Die Gegend südlich des oberen Dscha ist dicht bevölkert. Die bedeutendsten Häuptlinge sind Bidia, Badom, Mbatschongo, Dscha und Tugumedio, sämt- lich dem großen Stamme der Niem angehörig. In Bungoa traf ich als Händler der Firma Randad & Stein den Sohn des angesehenen Bane-Häuptlings Balingekore aus Ngulemakong. Bezüglich Gestellung von Trägern und Arbeitern berechtigt das Gebiet am oberen Dscha zu guten Hoff- nungen. Gummi ist relchlich vorhanden; Elefanten sind selten. Olpalmen, welche östlich der Linie Elemwoo—Mngojul nicht mehr beobachtet wurden, kommen am oberen Dscha vor und werden zur Ol- bereitung benutzt. In der Hauptsache wird das Ol indessen hier wie in Rdsimu aus den Früchten der zahlreichen riesigen Atiapbäume in sehr reiner Qualltät hergestellt. Die Bereitung von Palmwein ist unbe- kannt. An alkoholischen Getränken finden die Njems und Ndsimus keinerlei Geschmack. Gebaut wird ein sehr kräftiger Tabak. Derselbe scheint mir viel Nikotin zu enthalten. Er schläfert zunächst ein, erzeugt, in größeren Mengen genossen, starkes Herzklopfen und wirkt in hohem Maße nervenreizend. Die Ein- geborenen filtrieren den Rauch durch knäulartig ge- ballte Bambusfasern, welche sie in große Antilopen- hörner stecken. Diese bilden das Pfeifenrohr. Über die Wanderungen der Njems und Ndsimus und ihre Herkunft ist mir noch folgendes erzählt worden: Aus dem Inneren Zentralafrikas sind die Nosimus bis zum Zusammenflusse des Ssanga= und Ngoko- Stromes vorgedrungen. Von hier ist ein Teil den Ssanga aufwärts westlich dieses Flusses nach Nord- westen gewandert, um am oberen Dscha neue Wohn- sitze zu suchen; ein anderer Tell ist den unteren Dscha (oder Ngoko) aufwärts gezogen und hat vom Lande im Dscha-Bogen Besitz genommen. Der erste stärkere Teil ist nördlich auf Maka-, westlich auf Bulu-Stämme gestoßen, hat sich mit diesen teilweise vermischt und nennt sich Niem, auch Janguma. Aus den Maka-Kriegen werden in vielen Njem-Dörfern Trophäen aufbewahrt, so Langschilde aus Holz mit Flechtwerk, wie sie die Pfell und Bogen führenden Völker des Graslandes trugen. „Die Makas“, so rühmten die alten Njem-Häuptlinge, „haben uns nicht widerstehen können, denn wlr brachten Gewehre und Pulver vom Kongo mit.“ Der andere Teil, der sich in Sprache und Sitte ziemlich rein erhalten hat, führt seinen alten Namen Ndsimu weiter. Njem sowohl wie Ndfimu bilden zahlreiche lleinere Landschaften, welche meist in Fehde unter- einander leben. Das unstete Leben in dem unweg- samen Walde und Sumpfgelände, der tägliche Kampf mit der Natur und mit den Nachbarstämmen haben auf den Charakter dieser Völker sicher großen Einfluß. Von ihren Nachbarn sind sie wegen ihrer Raubgier und Hinterlist sehr gefürchtet. Sie sind ausgezeichnete Jäger, Fischer und gute Waffenschmiede. Das Eisen gewinnen sie aus dem Raseneisenstein und fertigen 769 daraus kurze Dolchmesser und Speerspitzen. Den von den Faktoreien eingeführten Eisen-, Messing= und Kupferdraht verarbeiten sie geschickt zum Schutz der Gewehrschäfte. Draht bildet neben Gewehren und Pulver den Haupthandelsartikel. Für Luxusartikel fehlt noch das Verständnis. In einzelnen Njem-Dörfern fand ich ganz leidliche Holzschnitzarbeiten, so mit Schlangen und Eldechsen verzierte Türstöcke in Luma. Die Badom-Leute sind gewandte Kanufahrer, gute Schwimmer und brauchbare Zimmerleute. Der Bau von neun großen Kanus in einem Monat ist eine recht gute Arbeitsleistung zu nennen. Von der kriegerischen Gesinnung der Riems und Ndsimus zeugt die Bauark ihrer Dörfer. Die Ein- gänge sind durch starke Palisadierungen geschützt. Im Inneren des langgestreckten Dorfes liegen in Abständen von etwa 50 m große Blockhäuser, sogen. Banjos. Diese sind mit Schießscharten versehen und eignen sich gut zur abschnittsweisen Verteidigung. Die Bewaffnung besteht aus Vorderladern, welche sie tadellos behandeln. Jedes Gewehr wird beim Einkauf erst auseinandergenommen und auf seine Brauchbarkelt geprüst. Im Gefecht führen die besten Kämpfer mehrere geladene Gewehre mit sich. Hier- durch gleichen sie den Nachteil des langsamen Ladens beim Vorderlader einigermaßen aus. Außerdem führt jeder ein kurzes Dolchmesser im Gürtel, eine äußerst gefährliche Waffe im Nahkampfe. Moralisch stehen die Njem-Stämme auf niedriger Stufe. Sie sind Kannibalen vom reinsten Wasser, im krassesten Aberglauben befangen, diebisch und ver- logen. Die Wahrheit zu sagen, gilt als dumm. Die Verneinung in der Njem-Sprache ist ein langge- zogenes Ja. Ihre Gestalt ist untersetzt und kräsftig, ihre Ge- sichtszüge auffallend häßlich. Die Zähne feilen sie schmal und spitz. Die Scheidewand der Nasenlöcher wird bei dem männlichen Geschlecht durchbohrt und Kassadastengel als Schmuck (Njauga) hineingesteckt. Die Häuptlinge (Mokundsche) und älteren Leute tragen einen starken Knebelbart, an dessen Spitze sie noch eine Haarlocke als Zierde baumeln lassen. Als Zeichen der Würde tragen die Häuptlinge mehrere Hüte übereinander. Als Tinidi bel mir erschien, hatte er deren fünf auf. Nach allem habe ich den Eindruck gewonnen, daß die Motive des Aufstandes in der Hauptsache nichts weiter als gemeine Raubgier dieser auf niedrigster Kulturstufe stehenden Kannibalen waren. Der ge- fangene Häuptling Samansog hat dies selbst zu Protokoll gegeben. Der Handel hatte sich hier in Gebiete vorgewagt, welche von der Regierung noch kaum berührt sind. Das ganze Adsimu-Gebiet und tellweise auch Niem war mit Faktoreien durchsetzt. Hier lagerten Ende November 1908 bedeutende Mengen an Pro- dukten (Gummi und Elfenbein), deren Transport nach Molundu infolge Trägermangels und sehr