—– 82 selbst die 1. Kompagnie der Kaiserlichen Schutztruppe zum Schutze und zur Sicherheit der Eingeborenen unterzubringen, hatte ich den Beginn meiner Musgum- Reise auf Anfang Februar festgesetzt. Für den Termin der Abreise war der Umstand maßgebend, daß das zum Musgum-Land führende Wiesengelände bei Ngundeni-Diina, welches die 1. Kompagnie erst einen Monat vorher von Südosten nach Osten in 60 Kanus durchfahren hatte, erst von Anfang Fe- bruar an passierbar sein sollte. Diese Angaben er- wiesen sich als richtig; denn oft bis zu den Hüften im Wasser der kleinen Kanäle und Bäche watend, wurde diese Strecke gerade schon als gangbar be- funden. Was die einzuschlagende Richtung des Vor- marsches anbetrifft, so war nach den Verbindungen und Auskünften, die man aus dem Musgum-Lande bis dahin erhalten hatte — Ende Januar war der Häuptling aus Tekele in Kusseri gewesen — beab- sichtigt, bis nach der Stadt Musgum auf dem linken Ufer des Logone zu marschieren, hier den Logone zu überschreiten und dann am rechten Ufer entlang bis zur französischen Grenze vorzudringen bezw. bei Dülüm dem Laufe des Ba-Ili zu folgen und in das Gebiet zwischen Schari und Logone hineinzustoßen. Alles übrige sollte dem Gange der Ereignisse über- lassen bleiben. Am 8. Februar 1904 brach ich mit fünf Reitern, 10 Fußsoldaten und 60 Gulfei-Trägern von Kusseri nach Karnak-Logone auf, traf dortselbst am 9. ein und vereinigte mich mit der 1. Kompagnie. Am 11. brach die Expedition in der Stärke von 4 Euro= päern, 84 Soldaten und 180 Trägern, vom Sultan von Karnak-Logone weit begleitet, nach Musgum auf. Vom 11. bis 14. ging es auf dem mir von der Expedition mit Oberst Pavel her teilweise schon be- kannten Wege bis Tekele vorwärts; teilweise durch Dornen, dann wieder durch reiterhohes Gras, ost bis an die Hüften im Wasser der kleinen Gewässer. Durch Farmen und an kleinen Dörfern vorbei führt hier der Weg, den Lage-Matla mehrmals kreuzend über Hilane—Agundeni—Djina auf Tekele zu. Alle drei Städte sind Logone-Städte, mit hohen Mauern umgeben, und, was Einwohnerzahl anbetriftft, ungefähr gleich groß, wobel wohl Dü#na die übrigen etwas übertreffen dürfte. Die Aufnahme war überall eine vorzügliche, und es herrschte große Freude, daß nun endlich den Streifzügen der Musgus ein Ende bereitet werden würde, unter denen diese Grenzstädte naturgemäß am meisten zu lelden hatten. Tekele, die erste Niederlassung der Musgus, liegt in elnem großen Halne von Delebpalmen, die sich hier buschartig in einer langen Linie auf viele Kilo- meter weit hinziehen. Die schlanken, hohen Palmen mit den sauberen Häusern darunter boten einen eigenartigen Anblick, den wir aber erst in seinem ganzen Reiz am Logone kennen lernen sollten. In Tekele gewannen wir die erste Fühlung mit den Musgus. Die kußerst saubere, geräumige, be- queme und kunstvolle Bauart ihrer zuckerhutförmigen — Hütten, die runden, etwas über talergroßen mit Zinn belegten Holzscheiben, die sich die Weiber un- schönerweise in die Ober= und Unterlippe einklemmen, sowie ihre kleinen, struppigen Pferdchen mit der be- kannten Druckstelle auf dem Rücken sind zu oft schon besprochene Eigentümlichkeiten jener Stämme, um näher darauf einzugehen. Nur zwei Nebensächlich- keiten möchte ich berichtigen, nämlich einmal, daß diese Rückenwunde der Pferde, nicht wie Barth behauptet, absichtlich erzeugt wird, sondern von dem starken Drucke des nackten Reiters, der ohne Sattel und Decke auf dem bloßen Pferde sitzt, erzeugt wird und dann, daß nicht, wie Nachtigal erzählt, der Eingang zu den zuckerhutförmigen Häusern der Musgus auch von obenher stattfindet. Letztere irrige Anschauung ist wohl dadurch entstanden, daß die Musgus die oft 6 bis 7 m hohen, von außen an den Wulsten leicht zu ersteigenden Häuser als Auslug beim Herannahen einer Karawane benutzten und dann, sobald ihnen dieselbe nahe genug gekommen zu sein schien, naturgemäß an der entgegengesetzten Seite herunterstiegen, wobei wohl der Anschein erweckt wurde, als wenn der Körper im Hause verschwände. Im übrigen verweise ich auf die heute noch völlig zutreffenden Schilderungen und Beschreibungen Barths über Musgum-Verhältnisse. In Tekele trafen im Laufe des Tages die Häupt- linge von Massara, Ngamssi, Ngulmen und Goapam ein, die alle ihre Unterwürfigkeit bezeugen wollten — solange sie die Furcht und die Hoffnung auf ein Geschenk dazu trieb. Am 15. Februar verblieb die Expedition noch in Tekele, um Besprechungen mit den Häuptlingen ab- zuhalten, ihnen die friedlichen Zwecke der Expedition vorzuhalten, die Absichten der Regierung auseinander- zusetzen und auch damit nicht zurückzuhalten, daß im Falle weiterer Klagen über ihre Plündereien sie sich strenger Bestrafung aussetzen würden. Unter Aus- teilung kleiner Geschenke und großer Freundschafts- und Friedensbezeugungen wurden diese Verhandlungen geschlossen. An diesem Tage zog auch in den Morgenstunden ganz dicht bei der Stadt eine große Elefantenherde vorüber, deren Vorkommen ich in dieser Zeit der großen Hitze und des Fehlens jeglicher Waldungen wegen hier nicht für möglich gehalten hätte. Die Verhältnisse in diesem nördlichsten Vorläufer der Musgus wurden so belassen, wie sie vorgefunden wurden. Der Mati-scheba-as-bada von Tekele ver- blieb als Oberhäuptling über die Orte Tekele, Jao- wei, Kocha und Gampo und fieht direkt unter der Residentur. Ein Unterstellen unter den Logone- Sultan würde verfehlt sein, das erkannte ich nur zu bald, da eine zu große Feindschaft zwischen den beiden Nachbarn infolge der seit langen Jahren gegeneinander ausgefochtenen Fehden besteht: Be- drückungen, Ungerechtigkeiten und die Lust, Vergel- tung zu üben, würden an der Tagesordnung sein.