenz- linie zwischen der Steppe und dem Gebiet des ost- afrikanischen Grabenrandes. Auf der einen Selte kurzes, trockenes Gras, niedriges Buschwerk, einzelne Baumgruppen auf flachem, welligem Gelände, auf der anderen ausgesprochenes Bergland, bedeckt mit hohem Baumbestand, vermischt mit dichtem Unterholz und Busch auf saftiger, grüner Grasnarbe. Vielfach hat das Land hier auch den Charakter der Parklandschaft. Auch dieser Lagerplatz wurde noch durch eine Dornboma gesichert. Am Nachmittag entwickelte sich in nächster Nähe des Lagers in der Steppe ein be- lebtes Bild. Wild aller Arten zog in buntem Ge- misch zur Tränke nach dem Pininje. Nur derjenige, der die Wildmengen hier gesehen hat, kann sich eine Vorstellung davon machen, wie wildreich ein Land sein kann. Daß das Wild sich hier noch in solchen unzähligen Mengen aufhält, ist nur dem menschen- 532 leeren Geblet zu verdanken. Die Massal üben keine Jagd aus, und die Wanderobbo jagen im Verhältnis zu dem großen und unbewohnten Gebiet, in so kleinen Trupps, daß sie das Wild wohl beunruhigen, aber den Wildbestand nicht vernichten können. Nach empfindlich kühler Nacht brachen wir am nächsten Morgen um 5½ Uhr auf. Nach Aussage der Führer sollten wir an diesem Tage wieder auf eine Ansiedlung von Wanderobbo stoßen und damit die Landschaft Ssonjo oder Ssalek erreichen. Auch die Marschrichtung, scharf nach Südosten, sollte uns endlich dem Dönjo Ngal näherbringen. Bald nach Verlassen des Lagers sahen wir von einer kleinen Kuppe aus den Spitzkegel des Dönjo Agai, allerdings nur in verschleierten Umrissen. Kurze Zeit darauf hatten wir einen von Norden kommenden und an- scheinend ziemlich viel betretenen Fußpfad erreicht. Diesem folgten wir nun in südöstlicher Richtung. Zur Linken begleitete uns ein steiler Höhenzug, die Fort- setzung des Leminingoi. Der Fußpfad kommt aus der Landschaft Nguruman und verbindet diese mit Ssonjo. Führte uns der Weg zuerst durch eine üppige Parklandschaft, die durch Antilopen und zahl- reiche Schwärme von Perlhühnern bedeckt wurde — auch ein Nashorn schnaufte plötzlich unmittelbar bei der Karawane, ohne jedoch sichtbar zu werden —, so zog er sich in seinem weiteren Verlauf durch dicht verwachsenen, mit üppigen Schlingpflanzen, Riesen- farnen und Buschwerk vermischten Laubwald. Die bunte Blütenpracht und das frische üppige Grün standen in scharfem Kontrast zu der dürren Steppen- landschaft vom Tage zuvor. Oft genug mußten Buschmesser und Seitengewehre in Tätigkeit treten, den Trägern das Durchkommen zu ermöglichen. Das Laubdach und das Gerank der grünenden Aste war oft so dicht, daß kein Sonnenstrahl das Dunkel er- hellte. Zwischendurch schlängelte sich eine Reihe von Bächen mit spiegelklarem und kaltem Wasser. Dem Laufe des größten derselben, des Lemegumune, folgte der Weg eine längere Strecke. Hier trafen wir auch einige uns begegnende Wanderobbo. Von ihnen hörten wir, daß einen Tagemarsch von uns entfernt mehrere Europäer und Askaris säßen, um eine Boma zu bauen. Unsere Vermutung, daß es sich um eine Abtellung der Kompagnie von Moschi handelte, die in der Landschaft Ssonje zum Schutz gegen Massaieinfälle einen neuen Posten anlegen sollte, erwies sich am nächsten Tage als richtig. Als wir aus dem dichten Busch heraustraten, lag vor uns ein welliges, mit vereinzelten Bäumen, nie- drigen Büschen und kurzem, grünem Gras bedecktes Land. Nach einem längeren Aufstieg bot sich uns von einem langgezogenen Bergrücken aus, es war inzwischen etwa 10½ Uhr geworden, ein großartiges Panorama. 4 Nach Südosten hebt sich scharf und deutlich der spite Dönjo Ngai ab, von der Spitze bis auf etwa die halbe Höhe des Nordabhanges liegt wie ein großer Gletscher eine grauweiße Schicht Asche, ein